Inhalt

BayVwVBes
Text gilt ab: 01.07.2018
Fassung: 22.12.2010
15.
Rückforderung der Besoldung

15.1

Eine „gesetzliche“ Änderung der Bezüge liegt auch dann vor, wenn die Änderung durch Rechtsverordnung erfolgt.
Der oder die Berechtigte wird durch eine gesetzliche Änderung „schlechter gestellt“, wenn und soweit ihm oder ihr durch die Änderung seiner oder ihrer Bezüge für den maßgeblichen Zeitraum im Ergebnis brutto weniger zusteht als zuvor.

15.2.0

Art. 15 Abs. 2 enthält eine spezielle Ausgestaltung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs für die Beamtenbesoldung und geht insoweit den allgemeinen Regelungen in Art. 49a BayVwVfG vor.
1Neben einem Rückforderungsanspruch aus Art. 15 Abs. 2 kann bei schuldhafter, die Überzahlung verursachender Pflichtverletzung (z.B. Verletzung der Anzeigepflicht) ein Schadenersatzanspruch aus § 48 BeamtStG gegeben sein. 2Da Ansprüche aus § 48 BeamtStG und Art. 15 Abs. 2 nebeneinander bestehen können, empfiehlt es sich, den Rückforderungsbescheid ggf. auf beide Vorschriften zu stützen; dabei sind auch etwaige sonstige Voraussetzungen für einen Anspruch aus § 48 BeamtStG zu beachten, z.B. Beteiligung der Personalvertretung nach Art. 75 Abs. 1 Nr. 13 BayPVG und Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung nach § 95 Abs. 2 SGB IX.

15.2.1

Die Rückforderung richtet sich nach Art. 15 Abs. 2, wenn
Besoldung „zuviel gezahlt“ wurde und
nicht Art. 15 Abs. 1 als Sonderregelung vorgeht.

15.2.2

1Besoldung ist „zuviel gezahlt“ (= überzahlt), wenn sie ohne rechtlichen Grund gezahlt wurde, z.B. ohne Bescheid im Widerspruch zum geltenden Recht. 2Im Zeitpunkt der Überzahlung ohne Rechtsgrund entsteht der Anspruch auf Rückforderung (= Anknüpfungspunkt für den Verjährungsbeginn gemäß Art. 13).
Ein vorausgegangenes Handeln der Verwaltung bildet einen selbständigen Rechtsgrund für die Zahlung der Besoldung, wenn es sich um einen Verwaltungsakt im Sinn des Art. 35 BayVwVfG handelt; das gilt auch für einen fehlerhaften Verwaltungsakt, soweit dieser nicht nichtig ist.

15.2.3

Eine Überzahlung liegt demnach vor, wenn und soweit Bezüge gezahlt wurden
ohne Bescheid im Widerspruch zum geltenden Recht,
im Widerspruch zu einem wirksamen Bescheid,
aufgrund eines nichtigen Bescheides im Widerspruch zum geltenden Recht,
aufgrund eines zunächst wirksamen, später jedoch ganz oder teilweise zurückgenommenen, widerrufenen, anderweitig aufgehobenen (z.B. durch verwaltungsgerichtliche Entscheidung) oder durch Zeitablauf oder in anderer Weise (z.B. durch Beendigung des Beamtenverhältnisses oder durch förmliche Feststellung des Verlustes der Bezüge nach Art. 9) erledigten Bescheides,
aufgrund eines später nach Art. 42 BayVwVfG berichtigten Bescheides.

15.2.4

„Bescheide“ in diesem Sinn sind schriftliche Mitteilungen an den Beamten oder die Beamtin über ihm oder ihr zustehende oder bewilligte Bezüge, sofern in ihnen eine Regelung der Bezüge oder die Festsetzung einzelner Bemessungsgrundlagen der Bezüge (z.B. Entscheidungen zur Stufenfestsetzung oder zur Anrechnung berücksichtigungsfähiger Zeiten) enthalten ist.
1Hierzu gehören nicht die Bezügemitteilungen, da ihnen ein regelnder Charakter nicht zukommt und sie den Empfänger oder die Empfängerin lediglich über die erfolgten Zahlungen unterrichten sollen. 2Entscheidend für die Abgrenzung ist, ob im konkreten Einzelfall durch über das Zahlenwerk hinausgehende zusätzliche Entscheidungen der Verwaltung erkennbar eine Regelung getroffen oder aber nur informiert werden soll.

15.2.5

Im Widerspruch zu einem wirksamen Bescheid sind Bezüge „zuviel gezahlt“, wenn sie z.B. infolge eines Fehlers beim Auszahlungsvorgang überzahlt wurden oder wenn sie wegen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Bescheid, der Bezüge entzieht oder herabsetzt, zunächst weitergezahlt worden sind, der angefochtene Bescheid aber aufrechterhalten wird.
1Ein nichtiger Bescheid ist als Rechtsgrundlage für die Zahlung von Besoldungsbezügen unwirksam (vgl. Art. 43 Abs. 3 BayVwVfG). 2Wann ein Bescheid nichtig ist, ergibt sich aus Art. 44 BayVwVfG.
Ein rechtswidriger Bescheid bleibt nach Art. 43 Abs. 2 BayVwVfG wirksam, solange und soweit er nicht zurückgenommen, anderweitig (z.B. durch verwaltungsgerichtliche Entscheidung) aufgehoben, berichtigt oder durch Zeitablauf oder auf andere Weise (z.B. Beendigung des Beamtenverhältnisses, Feststellung des Verlustes der Bezüge nach Art. 9) erledigt ist.
Wann und in welchem Umfang ein rechtswidriger Bescheid zurückgenommen werden kann, ergibt sich aus Art. 48 BayVwVfG.

15.2.6 Voraussetzungen des Rückforderungsanspruchs

Zuviel gezahlte Bezüge sind zurückzufordern, wenn und soweit
nicht der Wegfall der Bereicherung mit Erfolg geltend gemacht wird oder unterstellt werden kann,
die Berufung auf den Wegfall der Bereicherung unbeachtlich ist,
nicht aus Billigkeitsgründen nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 von der Rückforderung abgesehen wird.

15.2.7 Prüfung des Wegfalls der Bereicherung

15.2.7.1

Die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge richtet sich nach §§ 812 ff. BGB.
1Die Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge ist ausgeschlossen, wenn die Bereicherung weggefallen ist (vgl. § 818 Abs. 3 BGB). 2Unabhängig von der absoluten Besoldungshöhe kann ohne nähere Prüfung der Wegfall der Bereicherung unterstellt werden, wenn die im jeweiligen Monat zuviel gezahlten Bezüge 10 v.H. des insgesamt zustehenden Betrags, höchstens 150 €, nicht übersteigen; dies gilt auch dann, wenn in einem Monat Nachzahlungen erfolgen. 3Insgesamt darf der Gesamtbetrag der zuviel gezahlten Bezüge 1 000 € nicht überschreiten.

15.2.7.2

1Die Berechtigten sind auf die Möglichkeit hinzuweisen, sich auf den Wegfall der Bereicherung zu berufen. 2Machen sie den Wegfall der Bereicherung geltend, so sind sie aufzufordern, sich innerhalb einer angemessenen Frist über die Höhe ihrer Einkünfte während des Überzahlungszeitraums und über deren Verwendung zu äußern. 3Inwieweit eine Bereicherung weggefallen ist, haben die Empfänger im Einzelnen darzulegen und nachzuweisen. 4Der Wegfall der Bereicherung ist anzunehmen, wenn die Empfänger glaubhaft machen, dass sie die zuviel gezahlten Bezüge im Rahmen ihrer Lebensführung verbraucht haben. 5Eine Bereicherung ist noch vorhanden, wenn im Zeitpunkt der Rückforderung gegenüber dem Beginn des Zeitraums, in dem die Überzahlung geleistet worden ist, ein Vermögenszuwachs zu verzeichnen ist, der ohne die Überzahlung nicht eingetreten wäre. 6Eine Verminderung von Schulden steht einem Vermögenszuwachs gleich.

15.2.7.3

Soweit für einen Zeitraum Nachzahlungsansprüche der Berechtigten Rückforderungsansprüchen des Dienstherrn gegenüberstehen, können diese auch dann verrechnet werden, wenn der Geltendmachung der Rückforderungsansprüche der Wegfall der Bereicherung entgegensteht.

15.2.8

1Der Anspruch auf Rückzahlung zuviel gezahlter Bezüge bleibt ohne Rücksicht auf den Wegfall der Bereicherung bestehen, wenn und soweit
die Bezüge ausdrücklich unter Rückforderungsvorbehalt, als Vorschuss, als Abschlag oder aufgrund eines als vorläufig bezeichneten oder erkennbaren Bescheides gewährt wurden,
die Bezüge wegen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Bescheid, der Bezüge herabsetzt oder entzieht oder Grundlage für die Herabsetzung oder Entziehung von Bezügen ist, zunächst weitergezahlt worden sind und der angefochtene Bescheid aufrechterhalten wird,
die Berechtigten den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung oder die Fehlerhaftigkeit des der Zahlung zugrunde liegenden Bescheides beim Empfang der Bezüge kannten oder nachträglich erfuhren (die Personal verwaltenden Stellen haben den Empfänger oder die Empfängerin bei der Entscheidung über die bezügeverändernde Maßnahme in Kenntnis zu setzen und über die Rückzahlungsmodalitäten bei Überzahlungen zu informieren) oder
der Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung oder die Fehlerhaftigkeit des Bescheides so offensichtlich war, dass der Empfänger oder die Empfängerin dies hätte erkennen müssen (vgl. Art. 15 Abs. 2 Satz 2). 2Das ist dann der Fall, wenn der Empfänger oder die Empfängerin den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung oder die Fehlerhaftigkeit des Bescheides nur deswegen nicht erkannt hat, weil er oder sie die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen hat. 3Dabei ist insbesondere auf die individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten des Empfängers oder der Empfängerin (z.B. Vor- und Ausbildung, dienstliche Tätigkeit) zur Prüfung der ihm oder ihr zuerkannten Bezüge abzustellen. 4Ob die für die Festsetzung, Anordnung und Abrechnung der Bezüge zuständige Stelle die ihr obliegende Sorgfaltspflicht verletzt hat, ist in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich; dies kann allenfalls im Rahmen einer Billigkeitsentscheidung gemäß Art. 15 Abs. 2 Satz 3 von Bedeutung sein. 5Aufgrund der ihm oder ihr obliegenden Treuepflicht ist der Empfänger oder die Empfängerin von Bezügen verpflichtet, einen Festsetzungsbescheid oder eine ihm oder ihr sonst zugeleitete aufgeschlüsselte Berechnungsgrundlage auf ihre Richtigkeit zu überprüfen. 6Versäumt er oder sie eine solche Prüfung oder hat er oder sie diese nach seinen oder ihren individuellen Kenntnissen oder Fähigkeiten nicht sorgfältig durchgeführt, so hat er oder sie regelmäßig die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maße außer acht gelassen, wenn er oder sie nicht durch besondere Umstände an der Prüfung verhindert war. 7Ergeben sich bei der Prüfung Zweifel, so hat der Empfänger oder die Empfängerin die erforderliche Sorgfalt dann in ungewöhnlich hohem Maße außer Acht gelassen, wenn er oder sie es versäumt, diese Zweifel durch Rückfrage bei der für die Festsetzung, Anordnung und Abrechnung der Bezüge zuständigen Stelle auszuräumen. 8Die Prüfungspflicht des Empfängers oder der Empfängerin erstreckt sich auch darauf, Schlüsselkennzahlen anhand übersandter Erläuterungen zu entschlüsseln. 9Nach Art. 15 Abs. 2a Satz 1 ist eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3 BGB) auch dann ausgeschlossen, wenn eine Bezügemitteilung, die mit Zustimmung des Beamten oder der Beamtin (ausschließlich) elektronisch zum Datenabruf bereitgestellt wurde, nicht innerhalb von drei Tagen nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung durch den Beamten oder die Beamtin abgerufen wird; die Kenntnis des Beamten oder der Beamtin vom Inhalt der Bezügemitteilung wird in diesem Fall ab dem Zeitpunkt des Zugangs der elektronischen Benachrichtigung (§ 130 BGB analog) unterstellt, sofern der Beamte oder die Beamtin die Unrichtigkeit der Besoldung aus der Bezügemitteilung heraus hätte erkennen können (vgl. hierzu die Ausführungen in den Sätzen 2 ff.). 10Eine Ausnahme gilt nach Art. 15 Abs. 2a Satz 2 Halbsatz 1 dann, wenn die elektronische Benachrichtigung (z.B. wegen technischer Probleme bei der Absendung) nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist, wobei nach Art. 15 Abs. 2a Satz 2 Halbsatz 2 im Zweifelsfall die Behörde den Zugang der elektronischen Benachrichtigung nachzuweisen hat. 11Gelingt der Behörde der Nachweis des Zugangs der elektronischen Benachrichtigung nicht, kann die Kenntnis bzw. die fahrlässige Unkenntnis des Beamten oder der Beamtin vom Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung ab dem Zeitpunkt angenommen werden, in dem die elektronisch zum Datenabruf bereitgestellte Bezügemitteilung tatsächlich abgerufen wurde.

15.2.9

Hat der Besoldungsempfänger oder die Besoldungsempfängerin den Mangel des rechtlichen Grundes der Zahlung oder die Fehlerhaftigkeit des Bescheides nicht beim Empfang der Bezüge gekannt, sondern erst später erfahren, oder hätte er oder sie dies erkennen müssen, so ist bei dem erforderlichen Vergleich der Vermögensverhältnisse an Stelle des Zeitpunkts der Rückforderung der Überzahlung der Zeitpunkt zugrunde zu legen, in dem die Kenntnis erlangt wurde oder hätte erlangt werden müssen.

15.2.10

Wird nicht der Wegfall der Bereicherung unterstellt, so ist dem Empfänger oder der Empfängerin der Überzahlung Gelegenheit zu geben, sich innerhalb einer angemessenen Frist über die Verwendung der Überzahlung zu äußern, und zwar insbesondere über Beträge, die aus der Überzahlung noch vorhanden sind sowie über aus der Überzahlung geleistete
Aufwendungen für den Erwerb von Vermögensgegenständen (Sachen, Rechte), die noch vorhanden sind,
Aufwendungen zur Tilgung von Schulden,
Aufwendungen für den Lebensunterhalt oder sonstige Zwecke,
unentgeltliche Zuwendungen an Dritte.

15.2.11 Absehen von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen

15.2.11.1

1Die Entscheidung darüber, ob und inwieweit aus Billigkeitsgründen (Art. 15 Abs. 2 Satz 3) von der Rückforderung überzahlter Bezüge abgesehen wird oder ob Ratenzahlungen oder sonstige Erleichterungen zugebilligt werden, steht im pflichtgemäßen Ermessen der zuständigen Behörde. 2Bei der Entscheidung sind vor allem die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Berechtigten und der Grund der Überzahlung zu berücksichtigen. 3Bei der Prüfung, ob von der Rückforderung überzahlter Bezüge ganz oder teilweise abgesehen werden soll, ist ein strenger Maßstab anzulegen. 4In die Billigkeitserwägungen ist ein etwaiges (Mit-)Verschulden der Behörde an der Überzahlung einzubeziehen. 5Ist die Überzahlung aufgrund eines schuldhaften, pflichtwidrigen Verhaltens des Empfängers oder der Empfängerin (z.B. Verletzung von Anzeigepflichten) entstanden, so kann grundsätzlich nicht von der Rückforderung abgesehen werden. 6Art. 59 BayHO bleibt unberührt.

15.2.11.2

Ergänzend zu Art. 15 Abs. 2 Satz 3 (Absehen von der Rückforderung aus Billigkeitsgründen) wird auf Folgendes hingewiesen:
Die Entscheidung über ein Absehen von der Rückforderung von Bezügen aus Billigkeitsgründen obliegt der für die Festsetzung der Besoldung zuständigen Stelle; soll in Höhe von mehr als 10 000 € von einer Rückforderung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 abgesehen werden, ist der Fall vor einer Entscheidung im Außenverhältnis dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat zur Information vorzulegen.

15.2.11.3

1Im Vollzug des Art. 15 Abs. 2 Satz 3 ist zunächst zu fragen, ob Billigkeitsgründe vorliegen. 2Erst wenn dies bejaht wird, bleibt Raum für die anschließende Ermessensentscheidung, ob von der Rückforderung abgesehen werden kann. 3Die (gerichtlich voll nachprüfbare) Feststellung von Billigkeitsgründen einerseits, und die folgende (gerichtlich nur beschränkt überprüfbare) Ermessensausübung andererseits, sind voneinander zu unterscheiden. 4Beide Rechtsanwendungsschritte sind getrennt voneinander auszuführen.
1Die Billigkeitsgründe sind im Wesentlichen der zu Gunsten der Berechtigten und eines Absehens von der Rückforderung sprechende Teil der für die folgende Ermessensentscheidung einschlägigen Tatsachen und Gesichtspunkte. 2Billigkeitsgründe können in der Person des oder der betroffenen Berechtigten oder aus anderen Gründen gegeben sein. 3Billigkeitsgründe in der Person des oder der Berechtigten können vor allem gravierende negative Auswirkungen der Rückforderung auf die Lebensumstände des oder der Berechtigten im Zeitpunkt der Rückabwicklung sein, wobei auch Alter und finanzielle Leistungsfähigkeit berücksichtigt werden können. 4Ein Billigkeitsgrund kann ferner z.B. darin liegen, dass die Überzahlung ganz wesentlich von der Behörde verschuldet oder mitverschuldet worden ist.

15.2.11.4

1Bei der folgenden Ermessensentscheidung, ob von der Rückforderung abgesehen werden kann, ist ein strenger Maßstab anzulegen. 2Art. 15 Abs. 2 Satz 3 ist eine Ausnahmevorschrift und entsprechend restriktiv zu interpretieren. 3Bei Vorliegen der Rückforderungsvoraussetzungen ist eine Rückforderung daher in aller Regel auch auszusprechen. 4Es liegt in der Natur der Sache, dass jede Rückforderung die davon Betroffenen finanziell stark belastet und insoweit stets eine gewisse Härte darstellt. 5Das Gesetz hat diese Härte hingenommen, ohne auf die Rückforderung zu verzichten. 6Ein Absehen von der Rückforderung kann daher nur bei besonders ungewöhnlichen, extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen, die unter dem Gebot von Treu und Glauben eine Rückforderung schlechthin untragbar oder als unzulässige Rechtsausübung erscheinen lassen. 7Die unklaren Konturen, die der Begriff der „Billigkeit“ bisweilen suggerieren mag, dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass für die nachfolgende Ermessensentscheidung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 enge Vorgaben bestehen.

15.2.11.5

1Wenn bestehende Härten bereits durch die Einräumung von Ratenzahlung oder sonstigen Erleichterungen genügend gemildert werden, darf von einer Rückforderung weder ganz noch teilweise abgesehen werden. 2Ist das nicht der Fall, so ist zu prüfen, ob verbleibende Härten durch ein teilweises Absehen von der Rückforderung ggf. in Kombination mit oder ohne Einräumung von Ratenzahlung hinsichtlich des verbleibenden Restes genügend gemildert werden können. 3Erst wenn auch diese Prüfung negativ ausfällt, kann von der Rückforderung voll abgesehen werden. 4Es besteht insoweit ein klares Stufenverhältnis. 5Die jeweils nächste Stufe darf erst beschritten werden, wenn die Prüfung auf der vorangegangenen eindeutig negativ ausfällt. 6An den dabei zu beachtenden strengen Maßstab wird nochmals erinnert.

15.2.11.6

1In die Ermessensentscheidung sind die zugunsten der Berechtigten bestehenden Billigkeitsgründe ebenso einzubeziehen wie die zu ihren Lasten gehenden Erwägungen. 2Die Ermessensentscheidung wird nach der spezifischen Lage des Einzelfalls und unter dem obigen geschilderten strengen Maßstab getroffen werden müssen. 3Ein volles oder teilweises Absehen von der Rückforderung wird demnach nur in Betracht kommen, wenn schwer wiegende Billigkeitsgründe gegeben sind und diese die für die Rückforderung sprechenden Gründe (Gleichheitsbindung der Verwaltung, Gesetzmäßigkeit der Besoldung, sparsame Bewirtschaftung von Haushaltsmitteln, etwaiges [Mit-]Verschulden der Berechtigten an der Überzahlung, ausreichende Finanzkraft der Berechtigten etc.) deutlich überwiegen.
1Von besonderer Bedeutung ist bei der Billigkeitsentscheidung, in wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung fällt und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. 2Im Einzelfall kann, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt, teilweise von der Rückforderung abgesehen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2012 – 2 C 4/11). 3In diesen Fällen dürfte in der Regel ein Absehen von der Rückforderung in einer Größenordnung von maximal 30 v.H. ausreichend sein. 4Je nach den Umständen des Einzelfalls kann ein höherer bzw. ein niedrigerer Abschlag in Betracht kommen. 5Ein Rückforderungsverzicht, der einen Anteil von 30 v.H. des Überzahlungsbetrags übersteigt, kann allerdings nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen der Billigkeit entsprechen (z.B. der Beamte weist [wiederholt] auf etwaige Fehlzahlungen hin und die Behörde bleibt dennoch über einen längeren Zeitraum untätig). 6Ungeachtet eines behördlichen Verschuldens kann eine unter 30 v.H. liegende Verzichtsquote der Billigkeit entsprechen, wenn die laufende Überzahlung offensichtlich war und der Beamte oder die Beamtin trotz der bestehenden Treuepflicht gegenüber dem Dienstherrn diesen nicht auf den Fehler hinweist.
Beispiel:
1 Eine Beamtin reduziert ihre Arbeitszeit von 40 auf 25 Wochenstunden, erhält aber noch mehrere Monate ihre Bezüge in der bisherigen Höhe weitergezahlt. 2Die Beamtin unterlässt es, ihre Dienststelle auf diese offensichtlich unrichtigen Bezügezahlungen hinzuweisen. 3Die in diesem Einzelfall vorzunehmende Billigkeitsprüfung wird zu dem Ergebnis gelangen, dass die Überzahlung in vollem Umfang zurückzufordern ist.
Ist die Überzahlung (allein) aufgrund eines schuldhaften, pflichtwidrigen Verhaltens der Berechtigten (z.B. Verletzung von Anzeigepflichten) entstanden, kommt ein Absehen von der Rückforderung grundsätzlich nicht in Betracht.
Wird von der Rückforderung einer Überzahlung aus Billigkeitsgründen abgesehen und stellt sich nachträglich heraus, dass für denselben Zeitraum Bezüge nachzuzahlen sind, so ist, weil in diesen Fällen Vertrauensschutz nicht eingreift, gleichwohl die Verrechnung des nicht zurückgeforderten Betrags mit dem Nachzahlungsanspruch möglich.

15.2.11.7

1Wurde in Konkurrenzfällen beim Familienzuschlag einem beamteten Ehegatten oder einer beamteten Ehegattin bzw. einem beamteten Lebenspartner oder einer beamteten Lebenspartnerin zu Unrecht zu viel, dem tariflich beschäftigten anderen Ehe- oder Lebenspartner bzw. Ehe- oder Lebenspartnerin zu Unrecht zu wenig Familienzuschlag (bzw. die entsprechende tarifliche Leistung) gezahlt, so kann der Rückforderung des zu viel gezahlten Familienzuschlags von dem oder von der Berechtigten regelmäßig nicht entgegengehalten werden, dass einer im Gegenzug erwarteten Nachzahlung der in der Vergangenheit zu wenig gezahlten entsprechenden tariflichen Leistung an den anderen Ehegatten oder die andere Ehegattin bzw. dem anderen Lebenspartner oder der anderen Lebenspartnerin zum Teil die tariflichen Ausschlussklauseln des § 37 TV-L bzw. § 37 TVöD entgegenstünden. 2Eine Verrechnung von bei verschiedenen Beschäftigten eingetretenen Über- und Minderzahlungen ist in Art. 15 Abs. 2 Satz 3 nicht angelegt, auch nicht, wenn diese Beschäftigten zur selben Familie gehören. 3Es ist vielmehr der Sinn und Zweck der tariflichen Ausschlussfrist zu beachten. 4Er besteht darin, den Vertragspartnern alsbald Klarheit darüber zu verschaffen, ob noch Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bestehen. 5Es ist dabei alleinige Sache der Beschäftigten, sich zur Wahrung ihrer Rechte um die ihnen zustehende Vergütung zu kümmern. 6Minderzahlungen hat er oder sie alsbald geltend zu machen, sollen die entsprechenden Ansprüche nicht verfallen. 7Die richtige Berechnung des ihm oder ihr zustehenden Familienzuschlags liegt damit klar im alleinigen Risikobereich der Beschäftigten. 8Das ist eine bewusste Entscheidung der Tarifvertragsparteien. 9Sie wird auch von der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechend streng nachvollzogen (vgl. etwa Scheuring/Steiningen/Banse/Thivessen MTArb § 72 Randnummer 1a). 10Es ist daher nicht möglich, dieses allein den Beschäftigten obliegende Risiko über eine besoldungsrechtliche Billigkeitsentscheidung nach Art. 15 Abs. 2 Satz 3 voll auf den Dienstherrn des anderen Ehegatten oder der anderen Ehegattin bzw. des anderen Lebenspartners oder der anderen Lebenspartnerin zu verlagern. 11Das umgeht und verkehrt nicht nur erkennbar die arbeitsrechtliche Risikoverteilung. 12Es geht auch zu Lasten eines an sich unbeteiligten Dritten (Dienstherrn des beamteten Ehegatten oder Lebenspartners oder der beamteten Ehegattin oder Lebenspartnerin), der weder am Arbeitsverhältnis zwischen dem oder der tariflich beschäftigten Ehegatten, Ehegattin, Lebenspartner oder Lebenspartnerin und seinem oder ihrem Arbeitgeber beteiligt sein noch darauf überhaupt Einfluss haben muss. 13Das wird besonders deutlich, wenn Über- und Minderzahlung bei zwei verschiedenen Dienstherren/Arbeitgebern eintreten. 14Unmittelbarer Ansatzpunkt für eine Billigkeitsentscheidung kann in diesen Fällen nicht die ausgebliebene Nachzahlung beim Ehegatten oder Lebenspartner bzw. bei der Ehegattin oder Lebenspartnerin sein. 15Berücksichtigungsfähig kann vielmehr zum Beispiel eine schwierige Finanzlage des Besoldungsempfängers oder der Besoldungsempfängerin selbst oder die Frage sein, ob oder inwieweit die für die Festsetzung, Anordnung und Abrechnung zuständige Stelle an der Überzahlung gegenüber dem Besoldungsempfänger oder der Besoldungsempfängerin oder auch an der Minderzahlung gegenüber dem oder der tariflich Beschäftigten (Mit-)Schuld trägt. 16Letzteres kann etwa darin begründet sein, dass die Überzahlung gegenüber dem Besoldungsempfänger oder der Besoldungsempfängerin und ein darauf gründendes Vertrauen in die Richtigkeit dieser Zahlungen den tariflich beschäftigten Ehegatten oder Lebenspartner bzw. der tariflich beschäftigten Ehegattin oder Lebenspartnerin maßgeblich von der Geltendmachung seiner oder ihrer tariflichen Rechte abgehalten hat. 17Die Annahme muss sich allerdings auf erkennbare Gründe stützen lassen. 18Ein Mitverschulden der für die Festsetzung, Anordnung und Abrechnung zuständigen Stelle an der beim tariflich beschäftigten Ehegatten oder Lebenspartner bzw. der tariflich beschäftigten Ehegattin oder Lebenspartnerin eingetretenen Minderzahlung kann jedenfalls dann berücksichtigt werden, wenn er oder sie zum gleichen Dienstherrn wie die für den Besoldungsempfänger oder die Besoldungsempfängerin zuständige Stelle gehört. 19Die nachfolgende Ermessensentscheidung unterliegt dem oben geschilderten Maßstab. 20Ein überwiegendes oder volles Absehen von der Rückforderung von Bezügen wird daher nur selten möglich sein.

15.2.12 Durchführung der Rückforderung

15.2.12.1

1Die Rückforderung überzahlter Bezüge wird durch Aufrechnung des Rückforderungsanspruchs gegen den Anspruch auf pfändbare Bezüge oder durch einen Rückforderungsbescheid geltend gemacht. 2Wenn dem oder der Rückzahlungspflichtigen weiterhin laufende Bezüge zu zahlen sind, ist grundsätzlich aufzurechnen.
1Die Beschränkung des Aufrechnungsrechts auf den pfändbaren Teil der Bezüge besteht nicht, wenn ein Schadenersatzanspruch wegen vorsätzlicher unerlaubter Handlung gegeben ist (Art. 12 Abs. 2 Satz 2). 2Aus Fürsorgegründen ist den Berechtigten jedoch so viel zu belassen, wie diese für ihren notwendigen Lebensunterhalt und die Erfüllung ihrer laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten benötigen. 3Der zu belassende notwendige Unterhalt hat sich an den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach §§ 19 ff. SGB II als unterster Grenze zu orientieren.

15.2.12.2

1Ein Rückforderungsbescheid muss den Zeitraum, den Betrag der Überzahlung, die Höhe des zurückgeforderten Betrags sowie eine Rechtsbehelfsbelehrung (§ 58 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) enthalten. 2Der Empfänger oder die Empfängerin ist darüber zu unterrichten, in welcher Form die Rückzahlung erfolgen soll. 3Der Zahlungstermin ist anzugeben. 4Der Bescheid muss ferner nach Art. 39 BayVwVfG eine Entscheidung der Behörde darüber enthalten, aus welchen Gründen von einer Billigkeitsmaßnahme (Art. 15 Abs. 2 Satz 2) abgesehen wird.

15.2.12.3

1Solange die Vollziehbarkeit eines Rückforderungsbescheides oder eines die Rückforderung betreffenden Widerspruchsbescheides infolge eines Widerspruchs oder einer Anfechtungsklage aufgeschoben ist, ist die „Einziehung“ des überzahlten Betrags auszusetzen. 2Die Berechtigten sollten jedoch vorsorglich darauf hingewiesen werden, dass sie mit der Einziehung des überzahlten Betrags in dem sich aus dem Ausgang des Rechtsmittelverfahrens ergebenden Umfang zu rechnen haben und sich dann nicht etwa auf einen Wegfall der Bereicherung berufen können.

15.2.12.4

1Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist entsprechend § 80 Abs. 1 VwGO auf Ausnahmefälle zu beschränken und eingehend zu begründen. 2Ein Ausnahmefall ist insbesondere gegeben, wenn nach Lage des Einzelfalls die Durchsetzung des Rückforderungsanspruchs gefährdet erscheint.

15.2.12.5

Zurückzufordern sind die Bruttobeträge; ihre steuerliche Behandlung richtet sich nach den Vorschriften des Steuerrechts.
1Ist die geltend gemachte Forderung fällig und rechtshängig, sollen Prozesszinsen erhoben werden. 2Die Rechtshängigkeit tritt durch Erhebung der Leistungsklage, nicht schon durch Erlass eines Leistungsbescheides ein (§ 90 Abs. 1 VwGO, § 261 Abs. 1 ZPO). 3Andere Zinsen sind bis zur Bestandskraft des Rückforderungsbescheides nicht geltend zu machen; danach können sie Teil einer Stundungsvereinbarung sein. 4Auf Art. 59 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayHO wird hingewiesen.

15.2.12.6

1Für den Rückforderungsanspruch aus Art. 15 Abs. 2 gelten die Verjährungsfristen des Art. 13 Satz 1 (grundsätzlich drei Jahre, ausnahmsweise zehn Jahre); auf die Hinweise zu Art. 13 wird Bezug genommen. 2Wird die Rückforderung als Schadenersatzanspruch (§ 48 BeamtStG) geltend gemacht, gilt grundsätzlich die dreijährige Verjährungsfrist nach Art. 78 Abs. 1 BayBG.

15.2.12.7

1Nach dem Tod des oder der Berechtigten ist der Leistungsbescheid zur Rückerstattung zuviel gezahlter Bezüge an die Erben zu richten, wenn die Überzahlung noch zu Lebzeiten eingetreten ist. 2Nr. 15.2.11.1 gilt entsprechend. 3Bezüge, die nach dem Tod des oder der Berechtigten fortgezahlt worden sind, können grundsätzlich nicht durch Leistungsbescheid von den Erben zurückgefordert werden. 4Hierbei handelt es sich vielmehr um einen unmittelbar auf §§ 812 ff. BGB gestützten zivilrechtlichen Erstattungsanspruch, der ggf. im Wege einer zivilrechtlichen Leistungsklage geltend zu machen ist. 5Mehrere Erben haften als Gesamtschuldner (§ 421 BGB).

15.2.12.8

Die Rückforderung einer irrtümlichen Zahlung von Bezügen an Dritte (z.B. wegen Verwechslung der Kontonummer oder wegen eines rechtsgeschäftlichen Wechsels des Kontoinhabers oder der Kontoinhaberin) erfolgt als zivilrechtlicher Erstattungsanspruch (§§ 812 ff. BGB), der ggf. im Wege einer zivilrechtlichen Leistungsklage geltend zu machen ist.