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Text gilt ab: 01.02.2003
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Richtlinien für die Umweltbildung an den bayerischen Schulen

KWMBl. I 2003 S. 61


2230.1.1.1-K
Richtlinien für die Umweltbildung an den bayerischen Schulen
Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums
für Unterricht und Kultus
vom 22. Januar 2003 Az.: VI/8-S4402/7-6/135 767
Art. 131 Abs. 2 Bayerische Verfassung
Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt.
1.
Grundlagen
Umweltbildung hat in Bayern eine lange Tradition. Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt gehört seit 1984 zu den obersten Bildungszielen der Bayerischen Verfassung. Seit 1990 sind die Richtlinien für die Umwelterziehung an den bayerischen Schulen in Kraft. Durch die Agenda 21, die bei der Konferenz für Umwelt und Entwicklung 1992 in Rio de Janeiro entwickelt und 2002 in Johannesburg bekräftigt wurde, erhielt die Umweltbildung eine neue Dimension: Leitziel ist eine nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development): „Die Bedürfnisse der Gegenwart sollen befriedigt werden, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht mehr befriedigen können. “ (Bericht der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung, 1987). Die Schätze der Natur, die vom Menschen oft einseitig ökonomisch genutzt werden, haben für sich einen eigenen Wert. Sie sind uns Menschen anvertraut, damit wir sie pflegen, sorgsam behandeln und vor Missbrauch und Zerstörung bewahren. Umweltbildung braucht deshalb wie jede Bildung eine ethische Fundierung und ist in einen gesamtgesellschaftlichen Prozess eingebettet, in dem die Schule eine wichtige Aufgabe zu übernehmen hat.
Leitziel: Nachhaltige Entwicklung
2.
Aufgaben und Ziele der Umweltbildung
Der neue Ansatz der Umweltbildung besteht darin, dass sie das zentrale Anliegen der Bildung für eine nachhaltige Entwicklung ist. In ihr überschneiden sich ökologische Fragen, ökonomische Problemstellungen und Aspekte sozialer Entwicklungen in der „Einen Welt “. Diese Teilbereiche hängen zusammen und sollten deshalb als Gesamtheit betrachtet werden. Eine wichtige Basis ist der verantwortungsbewusste Umgang mit Natur und Umwelt, der von den Kindern und Jugendlichen selbst erlernt werden muss. Wie bei jedem Lernen verknüpfen sie ihre Vorerfahrungen mit neuen Anforderungen und müssen Wissen, Verständnis und Haltungen letztlich selbst aufbauen.
Bildung für eine nachhaltige Entwicklung
Es geht nicht in erster Linie um die Vermittlung eines wünschenswerten Umweltverhaltens oder um moralische Appelle. Zu den zentralen neuen Zielen von Umweltbildung gehört es vielmehr, Kinder und Jugendliche zu befähigen, dass sie altersangemessen aktiv am gesellschaftlichen Geschehen teilhaben (Partizipation) und es mitgestalten können (Gestaltungskompetenz). Damit ist die Umweltbildung ein Teil der politischen Bildung.
Zentrale Ziele von Umweltbildung
Die Kinder und Jugendlichen sollen Verständnis für die vielfachen, wechselseitigen Abhängigkeiten zwischen Mensch und Umwelt erwerben. Die Entwicklung von problemlösendem, flexiblem Denken geht damit Hand in Hand. Sachwissen bleibt aber folgenlos, wenn die Schülerinnen und Schüler seinen Sinn für ihr persönliches Leben nicht erkennen, sich emotional nicht angesprochen fühlen und sich nicht in die Lage anderer versetzen können. Kreativer und ästhetischer Zugang zu Umwelt und Natur sind ebenso Säulen einer Bildung für Nachhaltigkeit. Umweltbildung hat also den ganzen Menschen mit seinem Gefühl, seinem praktischen Können und seinem Sachverstand im Blick („Herz, Hand und Kopf “).
Bildung von „Herz, Hand und Kopf “
Hervorgehobenes Ziel ist es, die Trennung von Lernen und Handeln und die beklagte Kluft zwischen verbal geäußertem Umweltbewusstsein und dem praktischen Handeln zu überwinden. Deshalb sollen die jungen Menschen über ihre Konsumgewohnheiten und Interessen nachdenken. Sie sollen Lebensstile hinterfragen und Lebensformen kennen lernen, die umweltgerecht und zukunftsfähig, also nachhaltig sind. Dazu sollen sie erkennen, dass sie Umweltschäden sowohl selbst verursachen als auch von ihnen betroffen sind und dass eine intakte Umwelt zum persönlichen Wohlbefinden beiträgt sowie Gesundheitsgefährdungen vermeidet. Ihnen muss bewusst werden, dass es bei der Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung zu Ziel- und Interessenskonflikten kommt. Sie sollen einsehen, dass die gesamte Gesellschaft, die Politik, die Wirtschaft und die Industrie für eine nachhaltige Entwicklung verantwortlich sind.
Trennung von Lernen und Handeln überwinden
Der Einzelne nimmt Umwelt zunächst im lokalen und regionalen Umfeld wahr. Deshalb soll Umweltbildung dazu anleiten, durch demokratische Mitwirkung im heimatlichen Umfeld an einer Lösung von Umweltproblemen mitzuarbeiten. Darüber hinaus sollen sich die jungen Menschen bewusst werden, dass sie von weltweiten Problemen, z.B. von Klimaveränderungen oder Schäden der Ozonschicht persönlich betroffen sind. Zu dieser globalen Sicht gehört, dass sie sich der Verantwortung für Gerechtigkeit in der „Einen Welt “ bewusst werden und sich mit ihren Mitteln für gerechte Lösungen einsetzen.
Lokale – globale Perspektive
Letztlich können sie begreifen, dass die Grundlage einer nachhaltigen Entwicklung das respektvolle, emotional verankerte Verständnis für Natur und Mitwelt sowie die Ehrfurcht vor der Schöpfung ist.
Ehrfurcht vor der Schöpfung
In der Gestaltung des Schulalltags, im persönlichen Verhalten der Erwachsenen und im zwischenmenschlichen Umgang sollen Schülerinnen und Schüler die Verwirklichung von Umweltbildungszielen im Alltag ganz selbstverständlich erleben und erfahren. Wichtig sind Tätigkeiten und Vorhaben, die sie selbst oder mit Unterstützung der Lehrkräfte anregen, planen und durchführen.
Umweltbildung im Schulalltag
Umweltbildung kann zum Bestandteil und Motor innerer Schulentwicklung werden. Wenn sich die Schule dem Umfeld öffnet, begegnen die Schülerinnen und Schüler Sichtweisen unterschiedlicher außerschulischer Interessenvertretungen, z.B. von kommunalen Gruppen der Agenda 21, von Wirtschafts-, Umwelt- und Berufsverbänden, politischen Gruppierungen, von örtlichen Umweltinitiativen und Eine-Welt-Gruppen. Was konkret im Rahmen der Umweltbildung an der Schule geschieht, sollte immer wieder auf Wirkung und Qualität überprüft und neuen Gegebenheiten angepasst werden. So entsteht Nachhaltigkeit.
Innere Schulentwicklung
Praktische Tätigkeiten, Vorhaben und Aktionen ermöglichen Schülerinnen und Schülern positive Erlebnisse. Umweltbildung ist ein individueller und gesellschaftlicher Lernprozess. Darin liegen auch Grenzen schulischer Umweltbildung. Deshalb sollten die Lehrkräfte Widerstände von Seiten der Schülerinnen und Schüler akzeptieren, Fehler tolerieren und ein demokratisches Miteinander pflegen. Bildung für nachhaltige Entwicklung bedeutet auch, sich von kurzfristigen Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen.
Grenzen schulischer Umweltbildung
3.
Themenbereiche der Umweltbildung
Umweltbildung geschieht auf wechselseitigen Handlungsebenen: Menschliches Handeln wirkt sich zunächst im privaten Bereich aus, hat ferner Konsequenzen im überschaubaren gesellschaftlich-politischen Umfeld und ist schließlich in das globale Geschehen eingebunden.
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Die im Folgenden aufgeführten Themenbereiche und Inhalte sind mit jeweils angemessenen didaktisch-methodischen Instrumentarien umzusetzen. Sie gelten für alle Schularten, Alters- und Jahrgangsstufen unter Beachtung unterschiedlicher Schwerpunkte und Anforderungen. Sie sind auf die jeweils gültigen Lehrpläne abzustimmen. Die Reihenfolge der Themen und Inhalte in der linken Spalte drückt keine Wertigkeit aus. Die rechte Spalte enthält Ideen, Empfehlungen und Beispiele zur praktischen Umsetzung. Die Vorschläge können je nach den schulischen Bedingungen variiert und ergänzt werden und sollen anregen, in der Umweltbildung auch neue Wege zu gehen.
Zur Orientierung und Zuordnung zu den Instrumentarien der Umweltbildung werden folgende Symbole verwendet:
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Ansätze für ein Umweltaudit (Begriff vgl. 4.3)
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Untersuchen, forschen, erkunden, entwickeln, recherchieren
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Expertengespräche, Zusammenarbeit, Exkursionen...
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Projekt, Aktion, praktisches Lernen; Zukunftswerkstatt