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VollzVerpflG
Text gilt ab: 01.11.2023

2.   Abgrenzung des „Amtsträgers“ zum „besonders Verpflichteten“

1Die Definition des Amtsträgers in § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB umfasst zwei unterschiedliche Personengruppen:
a)
1Es sind einmal diejenigen Personen, die in einem Amtsverhältnis stehen, sei es als Beamtin oder Beamter, als Richterin oder Richter oder in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis (zum Beispiel als Ministerin oder Minister). 2Sie sind Amtsträger allein aufgrund des Amtsverhältnisses und unabhängig von ihrer Funktion.
b)
1Die zweite Gruppe wird hingegen durch funktionale Kriterien bestimmt. 2Hierzu gehören diejenigen Personen, die nicht in einem Amtsverhältnis stehen (zum Beispiel Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer), die aber sonst dazu bestellt sind, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrzunehmen. 3Auch hinsichtlich des Personenkreises nach Satz 2 deckt sich der Begriff „Amtsträger“ im Wesentlichen mit dem der Beamtin beziehungsweise des Beamten im strafrechtlichen Sinn, wie er von der Rechtsprechung in Auslegung des § 359 StGB entwickelt worden ist.
2„Aufgaben der öffentlichen Verwaltung“ sind nicht nur solche der staatlichen Anordnungs- und Zwangsgewalt, sondern alle aus der Staatsgewalt abgeleiteten und staatlichen Zwecken dienenden Aufgaben. 3Hierunter fallen insbesondere auch die Aufgaben der Daseinsvorsorge, und zwar unabhängig davon, in welcher Form (hoheitlich oder privatrechtlich) sie erfüllt werden. 4Abzustellen ist also auf den Inhalt der Aufgabe, nicht auf die Art und Weise ihrer Erfüllung. 5So kann schließlich auch die erwerbswirtschaftlich-fiskalische Betätigung des Staates und anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts Wahrnehmung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung sein.
6Die zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit im Rahmen der einschlägigen Straftatbestände besonders zu Verpflichtenden sind nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a StGB zunächst die Personen, die, ohne Amtsträger zu sein, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle die Aufgaben öffentlicher Verwaltung wahrnimmt, beschäftigt oder für sie tätig sind. 7Da die in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis stehenden Amtsträger in der Regel unschwer zu erkennen sind, konzentriert sich das Problem der Abgrenzung der besonders zu Verpflichtenden zu den Amtsträgern auf den Personenkreis, der nicht in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht. 8In diesem Zusammenhang sind die in Satz 1 Buchst. b genannten funktionalen Kriterien von entscheidender Bedeutung. 9Für eine besondere Verpflichtung kommen also solche Personen in Betracht, die bei einer Behörde oder sonstigen Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt, zwar beschäftigt oder für sie tätig sind, die jedoch selbst keine öffentlichen Aufgaben wahrnehmen. 10Hierzu gehören Schreibkräfte, Bürokräfte, Boten, Reinigungskräfte und ähnliche Personengruppen, die, ohne öffentliche Aufgaben wahrzunehmen, in einem Arbeitsverhältnis zu der Behörde oder Stelle stehen, also „bei“ ihr tätig sind, oder die aufgrund eines Sonderauftrages „für“ eine Behörde oder Stelle vorübergehend herangezogen werden, etwa als Gutachter oder Mitglied eines beratenden Ausschusses.
11Die Abgrenzung ist jedoch nicht immer zweifelsfrei möglich. 12Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte daher in Zweifelsfällen von der Möglichkeit der Verpflichtung Gebrauch gemacht werden, sofern dies auch sachlich geboten ist.
13Das Gesetz nennt neben der „Behörde“ auch die „Stelle“, um deutlich zu machen, dass hier nicht nur Behörden im organisatorischen Sinn in Betracht kommen, sondern auch Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts sowie Stellen, die Teil einer Behörde im organisatorischen Sinn sind, und ferner auch sonstige Stellen, die zu öffentlichen Aufgaben berufen sind, so etwa Vereinigungen, Beiräte oder Ausschüsse, die bei der Ausführung von Gesetzen mitwirken.
14Schließlich müssen nach § 11 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b StGB zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit diejenigen besonders verpflichtet werden, die bei einem Verband oder sonstigen Zusammenschluss, Betrieb oder Unternehmen, die „für“ eine Behörde oder sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen, beschäftigt oder für sie tätig sind. 15Unter „Verband“ sind Zusammenschlüsse von natürlichen oder juristischen Personen oder Vereinigungen zur Förderung gemeinsamer Interessen, insbesondere wirtschaftlicher, sozialer, kultureller und politischer Art zu verstehen, von dem Begriff „sonstige Zusammenschlüsse“ werden zum Beispiel Beiräte und Ausschüsse erfasst. 16Voraussetzung ist, dass die in Satz 14 genannten Organisationsformen für eine Behörde oder sonstige Stelle Aufgaben der öffentlichen Verwaltung ausführen, also gleichsam als deren verlängerter Arm tätig werden. 17Ausgenommen sind dagegen die Fälle, in denen zum Beispiel ein Verband mit Tätigkeiten beauftragt wird, die nur der Vorbereitung von Aufgaben der öffentlichen Verwaltung dienen, so zum Beispiel der Beschaffung von Sachmitteln.