Inhalt
73-W
Verwaltungsvorschrift zum öffentlichen Auftragswesen
(VVöA)
Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung
vom 24. März 2020, Az. B II 2 - G17/17 - 2
(BayMBl. Nr. 155)
Zitiervorschlag: Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung über die Verwaltungsvorschrift zum öffentlichen Auftragswesen (VVöA) vom 24. März 2020 (BayMBl. Nr. 155), die zuletzt durch Bekanntmachung vom 18. Dezember 2024 (BayMBl. Nr. 665) geändert worden ist
1.
Staatliche Aufträge
1.1
Anwendung der Unterschwellenvergabeordnung
Die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) in der am 31. Dezember 2024 geltenden Fassung ist von allen staatlichen Auftraggebern nach Maßgabe dieser Verwaltungsvorschrift anzuwenden, sofern der geschätzte Auftragswert ohne Umsatzsteuer die in regelmäßigen Abständen von der EU-Kommission festgelegten Schwellenwerte gemäß § 106 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterschreitet.
1.2
Wertgrenze für den Direktauftrag bei Liefer-, Dienst- oder freiberuflichen Leistungen
1
§ 14 UVgO findet für Liefer-, Dienst- oder freiberufliche Leistungen mit der Maßgabe Anwendung, dass ein Direktauftrag bis zu einer Wertgrenze von einschließlich 100 000 € ohne Umsatzsteuer zulässig ist. 2Zur Wahrung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit kann beispielsweise eine Markterkundung formlos als Abfrage bei mehreren Anbietern, im Internet oder durch eine ex-ante-Veröffentlichung auf dem Bayerischen Vergabe- und Bekanntmachungsportal (BayVeBe) erfolgen.
1.3
Wertgrenze für die Verhandlungsvergabe und die Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb von Liefer-, Dienst- oder freiberuflichen Leistungen
1Eine Verhandlungsvergabe und eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb sind bei Aufträgen von Liefer-, Dienst- oder freiberuflichen Leistungen nach § 8 Abs. 4 Nr. 17 Halbsatz 1 UVgO sowie über § 8 Abs. 3 UVgO hinaus unterhalb des jeweiligen Schwellenwerts gemäß § 106 GWB zulässig. 2Für freiberufliche Leistungen ist mit der Festlegung der Wertgrenze keine Pflicht zur Anwendung eines bestimmten Vergabeverfahrens über § 50 UVgO hinaus verbunden. 3Auf die Veröffentlichungspflicht nach § 30 Abs. 1 UVgO wird hingewiesen.
1.4
Präqualifizierung
Die Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern führt für Bayern ein amtliches Verzeichnis für präqualifizierte Unternehmen aus dem Liefer- und Dienstleistungsbereich nach § 35 Abs. 6 UVgO.
1.5
Elektronische Kommunikation
1Die elektronische Kommunikation einschließlich Angebotsabgabe kann bei der Vergabe von Liefer- und Dienstleistungen per E-Mail erfolgen, wenn eine Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb oder eine Verhandlungsvergabe ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt wird. 2§ 7 Abs. 4, § 39 Satz 1 und § 40 UVgO finden hierauf keine Anwendung. 3Der Auftraggeber hat durch organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass Manipulationsmöglichkeiten verhindert werden (z. B. durch Einrichtung einer Funktions-E-Mail Adresse für die Angebotseinreichung, auf die nur Beschäftigte Zugriff haben, die nicht der Bedarfsstelle angehören).
1.6
Wertgrenzen für den Direktauftrag bei Bauleistungen
1
§ 3a Abs. 4 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil A (VOB/A) findet mit der Maßgabe Anwendung, dass ein Direktauftrag bis zu einer Wertgrenze von einschließlich 250 000 € ohne Umsatzsteuer zulässig ist. 2Nr. 1.2 Satz 2 gilt entsprechend.
1.7
Wertgrenzen für die Freihändige Vergabe und die Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb bei Bauleistungen
1Die Wertgrenze für die Freihändige Vergabe nach § 3a Abs. 3 VOB/A wird auf einschließlich 1 000 000 € ohne Umsatzsteuer festgesetzt. 2Die Wertgrenzen für die Beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb nach § 3a Abs. 2 Nr. 1 VOB/A werden einheitlich auf einschließlich 1 000 000 € ohne Umsatzsteuer festgesetzt. 3Auf die Veröffentlichungspflichten nach § 20 Abs. 3 und 4 VOB/A wird hingewiesen. 4§ 20 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VOB/A ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Auftragswert 25 000 € ohne Umsatzsteuer übersteigt.
1.8
Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer; Mindestarbeitsbedingungen
Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen für Bauleistungen sowie für sonstige Liefer- und Dienstleistungen oberhalb der Grenze für den Direktauftrag ist in den Vergabeunterlagen durch alle staatlichen Auftraggeber eine Klausel aufzunehmen, die den Auftragnehmer ausdrücklich dazu verpflichtet, bei der Ausführung des Auftrags alle für ihn geltenden rechtlichen Verpflichtungen einzuhalten, insbesondere
- –
den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wenigstens diejenigen Mindestarbeitsbedingungen einschließlich des Mindestentgelts zu gewähren, die nach dem Mindestlohngesetz, einem nach dem Tarifvertragsgesetz mit den Wirkungen des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes (AEntG) für allgemein verbindlich erklärten Tarifvertrag, einer nach den §§ 7, 7a oder 11 AEntG oder § 3a des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes erlassenen Rechtsverordnung für die betreffende Leistung verbindlich vorgegeben werden, und
- –
gemäß § 7 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, § 3 Abs.1 des Entgelttransparenzgesetzes und § 2 Nr. 7 AEntG gleiches Entgelt für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit zu bezahlen.
2.
Beteiligung kleiner und mittlerer Unternehmen sowie von Existenzgründungen
Diese Nummer gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen für Bauleistungen sowie für sonstige Liefer- und Dienstleistungen durch alle staatlichen Auftraggeber unterhalb der EU-Schwellenwerte.
2.1
Für die Beurteilung der Zugehörigkeit eines Unternehmens zum Bereich der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) findet die Empfehlung 2003/361/EG entsprechend Anwendung.
2.2
1Bei Beschränkter Ausschreibung, Freihändiger Vergabe und Verhandlungsvergabe sind, sofern kein Teilnahmewettbewerb erfolgt, regelmäßig auch KMU und Existenzgründungen in angemessenem Umfang zur Angebotsabgabe aufzufordern. 2Bei einem Direktauftrag sind in geeigneten Fällen auch KMU und Existenzgründungen zu berücksichtigen.
2.3
1Bei Aufträgen mit Nachunternehmerleistungen ist in den Ausschreibungsunterlagen festzulegen, dass der Auftragnehmer bei der Einholung von Angeboten regelmäßig KMU und Existenzgründungen angemessen beteiligen soll. 2Die Bestimmungen des § 4 Abs. 8 Nr. 1 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B und des § 4 Nr. 4 der Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen (VOL/B) bleiben unberührt. 3Außerdem ist der Auftragnehmer in den Ausschreibungsunterlagen zu verpflichten, bei jeder Unterbeauftragung die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B oder die Allgemeinen Vertragsbedingungen für die Ausführung von Leistungen zum Vertragsbestandteil zu machen und dem Nachunternehmer keine davon abweichenden, ungünstigeren Regelungen aufzuerlegen.
2.4
Werden Aufträge an ausländische Firmen vergeben oder ausländische Firmen als Nachunternehmer beteiligt, ist vor dem Zuschlag oder der Beteiligung des Nachunternehmers der Nachweis zu verlangen, dass das zuständige Arbeitsamt den ausländischen Arbeitnehmern die Arbeitserlaubnis erteilt, soweit nicht aufgrund der Freizügigkeitsbestimmungen in der Europäischen Union und im Europäischen Wirtschaftsraum die Arbeitserlaubnispflicht entfällt.
2.5
1Die Vergabe von Bauleistungen an Generalübernehmer ist nicht zulässig. 2Generalübernehmer sind solche Unternehmen, die Bauleistungen in Auftrag nehmen, ohne sich gewerbsmäßig mit der Ausführung von Bauleistungen zu befassen.
2.6
Bei Bauleistungen ist in den Ausschreibungsunterlagen vorzuschreiben, dass Nachunternehmer fachkundig, leistungsfähig und zuverlässig sein müssen und ihren gesetzlichen Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern und Sozialabgaben nachgekommen sein und die gewerberechtlichen Voraussetzungen erfüllen müssen.
2.7
Das Auftragsberatungszentrum Bayern e. V. benennt für Lieferungen und Leistungen, ausgenommen Bauleistungen, unentgeltlich geeignete KMU.
3.
Berücksichtigung bevorzugter Bieter
Diese Nummer gilt für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen für Bauleistungen sowie für sonstige Liefer- und Dienstleistungen durch alle staatlichen Auftraggeber unterhalb der EU-Schwellenwerte.
3.1
1Bei der Vergabe von Aufträgen sind Werkstätten für behinderte Menschen, Inklusionsbetriebe und anerkannte Blindenwerkstätten als bevorzugte Bieter zu berücksichtigen. 2Das Auftragsberatungszentrum Bayern e. V. benennt unentgeltlich bevorzugte Bieter.
3.2
Inländische Bieter führen den Nachweis der Eigenschaft als
- –
Werkstatt für behinderte Menschen durch Vorlage der von der Bundesagentur für Arbeit ausgesprochenen Anerkennung nach § 225 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX),
- –
Blindenwerkstätte durch Vorlage der Anerkennung im Sinn der §§ 5 und 13 des Blindenwarenvertriebsgesetzes,
- –
Inklusionsbetriebe durch Abgabe einer Eigenerklärung, in der das Vorliegen der Voraussetzungen des § 215 SGB IX dargelegt wird.
3.3
1Ausländische Bieter führen die Nachweise nach Nr. 3.2 Spiegelstrich 1 und 2 durch Vorlage einer den dort genannten Bescheinigungen gleichwertigen Anerkennungsurkunde des Herkunftslandes. 2Wenn eine solche Urkunde nicht ausgestellt wird, kann der Nachweis durch eine eidesstattliche Erklärung oder eine förmliche Erklärung vor einer zuständigen Gerichts- oder Verwaltungsbehörde, einem Notar oder einer dafür qualifizierten Berufsorganisation des Herkunftslands geführt werden. 3Für ausländische Inklusionsbetriebe gilt Nr. 3.2 Spiegelstrich 3 entsprechend.
3.4
Die bevorzugte Berücksichtigung erfolgt auf folgende Weise:
3.4.1
Bei Beschränkter Ausschreibung, Freihändiger Vergabe und Verhandlungsvergabe sind, sofern kein Teilnahmewettbewerb erfolgt, regelmäßig auch bevorzugte Bieter in angemessenem Umfang zur Angebotsabgabe mit aufzufordern.
3.4.2
1Bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Angeboten wird der von einem bevorzugten Bieter angebotene Preis mit einem Abschlag von 10 % gewertet. 2Falls das Angebot von einer Bietergemeinschaft abgegeben wird, ist der Ermittlung des Abschlags auf den Preis nur derjenige Anteil zugrunde zu legen, den bevorzugte Bieter an dem Gesamtangebot der Bietergemeinschaft haben. 3Ist das Angebot eines bevorzugten Bieters ebenso wirtschaftlich wie das eines sonstigen Bieters, so ist dem bevorzugten Bieter der Zuschlag zu erteilen. 4Diese Regelungen der Sätze 1 bis 3 sind in der Bekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen anzugeben.
3.4.3
Auf die Regelung zu vorbehaltenen Aufträgen nach § 1 Abs. 3 UVgO in Verbindung mit § 118 GWB wird hingewiesen.
4.
Zusätzlich zu beachtende Regelungen
4.1
Folgende Regelungen sind von allen staatlichen Auftraggebern bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen für Bauleistungen sowie für sonstige Liefer- und Dienstleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden:
- –
Umweltrichtlinien Öffentliches Auftragswesen (öAUmwR)
vom 28. April 2009 (AllMBl. S. 163, StAnz. Nr. 19),
- –
Korruptionsbekämpfungsrichtlinie (KorruR)
vom 13. April 2021 (BayMBl. Nr. 298)
- –
Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung zum öffentlichen Auftragswesen – Vermeidung des Erwerbs von Produkten aus ausbeuterischer Kinderarbeit vom 29. April 2008 (AllMBl. S. 322, StAnz. Nr. 20),
- –
Bekanntmachung der Bayerischen Staatsregierung über das öffentliche Auftragswesen – Scientology-Organisation; Verwendung von Schutzerklärungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge vom 29. Oktober 1996 (AllMBl. S. 701, StAnz. Nr. 44).
4.2
1Bei binnenmarktrelevanten Aufträgen sind unabhängig von den in Bayern geltenden Wertgrenzen die aus dem europäischen Primärrecht abgeleiteten Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung zu beachten. 2Hinweise zu Voraussetzungen und Rechtsfolgen finden sich in der Mitteilung der Kommission 2006/C 179/02.
4.3
Die Ressorts treffen für ihren jeweiligen Geschäftsbereich geeignete Vorkehrungen, um sicherzustellen, dass Direktaufträge nach sachlichen Kriterien beauftragt werden.
4.4
§ 2 Abs. 2 der Vergabestatistikverordnung und § 6 Abs. 1 des Wettbewerbsregistergesetzes sind mangels Vorgaben zu verpflichtenden Verfahrensregelungen bei einem Direktauftrag nicht anwendbar.
5.
Übergangsvorschrift
Für vor dem Inkrafttreten dieser Bekanntmachung begonnene Vergabeverfahren finden die Vergabebestimmungen Anwendung, die zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens galten.
6.
Inkrafttreten, Außerkrafttreten
1Diese Bekanntmachung tritt am 26. März 2020 in Kraft. 2Mit Ablauf des 31. Dezember 2029 treten die Nrn. 1.2, 1.3, 1.6 und 1.7 außer Kraft.
Der Bayerische Ministerpräsident
Dr. Markus Söder