2.
Gemeindliche Rechtsvorschriften
2.1
Verordnungen und Satzungen
1Die Gemeinde kann Regelungen im Bestattungswesen durch Verordnungen (Art. 17 Abs. 1 und 2 BestG) oder Satzungen (Art. 24 GO) treffen. 2Verordnungen sind nur zulässig, soweit nicht andere Rechtsvorschriften bereits dieselben Gegenstände regeln. 3Dazu gehören auch gemeindliche Satzungen. 4Andererseits können Satzungen nicht mehr erlassen werden, soweit die Gemeinde Regelungen im Sinne von Art. 17 Abs. 1 und 2 BestG durch Verordnung getroffen hat (Art. 17 Abs. 3 BestG). 5Wenn in einer Gemeinde nur gemeindliche Bestattungseinrichtungen vorhanden sind, kann sie auf den Erlass einer Verordnung verzichten, wenn alle nach Art. 17 Abs. 1 und 2 BestG erforderlichen Regelungen Benutzungsregelungen im Sinne des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO sind und durch gemeindliche Satzung getroffen werden. 6Sind solche Bestimmungen auch für kirchliche Friedhöfe im Gemeindegebiet erforderlich, sind Verordnungen nach Art. 17 BestG zu erlassen, die in ihrer Wirkung nicht auf gemeindliche Bestattungseinrichtungen beschränkt sind.
2.2
Benutzungszwang
1Nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO kann die Gemeinde aus Gründen des öffentlichen Wohls die Benutzung ihrer Bestattungseinrichtungen durch Satzung zur Pflicht machen. 2Dies gilt auch dann, wenn die Gemeinde sich zur Durchführung ihrer hoheitlichen Aufgaben privater Unternehmen bedient (Nr. 1.4).
2.2.1
1Zulässig ist der Benutzungszwang für alle im Zusammenhang mit der Bestattung stehenden Verrichtungen, die auf dem gemeindlichen Friedhof vorzunehmen sind. 2Dazu gehören unter anderem folgende Leistungen:
- –
das Herrichten (Ausheben und Verfüllen) des Grabes,
- –
das Versenken des Sarges und die Beisetzung von Urnen,
- –
die Leichenbeförderung innerhalb des Friedhofs, also die Überführung des Sarges von der Halle zum Grab einschließlich der Stellung der Sargträger,
- –
Ausgrabungen und Umbettungen einschließlich notwendiger Umsargungen,
- –
Ausschmücken des Aufbahrungsraums und der Aussegnungshalle (Grundausstattung mit Trauerschmuck).
3Den Wünschen der Hinterbliebenen für die Bestattung soll so weit wie möglich entsprochen werden. 4Auf eine Trauerfeier in der Trauerhalle oder auf musikalische Darbietungen können sie verzichten. 5Es steht ihnen auch frei, Kränze und Blumengebinde und zusätzlichen Schmuck, soweit das den organisatorischen Ablauf nicht stört oder die Sicherheit gefährdet, mitzubringen und am Sarg niederzulegen.
2.2.2
Ein Benutzungszwang für ein gemeindliches Leichenhaus ist nur zulässig, soweit er für die Sicherstellung der Überwachungsaufgaben der Gemeinde nach Art. 14 Abs. 1 BestG erforderlich ist.
2.2.2.1
1Die Gemeinde kann hierzu einen Zeitpunkt festlegen, wann eine Leiche oder eine Urne spätestens in das Leichenhaus gebracht werden muss (zum Beispiel 24 Stunden vor der Beisetzung). 2Dies gilt auch für Verstorbene, die von auswärts überführt werden. 3Wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof bereits in seinem Urteil vom 19. April 2002 (Az. Vf. 9-VII-00) festgestellt hat, ist allein der Schutz der Gesundheit kein ausreichender Grund, einen Benutzungszwang für das gemeindliche Leichenhaus anzuordnen, sodass auch eine entsprechend wirkende Regelung durch Verordnung auf der Grundlage von Art. 17 BestG nicht in Betracht kommt. 4Das Gericht weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass dem Gesundheitsschutz durch behördlich überwachte Auflagen ausreichend Rechnung getragen werden kann, wonach die Aufbahrung der Verstorbenen im Leichenraum eines privaten Bestattungsunternehmens den gleichen Anforderungen wie im gemeindlichen Leichenhaus genügen muss.
2.2.2.2
1Bei Überführungen nach auswärts ist ein Benutzungszwang für ein gemeindliches Leichenhaus nach einer Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 23. Dezember 2004 (Az. Vf. 6-VII-03) nicht zulässig. 2Es liegen demnach keine ausreichenden Gründe des öffentlichen Wohls vor, die eine solche Anordnung in einer Satzung nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 2 GO rechtfertigen würden. 3Auch von Leichenräumen eines privaten Bestattungsunternehmens ist nach Feststellung des Gerichts grundsätzlich eine ordnungsgemäße Leichenüberführung, gegebenenfalls unter Auflagen der Gemeinde, möglich. 4Eine den Bestattungsunternehmen auferlegte Verpflichtung, vor einer Leichenüberführung auf einem gemeindlichen Friedhof vorzufahren, ist hingegen im Rahmen des gemeindlichen Handlungsermessens rechtmäßig. 5Nach der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 11. Juli 2008 (Az. Vf. 12-VII-07) entspricht dieses präventive Prüfungsverfahren dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
2.2.2.3
1Bei einer Feuerbestattung in einer privaten Anlage ist ein Benutzungszwang zugunsten des gemeindlichen Leichenhauses der Standortgemeinde der Feuerbestattungsanlage nicht zulässig. 2Die Voraussetzungen der Feuerbestattung werden gemäß § 17 BestV vom Träger der Feuerbestattungsanlage geprüft. 3Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 BestV überwacht die Gemeinde deren Einhaltung bei privater Trägerschaft durch regelmäßige Kontrollen in der Anlage. 4Bei einer Feuerbestattung in einer kommunalen Anlage ist ein Benutzungszwang zugunsten eines gemeindlichen Leichenhauses unzulässig, soweit die Überprüfung nach Art. 14 BestG in geeigneten Räumen der Feuerbestattungsanlage erfolgt.
2.2.2.4
1Auch für einen zulässigen Benutzungs- oder Vorfahrzwang sollten in der Satzung Ausnahmeregelungen getroffen werden. 2Die Erfüllung der gemeindlichen Überwachungsaufgaben bleibt sicherzustellen.
2.2.3
1Ein Benutzungszwang für gemeindliche Friedhöfe kann nicht angeordnet werden. 2Ist in einer Gemeinde nur ein gemeindlicher Friedhof vorhanden, ergibt sich die Benutzungspflicht – abgesehen von einer Überführung nach auswärts – unmittelbar aus den Art. 1 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 2 BestG. 3Besteht außerdem noch ein kirchlicher Friedhof, wäre ein Benutzungszwang für den gemeindlichen Friedhof wegen Art. 24 Abs. 5 GO unzulässig.
2.2.4
1Ein Benutzungszwang kann nicht angeordnet werden für
- –
die Lieferung von Särgen, Sargausstattungen (Sargdecken, Sargtüchern, Sargkissen), Überurnen, Kränzen und Blumenschmuck sowie die Sargeinbettung, Sargbedeckung, Grabdekoration und Grabschmuck,
- –
die Beschaffung der erforderlichen amtlichen Bescheinigung,
- –
die Vermittlung von Trauerdrucksachen, Todesanzeigen und Danksagungen.
2Alle genannten Leistungen können ohne Beeinträchtigung öffentlicher Interessen auch von Privaten erbracht werden.
2.2.5
1Ein Benutzungszwang kommt auch für die Leichenversorgung (Reinigen, Ankleiden und Einsargen) nicht infrage. 2Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Leichenversorgung sachgerecht allein durch die Gemeinde und nicht auch durch private Gewerbetreibende wahrgenommen werden könnte. 3Das Gleiche gilt für die Versorgung von Unfalltoten und sonst tot aufgefundenen Personen, die aus Gründen der öffentlichen Sicherheit schon vor der Einsargung ins Leichenhaus gebracht werden. 4Ein Zwang, die Leichenversorgung von der Gemeinde vornehmen zu lassen, kann auch nicht für Verstorbene in gemeindlichen Krankenhäusern und Altenheimen festgesetzt werden. 5Zu den Aufgaben der Gemeinde als Trägerin dieser Einrichtungen gehört es nicht, die Leichen der dort Verstorbenen herzurichten und einzusargen. 6Gibt es in der Einrichtung keinen Raum für die Leichenversorgung, muss sie dafür sorgen, dass die Verstorbenen in schicklicher, diskreter und hygienisch einwandfreier Weise weggebracht werden. 7Deswegen muss aber die Gemeinde die Verstorbenen nicht durch eigene Einrichtungen endgültig für die Bestattung einsargen lassen.
2.2.6
1Ein Benutzungszwang für den Leichentransport ist unzulässig. 2Das gilt nicht nur für Überführungen, sondern auch für Transporte innerhalb der Gemeinde. 3Ein auf das Gemeindegebiet bezogener Benutzungszwang wäre eine Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit, für die Gründe des öffentlichen Wohls nicht ersichtlich sind.
2.3
Benutzungs- und Verwaltungsgebühren
2.3.1
Hat die Gemeinde das Benutzungsverhältnis öffentlich-rechtlich geregelt, so muss sie für die Inanspruchnahme ihrer Bestattungseinrichtungen Benutzungsgebühren aufgrund einer Gebührensatzung gemäß Art. 8 Abs. 1 Satz 1 KAG erheben.
2.3.2
Die Erhebung von Verwaltungsgebühren für Amtshandlungen im Vollzug bestattungsrechtlicher Vorschriften richtet sich nach einer Satzung gemäß Art. 20 Abs. 1 KG.
2.4
Vorschriften über die gewerbliche Tätigkeit auf Friedhöfen
1Die gewerblichen Tätigkeiten privater Bestattungsunternehmen sind auf solche beschränkt, die nicht einem Benutzungszwang für gemeindliche Einrichtungen unterliegen. 2Verfahren und Formalitäten, die die Aufnahme und Ausübung von Dienstleistungen auf dem Friedhof beschränken, müssen den Vorgaben der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (Dienstleistungsrichtlinie – DLRL) entsprechen.
2.4.1
1Nimmt ein im Inland niedergelassener Gewerbetreibender Tätigkeiten auf dem Friedhof auf, unterliegt dies den Anforderungen an die Niederlassungsfreiheit der Dienstleistungserbringer in Kapitel III DLRL. 2Die Aufnahme der Tätigkeit kann von einer vorherigen förmlichen Genehmigung durch den Friedhofsträger abhängig gemacht werden, soweit die Voraussetzungen der Art. 9 ff. DLRL erfüllt sind. 3Nach Art. 9 Abs. 1 DLRL muss eine entsprechende Regelung durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie muss verhältnismäßig und nicht diskriminierend sein. 4Die Satzungsbestimmungen zu einer förmlichen Genehmigung und zu den Voraussetzungen für deren Erteilung oder Versagung müssen sich für jeden Berufszweig auf solche beschränken, die aus Sicherheitsgründen erforderlich sind oder ohne die die notwendige Achtung der Totenruhe auch bei Einhaltung eventuell angezeigter Verhaltensregeln nicht sichergestellt werden kann. 5Dies gilt auch für Regelungen zu notwendigen fachlichen Qualifikationen.
2.4.1.1
Vor diesem Hintergrund ist die Forderung einer gemeindlichen Genehmigung bei Gärtnern und eine nicht weiter differenzierte Ausdehnung auf „sonstige Gewerbetreibende“ nicht vertretbar.
2.4.1.2
1Soweit eine Genehmigungspflicht für eine gewerbliche Tätigkeit nach den oben genannten Kriterien zulässig ist, kann sie von einer Überprüfung der Sachkunde, Eignung und Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abhängig gemacht werden. 2An die Sachkunde dürfen allerdings keine Anforderungen gestellt werden, die über das geltende Handwerksrecht hinausgehen.
2.4.1.3
1Bei einer zulässigen Genehmigungspflicht sind die in Art. 6 und Art. 13 DLRL genannten Anforderungen an das Verfahren zu beachten. 2In der Satzung ist demnach eine Genehmigungsfiktion nach Art. 42a des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) anzuordnen. 3Hiervon kann abgesehen werden, wenn dies durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. 4Dies entbindet nicht von der Festlegung einer Bearbeitungsfrist.
2.4.1.4
1Grundsätzlich gilt eine Genehmigung im gesamten Bundesgebiet (Art. 10 Abs. 4 DLRL), sofern nicht zwingende Gründe des Allgemeininteresses eine Genehmigung für jede einzelne Betriebsstätte rechtfertigen. 2Der Friedhofsträger hat auf dieser Grundlage zu prüfen, ob eine Zulassung aus anderen Ländern für die Zulassung der gewerblichen Tätigkeit auf dem Friedhof anerkannt werden kann.
2.4.2
1Beabsichtigt ein Gewerbetreibender mit Niederlassung in einem anderen EU-Mitgliedstaat die Aufnahme einer vorübergehenden Tätigkeit auf dem Friedhof, so sind die Grundsätze der Dienstleistungsfreiheit in Kapitel IV DLRL berührt. 2Nach Art. 16 DLRL dürfen hierfür keine ungerechtfertigten Beschränkungen festgelegt werden. 3Da der Dienstleister bereits dem Recht seines Herkunftsstaates unterliegt, sind die Eingriffsmöglichkeiten des Mitgliedstaates, in dem die Leistung erbracht wird, wesentlich eingeschränkter als bei im Inland niedergelassenen Gewerbetreibenden. 4Sie sind jedoch nicht gänzlich ausgeschlossen. 5Anforderungen sind nach Art. 16 Abs. 3 DLRL nur dann zulässig, wenn sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Gesundheit oder des Schutzes der Umwelt gerechtfertigt sind. 6Sie müssen erforderlich, nicht diskriminierend und verhältnismäßig sein (Art. 16 Abs. 1 DLRL).
2.4.2.1
Vor diesem Hintergrund sind Anforderungen beim Aufstellen von Grabsteinen begründbar, da aufgrund der damit verbundenen Unfallgefahr gesundheitliche Schäden für Dritte entstehen können.
2.4.2.2
1Für Anforderungen, die in Art. 16 Abs. 2 DLRL aufgeführt sind, besteht aufgrund der europäischen Rechtsprechung eine erhebliche Vermutung, dass sie in der Regel unverhältnismäßig und damit nicht zulässig sind. 2Dazu gehört beispielsweise die Pflicht, vor Aufnahme der Tätigkeit eine Genehmigung oder einen besonderen Berechtigungsausweis einzuholen. 3Eine solche Vorabkontrolle ist nur in Ausnahmefällen zu rechtfertigen, wenn eine begleitende Überwachung oder eine nachträgliche Überprüfung ungeeignet wäre oder zur Vermeidung eines schweren Schadens zu spät käme.
2.4.2.3
Die Pflicht zur Ausstellung eines Ausweises für die Bediensteten ist zulässig, wenn er lediglich der Zugangskontrolle dient und die Möglichkeit, die Dienstleistung auszuüben, nicht davon abhängig gemacht wird.
2.4.2.4
1Eine eventuelle Genehmigungspflicht für einzelne Berufszweige ist damit grundsätzlich auf Gewerbetreibende zu beschränken, die im Inland niedergelassen sind (siehe Nr. 2.4.1). 2Eine Anzeigepflicht ist ein gegenüber einer Genehmigung milderes Mittel.
2.4.3
Unberührt bleibt im Übrigen die Möglichkeit, als – nicht von der Dienstleistungsrichtlinie betroffene – „Jedermann-Anforderung“ eine Ausweis- oder Vignettenpflicht für Fahrzeuge einzuführen, mit der abweichend von einem Verbot in der Friedhofssatzung eine Ausnahmebewilligung für das Befahren des Friedhofs erteilt werden kann.
2.4.4
1Generell sind die in der Dienstleistungsrichtlinie in Kapitel II getroffenen Festlegungen zur Verwaltungsvereinfachung zu berücksichtigen. 2Sofern sich aus der Satzung Verfahren und Formalitäten für Dienstleistungserbringer ergeben, ist die Anwendung des im Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes vorgesehenen Verfahrens über eine einheitliche Stelle (Art. 6 DLRL, Art. 71a bis 71d BayVwVfG) anzuordnen. 3Das Verfahren muss auf Wunsch des Dienstleisters in elektronischer Form abgewickelt werden (Art. 8 DLRL, Art. 71e BayVwVfG).
2.4.5
1Die Dienstleistungsrichtlinie enthält in Kapitel V Möglichkeiten, die Qualität der Dienstleistungen sicherzustellen. 2So kann vom Dienstleistungserbringer nach Art. 23 Abs. 1 und 2 DLRL eine angemessene Berufshaftpflichtversicherung oder eine im Wesentlichen vergleichbare Sicherheit oder gleichwertige Vorkehrung verlangt werden, wenn seine Dienstleistungen ein unmittelbares und besonderes Risiko für die Gesundheit oder Sicherheit des Dienstleistungsempfängers oder eines Dritten oder für die finanzielle Sicherheit des Dienstleistungsempfängers darstellen. 3Überprüfungen und Kontrollen vor Ort sind gemäß Art. 31 DLRL zulässig, soweit sie nicht diskriminierend sind und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist.
2.4.6
Die Gemeinde kann unter Beachtung des Gleichheitssatzes die gewerbliche Tätigkeit auf dem Friedhof weiteren Beschränkungen unterwerfen (zum Beispiel zeitlichen Beschränkungen, Verbot der Berufsausübung in der Nähe von Bestattungsfeiern), soweit sie zur Sicherstellung des Friedhofszwecks erforderlich, geeignet und verhältnismäßig sind.
2.5
Vorschriften über die Grabgestaltung
2.5.1
1
Art. 9 Abs. 1 BestG enthält allgemeine Anforderungen an Friedhöfe und Grabstätten. 2Die Gemeinde kann diese Anforderungen in der Friedhofssatzung näher konkretisieren, soweit dies verhältnismäßig ist und dem Friedhofszweck sowie dem Recht der Hinterbliebenen auf individuelle Grabgestaltung nicht widerspricht. 3Danach sind vor allem folgende Festlegungen möglich:
- –
maximale Höhe und maximale Breite von Grabmälern,
- –
Verbot, völlig ungewöhnliche Werkstoffe oder aufdringliche Farben zu verwenden,
- –
Verbot von Zeichen und Grabinschriften, die provozieren oder sich in Widerspruch zur Werteordnung des Grundgesetzes setzen.
4Besondere ästhetische oder gestalterische Vorstellungen darf die Gemeinde im Rahmen von Art. 9 Abs. 1 BestG nicht durchzusetzen versuchen.
2.5.2
1Anforderungen im Rahmen von Art. 9 Abs. 3 BestG sind nur zulässig, wenn sie die Handlungsfreiheit der Nutzungsberechtigten nicht unverhältnismäßig einschränken und nicht im Widerspruch zum Friedhofszweck stehen. 2Die Wahlmöglichkeit zwischen mehreren Friedhöfen oder Friedhofsteilen mit unterschiedlichen Gestaltungsvorschriften muss tatsächlich bestehen und in der Friedhofssatzung verankert sein; sie muss sich auf Reihengräber und auf Wahlgräber erstrecken. 3Außerdem müssen die Bereiche, in denen die Hinterbliebenen von ihrem Recht auf individuelle Grabgestaltung Gebrauch machen können, gleichwertig sein.
2.5.3
Der Gemeinde wird empfohlen, im Hinblick auf den Wegfall der Baugenehmigungspflicht und das allgemeine Bemühen um Verwaltungsvereinfachung darauf zu verzichten, in ihrer Friedhofssatzung eine Genehmigungspflicht für das Aufstellen von Grabmälern vorzuschreiben.
2.6
Anforderungen an Särge, Sargausstattungen, Urnen und Sterbebekleidung
1
§ 30 BestV enthält eine abschließende Regelung über die Anforderungen an das Material und die Beschaffenheit von Särgen, Sargausstattungen, Urnen und Sterbebekleidung zum Schutz der Umwelt. 2Gemäß Art. 17 Abs. 1 BestG kann die Gemeinde deshalb hierüber keine Regelungen durch Verordnung mehr treffen. 3Eine Regelung durch Satzung ist gemäß Art. 20 Abs. 1 Nr. 3 BestG nur insoweit möglich, als sie § 30 BestV nicht widerspricht.
2.6.1
Beim Vollzug von § 30 BestV ist Folgendes zu beachten:
- –
§ 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 schließt die Verwendung von massiven Eichensärgen nicht aus, es sei denn, ortsrechtliche Vorschriften über die Begrenzung des Gewichts von Särgen (vergleiche Nr. 2.6.2) stehen entgegen.
- –
Der Stand der Technik gemäß § 30 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 wird derzeit von der VDI-Richtlinie 3891 – Emissionsminderung; Anlagen zur Humankremation – beschrieben.
- –
Das gemäß § 30 Abs. 4 und § 30 Abs. 5 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 4 erforderliche Sachverständigengutachten soll eine Herstellungsbeschreibung enthalten; das Gutachten muss bestätigen, dass der Sarg, Sargausstattungen und Bekleidung den Vorschriften entsprechen.
- –
Hinsichtlich der Beschaffenheit von Sargausstattungen wird auf die VDI-Richtlinie 3891 – Emissionsminderung; Anlagen zur Humankremation – verwiesen.
2.6.2
1Nach der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. April 1994 (Az. Vf. 6-VII-92) können von der gesetzlichen Ermächtigung in Art. 17 Abs. 1 BestG auch Vorschriften über die Beschränkung der Größe und des Gewichts von Särgen gedeckt sein. 2§ 30 BestV steht einer entsprechenden Regelung nicht entgegen, da diese Bestimmung lediglich Vorschriften über das Material und die Beschaffenheit von Särgen, nicht jedoch über deren Abmessungen und Gewicht enthält.
2.7
Erdbestattungen in einem Leichentuch ohne Sarg
1Entscheidet sich die Gemeinde als Friedhofsträgerin, Tuchbestattungen aus religiösen und weltanschaulichen Gründen zuzulassen (§ 30 Abs. 2 BestV), kann sie dies entweder in der Friedhofssatzung oder im Einzelfall bestimmen. 2Sie kann anhand der örtlichen Gegebenheiten festlegen, ob der Transport der Leiche auf dem Friedhof bis zum Grab in einem geschlossenen Sarg zu erfolgen hat oder in einem Leichentuch ohne Sarg zulässig ist.
2.7.1
1Nach § 30 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 3 BestV ist bei Erdbestattungen in einem Leichentuch ohne Sarg sicherzustellen, dass die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Bodens oder des Grundwassers nicht nachteilig verändert und die Verwesung der Leiche innerhalb der Ruhezeit ermöglicht wird. 2Eine Zulassung von Tuchbestattungen setzt daher voraus, dass die Gemeinde, deren Aufgabe als Friedhofsträgerin es ist, die Ruhezeit zu bestimmen (Art. 10 Abs. 1 Satz 1 BestG), die Beschaffenheit und Eignung des Bodens beurteilt. 3Sie entscheidet eigenverantwortlich, ob hierfür die Einholung eines Bodengutachtens erforderlich ist. 4Sofern notwendig, ist die Ruhezeit nach Anhörung des Gesundheitsamts zu verlängern (Art. 10 Abs. 1 Satz 2 BestG).
2.7.2
Die von der Eugen-Biser-Stiftung getragene Islamberatung in Bayern hat auf ihrer Internetseite die Orientierungshilfe „Gemeinsam gut leben – Themenfelder und Perspektiven muslimischen Engagements und kommunale Zusammenarbeit in Bayern“ veröffentlicht, die im Kapitel „Bestattungskultur“ weiterführende Informationen zu sarglosen Bestattungen nach islamischem Ritus enthält.