Inhalt

Text gilt ab: 27.09.2011

2. Rechtsgrundlagen

2.1 Waldwegebau allgemein

Waldwege sind dem Wald gleichgestellte oder ihm dienende Flächen (Art. 2 Abs. 2 Nr. 1 Waldgesetz für Bayern – BayWaldG). Als Waldwege gelten Forstwege und dazugehörende Anlagen (z.B. Wendemöglichkeiten, Holzlagerplätze, Lagerstreifen, Brücken, Stützmauern) mit Ausnahme von Maßnahmen der Feinerschließung. Sie bedürfen in der Regel keiner Gestattung oder Anzeige. Die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung kommt daher nach § 17 Abs. 1 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) nicht zur Anwendung, soweit keine besonderen gesetzlichen Anzeige- oder Gestattungspflichten bestehen (vgl. nachfolgende Nrn. 2.2 bis 2.7). Anordnungen nach Art. 6 Abs. 2 des Bayerischen Naturschutzgesetzes (BayNatSchG) kommen nur in Betracht, soweit der Waldwegebau den in Nr. 3 in Verbindung mit dem Anhang näher beschriebenen Anforderungen nicht entspricht.
Der Waldwegebau bedarf nur im Schutzwald (Art. 10 BayWaldG) einer Rodungsgenehmigung (Art. 9 Abs. 2 Satz 2 BayWaldG). Werden durch die tatsächlich in Anspruch genommene Rodungsfläche (Wegelänge x Trassenbreite) die Schwellenwerte von Nr. 17.2 der Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) überschritten, ist je nach erreichtem Schwellenwert eine standortbezogene oder eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls bzw. eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) nach dem UVPG durchzuführen.

2.2 Waldwegebau in Schutzgebieten

In Schutzgebieten nach Kapitel 4 Abschnitt 1 BNatSchG und Teil 3 des BayNatSchG, insbesondere in Nationalparken, in Naturschutzgebieten und in Landschaftsschutzgebieten, kann der Bau von Waldwegen nach der jeweiligen Schutzverordnung gestattungspflichtig sein. Im Gegensatz zu einem Bau von Waldwegen in Naturschutzgebieten ist der Waldwegebau in Landschaftsschutzgebieten und ehemaligen Schutzzonen der Naturparke nur gestattungspflichtig, wenn der Wegebau in der Schutzgebietsverordnung als Zulassungstatbestand ausdrücklich erfasst ist. Ist dies nicht der Fall, kommt die Eingriffsregelung nicht zur Anwendung (vgl. Nr. 2.1). Im Übrigen setzt die Aufnahme des Waldwegebaus in einer Landschaftsschutzgebietsverordnung voraus, dass ernsthafte Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft zu erwarten sind. Für die Gestattung ist die in der Schutzverordnung oder in Art. 18 in Verbindung mit Art. 44, Art. 56 BayNatSchG bestimmte Naturschutzbehörde zuständig. Bedarf es auch einer Rodungserlaubnis, ist die Ersetzungswirkung beider Verfahren zu beachten (Art. 18 Abs. 1, Art. 56 Satz 3 BayNatSchG, Art. 9 Abs. 8 Satz 1 BayWaldG). Ziel der Ersetzungsregelung ist die Vermeidung von Doppelverfahren. Ersetzungswirkung hat daher das Verfahren, das eine umfassende Prüfung des Vorhabens in einem Verfahren ermöglicht. In Zweifelsfällen legen die jeweils vorgesetzten Behörden der Gestattungsbehörden die verfahrensführende Behörde einvernehmlich fest. Die verfahrensführende Behörde entscheidet im Einvernehmen mit der anderen zuständigen Behörde (Art. 18 Abs. 1, Art. 56 Satz 3 Halbsatz 2 BayNatSchG, Art. 39 Abs. 2 Satz 2 BayWaldG).

2.3 Waldwegebau im Alpengebiet

Im Alpengebiet im Sinn der Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) ist die Errichtung oder wesentliche Änderung von befahrbaren Waldwegen, die keiner sonstigen öffentlich-rechtlichen Gestattung bedürfen, gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG der unteren Naturschutzbehörde mindestens drei Monate vorher anzuzeigen. Die Frist beginnt zu laufen, sobald der Naturschutzbehörde die im Weiteren unter Nr. 5 Abs. 3 Spiegelstriche 1 bis 3 genannten Unterlagen vorliegen. Anordnungen nach § 15 BNatSchG sind nur innerhalb dieser Frist möglich (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayNatSchG). Reagiert die Naturschutzbehörde innerhalb dieser Frist nicht auf die Anzeige, kann der Weg ohne weiteren Zeitverzug gebaut werden. Trifft sie eine Entscheidung nach § 15 BNatSchG und ist zusätzlich eine Rodungserlaubnis erforderlich, gilt für die Ersetzungswirkung die Regelung in Nr. 2.2 entsprechend.
In den Zonen B und C der Erholungslandschaft Alpen ist bei Waldwegeneubauten zur Prüfung der landesplanerischen Zulässigkeit die höhere Landesplanungsbehörde (Regierung) einzuschalten.

2.4 Waldwegebau in gesetzlich besonders geschützten Biotopen

Beim Bau eines Waldwegs ist grundsätzlich eine Zerstörung oder sonstige erhebliche Beeinträchtigung der in § 30 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG, Art. 23 Abs. 1 und Art. 16 Abs. 1 BayNatSchG genannten, ökologisch besonders wertvollen Biotope und Landschaftsbestandteile zu vermeiden. Ist dies mit verhältnismäßigem Aufwand nicht möglich, kann der Waldwegebau durch eine Ausnahme der unteren Naturschutzbehörde nach § 30 Abs. 3 BNatSchG, Art. 23 Abs. 3 bzw. Art. 16 Abs. 2 BayNatSchG zugelassen werden, wenn die Beeinträchtigungen der jeweiligen Standorteigenschaften für wild lebende Tiere und Pflanzen ausgeglichen werden können oder wenn die Maßnahme aus überwiegenden Gründen des Gemeinwohls notwendig ist. Eine für die sachgemäße Bewirtschaftung und Pflege nach dem BayWaldG erforderliche Erschließung liegt im Interesse des Gemeinwohls, sofern sie alle Funktionen des Waldes gewährleistet. Wird eine Ausnahme erteilt, sind die oben genannten Beeinträchtigungen zu kompensieren (vgl. Nr. 4).
Für die Ersetzungswirkung (Art. 23 Abs. 3 Satz 2 BayNatSchG) gilt die Regelung in Nr. 2.2 entsprechend.

2.5 Waldwegebau und Natura 2000

Der Bau von Waldwegen kann Erhaltungsziele von Natura 2000-Gebieten (FFH- und Vogelschutzgebiete) beeinträchtigen. Der Waldwegebau außerhalb von Natura 2000-Gebieten bedarf im Regelfall nicht der Anzeige oder Prüfung, sofern der Waldwegebau nicht in benachbarte Natura 2000-Gebiete hineinwirkt. Innerhalb von Natura 2000-Gebieten unterliegt der Bau von Waldwegen nur dann den Natura 2000-Bestimmungen, wenn Erhaltungsziele von Natura 2000-Gebieten im Sinn des § 7 Abs. 1 Nr. 9 BNatSchG erheblich beeinträchtigt werden.

2.5.1 Erforderlichkeit einer Verträglichkeitsprüfung

In Natura 2000-Gebieten stellt ein geplanter Waldwegbau ein Projekt im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG nur dar, wenn der Waldweg geeignet ist, einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten die Erhaltungsziele eines FFH- oder Vogelschutzgebiets erheblich zu beeinträchtigen. Kommt eine erhebliche Beeinträchtigung der Erhaltungsziele des Natura 2000-Gebiets ernsthaft in Betracht, ist für den Waldweg eine FFH-Verträglichkeitsprüfung durchzuführen. Ob von einer ernsthaften Möglichkeit einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen ist, wird im Rahmen einer sogenannten Verträglichkeitsabschätzung durch die untere Naturschutzbehörde aufgrund eines Beurteilungsvorschlags der unteren Forstbehörde geprüft. Führt der Wegebau nach der Verträglichkeitsprüfung zu einer erheblichen Beeinträchtigung von Erhaltungszielen und bestehen keine Alternativen, ist eine Ausnahme nach § 34 Abs. 3 BNatSchG, Art. 22 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 56 BayNatSchG erforderlich. Ein für die sachgemäße Bewirtschaftung nach dem BayWaldG notwendiger Waldwegebau liegt im Sinn des § 34 Abs. 3 Nr. 1 BNatSchG im öffentlichen Interesse (vgl. Nr. 2.4).

2.5.2 Anzeigepflicht (§ 34 Abs. 6 BNatSchG)

Wird der Waldwegebau nicht von einer Behörde durchgeführt und bedarf er keiner anderweitigen Genehmigung oder Anzeige, ist er gemäß § 34 Abs. 6 Satz 1 BNatSchG bei der zuständigen unteren Naturschutzbehörde anzuzeigen, wenn er ein Projekt im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG darstellt. Kann der Wegebau nach dem Ergebnis der Verträglichkeitsprüfung zu einer erheblichen Beeinträchtigung des Natura 2000-Gebiets führen, ist zu prüfen, ob die Ausnahmevoraussetzungen nach § 34 Abs. 3 BNatSchG vorliegen. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, hat die untere Naturschutzbehörde das Projekt zu untersagen (§ 34 Abs. 6 Satz 5 BNatSchG).

2.6 Waldwegebau in Gebieten mit Vorkommen besonders geschützter Arten (§§ 44 ff. BNatSchG)

Die Zugriffsverbote nach § 44 Abs. 1 BNatSchG sind auch beim Waldwegebau zu beachten.
Da es sich bei Wegebauvorhaben, die den fachlichen Anforderungen des Anhangs entsprechen, um zulässige Eingriffe im Sinn des § 15 BNatSchG handelt, sind die Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG nur für Tier- und Pflanzenarten nach Anhang IV der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (92/43/EWG) und europäische Vogelarten zu prüfen (§ 44 Abs. 5 Satz 5 BNatSchG). Ein Verstoß gegen diese Verbote liegt nicht vor, wenn die ökologische Funktion der vom Waldwegebau betroffenen Fortpflanzungs- oder Ruhestätte im räumlichen Zusammenhang weiterhin erfüllt werden kann (§ 44 Abs. 5 Satz 2 BNatSchG). Die Funktion der Fortpflanzungs- oder Ruhestätte in räumlich-funktionalem Zusammenhang kann auch durch vorgezogene Ausgleichsmaßnahmen (vgl. Nr. 4) weiterhin aufrechterhalten werden (§ 44 Abs. 5 Satz 3 BNatSchG).
Zu beachten ist auch das Störungsverbot des § 44 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG. Dieses Verbot erfasst ebenfalls nur die oben genannten europarechtlich geschützten Arten. Eine erhebliche Störung im Sinn der Regelung liegt nur vor, wenn sich der Erhaltungszustand der lokalen Population einer Art verschlechtert.
Ausnahmen von den Verboten können unter den Voraussetzungen des § 45 Abs. 7 BNatSchG von der höheren Naturschutzbehörde zugelassen werden.
Der Verstoß gegen die Verbote des § 44 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 BNatSchG ist bei streng geschützten Arten generell strafbewehrt (§ 71 Abs. 2 und 4 BNatSchG).

2.7 Waldwegebau in der Flurbereinigung

Für den Waldwegebau in der Flurbereinigung gelten die einschlägigen Regelungen des Flurbereinigungsrechts (vgl. die Gemeinsame Bekanntmachung der Staatsministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Landesentwicklung und Umweltfragen über Flurbereinigung und Naturschutz vom 12. Dezember 1988, AllMBl 1989 S. 8).

2.8 Materialentnahmestellen

Ab einer Größe von 500 Quadratmeter oder Tiefe von 2 Meter bedürfen Materialentnahmestellen zur Gewinnung von Wegebaumaterial einer Abgrabungsgenehmigung nach Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 Nr. 1 BayAbgrG. Besondere gesetzliche Schutzbestimmungen sind – unabhängig von der Größe der Maßnahme – zu beachten.

2.9 Waldfeinerschließung

Maßnahmen der Feinerschließung (Rückewege, Rückegassen, Begangssteige, Seiltrassen u. Ä.) sind in der Regel mit keinen erheblichen Eingriffen in Natur und Landschaft verbunden und sind insoweit anzeige- und genehmigungsfrei. Sie sind von dieser Bekanntmachung nicht betroffen und unterliegen keinen Kompensationsverpflichtungen. Sie sind naturschonend durchzuführen. Besondere gesetzliche Schutzbestimmungen sind zu beachten. Die Beeinträchtigung von besonderen Schutzbestimmungen ist durch die zuständige Naturschutzbehörde zu belegen.