Titel:
Neubewertung von Prüfungsaufgaben in der Ersten Juristischen Staatsprüfung
Normenketten:
JAPO § 14 Abs. 1, § 30, § 31
VwGO § 124
Leitsätze:
1. Prüfungsbewertungen sind wegen des den Prüfern zustehenden Bewertungsspielraums gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Prüfungsspezifische Wertungen bleiben der Letztentscheidungskompetenz der Prüfer überlassen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Grundsatz ist jede Prüfungsleistung nach einem absoluten Maßstab ohne Rücksicht darauf zu bewerten, wie andere Prüflinge dieselbe schriftliche Prüfungsaufgabe gelöst haben. Gegenstand der Bewertung ist die individuelle Leistung des Prüflings. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Gewichtung einzelner Prüfungsbestandteile in ihrem Verhältnis zueinander, die Gewichtung der Schwere einzelner Fehler sowie positiver Aspekte und deren Auswirkungen auf den Gesamteindruck der Leistung stellt eine den Prüfern vorbehaltene prüfungsspezifische Wertung dar, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erstes Juristisches, Staatsexamen, Bewertungsrügen, Erste Juristische Staatsprüfung, Prüfungsaufgaben, Klausur, Anfechtung, Prüfer, Bewertungsspielraum, gerichtliche Überprüfung, prüfungsspezifische Wertungen, individuelle Leistung, Prüfungsbestandteile, Gewichtung, Gesamteindruck, Neubewertung, Letztentscheidungskompetenz
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 10.09.2024 – M 4 K 21.3978
Fundstelle:
BeckRS 2025, 9197
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Kläger nahm im Termin 2021/1 als Wiederholer an der Ersten Juristischen Staatsprüfung teil.
2
Mit Bescheid vom 23. Juni 2021 teilte ihm das Bayerische Staatsministerium der Justiz – Landesjustizprüfungsamt – mit, er habe die Erste Juristische Staatsprüfung wiederholt nicht bestanden. Die einzelnen Aufgaben wurden wie folgt bewertet:
3
Aufgabe
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1
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2
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3
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4
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5
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6
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Punktzahl
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2,0
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6,0
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1,0
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2,0
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3,0
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5,0
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4
Nachdem er mit Schriftsatz vom 25. Juni 2021 beim Landesjustizprüfungsamt zunächst Einwendungen gegen sämtliche Prüfungsaufgaben erhoben hatte, beantragte er mit Schriftsatz vom 25. August 2021 nur noch die Einzelnoten der Aufgaben 3, 5 und 6 aufzuheben und das Prüfungsverfahren mit dem Ziel einer Neubewertung fortzusetzen. Im behördlichen Nachprüfungsverfahren zu Aufgabe 5 nahm der Erstprüfer mit Schreiben vom 27. Oktober 2021 Stellung und hob die Punktzahl auf 4 Punkte an. Der Zweitprüfer schloss sich dem mit Schreiben vom 29. Oktober 2021 an. Die Prüfer der Aufgaben 3 und 6 hielten jeweils an ihren Bewertungen fest. Mit Bescheid vom 2. November 2021 teilte das Landesjustizprüfungsamt dem Kläger die nachträgliche Änderung der Bewertung von Aufgabe 5 mit. Da er in der schriftlichen Prüfung weiterhin nicht den erforderlichen Gesamtdurchschnitt von mindestens 3,80 Punkten erreicht habe, sei er nach wie vor nicht zur mündlichen Prüfung zugelassen.
5
Die bereits mit Schriftsatz vom 26. Juni 2021 gegen den Prüfungsbescheid vom 23. Juni 2021 erhobene Klage begründete der Kläger mit Schriftsatz vom 31. Januar 2024, in dem er ausschließlich Einwendungen gegen die Bewertung von Aufgabe 5 vorbrachte. Das Verwaltungsgericht wies die Klage ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, die vom Kläger gerügten Bewertungsfehler lägen nicht vor. Er habe keinen Anspruch auf Neubewertung von Aufgabe 5.
6
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Rechtsschutzbegehren weiter. Der Beklagte tritt dem entgegen.
7
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten und der Gerichtsakten Bezug genommen.
8
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
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A. Der Kläger zeigt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) auf.
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Ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
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Durch das Vorbringen des Klägers im Zulassungsverfahren wird die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt und es werden keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
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1. Der Kläger wendet zunächst ein, das Urteil des Verwaltungsgerichts begegne ernstlichen Richtigkeitszweifeln, da die Kammer dem Prüfer zugestehe, zu bemängeln, dass der Kläger in seiner Klausur nicht erkläre, warum in der Hauptsache keine Bestandskraft eingetreten sei. Zudem sei die Entscheidung unverständlich, soweit sie sich mit dem Erfordernis einer vorherigen Antragstellung an die Behörde befasse. Die Ausführungen des Klägers seien eindeutig.
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a) Eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist insoweit bereits deshalb ausgeschlossen, da dieses Zulassungsvorbringen nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt. Der Kläger hätte sich mit den vom Verwaltungsgericht zu den gerügten Punkten getroffenen Feststellungen substantiiert auseinandersetzen und diesen mit schlüssigen Argumenten entgegentreten müssen. Hieran fehlt es. Die Ausführungen des Klägers lassen jede Begründung dafür vermissen, warum ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen sollten, sondern treten dieser schlicht entgegen, indem sie überwiegend erstinstanzliches Vorbringen wiederholen. Damit wird der Kläger seiner Darlegungspflicht aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht gerecht.
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b) Abgesehen davon bestehen insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Das Zulassungsvorbringen verkennt, dass die Prüfer nicht die vom Kläger verwendete Terminologie der „Bestandskraft“ rügen, sondern vielmehr eine „etwas oberflächliche“ Bearbeitung des Prüfungspunkts Rechtsschutzbedürfnis im Rahmen der Prüfung der Erfolgsaussichten eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 5 VwGO. Gegen die Feststellung des Verwaltungsgerichts, der Erwartungshorizont der Prüfer sei bezüglich dieses Prüfungspunkts nicht zu beanstanden, bestehen keine Bedenken. Die Aufgabenbearbeitung des Klägers beschränkt sich darauf, knapp auszuführen, dass die sicherheitsrechtliche Anordnung, die u.a. Prüfungsgegenstand von Aufgabe 5 war, nicht bestandskräftig geworden sei, ohne auf die im Sachverhalt angelegten weiteren Probleme (u.a. Bekanntgabe, Klagefrist, Fristberechnung, Notwendigkeit der vorherigen Erhebung einer Anfechtungsklage) einzugehen und das gefundene Ergebnis überhaupt zu begründen. Hierauf weist der Erstprüfer in seiner Stellungnahme vom 27. Oktober 2021 ausführlich und zutreffend hin (vgl. S. 2). Prüfungsbewertungen sind wegen des den Prüfern zustehenden Bewertungsspielraums gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (stRspr. seit BVerwG, U.v. 24.4.1959 – VII C 104.58 – juris Rn. 18; BVerfG, B.v. 17.4.1991 – 1 BvR 419/81 u.a. – juris Rn. 55). Der gerichtlichen Überprüfung unterliegt die Frage, ob die Prüfer anzuwendendes Recht verkannt haben, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, allgemeingültige Bewertungsgrundsätze verletzt haben oder ob sie sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen. Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Prüfer ihre Bewertung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt haben, die einer sachlichen Überprüfung standhalten, ob sie bei ihrer Bewertung den Zweck, dem die Prüfung dient, verkannt haben und ob ferner die Bewertung in sich schlüssig und nachvollziehbar ist und den Anforderungen rationaler Abwägung nicht widerspricht. Derartige Mängel zeigt der Kläger mit seinen Einwendungen im Zulassungsverfahren jedoch nicht auf. Vielmehr rügt er insoweit lediglich die Bewertungen der beiden Prüfer. Prüfungsspezifische Wertungen bleiben der Letztentscheidungskompetenz der Prüfer überlassen (vgl. BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 7 ZB 23.153 – juris Rn. 16; B.v. 21.7.2021 – 7 ZB 20.922 – juris Rn. 18).
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Ebenfalls nicht zu beanstanden sind die verwaltungsgerichtlichen Feststellungen zum Prüfungspunkt „vorherige Antragstellung bei der Behörde erforderlich“. Zwar findet der Kläger das richtige Ergebnis. Er untermauert dieses jedoch nicht im Ansatz mit Argumenten. Die auf einen Satz beschränkten Klausurausführungen des Klägers lassen vor allem eine Abgrenzung zu § 80 Abs. 6 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. VwGO vermissen. Dass die Prüfer dies als „etwas dünn“ bezeichnen, ist nicht zu beanstanden.
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2. Der Kläger wendet ferner ein, das Verwaltungsgericht habe allgemeingültige Bewertungsgrundsätze dahingehend verletzt, dass anerkannte Grundsätze der Klausurbearbeitung und -methodik nicht hinreichend Berücksichtigung gefunden hätten. Dem angegriffenen Urteil sei vorzuwerfen, den Erwartungshorizont der Prüfer „zum absoluten Maßstab“ zu machen, wenn diesen zugestanden werde, die Nichterwähnung von § 81 VwGO als fehlend zu monieren.
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Ungeachtet der Frage, ob der Kläger mit diesen Ausführungen den Darlegungsanforderungen aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gerecht wird – sie wiederholen in weiten Teilen erneut nur erstinstanzlichen Vortrag (vgl. Schriftsatz v. 31.1.2024, S. 7) –, vermögen diese Einwendungen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zu wecken. Entgegen dem klägerischen Vorbringen ist nicht zu beanstanden, wenn die Prüfer im Rahmen der Bearbeitung einer schriftlichen Aufgabe der Ersten Juristischen Staatsprüfung, in der laut Bearbeitervermerk ein Gutachten anzufertigen war, von den Kandidaten erwarten, dass diese in der Zulässigkeitsprüfung eines Antrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die im Beschlussverfahren entsprechend anzuwendende Norm des § 81 VwGO kurz ansprechen. Eine solche Erwartung stellt jedenfalls keine Überschreitung des prüfungsspezifischen Bewertungsspielraums dar.
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3. Auch die klägerischen Einwände gegen die Bewertung des der Begründetheitsprüfung vorangestellten Obersatzes als „nicht überzeugend“ bzw. „nicht ganz überzeugend“, rechtfertigen keine Zulassung der Berufung wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Der Kläger bringt im Wesentlichen vor, der Erstprüfer habe den von ihm gewählten „dreiaktigen Prüfungsmaßstab“ missverstanden. Dessen Behauptung, die Verwendung des Wortes „Dringlichkeitsinteresse“ sei an sich nicht zu beanstanden, sei völlig unglaubhaft. Der Prüfer habe nicht erklärt, was er mit der Unterringelung des Begriffs sowie der Korrekturbemerkung „nicht überzeugend“ gemeint habe. Der Kläger habe die Kategorien des Vollzugsinteresses einerseits, wie auch die des Dringlichkeitsinteresses andererseits präzise festgelegt. Den Begriff des Dringlichkeitsinteresses habe er geradezu vorbildhaft beschrieben. Dies verkenne das Verwaltungsgericht.
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Das Verwaltungsgericht führt hierzu aus, die Prüfer hätten weder den vom Kläger gewählten Aufbau noch die Verwendung des Begriffs „Dringlichkeitsinteresse“ kritisiert. Sie hätten auch nicht verlangt, den Aufbau selbst zu begründen, sondern vielmehr das Verhältnis der einzelnen Prüfungspunkte zueinander darzustellen. Entgegen den klägerischen Ausführungen ist gegen die diesbezüglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts nichts zu erinnern. Aus der Begründung der Erstbewertung sowie der Stellungnahme des Erstprüfers vom 27. Oktober 2021 im Nachprüfungsverfahren, der sich der Zweitprüfer angeschlossen hat, wird deutlich, dass Kritikpunkt der Prüfer eine unzureichende Begriffsklärung, insbesondere die fehlende Herausarbeitung des Unterschieds zwischen den vom Kläger verwendeten Begriffen „Vollzugsinteresse“ und „Dringlichkeitsinteresse“ ist. Die Prüfer bewerten den vom Kläger gewählten Lösungsansatz „Abwägung von Aussetzungs- und Vollzugsinteresse nur anhand der Erfolgsaussichten der Hauptsache und anschließend Prüfung eines Dringlichkeitsinteresses“ ausdrücklich als „nicht falsch oder völlig unvertretbar, aber nicht ganz überzeugend…“. Dass sie mit dieser Kritik ihren Bewertungsspielraum überschritten hätten, zeigt das Zulassungsvorbringen nicht auf. Nach dem vom Kläger für die Begründetheitsprüfung gewählten Prüfungsaufbau wäre im Anschluss an die materiell-akzessorische Prüfung für den Fall, dass keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder sogar die offensichtliche Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts festgestellt wird, weiter zu prüfen, ob besondere Gründe für die sofortige Vollziehung des Verwaltungsakts vorliegen (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2024, VwGO, § 80 Rn. 388 m.w.N.). Letzterer Prüfungspunkt geht jedoch aus der Aufgabenbearbeitung des Klägers nicht hinreichend deutlich hervor. Da entgegen den klägerischen Ausführungen der gewählte Prüfungsaufbau nicht „gang und gäbe“ ist (vgl. hierzu Schoch a.a.O. § 80 Rn. 372 m.w.N. aus Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung), ist der Erwartungshorizont der Prüfer, dass die Klausurbearbeitung an dieser Stelle Präzision und Argumentation zeigen muss, im Hinblick auf das herrschend favorisierte Modell einer „Interessenabwägung mit Evidenzkontrolle“ plausibel und nachvollziehbar.
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4. Das Zulassungsvorbringen gegen die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zur Kritik der Prüfer bezüglich der vom Kläger geprüften materiellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs, zeigt ebenfalls keine ernstlichen Zweifel auf. Der Erstprüfer hat in seiner Bewertungsbegründung ausgeführt, der Kläger habe ohne nachvollziehbare Begründung entgegen der allgemeinen Meinung die materielle Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit geprüft. Das Verwaltungsgericht hat hierzu festgestellt, die Prüfer hätten nicht die verwendete Terminologie kritisiert, sondern deren fehlende Erläuterung. Ferner seien die klägerischen Ausführungen nicht als falsch, sondern in ihrer konkreten Gestalt als nicht überzeugend bewertet worden.
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a) Mit diesen gerichtlichen Feststellungen setzt sich das Zulassungsvorbringen erneut nicht hinreichend substantiiert auseinander. Es beschränkt sich darauf, diesen schlicht entgegenzutreten und im Stile einer Berufungsbegründung auszuführen, wie der Kläger zur Auffassung gelangt, seine Ausführungen seien nicht zu beanstanden gewesen. Indem er aber schlicht seine Rechtsauffassung an die des zur Entscheidung berufenen Verwaltungsgerichts setzt, legt er i.S.v. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO keine ernstlichen Zweifel dar.
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b) Zudem steht auch insoweit die Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung nicht in Zweifel. Die Prüferkritik ist, dies hat das Verwaltungsgericht richtig erkannt, nicht zu beanstanden. Denn der Erstprüfer hat ausdrücklich erklärt, die Prüfung der materiellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs als vertretbar bewertet zu haben. Er bemängelte lediglich, dass der Kläger seine Falllösung weder klar herausgearbeitet noch begründet habe. Dass hierin eine Überschreitung des gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums liegt, zeigt das Zulassungsvorbringen weder auf noch ist dies für den Senat erkennbar. Dies gilt insbesondere deshalb, da auch unter Heranziehung des vom Kläger gewählten Prüfungsaufbaus das Dringlichkeitsinteresse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts vom Gericht – ohne Bindung an die behördliche Entscheidung, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO – positiv festgestellt werden muss, da der gesetzliche Regelfall derjenige des Suspensivinteresses (§ 80 Abs. 1 VwGO) ist (vgl. Schoch in Schoch/Schneider, VwGO, § 80 Rn. 387). Auch im Rahmen des vom Kläger angewandten dreistufigen Prüfungsprogramms überprüft das Gericht damit nicht die materielle Rechtmäßigkeit der behördlichen Anordnung des Sofortvollzugs, sondern trifft eine eigene Entscheidung über das Vorliegen eines besonderen Vollzugsinteresses.
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5. Der Kläger wendet sich ferner dagegen, dass die Prüfer zur Annahme gelangt seien, er habe „grob fehlerhaft und ebenfalls ohne überzeugende Begründung die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit als Verwaltungsakt qualifiziert“. Damit vermag er bezüglich der Bewertung als „grob fehlerhaft“ schon deshalb nicht durchzudringen, als die Prüfer von dieser Bewertung im Nachprüfungsverfahren abgerückt sind und ihre Gesamtbewertung der klägerischen Prüfungsleistung daraufhin jeweils um einen Punkt angehoben haben. Soweit sich der Kläger gegen den Vorwurf fehlender Begründung wendet, kommt er – das Zulassungsvorbringen wiederholt erneut lediglich erstinstanzliches Vorbringen – seiner Darlegungspflicht aus § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO nicht nach. Zudem zeigt er auch insoweit keine ernstlichen Zweifel auf. Denn die klägerische Falllösung enthält – dies wird von den Prüfern völlig zutreffend gerügt und gilt im Übrigen nicht nur für diesen Punkt der klägerischen Bearbeitung – weder eine Diskussion des inmitten stehenden Rechtsproblems der Rechtsnatur einer Vollzugsanordnung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO noch eine Begründung für die vom Kläger gefundene Lösung. Es ist nicht erkennbar, dass dem Kläger überhaupt bewusst war, dass die Frage, ob die Anordnung des Sofortvollzugs Verwaltungsaktqualität hat, von Rechtsprechung und herrschender Meinung verneint wird. Die vom Kläger angebotene Prüfung an den Kriterien des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG ist hier – ohne Darstellung der divergierenden Rechtsmeinungen – unzureichend.
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6. Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, die Prüfer hätten gegen das Gebot der Chancengleichheit (Art. 3 Abs. 1 GG) verstoßen, da sie keinen einheitlichen Bewertungsmaßstab angelegt hätten, wie sich aus der Bewertung der vom Kläger vorgelegten Vergleichsklausur des Mitprüflings E 205, die von denselben Prüfern korrigiert worden sei, ergebe.
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a) Mit seinem diesbezüglichen Zulassungsvorbringen verfehlt der Kläger erneut die Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat diese Frage in der angegriffenen Entscheidung ausführlich erörtert (vgl. UA Rn. 119 bis 128). Das Zulassungsvorbringen hätte die Erwägungen des Verwaltungsgerichts durchdringen und sich mit diesen substantiiert auseinandersetzen müssen. Soweit sich die Rüge gegen dessen Ausführungen in den Randnummern 116 bis 118 bezieht, geht sie ins Leere, da das Verwaltungsgericht in den Randnummern 107 bis einschließlich 118 lediglich das Vorbringen der Beteiligten im Nachprüfungs- und im Klageverfahren referiert und insoweit keine eigenen Feststellungen trifft, deren Richtigkeit in der Zulassungsbegründung in Zweifel zu ziehen wäre. Mit dem weiteren Hinweis, die Ausführungen des Gerichts in den Randnummern 122 bis 128 gingen am eigentlichen klägerischen Begehren vorbei, vermag der Kläger ebenfalls keine ernstlichen Richtigkeitszweifel darzulegen. Dieser Einwand ist nicht im Ansatz hinreichend substantiiert, um § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO Genüge zu tun.
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b) Darüber hinaus wirft das Zulassungsvorbringen auch insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils auf. Die als „Vergleichsklausur“ herangezogene Arbeit des Mitprüflings E 205 kann nicht, wie der Kläger meint, Maßstab dafür sein, dass (s) eine Bearbeitung „aus dem Vergleichsrahmen fallen“ müsse. Denn im Grundsatz ist jede Prüfungsleistung nach einem absoluten Maßstab ohne Rücksicht darauf zu bewerten, wie andere Prüflinge dieselbe schriftliche Prüfungsaufgabe gelöst haben. Gegenstand der Bewertung ist die individuelle Leistung des Prüflings (vgl. VGH BW, B.v. 26.11.2019 – 9 S 1126/19 – juris Rn. 55; Fischer in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 9. Aufl. 2022, Rn. 532). Zudem stellt die Gewichtung einzelner Prüfungsbestandteile in ihrem Verhältnis zueinander, die Gewichtung der Schwere einzelner Fehler sowie positiver Aspekte und deren Auswirkungen auf den Gesamteindruck der Leistung eine den Prüfern vorbehaltene prüfungsspezifische Wertung dar, die gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Bildung eines „Vergleichsrahmens“ durch das Verwaltungsgericht verbietet sich schon vor diesem Hintergrund. Hinzukommt, dass die Bearbeitung des Klägers mit vier Punkten (ausreichend) und damit als bestanden bewertet wurde, die Vergleichsklausur hingegen die Bestehensgrenze verfehlte (3 Punkte – mangelhaft). Damit wird deutlich, dass die Bearbeitungen schon hinsichtlich der individuell gezeigten Leistungen nicht vergleichbar sind.
28
B. Die Berufung ist weder wegen besonderer tatsächlicher noch wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
29
1. Besondere tatsächliche Schwierigkeiten einer Rechtssache entstehen durch einen besonders unübersichtlichen und/oder einen schwierig zu ermittelnden Sachverhalt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 33). Dafür, dass der Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht besonders unübersichtlich oder besonders schwierig zu ermitteln ist, ist nicht ausreichend vorgetragen, § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO.
30
2. Die Rechtssache weist auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten auf. Solche liegen vor, wenn eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Entscheidend für besondere rechtliche Schwierigkeiten ist dabei stets die Qualität, nicht die Quantität (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 27). Der Senat vermag keine überdurchschnittlichen juristischen Schwierigkeiten zu erkennen, insbesondere gibt auch das Zulassungsvorbringen keinen Anlass zu Zweifeln, die sich nicht schon im Zulassungsverfahren, sondern erst in einem Berufungsverfahren mit der erforderlichen Sicherheit klären und entscheiden ließen (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 10 ZB 19.2131 – juris Rn. 11).
31
C. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
32
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder nichtrevisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.11.2019 – 4 ZB 19.1671 – juris Rn. 10 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren sowie deren (2.) Klärungsfähigkeit, (3.) Klärungsbedürftigkeit und (4.) allgemeine Bedeutung substantiiert darlegen (BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
33
Diesen Darlegungsanforderungen entspricht das Zulassungsvorbringen nicht. Die klägerischen Ausführungen zur Begründung grundsätzlichen Bedeutung der Frage, „ob und inwieweit und auf welche Art und Weise eine Vergleichsklausur in prüfungsrechtlichen Verfahren herangezogen werden kann“, erschöpfen sich in der Wiedergabe der Darlegungsanforderungen und behaupten schlicht deren Vorliegen. Die erforderliche juristische Durchdringung der Materie und eine Auseinandersetzung mit den ausführlichen Erwägungen des Verwaltungsgerichts lassen sie jedoch vermissen. Zudem ist die aufgeworfene Frage aus den oben unter A.6.b) ausgeführten Gründen nur im Einzelfall zu entscheiden und damit einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
34
D.Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 36.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Eyermann, VwGO).
35
Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).