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ErstAuffR
Text gilt ab: 01.02.2015

2. Voraussetzungen zur Versagung der Erlaubnis oder zur Einschränkung durch Auflagen

Die Antragstellerin bzw. der Antragsteller hat grundsätzlich einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Erstaufforstungserlaubnis bzw. auf Erteilung einer Erlaubnis nach Art. 16 Abs. 1 Satz 2 BayWaldG. Die Erlaubnis zur Erstaufforstung bzw. die Anlage von KUP darf nur versagt oder durch Auflagen eingeschränkt werden, wenn mindestens eine der in Art. 16 Abs. 2 BayWaldG genannten Voraussetzungen vorliegt. Dies ist der Fall, wenn
die Aufforstung Plänen im Sinn des Art. 4 des Gesetzes über den Schutz der Natur, die Pflege der Landschaft und die Erholung in der freien Natur (Bayerisches Naturschutzgesetz – BayNatSchG) vom 23. Februar 2011 (GVBl S. 82, BayRS 791-1-U)1), zuletzt geändert durch § 1 Nr. 398 der Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), in Verbindung mit § 11 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (Bundesnaturschutzgesetz – BNatSchG) vom 29. Juli 2009 (BGBl I S. 2542), zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 100 des Gesetzes vom 7. August 2013 (BGBl I S. 3154), widerspricht,
wesentliche Belange der Landeskultur oder des Naturschutzes und der Landschaftspflege gefährdet werden,
der Erholungswert der Landschaft beeinträchtigt wird oder
erhebliche Nachteile für die umliegenden Grundstücke zu erwarten sind.

2.1 Widerspruch zu Plänen im Sinn des Art. 4 BayNatSchG in Verbindung mit § 11 BNatSchG

Von Bedeutung ist hier im Wesentlichen der Landschaftsplan der Gemeinde als Bestandteil des Flächennutzungsplans (Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG) oder als selbstständiger Plan (Art. 4 Abs. 3 BayNatSchG).
Der Landschaftsplan dient als gemeindliches Planungsinstrument auch der Steuerung von Erstaufforstungen bzw. der Anlage von KUP. Der Landschaftsplan kann Erstaufforstungsgewanne darstellen, in denen keine gesonderte Erlaubnis für Erstaufforstungen oder KUP erforderlich ist, oder Flächen ausweisen, die nicht aufgeforstet oder auf denen keine KUP angelegt werden dürfen. Alle Flächen sind entsprechend dem Maßstab der Landschaftsplanung möglichst parzellenscharf darzustellen.

2.2 Gefährdung wesentlicher Belange der Landeskultur

Die „Landeskultur “ umfasst alle aktiven Maßnahmen der Bodenbewirtschaftung in einem Landschaftsraum. Die Steuerung der Wald-Feld-Verteilung ist sowohl unter ökonomischen als auch unter ökologischen Gesichtspunkten eine wichtige landeskulturelle Maßnahme. Besonders in waldärmeren Bereichen sind Erstaufforstungen mit standortgemäßen Baumarten auch aus landeskulturellen Gründen erwünscht. Wesentliche Belange der Landeskultur können durch Erstaufforstungen bzw. Anlage von KUP allerdings gefährdet sein, wenn z.B.
in ohnehin waldreichen Mittelgebirgen verbliebene landschaftsprägende Freiflächen aufgeforstet werden sollen,
umliegende Nutzungsformen an der herkömmlichen Art der Bewirtschaftung gehindert würden oder
der Aufforstung wasserwirtschaftliche Belange entgegenstehen, insbesondere das grundsätzliche Aufforstungsverbot in vorläufig gesicherten und festgesetzten Überschwemmungsgebieten, soweit die Aufforstung den Zielen des vorsorgenden Hochwasserschutzes entgegensteht (§ 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7, Abs. 6 des Gesetzes zur Ordnung des Wasserhaushalts (Wasserhaushaltsgesetz – WHG) vom 31. Juli 2009 (BGBl I S. 2585), zuletzt geändert durch Art. 2 des Gesetzes vom 15. November 2014 (BGBl I S. 1724). Soweit die Neuschaffung standortgerechter Wälder bzw. die Anlage von standortgerechten KUP im Auenbereich den Hochwasserschutz nicht beeinträchtigt, sollen, wo immer möglich, Ausnahmen zugelassen werden.

2.3 Gefährdung wesentlicher Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege

Im Regelfall stellen standortgemäße Erstaufforstungen bzw. die Anlage von standortgemäßen KUP keine Gefährdung der Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege dar, sondern entfalten vielmehr günstige Wirkungen für Naturhaushalt und Landschaftsbild. Neu entstehende Wälder vermindern Schadstoffeinträge in Böden, Grund- und Oberflächenwasser, binden klimaschädliches Kohlendioxid, produzieren den nachwachsenden Rohstoff bzw. Energieträger Holz und bieten zahlreichen Tier- und Pflanzenarten Lebens- und Rückzugsraum.
Auch KUP können als extensive Form der Landnutzung positive Auswirkungen auf Tier- und Pflanzenarten haben. Regelmäßig positive Auswirkungen haben KUP auf die Schutzgüter Wasser und Boden. Die positiven Wirkungen von KUP auf den Naturhaushalt und die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind in den Stellungnahmen der Fachverwaltungen zu nennen.
In Ausnahmefällen können Erstaufforstungen oder die Anlage von KUP allerdings den Naturhaushalt oder das Landschaftsbild erheblich beeinträchtigen. Dies kann im Hinblick auf den Naturhaushalt z.B. der Fall sein, wenn von einer Aufforstung ökologisch wertvolle Flächen wie z.B.
hochwertige Waldrandbereiche oder Streuobstbestände,
bedeutende Wiesenbrüterflächen oder
für den Erhalt gefährdeter Tier- und Pflanzenarten bedeutsame Lebensräume
erheblich betroffen sind. Dies ist zu begründen.
Erstaufforstungen und die Anlage von KUP können Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege auch dann gefährden, wenn sie den schützenswerten Charakter einer Landschaft erheblich verändern. Das gilt insbesondere dann, wenn bisher offene Flächen, die das Landschaftsbild maßgeblich bestimmen (z.B. das Landschaftsbild prägende Wiesentäler und Talabschlüsse, Bergkuppen, Umgriffe von Felspartien, waldfreie Flächen in sonst dicht bewaldeten Gebieten), aufgeforstet werden. Dies kann schon bei der Erstaufforstung relativ kleiner Flächen der Fall sein.
Wesentliche Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind durch eine Erstaufforstung oder die Anlage von KUP auch gefährdet, wenn die Erstaufforstung oder die Anlage von KUP im Widerspruch zu anderen Rechtsvorschriften stehen und die Voraussetzungen für eine Zulassung nach diesen Vorschriften nicht bestehen, z.B. auch eine Befreiung nach § 67 BNatSchG, Art. 56 BayNatSchG oder eine Ausnahme nach § 30 Abs. 3 BNatSchG in Verbindung mit Art. 23 Abs. 3 und 4 BayNatSchG, § 30 Abs. 4 BNatSchG nicht infrage kommt. In Betracht für eine Gefährdung kommen insbesondere:
§ 30 BNatSchG, Art. 23 BayNatSchG (gesetzlich geschützte Biotope),
§§ 31 ff. BNatSchG (Schutzvorschriften für Natura 2000-Gebiete),
Unterschutzstellungen nach Kapitel 4 Abschnitt 1 BNatSchG in Verbindung mit Teil 3 BayNatSchG (Naturschutzgebiete – § 23 BNatSchG, Nationalparke – § 24 BNatSchG in Verbindung mit Art. 13 BayNatSchG, Nationale Naturmonumente – § 24 BNatSchG, Kernzonen von Biosphärenreservaten – Art. 14 BayNatSchG, Landschaftsschutzgebiete – § 26 BNatSchG, Schutzgebiete von Naturparken – Art. 15 BayNatSchG, Naturdenkmäler – § 28 BNatSchG, geschützte Landschaftsbestandteile – § 29 BNatSchG, Schutz bestimmter Landschaftsbestandteile – Art. 16 BayNatSchG).

2.4 Beeinträchtigung des Erholungswertes der Landschaft

Der Erholungswert einer Landschaft kann durch Erstaufforstungen bzw. durch die Anlage von KUP beeinträchtigt werden, wenn der Genuss von Natur und Landschaft oder der Zugang zur freien Natur ausgeschlossen oder erheblich beeinträchtigt werden. Dies kann insbesondere der Fall sein, wenn von der Erstaufforstung z.B. Aussichtspunkte, die unmittelbare Umgebung von kulturellen und landschaftlichen Besonderheiten und Sehenswürdigkeiten (wie Burgen, Ruinen, Denkmäler, Kirchen, charakteristische Felsen) und Abschnitte von Wanderwegen betroffen sind.
Der Erholungswert der Landschaft ist durch eine Erstaufforstung auch beeinträchtigt, wenn sie im Widerspruch zu anderen Rechtsvorschriften steht, die der Wahrung dieses Belanges dienen. In Betracht kommen hier insbesondere Verordnungen nach Kapitel 4 Abschnitt 1 BNatSchG (Landschaftsschutzgebiete – § 26 BNatschG, Naturparke – Art. 15 BayNatSchG).

2.5 Erhebliche Nachteile für die umliegenden Grundstücke

Gemäß Art. 47 des Gesetzes zur Ausführung des Bürgerlichen Gesetzbuches und anderer Gesetze – AGBGB – (BayRS 400-1-J), zuletzt geändert durch § 1 Nr. 335 der Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl S. 286), kann der Eigentümer eines Grundstücks verlangen, dass auf einem Nachbargrundstück nicht Bäume oder Sträucher, die über 2 m hoch sind, innerhalb eines Grenzabstands von 2 m gehalten werden. Gegenüber einem Waldgrundstück kann nur die Einhaltung eines Abstands von 0,5 m verlangt werden. Würde die wirtschaftliche Bestimmung eines landwirtschaftlich genutzten Grundstücks durch Schmälerung des Sonnenlichts erheblich beeinträchtigt werden, ist mit Bäumen von mehr als 2 m Höhe gemäß Art. 48 Abs. 1 AGBGB ein Abstand von 4 m einzuhalten. Etwas anderes gilt dann, wenn die Aufforstung nach Lage des Grundstücks der wirtschaftlichen Zweckmäßigkeit entspricht (Art. 50 Abs. 3 Satz 1 AGBGB).
Sind durch eine Erstaufforstung oder eine KUP erhebliche Nachteile für die umliegenden Grundstücke zu erwarten, kann der einzuhaltende Grenzabstand gemäß Art. 16 Abs. 3 BayWaldG im Rahmen einer Auflage größer als in den Vorschriften des AGBGB festgelegt werden.
Aufgrund der kürzeren Umtriebszeiten und der geringeren Höhen ist bei KUP in den meisten Fällen ein geringerer Grenzabstand als bei Erstaufforstungen möglich.
Wie groß der Grenzabstand im konkreten Fall sein muss, um erhebliche Nachteile für die umliegenden Grundstücke zu vermeiden, kann jeweils nur anhand des Einzelfalls beurteilt und festgelegt werden. Maßgebend sind hierbei vor allem die Exposition, die Hangneigung, die verwendeten Baumarten, die Lage der Grundstücke zueinander, der Standort und die Nutzung der angrenzenden Flächen. Nachteile für umliegende Grundstücke, die nicht erheblich sind, müssen in Kauf genommen werden. Eine Ertragsminderung bis zu 20 v. H., bezogen auf das Buchgrundstück, ist nicht als erheblicher Nachteil anzusehen (vgl. den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs – BayVGH – vom 1. Februar 2011 Az.: 19 ZB 10.1938 sowie die Urteile des BayVGH vom 29. November 2000 Az.: 19 B 97.690, vom 12. Februar 1998 Az.: 19 B 96.1858 und vom 16. Oktober 1996 Az.: 19 B 94.814).
Ist mit solchen erheblichen Nachteilen zu rechnen, können als Orientierungshilfe folgende Grenzabstände zu Acker- und Grünland empfohlen werden:
Aufforstung im Süden eines Grundstücks bis zu 10 m,
Aufforstung im Westen und Osten eines Grundstücks ca. 5 m bis 7 m,
Aufforstung im Norden eines Grundstücks bis zu 4 m.
Ein etwaiger Strauchmantel wird bei Erstaufforstungen in die Abstandsfläche eingerechnet. Sofern im Rahmen der Erstaufforstung ein mehrstufiger Waldrand angelegt wird, ist über die gesetzlich vorgeschriebenen Grenzabstände zu landwirtschaftlich genutzten Flächen hinaus ein erweiterter Grenzabstand nicht angezeigt.
Ein erweiterter Grenzabstand in oben genannter Form kann auch dann festgelegt werden, wenn die Erstaufforstung erhebliche Nachteile für angrenzende, nach § 30 BNatSchG, Art. 23 BayNatSchG geschützte Flächen hat. Zu Feuchtflächen wird in der Regel ein geringerer Abstand erforderlich sein als zu Trocken- und Magerflächen.
Zu bebauten Nachbargrundstücken kann ebenfalls ein erweiterter Grenzabstand als Auflage festgesetzt werden, wenn durch Erstaufforstungen oder KUP erhebliche Nachteile für die bebauten Grundstücke zu erwarten sind. Bei der Festsetzung von erweiterten Grenzabständen zu bebauten Nachbargrundstücken können vorgenannte empfohlene Grenzabstände zur Orientierung herangezogen werden. Wie groß der Grenzabstand im konkreten Fall sein muss, um erhebliche Nachteile für die bebauten Nachbargrundstücke zu vermeiden, muss aber anhand des Einzelfalls beurteilt, begründet und festgelegt werden.

1) [Amtl. Anm.:] Hinweis: Art. 4 BayNatSchG entspricht Art. 3 BayNatSchG in der vor dem 1. März 2011 gültigen Fassung des BayNatSchG.