Inhalt

NutzR-Ablös
Text gilt ab: 28.06.2006

1.   Allgemeines

1.1   Gegenstand und Formen der Ablösung

1.1.1  

Gegenstand der Ablösung nach Art. 82 Abs. 1 GO können alle Arten von öffentlich-rechtlichen Nutzungsrechten am Gemeindevermögen sein, gleichgültig ob es sich um Rechtstitel- oder Herkommensrechte, Gemeinde- oder Ortsnutzungsrechte, gemessene oder ungemessene Nutzungsrechte, Ganz- oder Bruchteilsrechte handelt. Setzt sich ein Nutzungsrecht aus mehreren Bestandteilen zusammen (z.B. Acker-, Weide- und Holznutzungsrecht), kann die Ablösung auf Einzelbefugnisse beschränkt werde. Zulässig ist ferner, die Nutzungsrechte nur auf einzelnen gemeindlichen Grundstücken abzulösen.

1.1.2   Ablösungsformen:

Die vereinbarte Einzelablösung (Art. 82 Abs. 1 Sätze 1 und 3 GO) erfordert einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Gemeinde und einem oder einzelnen Berechtigten. Durch sie werden nur diejenigen Nutzungsrechte beseitigt, deren Inhaber den Vertrag geschlossen haben, während die nicht ablösungsbereiten Berechtigten ihre Nutzungsrechte behalten; die abgelösten Nutzungsrechte erlöschen nicht, sondern gehen auf die Gemeinde über. Die Gemeinde kann die Rechte nicht auf Dritte übertragen.
Die vereinbarte Gesamtablösung (Art. 82 Abs. 1 Sätze 1 und 4 GO) setzt einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Gemeinde und sämtlichen Berechtigten voraus.
Die von der Gemeinde mit Zustimmung der Mehrheit der Berechtigten verfügte Gesamtablösung (Art. 82 Abs. 1 Sätze 2 und 4 GO) ist ein mitwirkungsbedürftiger Verwaltungsakt. Die verfügte Gesamtablösung ist nur zulässig, wenn sie durch Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt ist.
In Fällen der Gesamtablösung gehen die Nutzungsrechte unter.

1.2   Einleitung des Ablösungsverfahrens

1.2.1  

Die Entscheidung über die Einleitung eines Ablösungsverfahrens liegt im Ermessen der Gemeinde. Ein Anspruch auf Ablösung besteht nicht.

1.2.2  

Der Ausschluss wegen persönlicher Beteiligung (Art. 49 Abs. 1 GO) gilt auch für die Beschlussfassung über Gemeindenutzungsrechte. Daher können der erste Bürgermeister und die Gemeinderatsmitglieder insbesondere dann, wenn sie oder ihre nächsten Angehörigen Berechtigte sind, an der Beratung und Abstimmung über Nutzungsrechtsangelegenheiten, also auch über die Ablösung der Nutzungsrechte, nicht teilnehmen. Wird der Gemeinderat dadurch beschlussunfähig, kann die Rechtsaufsichtsbehörde Maßnahmen nach Art. 114 GO ergreifen.

1.2.3  

Bevor die Gemeinde in Ablösungsverhandlungen eintritt, muss sie die rechtlichen Verhältnisse und die wirtschaftlichen Möglichkeiten der Ablösung klären. Dabei kommt es zunächst darauf an, Bestand, Rechtsnatur, Art und Umfang der Nutzungsrechte und die Anzahl der Berechtigten einwandfrei festzustellen. Einzelne Nutzungsrechte oder einzelne Bestandteile von Nutzungsrechten können bereits mangels ununterbrochener Ausübung seit dem 18. Januar 1922 (vgl. Art. 80 Abs. 2 GO), durch Verzicht oder durch Untergang der Haus- und Hofstätte ohne Übertragung des Rechts auf ein anderes Anwesen innerhalb derselben Gemeinde (Art. 80 Abs. 3 GO) erloschen oder bei Verzicht auf die Gemeinde übergegangen sein. Insoweit kommt eine Ablösung nicht mehr in Betracht.
Außerdem ist vor den eigentlichen Ablösungsverhandlungen zu prüfen, ob und inwieweit der Gemeinde, z.B. durch frühere Einzelablösungen, selbst Nutzungsrechte zustehen.
Die Gesamtablösung ist einer Teilablösung oder einer Einzelablösung in der Regel vorzuziehen. Der Verfahrensaufwand ist so hoch, dass die Gemeinde die Ablösung aller Nutzungsrechte in einem Verfahren anstreben sollte.

1.3   Gemeinde und Aufsichtsbehörden

1.3.1  

Die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse in Nutzungsrechtsangelegenheiten können oft nur unter beträchtlichen Schwierigkeiten geklärt werden. Die Gemeinden sollen deshalb möglichst frühzeitig mit der Rechtsaufsichtsbehörde und ‑ falls es sich um die Ablösung von Waldnutzungsrechten handelt oder eine Abfindung in Waldgrundstücken erwogen wird ‑ auch mit der unteren Forstbehörde (Forstamt) in Verbindung treten.
Die Rechtsaufsichtsbehörden haben die Gemeinden über die ihnen zukommende Rechtsstellung aufzuklären und ggf. auch darauf hinzuweisen, dass sie gem. Art. 74 Abs. 2 GO verpflichtet sind, ihr Vermögen ‑ wozu auch das mit Nutzungsrechten belastete Vermögen gehört ‑ pfleglich und wirtschaftlich zu verwalten, sowie darauf, dass eine Verschenkung von Gemeindevermögen unzulässig ist (vgl. Art. 75 Abs. 3 GO).
Aufgabe der Forstbehörden ist es, zunächst durch überschlägige Berechnungen und Schätzungen die wirtschaftlichen Möglichkeiten einer Ablösung zu klären und den Beteiligten damit vorläufige Hinweise zur Verhandlungsgrundlage zu geben.

1.3.2  

Die Beteiligung staatlicher Dienststellen hat den Zweck, die ordnungsgemäße Durchführung des Ablösungsverfahrens sicherzustellen. Das liegt nicht nur im Interesse der Allgemeinheit, sondern gerade auch im Interesse der Nutzungsberechtigten selbst. Durch eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit werden sich die rechtlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten in kürzerer Zeit als sonst klären lassen. In vielen Fällen könnte es sich nachteilig auswirken, die zuständigen Behörden erst am Ende des Ablösungsverfahrens einzuschalten. Ergeben sich nämlich bei der nachträglichen Überprüfung Bedenken, etwa hinsichtlich des Aufteilungsverhältnisses, müssten noch zu diesem späten Zeitpunkt der Aufteilungsplan geändert und die einzelnen Grundstücke neu vermessen werden. Die damit verbundenen Verzögerungen und zusätzlichen Kosten, insbesondere aber auch die sonst bis zum Abschluss der Überprüfung bestehende Ungewissheit, können vermieden werden, wenn die genannten Behörden rechtzeitig eingeschaltet werden.

1.4   Gemeinde und Berechtigte

1.4.1  

Die Gesamtablösung der Nutzungsrechte setzt eine zumindest mehrheitliche Zustimmung der Berechtigten voraus. Die Gemeinde muss sich daher möglichst bald vergewissern, ob mit dieser Zustimmung gerechnet werden kann. Die erforderliche Stimmenmehrheit richtet sich nicht nach der Anzahl der Berechtigten, sondern nach ihren Anteilen am Gesamtnutzungsrecht, wobei vom kleinsten Anteil (z.B. ein halbes Nutzungsrecht) auszugehen ist, größere Nutzungsanteile also ein entsprechend höheres Stimmrecht ergeben. Hat ein Berechtigter nach seinen Anteilen am Gesamtnutzungsrecht mehrere Stimmen, kann er sie nur einheitlich abgeben.
In Gemeinden, in denen öffentliche Nutzungsrechte an unterschiedlichen Teilen des Gemeindevermögens zu Gunsten unterschiedlicher Gruppen von Rechtlern bestehen oder in denen zwei oder mehrere Klassen von öffentlichen Nutzungsrechten mit jeweils unterschiedlichem Inhalt auftreten, kann die verfügte Gesamtablösung auf eine Kategorie von Nutzungsrechten beschränkt werden.
Sollen in diesen Gemeinden alle Nutzungsrechte abgelöst werden, sind mehrere gesonderte Ablösungsverfahren durchzuführen.

1.4.2  

Wie der Wille der Berechtigten zu ermitteln ist, schreibt das Gesetz nicht vor. Es genügt somit jede eindeutige Form der Erklärung, sei es auf einer Versammlung der Berechtigten durch eine Unterschriftensammlung oder auch zur Niederschrift der Gemeinde. In allen Fällen empfiehlt es sich jedoch, dass die Gemeinde einen einwandfreien urkundlichen Nachweis darüber führt, wie jeder einzelne Berechtigte sich zur Frage der Ablösung geäußert hat. Dadurch kann späteren Streitigkeiten über den Inhalt lediglich mündlicher Abmachungen vorgebeugt werden.

1.4.3  

Bei der Feststellung der Stimmenverhältnisse kann die Gemeinde auch selbst stimmberechtigt sein, wenn Einzelrechte durch frühere Ablösung, Verzicht oder Nichtausübung auf sie selbst übergegangen sind. Die hierauf entfallenden Stimmen sind bei der Berechnung der Mehrheit zu berücksichtigen. Danach kann die Gemeinde allein schon über die für die Ablösung erforderliche Stimmenmehrheit verfügen und die Ablösung ggf. auch gegen den Widerstand sämtlicher anderen Berechtigten erzwingen.