Inhalt

Text gilt ab: 16.12.2020

1. Das Betretungsrecht (Umfang und Inhalt des Rechts auf Naturgenuss), Art. 26 ff. des Bayerischen Naturschutzgesetzes (BayNatSchG)

1.1 Allgemeines, Art. 26 BayNatSchG

1Das Recht auf Genuss der Naturschönheiten und auf Erholung in der freien Natur ist durch Art. 141 Abs. 3 Satz 1 der Bayerischen Verfassung (BV) zu einem jedermann zustehenden subjektiven Recht im Range eines Grundrechts erhoben worden. 2Das Recht auf Naturgenuss und Erholung hat öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Auswirkungen. 3Öffentlich-rechtlich beschränkt es das Eigentum an den von ihm erfassten Grundstücken und konkretisiert dessen Sozialbindung. 4Die sich im Einzelnen daraus ergebenden Verpflichtungen hat der betroffene Eigentümer wegen der Situationsgebundenheit seines Grundstückes grundsätzlich entschädigungslos hinzunehmen (Art. 36 Abs. 1 BayNatSchG). 5Den staatlichen Vollzugsbehörden obliegt die Durchsetzung und Überwachung der sich aus dem Recht auf Naturgenuss und Erholung im Einzelnen ergebenden Rechte und Pflichten. 6Daneben hat dieses Recht auch privatrechtliche Wirkungen, indem es dem Eigentümer oder sonstigen Berechtigten, wie zum Beispiel dem Besitzer, die Berufung auf mögliche Abwehransprüche verwehrt, da insoweit eine Duldungspflicht gemäß den §§ 1004 Abs. 2, 858 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) besteht. 7Das Recht auf Genuss der Naturschönheiten und auf Erholung in der freien Natur schließt auch das Recht auf Aneignung wildwachsender Waldfrüchte in ortsüblichem Umfang ein. 8Das Aneignungsrecht ist in § 39 Abs. 3 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) näher geregelt (sogenannte Handstraußregelung). 9Nicht erfasst sind hingegen sämtliche Handlungen, die nicht der Erholung dienen. 10Auch das gewerbsmäßige Betreten oder Befahren von Privatwegen ist nicht Inhalt des verfassungsrechtlich verbürgten Betretungsrechts (BayVerfGH, Entscheidung vom 28. Juni 2005 – BayVerfGHE 58, 150). 11Die Vorschriften der Art. 26 ff. BayNatSchG ergänzen und konkretisieren darüber hinaus den abweichungsfesten Grundsatz des § 59 Abs. 1 BNatSchG, der das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Grundflächen zum Zweck der Erholung allen gestattet. 12Die Vorschriften füllen die Öffnungsklausel des § 59 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 BNatSchG aus.

1.2 Räumlicher Umfang, Art. 27 BayNatSchG

1Das Betretungsrecht bezieht sich grundsätzlich auf alle Teile der freien Natur. 2Die Vorschriften des naturschutzrechtlichen Betretungsrechts gelten in Abweichung vom Bundesrecht auch im Wald (vergleiche Art. 13 Abs. 1 Satz 2 BayWaldG). 3Der Wald ist Bestandteil der freien Natur (vergleiche Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV). 4Der Begriff „freie Natur“ entzieht sich einer alle möglichen Fälle einschließenden Definition. 5Umfasst sind aber vor allem Flächen, die sich im Naturzustand befinden oder landwirtschaftlich, forstwirtschaftlich oder gärtnerisch kultiviert werden (jedoch keine Hausgärten). 6Im Einzelfall muss jeweils nach den tatsächlichen Gegebenheiten entschieden werden, ob ein Gebiet Teil der freien Natur ist. 7Art. 27 Abs. 1 BayNatSchG enthält nur eine beispielhafte Aufzählung derjenigen Flächen, die sich besonders für die Ausübung des Betretungsrechts eignen und häufig dafür in Anspruch genommen werden. 8Auch Skipisten und Loipen sind Teil der freien Natur. 9Der Begriff „freie Natur“ umfasst jedenfalls alle Flächen außerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile, soweit sie nicht durch bauliche oder sonstige Anlagen verändert sind. 10Bauliche oder sonstige Anlagen selbst, wie etwa Wohngebäude, Stallungen, Campingplätze, Badeanstalten, Sportplätze, Friedhöfe, Bahnanlagen oder Lagerplätze können nicht als Teile der freien Natur betrachtet werden. 11Unerheblich für die Abgrenzung des Begriffs „freie Natur“ ist es jedoch, ob eine Fläche frei zugänglich ist oder durch Einfriedungen oder sonstige Sperren dem Zugang der Allgemeinheit entzogen ist. 12Auch größere Freiflächen innerhalb von Stadtgebieten oder von im Zusammenhang bebauten Ortsteilen können Bestandteile der freien Natur sein (so auch BayObLG, Beschluss vom 15. September 1993, BayObLGSt 1993, 164). 13Das gilt insbesondere für Waldungen, Parkanlagen (zum Beispiel den Englischen Garten in München) und ziergärtnerisch angelegte Flächen. 14Auch eine Splitter- oder Streusiedlung kann in ihrer Gesamtheit so in die Landschaft eingebettet, mit dieser zu einem einheitlichen Bild verwachsen oder zu einem Bestandteil der Landschaft geworden sein, dass sie mit Ausnahme der tatsächlich überbauten Flächen und der Gebäude zur freien Natur zu rechnen ist.

1.3 Arten des Betretungsrechts, Art. 27, 28, 29 BayNatSchG

1.3.1 Betreten im engeren Sinn, Art. 27 Abs. 1 BayNatSchG

1 Art. 27 Abs. 1 BayNatSchG berechtigt den Fußgänger, zu jeder Jahreszeit in allen Teilen der freien Natur unentgeltlich zu wandern, zu gehen oder zu laufen. 2Das Betretungsrecht ist nicht beschränkt auf Wege und umfasst auch die Befugnis, sich auf diesen Flächen zum Zwecke der Erholung aufzuhalten, dort zu rasten und zu verweilen, sofern nicht Einschränkungen nach Art. 30 bis 32 BayNatSchG vorliegen. 3Darüber hinausgehende Betätigungen, zum Beispiel das Aufstellen von Wohnwagen, von Tischen und Stühlen, das Zelten oder das Übernachten im Freien sind vom Betretungsrecht nicht gedeckt und bedürfen, unbeschadet öffentlich-rechtlicher Vorschriften, der Zustimmung des Eigentümers. 4Auch das Zurücklassen von beweglichen Sachen in der freien Natur (zum Beispiel Geocaching) ist nicht vom Betretungsrecht umfasst (vergleiche Art. 38 Abs. 1 BayNatSchG), mit Ausnahme von Bohrhaken, die der Sicherung beim Klettern dienen.

1.3.2 Wandern auf Privatwegen, Art. 27 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG

1 Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG betont die Zulässigkeit des Wanderns, also des Gehens zu Fuß, auf vorhandenen Privatwegen in der freien Natur. 2Angesichts des umfassenden Betretungsrechts in Art. 27 Abs. 1 BayNatSchG, das das Recht auf Wandern auf Privatwegen bereits umfasst, ist die praktische Relevanz dieser Vorschrift begrenzt. 3In Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG wird das Wandern als wichtigste Form des Betretens in der freien Natur nochmal ausdrücklich betont (vergleiche amtliche Begründung zu Art. 16 Abs. 1 BayNatSchG 1973, LT-Drucksache 7/3007 Seite 26).

1.3.2.1 Wegeeigenschaft

1Wege sind Bahnen im Gelände, die begehbar sind, mit gewisser Regelmäßigkeit zum Zwecke der Fortbewegung genutzt werden und die sich in dieser Funktion nach ihrem äußeren Erscheinungsbild von der von ihr durchzogenen Landschaft abheben. 2Ein bestimmter Ausbauzustand ist nicht erforderlich (so auch AG Aichach, Urteil vom 17. April 2018, Az. 101 C 153/17). 3Auch ist unerheblich, ob der Weg ganzjährig begehbar ist oder seine Nutzung dem Willen des Eigentümers zuwiderläuft (OVG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 14. Oktober 2004, Az. 3 a B 255/03). 4Unbefestigte Feldwege, Wanderpfade, Trampelpfade und Steige stellen daher in aller Regel Wege in diesem Sinne dar. 5Die Wegeeigenschaft von Holzrückegassen und -wegen wird nicht einheitlich beurteilt. 6Unter Zugrundelegung des Waldgesetzes und der Ziffer 2.1 in Verbindung mit Ziffer 2.9 der Gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministerien für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sowie für Umwelt und Gesundheit zu Waldwegebau und Naturschutz vom 26. September 2011 zählen Holzrückegassen und -wege auf gewachsenem Waldboden grundsätzlich nicht zu den Waldwegen, sondern unmittelbar zum Waldbestand. 7Sie werden in der Regel nur im Abstand von mehreren Jahren im Rahmen der Holzernte befahren und verbleiben ansonsten in einem ungenutzten Zustand. 8Gleichwohl können auch Holzrückegassen und -wege im Waldbestand den Eindruck eines Weges vermitteln (AG Aichach, Urteil vom 17. April 2018, Az. 101 C 153/17). 9Selbst wenn sie als Wege anzusehen sein sollten, stellen sie aber jedenfalls regelmäßig keine für das Befahren oder Reiten geeigneten Wege dar (vergleiche 1.3.3.2).

1.3.2.2 Privatwege

1Das Betretungsrecht umfasst die Benutzung von vorhandenen Privatwegen in der freien Natur. 2Privatwege sind alle Wege, die nicht zu den öffentlichen Straßen und Wegen im Sinne des Bayerischen Straßen- und Wegegesetzes (BayStrWG) oder des Bundesfernstraßengesetzes (FStrG) gehören. 3Sie sind nicht nach den Vorgaben des BayStrWG oder des FStrG dem öffentlichen Verkehr gewidmet. 4Zudem gilt das Betretungsrecht für tatsächlich-öffentliche Wege im Sinne des Straßenverkehrsrechts. 5Dies sind Flächen, die straßenrechtlich nicht gewidmet sind, auf denen der Verfügungsberechtigte jedoch die Benutzung durch jedermann tatsächlich zugelassen hat.

1.3.3 Reiten und Fahren auf geeigneten Privatwegen, Art. 27 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG

1Das Radfahren in der freien Natur ist verfassungsrechtlich garantiert, wenn es der Erholung und nicht kommerziellen oder rein sportlichen Zwecken dient (BayVGH, Urteil vom 03. Juli 2015, Az. 11 B 14.2809). 2Das Grundrecht des Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV umfasst wohl auch das Reiten zur Erholung in der freien Natur (bejahend: BayVerfGH, Beschluss vom 16. Juni 1975, BayVerfGHE 28, 107; zweifelnd: BayVerfGH, Entscheidung v. 30. Juni 1998, BayVerfGHE 51, 94). 3Die Reiter und Radfahrer haben bei der Ausübung des Grundrechts pfleglich mit der Natur und Landschaft umzugehen (Art. 141 Abs. 3 Satz 2 BV). 4Demgemäß erweitert Art. 27 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG das Betretungsrecht auf das Reiten und das Fahren mit Fahrzeugen ohne Motorkraft sowie Krankenfahrstühlen (mit oder ohne Elektromotor), beschränkt die Benutzung aber auf Wege, die sich dafür eignen. 5Diese Beschränkung ist Ausfluss der Sonderstellung des Grundrechts auf Naturgenuss, die sich daraus ergibt, dass es nicht nur dem Staat, sondern auch dem einzelnen Grundrechtseigentürmer Bindungen auferlegt. 6Beschränkungen des Rechts auf Naturgenuss sind deshalb überall dort angebracht, wo Interessen anderer Erholungsuchender dies erfordern oder erhebliche eintretende oder drohende Schäden für Grundeigentümer oder Allgemeinheit verhindert werden müssen (BayVerfGH, Beschluss vom 16. Juni 1975, BayVerfGHE 28,107). 7Ein Querfeldeinfahren mit Fahrrädern oder anderen Fahrzeugen ohne Motorkraft ist ebenso nicht vom Betretungsrecht erfasst. 8Auch ein Reiten abseits geeigneter Wege verstößt gegen das naturschutzrechtliche Betretungsrecht. 9Bei der Benutzung von Wegen gebührt den Fußgängern der Vorrang (Art. 28 Abs. 1 Satz. 2 BayNatSchG).

1.3.3.1 Fahren mit Fahrzeugen ohne Motorkraft

1Zu den Fahrzeugen ohne Motorkraft zählen in erster Linie Fahrräder (vergleiche amtliche Begründung zu Art. 16 Abs. 1 BayNatSchG 1973, LT-Drucksache 7/3007 Seite 26). 2Es ist jedoch auch anderweitiges Fahren mit Fahrzeugen ohne Motorkraft vom Anwendungsbereich der Vorschrift umfasst (zum Beispiel Befahren mit Rollern oder Pferdegespannen). 3Fahrradfahren ist eine Sportart mit hohem Erholungswert; sie ist deshalb auch verfassungsrechtlich garantiert (BayVGH, Urteil vom 03. Juli 2015, Az. 11 B 14.2809). 4Unter den Anwendungsbereich des Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG fallen auch Fahrräder mit einer elektrischen Trethilfe, die mit einem elektromotorischen Hilfsantrieb mit einer Nenndauerleistung von höchstens 250 Watt ausgestattet sind, dessen Unterstützung sich mit zunehmender Fahrzeuggeschwindigkeit progressiv verringert und beim Erreichen einer Geschwindigkeit von 25 Kilometer pro Stunde oder früher, wenn der Fahrer im Treten einhält, unterbrochen wird. 5Solche Fahrzeuge (so genannte Pedelecs) sind keine Kraftfahrzeuge im Sinne des § 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), sondern gelten nach § 63a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) als Fahrräder, auch wenn sie über eine Anfahr- oder Schiebehilfe bis zur Geschwindigkeit von 6 Kilometer pro Stunde verfügen. 6Diese Grundsätze müssen im Sinne der Einheit der Rechtsordnung (Art. 28 Abs. 4 BayNatSchG) auch für die Auslegung von Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG herangezogen werden mit der Folge, dass das Befahren geeigneter Wege mit Pedelecs jedermann gestattet ist. 7E-Bikes (Elektrofahrräder) oder schnelle Pedelecs (S-Pedelec), bei denen der Motor auch ohne Treten antreibt oder erst bei einer höheren Geschwindigkeit abgeschaltet wird, stellen, ebenso wie E-Scooter, kein Fahrzeug ohne Motorkraft im Sinne des Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG dar.

1.3.3.2 Wegeeignung

1 Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG gewährt das Recht zur Benutzung von geeigneten Privatwegen mit Fahrzeugen ohne Motorkraft. 2Die Eignung eines Weges ist im Gesetz nicht definiert und unterliegt – je nach Benutzungsart – unterschiedlichen Kriterien. 3Bei der Vielfalt der Erholungsräume in Bayern lassen sich keine generellen und überall zutreffenden Regelungen für die Eignung von Wegen aufstellen. 4Es kommt vielmehr auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an. 5Insbesondere ist die Vorgabe einer Mindestbreite eines Wegs aus verfassungsrechtlichen Gründen abzulehnen, da schmale Wege nicht von vornherein als ungeeignet anzusehen sind (vergleiche BayVGH, Urteil vom 03. Juli 2015, Az. 11 B 14.2809). 6Es kommt auf die objektive Eignung des Wegs, nicht hingegen auf das subjektive Können des Erholungsuchenden an. 7Die Wegeeignung ist generell zu beurteilen, das heißt nach der Beschaffenheit der Wegefläche, wie sie durchschnittlich oder überwiegend während bestimmter Jahreszeiten oder anderer, nach klimatischen oder sonstigen sachbezogenen Gesichtspunkten abgegrenzten Zeiträumen besteht (BayVGH, Urteil vom 17. Januar 1983, VGHE 36, I. Teil, 15). 8Dabei sind die Beschaffenheit des Untergrunds sowie der bauliche Zustand des Weges zu berücksichtigen. 9So kann ein treppenartig angelegter Weg für das Radfahren ungeeignet sein (BayVGH, Urteil vom 03. Juli 2015, Az. 11 B 14.2809). 10Eine nachhaltige Beeinträchtigung der Wege oder des Naturraums (insbesondere Erosionsgefährdung) muss nach Möglichkeit ausgeschlossen werden. 11Besteht die Gefahr, dass durch das Befahren des Wegs die Bodenoberfläche gelockert und damit das Risiko von Bodenabtrag und Bodenerosion auf dem Weg gesteigert wird, ist der Weg regelmäßig für das Befahren mit Fahrrädern oder anderen Fahrzeugen ohne Motorkraft ungeeignet. 12Dies gilt insbesondere in Gebirgslagen, da die Gefahr von Erosionsschädigungen im Steilgelände durch das dortige Befahren der Wege regelmäßig sehr hoch ist. 13Um der nachhaltigen Beeinträchtigung der Wege entgegenzuwirken, ist eine für die vorgesehene Nutzung ausreichende Spur- und Trittfestigkeit der Wege zu beachten. 14Das Befahren darf nicht zur Zerstörung der Wegeoberfläche führen. 15Breite, Steigung, Kurven und Übersichtlichkeit sind, auch im Zusammenhang mit der Frequentierung des Weges durch andere Naturnutzer, zu beachten. 16Den Fußgängern gebührt der Vorrang (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 BayNatSchG). 17Ein Weg ist nur dann geeignet, wenn eine sichere Nutzung (durch Befahren oder Reiten) ohne Gefährdung oder unzumutbare Behinderung von Fußgängern möglich ist. 18Ein starker Erholungsverkehr kann daher aus Gründen der Sicherheit den Weg für Reiter oder Fahrradfahrer ungeeignet machen. 19Dies gilt gerade auch für Wege, die ein gefahrloses Überholen auch bei angepasster Fahrweise nicht zulassen (etwa aufgrund ihrer Steigung, Beschaffenheit oder Wegebreite), wie zum Beispiel steile oder unübersichtliche Pfade, auf denen der Fahrradfahrer nicht sicher bremsen kann oder bei denen Absturzgefahr besteht. 20Dies wird insbesondere bei Singletrails der Fall sein, wenn einer der Wegenutzer den Weg im Begegnungsfall verlassen muss. 21Insbesondere im alpinen Bereich werden deshalb besonders strenge Maßstäbe an die Geeignetheit von Wegen mit starker Steigung oder geringer Breite zu stellen sein. 22Die Geeignetheit eines Weges kann – insbesondere im alpinen Gelände – aus Gründen der Gemeinverträglichkeit auch auf die Tageszeit oder bestimmte Zeiträume eines Tages beschränkt sein. 23Dies gilt etwa für unbefestigte Wege, die über Almweiden führen, auf denen sich Tiere (Vieh) befinden. 24Insbesondere während der Nachtzeit (zwischen Sonnenuntergang und -aufgang) kann ein Betreten dieser Wege bei den Weidetieren Panikreaktionen auslösen, die zu Verletzungen und Schäden führen. 25Wege, die durch Querfeldeinfahren entstanden sind, sind in aller Regel nicht geeignet für das Befahren mit Fahrzeugen ohne Motorkraft. 26Die unteren Naturschutzbehörden sind zuständig für die Beurteilung der Wegeeignung für das Befahren mit Fahrrädern. 27Sie überprüfen und dokumentieren die Geeignetheit der Wege. 28Holzrückegassen und -wege auf dem gewachsenen Waldboden stellen nach den Ausführungen unter 1.3.2.1 grundsätzlich keine Wege dar und sind in aller Regel keine für das Befahren mit Fahrzeugen ohne Motorkraft und das Reiten geeigneten Wege. 29Sie verlaufen vornehmlich durch das Innere von Waldbeständen und erlauben durch mehrjährige, teilweise ein Jahrzehnt andauernde Zeiträume zwischen forstlichen Nutzungen, einen weitgehend natürlichen Wiederbewuchs und Lebensraumzusammenhang. 30Das Fahren und Reiten auf den Holzrückegassen kommt damit dem Querfeldeinfahren gleich (siehe hierzu 1.3.3.3).

1.3.3.3 Reiten und Fahren im Wald, Art. 30 Abs. 2 BayNatSchG

1Das Radfahren, das Fahren mit Krankenfahrstühlen und das Reiten ist im Wald (ebenfalls) nur auf Straßen und geeigneten Wegen zulässig. 2Dies stellt Art. 30 Abs. 2 BayNatSchG ausdrücklich klar. 3Offenland und Wald werden hinsichtlich des Radfahrens, Reitens und Befahren mit Krankenfahrstühlen damit gleichbehandelt. 4Querfeldeinfahren und -reiten ist auch im Wald ohne Zustimmung des Eigentümers verboten.

1.3.3.4 Markierungen und Wegetafeln, Art. 28 Abs. 2 BayNatSchG

1 Art. 28 Abs. 2 BayNatSchG begründet keinen allgemeinen öffentlich-rechtlichen Genehmigungsvorbehalt für Wanderwegmarkierungen. 2Vielmehr darf mit Einwilligung der Grundeigentümer jedermann Markierungen und Wegetafeln an Wanderwegen anbringen. 3Die Bedeutung der Vorschrift besteht darin, den in Art. 28 Abs. 3 BayNatSchG genannten Organisationen und Verbänden eine Markierungstätigkeit auch dann zu ermöglichen, wenn die sonst grundsätzlich notwendige privatrechtliche Einigung mit den Grundeigentümern nicht zustande kommt. 4Die Markierung von Wegen kann eine sinnvolle Lenkungsmaßnahme sein.

1.3.4 (Andere) sportliche Betätigungen, Art. 29 BayNatSchG

1 Art. 27 Abs. 2 Satz 1 BayNatSchG erweitert das Betretungsrecht auch auf die Befugnisse nach Art. 29 BayNatSchG. 2Das Gesetz nennt als Beispiele für sportliche Betätigungen das Ballspielen sowie das Ski- und Schlittenfahren. 3Zu den Ballspielen gehört das sogenannte Bolzen ebenso wie etwa Federball oder Boccia. 4Als ähnliche sportliche Betätigungen kommen Winter- wie Sommersportarten in Betracht, zum Beispiel Skilanglauf, Skitouren, Klettern, Gelände- oder Waldlauf. 5Sportarten, die keinen Zusammenhang mehr mit Naturgenuss und Erholung aufweisen, insbesondere jegliche motorsportliche Betätigung (zum Beispiel Geländefahrten), sind von Art. 29 BayNatSchG nicht erfasst. 6Die Sportausübung durch die Benutzung von Fahrzeugen ohne Motorkraft im Sinne von 1.3.3.1 sowie das Reiten richten sich nicht nach Art. 29 BayNatSchG, sondern nach Art. 28 Abs. 1 BayNatSchG. 7Handelt es sich bei sportlichen Betätigungen um organisierte Veranstaltungen, so besteht das Betretungsrecht nur unter den Voraussetzungen des Art. 32 BayNatSchG (vergleiche 2.4).

1.4 Förderung

1Nach den Richtlinien zur Förderung von Wanderwegen, von Unterkunftshäusern und von Grün- und Erholungsanlagen (FöR-WaGa) kann der Freistaat Bayern die Generalinstandsetzung und die Beschilderung von bestehenden, umweltverträglichen und dauerhaften Wanderwegen für Wanderer und Bergsteiger in der freien Natur beziehungsweise die Informationsgewinnung und -verarbeitung über diese Wanderwege fördern. 2Zuwendungsempfänger sind der Landesverband Bayern der deutschen Gebirgs- und Wandervereine e. V. und seine Mitglieder sowie die Hauptgeschäftsstelle und die Sektionen des Deutschen Alpenvereins e. V. 3Nach den Richtlinien von umwelt- und klimaverträglichen Naturerlebnis- und Naturtourismusangeboten in bayerischen Kommunen (FöRNatKom) können vom Freistaat Bayern insbesondere Konzeption und Realisierung naturverträglicher Naturerlebnisrouten und -wege (unter anderem Routen und Trails für geländegängige, mit Muskelkraft betriebene Fahrzeuge, zum Beispiel Mountainbikes; hiervon erfasst sind auch Fahrzeuge vergleichbar mit solchen im Sinne von § 1 Abs. 3 StVG) im Rahmen eines naturtouristischen Gesamtkonzepts gefördert werden. 4Zuwendungsempfänger sind Kommunen.

1.5 Verhältnis zum wasserrechtlichen Gemeingebrauch, Art. 27 Abs. 4 BayNatSchG

1Der in Art. 27 Abs. 4 BayNatSchG enthaltene Hinweis auf die Regelung des Gemeingebrauchs an Gewässern und öffentlichen Straßen ist lediglich deklaratorischer Art. 2Der Umfang dieser Rechte bestimmt sich nach Art. 141 Abs. 3 Satz 1 BV und nach den Regelungen in den Wasser- beziehungsweise Straßen- und Wegegesetzen. 3Der Gemeingebrauch an Gewässern umfasst beispielsweise das Baden (einschließlich der Benutzung von Schwimmgürteln und -ringen, Bällen, Luftmatratzen), die Ausübung des Eissports (insbesondere Schlittschuhlaufen, Eisstockschießen und ähnliche Betätigungen) sowie das Befahren mit kleinen Fahrzeugen ohne eigene Triebkraft, § 25 Wasserhaushaltsgesetz (WHG), Art. 18 Abs. 1 Satz 1 BayWG. 4Das Betreten von Ufergrundstücken dagegen ist Bestandteil des naturschutzrechtlichen Betretungsrechts. 5Der Grundsatz der Gemeinverträglichkeit (vergleiche 2.2) ist auch ohne ausdrückliche Formulierung Bestandteil des Rechtes auf Ausübung des Gemeingebrauchs. 6Beschränkungen der Ausübung des Gemeingebrauchs an Gewässern sind insbesondere durch Verordnung nach Art. 18 Abs. 3 BayWG (unter anderem auch im Interesse des Naturschutzes oder des Erholungsverkehrs) möglich. 7Die einschlägigen Vorschriften der Schifffahrtsordnungen, vor allem die Verordnung für die Schifffahrt auf den bayerischen Gewässern (BaySchiffV) und die Verordnung über die Schifffahrt auf dem Bodensee (Bodensee-Schifffahrts-Ordnung – BSO), enthalten nähere Regelungen über den Verkehr auf dem Wasser. 8In der BaySchiffV befinden sich zum Beispiel Vorschriften über die allgemeine Sorgfaltspflicht bei der Teilnahme am Wasserverkehr (§ 38), über die Fahrgeschwindigkeit (§ 40), über den vom Ufer und von Staustufen einzuhaltenden Abstand (§ 46), über die Begegnung von Segelfahrzeugen (§ 43) und über die Erlaubnispflicht von Sportveranstaltungen (§§ 51, 52; vergleiche 2.4). 9Besondere, für das jeweilige Gebiet geltende Bestimmungen, etwa Verordnungen über Natur- oder Landschaftsschutzgebiete oder Verordnungen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, können weitere Beschränkungen, zum Beispiel die zeitliche wie räumliche Beschränkung des Badebetriebs, zur Folge haben.

1.6 Haftung, Verkehrssicherungspflicht, Versicherungslösungen

1Die Ausübung des Rechts auf Naturgenuss und Erholung erfolgt gemäß § 60 BNatSchG grundsätzlich auf eigene Gefahr und begründet weder für den Staat noch für die betroffenen Grundeigentümer oder sonstigen Berechtigten eine Haftung oder bestimmte Sorgfaltspflichten. 2Unberührt bleiben Verkehrssicherungspflichten, die den Grundeigentümer nach anderen gesetzlichen Bestimmungen treffen. 3Die sich für den Einzelfall ergebenden zivilrechtlichen Verkehrssicherungspflichten werden jeweils von der Rechtsprechung konkretisiert. 4Insbesondere besteht danach keine Haftung für typische, sich aus der Natur oder der ordnungsgemäßen Bewirtschaftung des Walds ergebende Gefahren, wie Trockenzweige in Baumkronen, herabhängende Äste nach Schneebruch oder Sturm, Unebenheiten auf Wegen durch Wurzeln, kleinere Schlaglöcher und Steine. 5Atypische Gefahren, für die grundsätzlich eine Verkehrssicherungspflicht besteht, sind dagegen solche, die (vom Besitzer) künstlich geschaffen oder geduldet werden und die der Besucher nicht oder nicht rechtzeitig erkennen kann und mit welchen er nicht rechnen muss. 6Der Abschluss einer Haftpflichtversicherung kann, im Rahmen der jeweiligen Versicherungsbedingungen, in Betracht kommen, um Haftungsrisiken (insbesondere Restrisiken) bei Vorliegen einer Verkehrssicherungspflicht abzusichern. 7Inwieweit im Detail die Risiken durch die Versicherung abgedeckt sind, ist von jedem Waldbesitzer selbst zu prüfen.

1.7 Ordnungswidrigkeiten und Einziehung, Art. 57, 58 BayNatSchG

1 Art. 57 Abs. 2, 3 und 4 BayNatSchG sieht Geldbußen bei Verstößen gegen die Vorschriften des naturschutzrechtlichen Betretungsrechts vor. 2Die bei Ordnungswidrigkeiten verwendeten Gegenstände können gemäß Art. 58 BayNatSchG, §§ 22, 53 Abs. 2 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OwiG), § 111b der Strafprozessordnung (StPO) beschlagnahmt und eingezogen werden. 3Danach ist auch die Einziehung eines Mountainbikes, mit dem außerhalb des vom naturschutzrechtlichen Betretungsrecht vorgesehenen Rahmens gefahren wurde, möglich.