Titel:
Steuerrechtliche Handhabung von Kryptographischen-Währung-Einträgen
Normenketten:
AO § 30a Abs. 3, § 93 Abs. 1 lit. a, § 165 Abs. 1 S. 1 u. 2, § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EStG § 22 Nr. 3, § 23 Abs. 1 S.1 Nr. 2
BGB § 90
KWG § 1 Abs. 11 S. 1 Nr. 10
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20 Abs. 3, Art. 100 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Besteuerung von Geschäften mit Kryptowerten nach 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG bzw. gegen Kryptowerte nach § 22 Nr. 3 EStG ist nicht wegen Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip „bei fehlender Realisation (z.B. in gesetzliche Währung“) verfassungswidrig, . (Rn. 182) (redaktioneller Leitsatz)
2. Trotz möglicher, durch die Anonymisierung des Handels bei Kryptowerten oder die Verlagerung von Geschäften auf Handelsplattformen im europäischen oder außereuropäischen Ausland zurückzuführende Vollzugsschwierigkeiten bei der Besteuerung von Veräußerungsgeschäften mit Kryptowerten liegt keine der materiellen Regelung strukturell gegenläufige Erhebungsregelung vor. Der Finanzverwaltung stehen – über die ohnehin bestehende Erklärungspflicht des Steuerpflichtigen hinaus – weitere Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung, (Rn. 186) (redaktioneller Leitsatz)
3. Alleine das Fehlen von Aufzeichnungspflichten bedingt ein Vollzugsdefizit. Es existieren Aufzeichnungspflichten z.B. auch nicht im Bereich der Einkunftsart der Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG). Dennoch ist der Steuerpflichtige auch bei solchen Einkunftsarten gehalten, den allgemeinen Mitwirkungspflichten (§ 90 Abs. 1 AO) nachzukommen, die sich intensivieren, wenn es sich um Sachverhalte aus seiner Sphäre handelt (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90 AO, Rz 12 m. w. N.), (Rn. 187). (redaktioneller Leitsatz)
4. Bei virtuellen Währungen in Gestalt von Currency Token Bitcoin (BTC), Ether (ETH) und Monero (XMR) handelt es sich um andere Wirtschaftsgüter im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, (Rn. 204). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Amtsermittlungspflicht, Einkommensteuerbescheid, Zeitpunkt, Anlage, Vollzugsdefizit, Berechnung, Blockchain, Kryptowert, Wirtschaftsgut, Eigentum
Fundstelle:
BeckRS 2025, 7241
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
1
Streitig ist, ob Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (Handel mit sog. „Kryptowährungen“) in Höhe von 102.141 € sowie Einkünfte aus sonstigen Leistungen in Höhe von 8.395 € für als Gegenleistung erhaltene Kryptowährungen der Einkommensbesteuerung unterliegen.
2
Der im Streitjahr ledige Kläger wird beim beklagten Finanzamt zur Einkommensteuer veranlagt. Er erzielte Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Kursleiter sowie aus Gewerbetrieb (Einzelhandel).
3
Für das Streitjahr reichte der Kläger seine Steuererklärung durch elektronische Übermittlung ein. Nach Aktenlage übermittelte der Kläger am 01.07.2019 zunächst um 23:38 Uhr die allgemeinen Angaben zu seiner Person und eine Erklärung zu privaten Veräußerungsgeschäften (Zeitpunkt der Anschaffung 01.01.2017, Zeitpunkt der Veräußerung 31.12.2017, Veräußerungspreis 566.995 €, Anschaffungskosten 464.854 €, Gewinn i.H.v. 102.141 €; lt. Angaben „An- und Verkauf v. Kryptowährungen gem. ges. Aufst.“); um 23:51 Uhr folgten ergänzte Daten zu den allgemeinen Angaben sowie zu den Einkünften aus selbständiger und gewerblicher Tätigkeit, zu Vorsorgeaufwendungen und außergewöhnlichen Belastungen.
4
Mit Bescheid vom 19.07.2019 setzte das Finanzamt die Steuer für 2017 i.H.v. 8.481 € fest (teilweise vorläufig, § 165 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Abgabenordnung (AO)). Ein Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften erfolgte nicht.
5
Mit Mail vom 22.07.2019 kündigte der Kläger zu seiner bereits übermittelten Anlage SO weitere wichtige Unterlagen auf dem Postweg an und gab weiter an, zusätzliche Unterlagen einreichen zu wollen, die zur Bearbeitung der Anlage SO unerlässlich seien.
6
Am 23.07.2019 ging dann ein Schreiben des Steuerpflichtigen beim Finanzamt ein, in dem er darauf hinwies, dass in der Anlage SO Trades im Zusammenhang mit einem Hackerangriff (lt. beigefügter Liste) nicht enthalten seien. Im Zusammenhang mit diesen Vorgängen habe der Kläger keinen Gewinn, sondern eher einen Verlust erzielt. Beigefügt war weiter eine Anlage SO, die die Angaben zu den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften wie in der bereits elektronisch übermittelten Anlage (Gewinn 102.141 €) enthält.
7
Weiter teilte der Kläger mit, dass er die Kalkulation des privaten Veräußerungsgeschäfts nach der LIFO-Methode erstellt habe; er werde dem Finanzamt schnellstmöglich weitere Dokumente zukommen lassen, die für die Bearbeitung der Anlage SO unerlässlich seien.
8
Weitere Unterlagen gingen beim Finanzamt jedoch zunächst nicht ein.
9
Am 19.08.2019 erließ das Finanzamt einen nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Bescheid, mit dem die Steuer unter Einbeziehung von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 102.141 € auf 50.886 € heraufgesetzt wurde.
10
Mit Mail vom 21.08.2019 stellte der Kläger einen Antrag auf schlichte Änderung des Bescheides „vom 22.07.2019“ und begehrte neben der Nachmeldung seiner Beitragsrückerstattung von Krankenkassenbeiträgen noch den zusätzlichen Ansatz von Betriebsausgaben. Mit allen anderen Punkten dieses Steuerbescheides sei der Kläger einverstanden.
11
Den ergänzenden Angaben folgend erließ das Finanzamt am 03.09.2019 einen erneut nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geänderten Steuerbescheid für 2017, in dem es die Steuer auf 50.435 € herabsetzte.
12
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger – nunmehr vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten – am 06.09.2019 Einspruch ein.
13
Seinen Einspruch begründete der Kläger im Wesentlichen damit, dass eine Besteuerung von Einkünften aus der Veräußerung von Kryptowährungen aufgrund der aktuell geltenden Rechtslage unzulässig sei. Eine Steuerpflicht bestehe nicht. Kryptowährungen oder Teile davon seien keine Wirtschaftsgüter. Außerdem sehe man ein strukturelles Vollzugsdefizit, da wohl nur ein Bruchteil der Steuerpflichtigen, die Gewinne im Zusammenhang mit Kryptowährungen erzielten, ihren Mitwirkungspflichten nachkämen.
14
Zur Ermittlung des erklärten Gewinns aus dem Handel mit Kryptowährungen reichte der Kläger auf Anforderung des Finanzamts im Laufe des Verwaltungsverfahrens folgende Unterlagen ein bzw. gab folgende Erläuterungen:
15
Mit Schriftsatz vom 14.08.2020 wies die Klägerseite darauf hin, dass die angeforderten Informationen angesichts fehlender Standards bzw. verlässlicher Quellen unsicher seien und nicht ohne weiteres vom Steuerpflichtigen selbst geklärt werden könnten. So werde eine von dem Mandanten auf Basis der von Cointracking gelieferten Daten erstellte Aufstellung (Coin-/Tokenaufstellung, als Anlage 1, überschrieben mit „Cointicker“) vorgelegt, die ausweise, welche Kryptowährungen der Kläger im Streitjahr transferiert habe bzw. transferiert bekommen habe. Eine weitere Tabelle (Anlage 2; beginnend mit Transaktionen ab 08.04.2017) werde überreicht, aus der alle Trades, die von Konten des Klägers ausgegangen seien (inklusive der unautorisierten Trades durch einen Hacker), ersichtlich seien.
16
Nicht enthalten seien hingegen „Einnahmen“ in Form von Coins/Token, die aufgrund Haltens des Coins „COSS“ auf der Börse „COSS“ zu verzeichnen seien; auf diese Coins/Token habe der Kläger derzeit keinen Zugriff und auch keine weiteren Informationen. Eine Verteilungshistorie habe aus Sicht des Klägers auch nicht bestanden.
17
Mit „Airdrop“ seien die Coins/Token bezeichnet, die dem Kläger ohne eigene Veranlassung per sog. Airdrop zugegangen seien. Mit „Trades“ seien alle Coins/Token bezeichnet, die der Kläger erlangt und dann transferiert habe. Mit „Income“ seien die Coins/Token bezeichnet, die der Kläger für eine „Überlassung“ von Coins//Token erhalten habe (z.B. durch Lending Waves). Mit „Gift/Tip“ seien die Coins/Token markiert, von denen der Kläger nicht mit Sicherheit sagen könne, warum diese ihm „gutgeschrieben“ worden seien, da diese ohne seine Veranlassung auf seine Wallets „transferiert“ worden seien.
18
Auf detaillierte Anforderung des Finanzamts legte der Kläger mit Schreiben vom 27.01.2021 als Anlage 1 seine „laienhafte Berechnung“ vor, die den Eintragungen in der Anlage SO mit einem Gewinn von 102.141 € zugrunde gelegen habe; weiter wurde als Anlage 2 eine Liste über den damals dem Kläger bekannten Airdropbestand vorgelegt, wobei darauf hingewiesen wurde, dass der Kläger diese Airdrops ohne vorherige Datenpreisgabe erhalten habe. Auf weitere Anfrage des Finanzamts erläuterte die Klägerseite die Ermittlung mit Schriftsatz vom 15.07.2021 ausführlich. So seien in der Anlage 1 zum Schreiben vom 27.01.2021 jeweils „Volume“ (= Menge), „Date Acquiered“ (= Kaufzeitpunkt), „Date-Sold“ (= Verkaufszeitpunkt), „Proceeds“ (= Ertrag), „Costbasis“ (= Aufwand), „Gain“ (= Gewinn/Verlust), Currency (= Währung in FIAT) und „Total Gain“ (= Totalgewinn) ausgewiesen. Soweit Anschaffungsnebenkosten und sonstige Kosten nicht einzeln aufgeführt worden seien, sei das darauf zurückzuführen, dass diese mangels Dokumentation teilweise nicht (mehr) beschaffbar oder aus sonstigen Gründen im Einzelnen nicht nachweisbar seien.
19
Der monierte fehlende Marktkurs vom Transaktionstag der Einheiten untereinander getauschter virtueller Einheiten sei durch das verwendete Programm ausgerechnet worden und könne „händisch“ z.B. auf den Wert eines BTC (= Bitcoin) hochgerechnet werden. Alle dem Kläger bekannten Trades seien in der Anlage 2 zum Schreiben vom 14.08.2020 aufgelistet worden. Der Eurowert sei mit dem Schreiben vom 27.01.2021 (Anlagen 1 und 2) zusätzlich vorgelegt worden – es handele sich dabei um die Berechnung von Bitcoin-Tax bzgl. der Anlage 1 und um die Berechnung von CoinTracking bzgl. Anlage 2. Offenbar teile dieses Programm die einzelnen Trades (sämtlich enthalten in der Anlage 1 zum Schreiben vom 14.08.2020) in einzelne Pools ein, die eine mögliche Steuerrelevanz aufwiesen (nicht identisch mit der Tradingtabelle). Als fiktives Beispiel zur Systematik sei hierzu dargelegt, dass z.B. bei Tausch am 01.05.2017 eines Bitcoins gegen 100 Waves (= Erwerb von 100 Waves) und Verkauf von 40 Waves hiervon gegen 0,1 Bitcoin am 03.08.2017 das Programm daraus einen Wavepool kreiere. Dies bedeute, es berechne den Eurowert zum Zeitpunkt des Kaufs von Waves und zum Zeitpunkt des Verkaufes. Der Differenzbetrag werde dann als steuerrechtlich relevanter Gewinn oder Verlust ausgewiesen. In der Tradingtabelle ergebe sich dann folgendes Bild:
Type
|
Buy
|
Curr
|
Sell.
|
Curr.
|
…
|
Date
|
Trade
|
100
|
Waves
|
1
|
Bitcoin (BTC)
|
|
01.05.2017
|
Trade
|
0.1
|
Bitcoins (BTC)
|
40
|
Waves
|
|
03.08.2017
|
20
In der Anlage 1 zum Schreiben vom 27.01.2021 ergebe sich folgendes Bild zum Vorgang:
Volume
|
Symbol
|
Date acquired
|
Date Sold
|
Proceeds
|
Cost Basis
|
Gain
|
Currency
|
40
|
Waves
|
1.5.2017
|
3.8.2017
|
1600
|
1200
|
400
|
€
|
21
Entsprechend würde das Programm für Bitcoin einen separaten Pool mit An- und Verkaufszeitpunkt des Bitcoins anlegen. Insofern entspreche die Auflistung der Trades in Anlage 1 zum Schreiben vom 27.01.2021 den Trades der Anlage 2 zum Schreiben vom 14.08.2020. Enthalten seien jeweils alle Trades, also die gesamte möglicherweise steuerrelevante Summe. Der zweite Vorgang enthalte die von der Finanzverwaltung geforderte steuerliche Berechnung mit Euroangabe, obwohl tatsächlich gerade kein Handel gegen Euro, sondern gegen eine andere Kryptowährung erfolgt sei.
22
Die vom Kläger in mühevoller Kleinarbeit erstellten Listen hätten eine wochenlange Detailarbeit erfordert und seien erst durch Zusammentragen aller Informationen der verschiedenen Börsen sowie Einpflegen in das Steuerprogramm ermöglicht worden. So seien trotz der vorhandenen Steuersoftware mehrere 100 Korrekturen erforderlich gewesen, weil beispielsweise:
o die Daten automatisiert doppelt importiert worden seien
o die Daten falsch importiert worden seien (z.B. Kauf statt Verkauf oder Kauf statt Deposit insbesondere beim API-Import von Wallets)
o die verschiedenen Zeitzonen falsch importiert worden seien
o nicht alle Daten importiert worden seien, z.B. weil Binance den Kauf bzw. Verkauf von Coins, die nunmehr nicht mehr handelbar seien, beim API-Import nicht in das Steuerprogramm importiert worden seien (d. h. nach aufwendiger Fehlersuche hätte eine manuelle Korrektur erfolgen müssen)
o die Ticker zweier verschiedener Coins teilweise identisch seien und vom Programm verwechselt würden, sodass das Programm automatisiert den Eurowert der jeweils anderen „virtuellen Währung“ zum Zeitpunkt des An- bzw. Verkaufs nehme
o die deposit- bzw. withdrawal-Zeitwerte der Coins nicht korrekt angezeigt worden seien, so dass bei zahlreichen Werten eine manuelle Korrektur habe durchgeführt werden müssen, damit das Programm die vorgelegte Berechnung überhaupt habe durchführen können
o es teilweise schwierig gewesen sei, von den Börsen die (vollständigen) Listen zu bekommen, etc.
23
Im Hinblick auf die Komplexität der Vorgänge und die vom Kläger geleistete Detailarbeit sehe die Klägerseite keine Verletzung von Mitwirkungspflichten und keine Berechtigung für eine etwaige Schätzung nach § 162 AO; vielmehr sei auf die Ermittlungspflicht der Finanzbehörden nach § 88 Abs. 1 AO hinzuweisen.
24
Insoweit sei im Hinblick auf die vom Finanzamt angesprochenen Airdrop-Vorgänge darauf hinzuweisen, dass – soweit der Kläger ursprünglich nicht alle Vorgänge deklariert habe – dies primär auf die spezielle Programmstruktur und die Vielzahl und Komplexität der Vorgänge zurückzuführen gewesen sei und nicht darauf, dass der Kläger keine Angaben hätte machen wollen.
25
Zu den mit Schreiben des Finanzamts vom 22.09.2021 angeforderten Auskünften nahm die Klägerseite weitergehend Stellung, indem erneut bekräftigt wurde, dass die Anlage 2 zum Schreiben 14.08.2020, die mittels Cointracking erstellte Liste, alle dem Kläger bekannten Trades enthalte. Lediglich die Veräußerungen bzw. Reaktionen des Klägers im Zusammenhang mit dem Hackerangriff am 23.12. und 24.12.2017 seien im Hinblick auf die Ausführungen des Klägers im Veranlagungsverfahren nicht enthalten.
26
Hinsichtlich der Anlage 2 zum Schreiben vom 27.01.2021 erläuterte der Klägervertreter weiter, dass die nunmehr angesprochenen „Zuflüsse“ (Airdrops, Income, Gift/Tip) jeweils auf der Handelsplattform Waves erfolgt seien (bis auf die noch folgend genannten Ausnahmen). Dabei seien die Coins, die mit Airdrop oder Gift/Tip deklariert seien, voraussetzungslos erlangt worden (kein KYC, kein bestimmtes Tradingvolumen etc.) lediglich die Coins, die mit Income deklariert worden seien, habe der Kläger durch Staking der Wave Coins erhalten. Das jeweilige GAS-„Income“ habe der Kläger durch Claiming erhalten (letztendlich durch das Halten von NEO); die jeweils „äquivalente“ Menge GAS sei durch die abgelaufene Zeit bestimmt worden; der Gas-Claim sei durch Selbstüberweisung der Neo-Token auf die eigene Coinadresse zu den genannten Zeitpunkten durchgeführt worden. Das ETH-Income vom 28.12.2017 resultiere aus dem Halten der Währung Astronaut (Astro) – die Gründer dieser Währung hätten in verschiedene Kryptowährungen investiert und die Gewinne in diesem Zeitabschnitt (der Kläger gehe hier von einem Vierteljahr aus, ohne sich genau zu erinnern) seien anteilig an die A. H. ausgezahlt worden – dieses ETH sei also eine Gewinnbeteiligung. Der Airdrop von Astro vom 28.12.2017 sei ein „voraussetzungsloser“ Airdrop gewesen. Der Zufluss sei nicht aktiv vom Kläger veranlasst worden; bei den Airdrops/Gifts/Tipps sei der Zufluss ohne Zutun des Klägers erfolgt. Beim Staking der Wave-Coins sei nach dem Separieren der Coins automatisch immer der Zufluss erfolgt. Diese seien mit „Income“ deklariert worden (mit Ausnahme der von ETH vom 28.12.2017 und der GAS-Incomes). Das ETH-Income vom 28.12.2017 sei ohne aktive Beantragung durch schlichtes Halten der Kryptowährung ASTRO erfolgt. Bei GAS sei der Zufluss aktiv durch Selbstüberweisung in dem Sinne beantragt worden, wodurch der Kläger faktisch Zugriff auf die theoretisch durch Haltezeit und Anzahl der Coins ihm „zustehenden“ Coins erhalten habe.
27
Durch den Hard Fork habe der Kläger keine Coins erhalten, da er keine BTC „auf“ einer Wallet „registriert“ habe, die ihm hierdurch hätten „zugeteilt“ werden können. Der Kläger habe seine Transaktionen über folgende Handelsplattformen getätigt: Anycoin.direct, Bancor, Binance, Bittrex, C-Cex, Changelly, Coss, Cryptopia, Etherdelta, Kraken, Liqui, Shapeshift, Waves; über die Plattformen Anycoin.direct und Kraken seien FIAT-Währungen in Kryptowährungen und umgekehrt getauscht worden.
28
Der Klägervertreter monierte im Übrigen, dass es im Hinblick auf die fehlende Auseinandersetzung der Finanzbehörde mit der Wirtschaftsgutqualität der streitgegenständlichen einzelnen Kryptowährungen letztlich nicht dem Kläger obliege, grundsätzlich weitere Angaben zu machen. Die Feststellungslast liege bei der Finanzbehörde. Einem Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf andere anhängige Verfahren stimmte die Klägerseite nicht zu. Abschließend wies der Kläger darauf hin, dass sich seiner Auffassung nach auch aus dem BMF-Schreiben vom 10.05.2022 ergebe, dass für die ertragsteuerliche Einordnung sich die Finanzbehörde bezüglich jeder einzelnen Tokenart rechtskundig zu machen und die damit verbundenen „den jeweiligen Signaturketten zugeordneten“ (ergänzt auf Wunsch der Klägerseite lt. Sitzungsprotokoll vom 22.01.2025) „Rechte und Ansprüche“ festzustellen und zu benennen habe.
29
Das Finanzamt führte demgegenüber aus, warum es sich nach seiner Auffassung bei den Kryptowährungen des Streitfalles um Wirtschaftsgüter handele. Im Schreiben vom 22.09.2021, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, legte es hierzu detaillierter dar, dass die Token Binance Coin [BNB], Bitcoin [BTC], Coss [COSS], Ethereum [ETH], MobileGo [MGO], Waves [WAVES], Monaco [MCO], Gas [GAS], Tether [USDT] und Litecoin [LTC], deren Trades im Jahr 2017 laut Klägervertreter im Schreiben vom 15.11.2019 zum Verfahren 3 V 1239/19 zu Gewinnen geführt hätten, aus Sicht des Finanzamts als sonstiges Wirtschaftsgut im Sinne des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu qualifizieren seien. Eine Prüfung der Token, deren Trades im Jahr 2017 zu Verlusten geführt hätten, könne zugunsten des Klägers unterbleiben. Hinsichtlich des anzusetzenden Gewinns könne den im Verfahren eingereichten Listen und Erläuterungen hierzu im Wesentlichen gefolgt werden.
30
Mit Schreiben vom 19.04.2022 wies es allerdings darauf hin, dass die in Anlage 2 enthaltenen Vorgänge noch steuerlich zu würdigen seien. Die dort enthaltenden Airdrops würden den Angaben des Steuerpflichtigen folgend als nicht steuerpflichtig angesehen; die mit „Income“ (Gesamtbetrag 8.395 €) bezeichneten Vorgänge sehe man demgegenüber als steuerpflichtig an, da insoweit eine sonstige Leistung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG vorliege. Insoweit ergebe sich eine Verböserung um einen Betrag i.H.v. 3.526 €, die durch Rücknahme des Einspruchs vermieden werden könne.
31
Mit Einspruchsentscheidung vom 14.06.2022 wurde die Einkommensteuer 2017 wie angedroht auf 53.961 € erhöht.
32
Unter Erläuterung der Begrifflichkeiten zu den virtuellen Währungen, Token (mit den Kategorien: Kryptowährungstoken (Zahlungstoken), Utility Token, Wertpapier-, Equity- oder Security-Token, Debit-Token oder als Mischformen Hybride Token) und Airdrops führte das Finanzamt aus, dass es sich bei den im Streitfall gehandelten Kryptowährungen um sonstige Wirtschaftsgüter (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 S. 1 EStG) im Sinne der dargelegten Rechtsprechung handele. Bei den innerhalb der Jahresfrist zwischen Anschaffung und Veräußerung erfolgten Veräußerungsvorgängen handele es sich um steuerpflichtige private Veräußerungsgeschäfte nach §§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG.
33
Soweit der Zuteilung von virtuellen Währungen im Zuge eines Airdrops eine weitergehende Datenüberlassung zugrunde liege und soweit Erträge aus Lending erzielt würden, handele es sich ebenfalls um steuerpflichtige Vorgänge und Erträge aus sonstigen Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG.
34
Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze zur Berechnung im Einzelnen kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, dass der vom Kläger mittels Anlage 1 zum Schreiben vom 27.01.2021 ermittelte Betrag in Höhe von 102.141 € als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften der Besteuerung zugrunde gelegt werden könne.
35
Die in Anlage 2 zum Schreiben vom 27.01.2021 enthaltenen Vorgänge seien als weitere sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG der Besteuerung zugrunde zu legen. So könne dem Kläger zwar hinsichtlich der Einstufung als vorbehaltslos gewährter Airdrops gefolgt werden, die vom Kläger als „Income“ ermittelten Beträge seien jedoch mit einem Betrag in Höhe von 8.395 € noch steuererhöhend anzusetzen gewesen.
36
Ein strukturelles Vollzugsdefizit, das einer Besteuerung entgegenstehe, sehe das Finanzamt u.a. in Hinblick auf die BFH-Entscheidung vom 29.10.2019 (IX R 10/18, BStBl II 2020, 258) nicht.
37
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 14.06.2022 verwiesen.
38
Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, am 13.07.2022 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dass es hinsichtlich der hier einer Besteuerung zugrunde gelegten Blockchaineinträge (synonyme Begriffe lt. Klägervertreter: Datenbank-Eintrag, Buchungs-Eintrag, Signaturkette, Coin, Token) schon an der Wirtschaftsguteigenschaft fehle und eine gesetzeskonforme Zurechnung der vermeintlichen Wirtschaftsgüter nicht möglich sei. Eine konkrete Leistungsfähigkeitssteigerung durch Tausch verschiedener solcher Blockchaineinträge sei für das Streitjahr nicht festgestellt, der Kläger habe keine Beträge „ausgecasht“ (= in FIAT-Geld transferiert). Außerdem bestehe in Bezug auf die Einkommensbesteuerung von Kryptogeschäften ein strukturelles dem Gesetzgeber zuzurechnendes Erhebungs-/Vollzugsdefizit. Schließlich habe das Finanzamt die Sachverhaltsermittlungspflicht (§§ 85, 88 Abs. 1 AO) verletzt; die Einspruchsentscheidung beruhe auf einem weder ausreichend ermittelten noch vollständig dargestellten Sachverhalt.
39
Im Einzelnen führt der Vertreter des Klägers zu seinen nachfolgenden „Thesen“ aus: 1) Bei Blockchain-Einträgen handele es sich um bloße Datenbankeinträge.
40
Die Finanzbehörde habe den Sachverhalt bereits insoweit unzureichend aufgeklärt. Dies zeige sich bereits daran, dass das Finanzamt in der Einspruchsentscheidung die in Rede stehenden Blockchain-Einträge bzw. „Cryptos“ (lt. coinmarketcap.com) nicht namentlich benannt habe.
41
Im Streitfall gehe es um 56 Cryptos (vgl. Aufzählung im Schriftsatz vom 16.10.2022), für die der Kläger entweder ursprünglich gesetzliche Zahlungsmittel oder andere Blockchain-Einträge, deren vermeintlicher oder tatsächlicher Wert vom Beklagten nicht hinterfragt worden sei, im Wege des Tauschs von Blockchain-Eintrag zu Blockchain-Eintrag eingesetzt habe. Die Aktivitäten des Klägers hätten sich auf den rein virtuellen Bereich beschränkt.
42
Das Finanzamt habe es unterlassen, entsprechend dem auch auf den Streitfall anwendbaren BMF-Schreiben vom 10.05.2022 (zu „Einzelfragen zur ertragsteuerlichen Behandlung von virtuellen Währungen und sonstigen Token“ – IV C 1 – S 2256/19/10003:001) die einzelnen Blockchain-Einträge auf einen „bestimmten Anspruch“ oder „bestimmtes Recht“ zu prüfen, wie es nach den Rn. 2 i.V.m. 4, 76 – 78 verlangt werde (Hinweis auf Schroen: „BMF zu Einzelfragen der ertragsteuerrechtlichen Behandlung von virtuellen Währungen und von sonstigen Token“, NWB 2022, 2043, 2046 f. m.w.N.; Anlage K 11).
43
Trotz fehlender Einzelbeurteilung hinsichtlich Entstehung, Aufgabe und/oder Funktionsweise unterstelle das Finanzamt generell die Steuerbarkeit und Steuerpflicht sämtlicher dieser Vorgänge rund um sämtliche Cryptos (derzeit mehr als 21.250 bei coinmarketcap.com gelistete sog. Cryptos). Es stelle nicht positiv fest, was (= Besteuerungsgegenstand) konkret mit welcher Begründung überhaupt besteuert werden solle.
44
2) Blockchain-Einträgen liege kein Geschäftsvorfall zugrunde. Ein „Coin“ oder „Token“ stelle lediglich eine Dokumentation einer fortgesetzten Signaturkette in einem DLT-System/Buchführungssystem – oder wie vom BMF bezeichnet „Kassenbuch“ (oder auch „verteiltes Kontenbuch/Hauptbuch“) dar. Die bei einer ordnungsgemäßen Buchführung üblichen zugrundeliegenden Geschäftsvorfälle fehlten in der Regel – so auch im Streitfall.
45
Faktisch handele es sich somit bei den hier in Rede stehenden DLT-Systemen – im übertragenen Sinne – jeweils um ein „Grundbuch ohne Grundstücke“.
46
Die „Coins“ oder „Token“ seien bloße „Luftbuchungen“ ohne zugrundeliegenden Geschäftsvorfall. Würde man eine solch abstrakte Buchung in einer regulären Buchhaltung eines Gewerbetreibenden abbilden, müsste eine entsprechende Buchung daher jedenfalls als „Luftbuchung“ qualifiziert werden (Hinweise auf: Schroen BB 2021, 2133, 2135, 2199; Andres, DStR 2021, 1630 f.; Anlagen 12, 13, 15). Der frühere Wirtschaftsweise Prof. Dr. P. B. habe es sehr prägnant auf den Punkt gebracht, wenn er sage, dass der Bitcoin ein reines Luftprodukt sei und dass Kryptowährungen das einzige Asset seien, dessen Inhaber keinen Anspruch auf irgendwas habe (Wirtschaftswoche vom 03.08.2022; abgerufen am 09.10.2022 unter: https://www.wiwo.de/finanzen/boerse/kryptowaehrungen-der-bitcoin-ist-ein-reines-luftprodukt/28567140.html).
47
In diesem Zusammenhang hätte sich das Finanzamt unter Berücksichtigung der BGH-Rechtsprechung im Hinblick auf „Luftbuchungen“ (Beschluss vom 04.03.1996, 4 StR 64/95) im Rahmen der Sachverhaltsaufklärungspflicht mit der Frage nach der gesetzlichen Grundlage für eine Besteuerung, den Konsequenzen für das Strafrecht und Beurteilungskonsequenzen im Falle der Behandlung von „Luftbuchungen“ als nicht potenziell steuerschädlich auseinandersetzen müssen. Das habe es aber nicht getan, sondern sich undifferenziert der angeblich positiv bestätigenden Entscheidung des FG Köln vom 25.11.2021 (14 K 1178/20; Revisionsverfahren IX R 3/22) angeschlossen.
48
3) Blockchain-Einträge würden in einem weltweit abrufbaren verteilten Kontenbuch (Distributed-Ledger-Technologie, kurz „DLT“-System/Kassenbuch) elektronisch gespeichert. Um die Wirkungsweise eines einzelnen Blockchain-Eintrags nachvollziehen zu können, sei es erforderlich, sich mit den ohne Weiteres zugänglichen Besonderheiten eines DLT-Systems grundlegend zu befassen (Hinweis auf Anlage K 12, a.a.O.). Dies sei bislang nicht ausreichend erfolgt; insbesondere seien die Inhalte der sog. öffentlich zugänglichen „Whitepapers“ vom Beklagten nicht geprüft worden. In einem sog. Whitepaper würden Zielsetzung und Funktion der sog. Kryptowährungen aufgezeigt. „Cryptos“ hinsichtlich deren Funktionen und Wirkungsweisen ohne Berücksichtigung des jeweiligen Whitepapers beurteilen zu wollen, komme der Nutzung eines technisch geprägten Gegenstands ohne Einblick in die Gebrauchsanweisung gleich, was im Einzelfall gut gehen, aber auch zu grundlegenden Fehlbeurteilungen führen könne.
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4) Zur These, dass Blockchain-Einträge stets ausschließlich in virtueller Form existieren, weist der Klägervertreter darauf hin, dass in Abgrenzung zu den digitalen Signaturketten auch analoge Signaturketten, wie der „analogi-coin“ (der mit Schriftsatz vom 21.10.2024 dem Gericht als Muster vorgelegt wurde) existierten. Selbst diesem „analogi-coin“ habe das Finanzgericht Köln in dem genannten Urteil vom 25.11.2021 unter gewissen Umständen die Wirtschaftsguteigenschaft zugebilligt, wobei es diesem „Coin“ trotz materieller Präsenz wegen seiner angeblichen fehlenden Fälschungssicherheit eine geringere Eignung hierzu zugebilligt habe. Aus Sicht des Klägervertreters sei darauf hinzuweisen, dass an einer solchen Papierdokumentation als „Sache“ i.S.v. § 90 BGB Eigentum und Besitz erlangt werden könne und beim „analogi-coin“ eine notarielle Prüfung durch einen Notar stattfinde – eine solche Zusatzprüfung finde bei virtuellen digitalen Signaturketten nicht statt.
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5) Blockchain-Einträge hätten keinerlei intrinsischen („inneren“) Wert. Da das Finanzamt nicht im Einzelnen geprüft habe, woraus sich der Wert des einzelnen Blockchain-Eintrags ergeben solle, prüfe es auch nicht, ab welchem Zeitpunkt dem jeweiligen Blockchain-Eintrag ein solcher Wert ggf. erstmals beizumessen gewesen sein solle. Insoweit werde auch die Frage, ob ein Wert schon dann angenommen werden könne, wenn einzelne Marktteilnehmer bereit seien, für einen Blockchain-Eintrag – ggf. auch nur für sehr kurze Zeit einmal – etwas zu bezahlen, vom Beklagten nicht erörtert. Vielmehr habe das Finanzamt sich bislang lediglich ohne Differenzierung auf die in weiten Teilen faktisch unzutreffenden Ausführungen des Finanzgerichts Köln im Urteil vom 25.11.2021 berufen. Der frühere Wirtschaftsweise P. B. habe allerdings diese Frage auf die einfache und sehr einprägsame Formel gebracht (https://www.n-tv.de/wirtschaft/B...-zerlegt-Bitcoin-Hype-ar-ticle22288515.html): „Jemand gibt ein Spielgeld heraus und bringt andere dazu, ihm dafür echtes Geld zu geben. Es ist dasselbe, als wenn ich jetzt '100 B.' auf einen Zettel schreiben würde und Menschen finde, die mir dafür 100 Euro geben, ohne dass ich ihnen gegenüber irgend eine Einlösungsverpflichtung habe. Bei Bitcoin ist dieses Prinzip lediglich in einem Informatik-Nebel verborgen.“
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Tatsächlich könne im Rahmen eines standardisierten Prozesses grundsätzlich jedermann mit minimalen technischen Kenntnissen einen beliebigen virtuellen „Token“ nach dem ERC-20-Standard in beliebiger Anzahl binnen kürzester Zeit kreieren. So geschehen im Fall des sog. „LOGI“, den der Hersteller des bereits genannten „analogi-coin“ als digitalen Token erschaffen habe; auf diese Weise seien willkürlich Zwanzig Millionen „LOGI“ erschaffen worden. So könnten zu den bereits rund 22.400 existierenden Signaturketten täglich neue – aus dem Nichts geschaffene – hinzukommen. Für alle Signaturketten gelte weiter, dass bei mangelnder Pflege durch die Community der Datenbank/des DLT-Systems, dieses System deaktiviert werde und auf dem Weg des „Sterbens“ unerwünschte nachträgliche Veränderungen aufträten (Hinweis auf Anlage K 12).
52
6) Blockchain-Einträge ohne vorherigen Umtausch in eine sog. FIAT-Währung würden keinerlei Steigerung der Leistungsfähigkeit eines Steuerpflichtigen auslösen. Unter Hinweis auf die BFH-Entscheidung vom 02.05.2000 (IX R 73/98, BStBl II 2000, 514) wird die Auffassung vertreten, dass für die Annahme einer eingetretenen Leistungsfähigkeitssteigerung der marktoffenbare Vorgang des Rücktauschs und der ggf. dadurch im Wert erhöhte Euro-Betrag oder ein Betrag in einer anderen offiziellen Währung maßgebend sei, solange die gegenwärtig existierende gesetzliche Grundlage nicht ausgeweitet werde. Demnach sei ein Verlassen des virtuellen Bereichs und ein Eintritt in den realweltlichen Bereich erforderlich, um insoweit eine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen annehmen zu können.
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Das bloße Unterstellen des Vorliegens angeblicher virtueller „Forderungen“, wie es vom Beklagten angenommen werde, reiche hierfür nicht aus. Die erforderliche Unterscheidung des virtuellen und des realweltlichen Bereichs habe der BFH in einer Entscheidung vom 18.11.2021 V R 38/19 im Bereich der Umsatzbesteuerung bereits einmal herausgearbeitet. Dabei habe er die Eigenschaften „spielinterner Umsätze“ betont, denen keine „rechtlich bindende Verpflichtung“ zu Grunde liege, bei denen es sich mit Blick auf § 194 BGB lediglich um anspruchslose Buchungseinträge in einem DLT-System, z.B. einer Blockchain, handele. Eine bloße Umbuchung von Blockchain-Eintrag zu Blockchain-Eintrag vermöge demnach jedenfalls noch keine steuerbare Steigerung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen herbeizuführen (Hinweis auf BFH-Urteil vom 24.11.2012 IX R 62/10, BStBl II 2012, 564, RdF-Entscheidungsreport Jachmann, RdF 2012, 355; Schroen BB 2021, 2263, 2267, Anlage K 14).
54
Im Streitfall habe der Kläger im gesamten VZ 2017 keinen Umtausch eines der 56 vorbezeichneten Blockchain-Einträge in eine FIAT-Währung vorgenommen. Sämtliche Aktivitäten hätten sich auf den rein virtuellen Bereich beschränkt. Auch ein durch eine von Blockchain-Eintrag-zu-Blockchain-Eintrag-Umbuchung eingetretener Erwerb bestimmter Ansprüche oder Rechte, die zu einer solchen Leistungsfähigkeitssteigerung geführt haben könnten, sei dem Kläger nicht bekannt und könne somit von diesem auch nicht mitgeteilt werden. Im Übrigen liege insoweit die Feststellungslast bei der Behörde.
55
7) Ein Blockchain-Eintrag könne auch rückwirkend – trotz vermeintlicher Unveränderbarkeit – schon systemimmanent in Wegfall geraten (bei sog. 51% Herrschaftsausübung). Eine Blockchain sei nicht unveränderlich, sondern in der Regel sei schon systemimmanent ein rückwirkender Wegfall zuvor geschaffener Blöcke sehr wohl möglich und vorgesehen. Dieses Phänomen trete auch immer wieder auf, wie im Fall des Top-100-DLT-Systems Verge (kurz: XVG) im Februar 2021 (Hinweis auf Anlagen K 12 und 15). Dies übersehe das beklagte Finanzamt.
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Bei diesem Vorfall seien insgesamt mehr als 560.000 Blöcke – und damit die „Transaktionen“ der letzten 200 Tage – verschwunden. Dies entspreche im Ergebnis dem Wegfall eines Teils der Dokumentation der bisher vorhandenen Signaturkette mit Wirkung für die Vergangenheit. Hierdurch werde nachträglich die Möglichkeit einer Umgestaltung der Dokumentation einer an sich abgeschlossenen „Transaktionshistorie“ – die den vermeintlichen Wert von Verge (XVG) darstellten – geschaffen (Hinweise auf Anlage K 15).
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Auch diese seit geraumer Zeit bekannte Gefahr der Veränderbarkeit habe das Finanzamt nicht bzgl. jede der in Rede stehenden Datenbankeinträge geprüft, sondern dies gar nicht berücksichtigt.
58
8) Neben einem bloß rückwirkenden Wegfall von Blöcken einer Blockchain sei jedoch auch eine rückwirkende Ersetzung bisher existenter Blöcke in der Blockchain durch andere Blöcke möglich, die den Anschein erweckten, schon ursprünglich in dieser Form vorhanden gewesen zu sein (sog. Redo, Hinweis auf Anlagen K 12, K 13). Auch seien Blockchains nicht per se fälschungssicher (Hinweis auf Blockchain-Hack vom 17.06.2019; ZDF-Mediathek; https://www.zdf.de.dokumentation/digitalimpire/tru-crime-kryptoo-blockchain-dao-ethereum-hack-100.html).
59
9) Die vermeintlich erworbene Rechtsposition eines Blockchain-Eintrags stelle in der Regel noch kein Anwartschaftsrecht auf ein bereits bekanntes absolutes Recht dar und könne daher auch zu keinem solchen Vollrecht erstarken.
60
Der Beklagte habe weder geprüft, ob mit dem „Erwerb“ der im vorliegenden Fall in Rede stehenden Blockchain-Einträge der konkrete „Erwerb“ eines bestimmten Anspruchs oder Rechts einhergegangen sei, noch, ob wenigstens ein konkretes Anwartschaftsrecht erworben worden sei (Hinweis auf Anlage K 15).
61
Nach Kenntnis des Klägers habe dieser keine Ansprüche und/oder Rechte mit dem „Erwerb“ der hier in Rede stehenden Cryptos erworben.
62
10) An der vermeintlich erworbenen Rechtsposition eines Blockchain-Eintrags könne insbesondere kein Eigentum, Besitz und auch kein anderes bekanntes sonstiges absolutes Recht begründet werden. Blockchain-Einträge stellten nach ganz herrschender Meinung keine Sachen i.S.v. § 90 BGB dar. Insoweit könne auch kein Eigentum an einem Blockchain-Eintrag begründet werden (Hinweis auf Anlage K 15). Ein unbestimmtes - nicht näher konkretisierbares – angebliches „Recht an der Kryptowährung“ – wie von der Bundesregierung im Frühjahr 2021 (vgl. Antwort auf Kleine Anfrage u.a. des FDP-Abgeordneten Frank Schäffler, BT-Drucksache 19/28158 vom 31.03.2021, Antwort zu Frage 2) lapidar ohne weitere Begründung behauptet, existiere gemäß dem im BGB vorgegebenen sachenrechtlichen Typenzwang nicht (Hinweise auf Anlagen K 13, K 15).
63
11) Diese vermeintliche Rechtsposition könne in der Regel weder tituliert, noch im Wege der Zwangsvollstreckung durchgesetzt werden. Dem Kläger seien in Bezug auf die von ihm „erworbenen“ 56 oben aufgelisteten „Cryptos“ jedenfalls keinerlei durchsetzbare Ansprüche und/oder Rechte bekannt, die er seinerzeit bei dem „Erwerb“ dieser Blockchain-Einträge erlangt haben sollte und die er erfolgreich mit zivilrechtlichen Mitteln hätte durchsetzen können. Selbst wenn der Kläger subjektiv davon ausgegangen wäre, hier eine bestimmte Rechtsposition erlangt zu haben, komme es hierauf nicht an. Vielmehr komme es nach der BFH-Rechtsprechung (Beschluss vom 20.09.2022 VIII B 82/21) darauf an, wie sich die Rechtsbeziehung nach dem objektiven Empfängerhorizont und bei objektiver Betrachtungsweise darstelle.
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12) Ein eigenständiges „Verfügen“ über die vermeintliche Rechtsposition sei ohne Zustimmung des Blockchain-Netzwerks nicht möglich. In Anbetracht der fehlenden Durchsetzbarkeit des vermeintlich erworbenen „Rechts“ an dem jeweiligen Blockchain-Eintrag sei auch ein eigenständiges Verfügen – etwa über die Fortsetzung einer Signaturkette – vor dem Hintergrund der technischen Beschaffenheit des DLT-Systems der Blockchain (Proof-of-Work) nicht ohne Zutun Dritter möglich. Vielmehr bestimme jeweils die „Majority of CPU-Power“, ob und welche Daten in der Blockchain akzeptiert würden (51%-Herrschaftsausübung, Hinweis auf Anlage K 12).
65
13) Eine Blockchain-Verfügung löse tatsächlich keinerlei Datentransfer von Person A zu Person B aus, insbesondere würden keine Datenpakete von A an B übertragen, sondern es werde lediglich eine digitale Signaturkette ohne eigenen Mehrwert fortgeschrieben. Dies soweit nicht durch eine systemimmanent vorgesehene Mehrheitsentscheidung ein „Redo“, also eine rückwirkende Änderung der auf der Blockchain angeblich dauerhaft festgeschriebenen Angaben – beschlossen werde (Hinweis auf Anlagen K 12 und K 13).
66
Die vom FG Köln getroffene Annahme der Übertragung eines „verschlüsselten Datenpakets“ treffe hingegen nicht zu. Tatsächlich finde bei der Fortschreibung einer Signaturkette keinerlei Datentransfer von Person A an Person B statt, weswegen von einer „Übertragung“ insoweit keine Rede sein könne. Eine Aneinanderreihung von Buchstaben und Zahlen zur Bezeichnung der jeweiligen Signaturkette biete ohne gesetzliche Festschreibung keinen intrinsischen Mehrwert, solange dies jedenfalls nicht gesetzlich festgeschrieben werde. Anders als z.B. eine MP3-Datei, die den Zugriff auf Musikstücke oder Lerninhalte ermögliche, biete ein Blockchain-Eintrag demnach derzeit per se noch keinen geschützten und damit auch gerichtlich durchsetzbaren Mehrwert.
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14) Diese vermeintlich zurechenbare Rechtsposition sei in keinem einzigen deutschen Gesetz/Steuergesetz auch nur erwähnt. Dennoch werde vom beklagten Finanzamt in Bezug auf sämtliche 56 hier zu prüfenden Blockchain-Einträge generell eine vermeintlich zurechenbare Rechtsposition unterstellt.
68
15) Der stattdessen auch für Zeiträume vor 2020 vom beklagten Finanzamt verwendete Begriff der „Kryptowerte“ sei erst seit dem 01.01.2020 im Kreditwesengesetz (§ 1 Abs. 11 Satz 1 Nr. 10 KWG) gesetzlich normiert und erstrecke sich ohne ausdrückliche Bezugnahme in einem Steuergesetz nicht auf Steuergesetze für einen Veranlagungszeitraum der Vergangenheit, wie hier 2017. Eine Rückwirkung würde auch steuerstrafrechtlich einseitig zu Lasten der Steuerpflichtigen wirken (Hinweis auf Anlage 15).
69
Eine entsprechende Bezugnahme wäre – entgegen der Auffassung des FG Köln im Urteil vom 25.11.2021 – jedenfalls unerheblich (Hinweise auf BFH-Urteil vom 26.04.1995 I R 92/94, BStBl II 1995, 594 und Anlage K 15).
70
16) Im Streitfall würden Steuern in Euro bezogen auf Vorgänge festgesetzt, die u.U. nur rein virtuell abgelaufen seien und bei denen kein in Euro durchsetzbarer Anspruch entstanden oder realisiert worden sei und somit keine Steigerung der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen eingetreten sei. Es sei daher fraglich, ob auf Grundlage der gegenwärtigen steuergesetzlichen Regelungen eine wirksame Steuerfestsetzung nach § 23 EStG vorgenommen werden könne.
71
17) Hinzu komme, dass ein Umtausch in FIAT-Währung („Auscashen“) auf Ebene einer Bank oder Sparkasse häufig durch Blockade der Auszahlung wegen angeblichen Geldwäscheverdachts erschwert oder verhindert werde. So sei es dem Kläger und seiner Mutter in den Jahren 2020 und 2021 ergangen, als die für die Kryptoauszahlungszwecke verwendeten Kontoverbindungen aus angedeuteten Geldwäscheverdachtsgründen gekündigt worden sein (Hinweis auf die vorgelegten Bankschreiben in Anlage 20, 21, 22). Auch die insoweit auftretenden Schwierigkeiten bildeten einen nachweisbaren Unterschied zur Realisierung von Erträgen aus privaten Veräußerungsgeschäften.
72
18) Schließlich sei bei der Besteuerung von Blockchain-Einträgen nicht klar, was genau als Besteuerungsgegenstand der Einkommensteuer unterworfen werden solle. Das beklagte Finanzamt habe bislang noch nicht einmal den Versuch unternommen, mitzuteilen, welcher Teil eines DLT-Systems konkret Wirtschaftsgut sein und besteuert werden solle, obwohl die Feststellungslast bei steuerbegründenden Tatsachen bei der Finanzverwaltung liege (Hinweis auf Anlage K 15).
73
Die Bundesregierung, hier das Bundesministerium der Finanzen (BMF), habe in der BT-Drs. 19/28573 vom 15.04.2021 ausgeführt, dass sie unter Bezugnahme auf die Richtlinie (EU) 2018/843 virtuelle Währungen als digital dargestellte Werteinheiten von Währungen betrachte. Demnach sei die Bundesregierung damals der Meinung gewesen, dass der angefragte Bestandteil des DLT-Systems, der die Kriterien des in § 23 Einkommensteuergesetz (EStG) bezeichneten „anderen Wirtschaftsguts“ erfülle und somit besteuert werden solle, eine „digital dargestellte Werteinheit von Währungen, …“ sei. Aus Sicht der Klägerseite bedeute dies in der Konsequenz, wenn sich die „digitale Darstellung“ selbst ändere, z.B. verschwinde, so ändere sich auch der Wert der „dargestellten Werteinheiten von Währungen“ im gleichen Maß und würde dann ebenso verschwinden (Hinweis auf Anlage K 15). Im Rahmen einer Podiumsdiskussion der 82. Steuergespräche sei die Frage nach dem „Wirtschaftsgut“ insoweit durch Herrn RD Thomas Redert (Referent im Bundesministerium der Finanzen) dahingehend beantwortet worden: „Vielleicht die tatsächliche Übertragungsmöglichkeit“ und ergänzend ausgeführt, dass sich das nach und nach herausbilden werde.
74
Hinzuweisen sei in diesem Zusammenhang darauf, dass im Entwurf des BMF-Schreibens vom 17.06.2021 die Definition eines „Token“ in Rn. 2 noch gelautet habe:
„Token sind digitale Werteinheiten. Sie können Ansprüche oder Rechte verkörpern, deren Funktionen variieren.“ Im BMF-Schreiben vom 10.05.2022 würde „Token“ nunmehr wie folgt definiert: „Die Bezeichnung „Token“ ist ein Oberbegriff für digitale Einheiten, denen bestimmte Ansprüche oder Rechte zugeordnet sind, deren Funktionen variieren.“
75
Damit habe das BMF nunmehr die Notwendigkeit des Vorliegens eines bestimmten Anspruchs/Rechts selbst erkannt und dementsprechend auch konkretisiert. Dies sei von der nachgeordneten Finanzverwaltung – also auch vom beklagten Finanzamt – zu beachten und umzusetzen. Eine Durchführung der Besteuerung ohne eine solche Prüfung sei insoweit offensichtlich rechtswidrig (Hinweise auf BMF-Schreiben vom 10.05.2022, Rdnr. 4, 76-78 und Anlage K 11).
76
19) Angesichts der fehlenden Eigentumsbegründungsmöglichkeit bzgl. eines Blockchain-Eintrags sei eine unmittelbare Anknüpfung für eine steuerliche Zurechnung nach § 39 Abs. 1 AO nicht möglich (Hinweis auf Anlage K 15). Insoweit ungenau und zudem in mehrerlei Hinsicht unzutreffend zitiere das FG Köln im Urteil vom 25.11.2021 14 K 1178/20 den BFH (Urteil vom 27.06.2006 IX R 47/07, BFH/NV 2008, 2001) und argumentiere, indem es in Rz. 70 eine Rechtsposition behaupte, aber nicht konkret benenne. Ebenso wenig werde klar, welches identifizierbare zugrundeliegende bestimmte Recht oder welche zugrundeliegende bestimmte Forderung („Rechtsposition“) hier im Zuge der vom FG Köln lediglich nach § 39 Abs. 2 AO vorgenommenen Zurechnung konkret gemeint sein solle.
77
Aus Sicht der Klägervertreter lasse sich dies auf die einfache Formel bringen:
„Wo kein Recht, da auch keine Zurechnung gemäß § 39 Abs. 1 AO und/oder nach § 39 Abs. 2 AO!“
78
20) Auch sei das Vorliegen von wirtschaftlichem Eigentum an einer nicht konkret benannten „Rechtsposition“ in der Regel nicht hinreichend nachweisbar. Die Zurechnung wirtschaftlichen Eigentums an einem Blockchain-Eintrag sei nach der Konstruktion des erkennbar an analoge Zusammenhänge anknüpfenden § 39 Abs. 2 AO nicht möglich. Die Annahme wirtschaftlichen Eigentums setze denkgesetzlich einen Eigentümer/Rechte-inhaber/Forderungsinhaber voraus, der vom wirtschaftlichen Eigentümer „für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich“ ausgeschlossen werden könne. Für Blockchain-Einträge sei bereits keine „gewöhnliche Nutzungsdauer“ vorgesehen oder auch nur vorstellbar (Hinweis auf Anlagen K 12, K 13, K 15). Ein zumindest identifizierbares geschütztes und durchsetzbares Recht, das dem Eigentum gleichgestellt werden könnte, sei nicht ersichtlich. Eine Gesetzesinitiative zur Schaffung eines neuen § 39 Abs. 3 AO, mit dessen Hilfe eine Fiktion eines Wirtschaftsguts (vergleichbar der Fiktion des Vermögensgegenstands beim entgeltlich erworbenen Geschäfts- oder Firmenwert in § 246 Abs. 1 HGB) bei Blockchain-Einträgen realisiert werden würde, habe der Gesetzgeber noch immer nicht aufgegriffen (Hinweis auf Anlage K 12). Auch eine Ergänzung des § 23 Abs. 1 EStG, wie vom Blockchain-Bundesverband (vgl. „Ergänzung zum „Aktionspapier Blockchain: Steuern Positionspapier“ des Blockchain Bundesverband e.V. – Arbeitsgruppe Steuern vom 30.09.2020, vgl. Anlage K 17) vorgelegt, sei nicht umgesetzt.
79
21) Auch müsse aus Sicht des Klägers ein „Rechtsübergang“ des vermeintlichen „Rechts an der Kryptowährung“ dem Steuerpflichtigen hinreichend konkret zurechenbar sein. Soweit es für die steuerliche Zurechnungsmöglichkeit auf die Innehabung des „Private Key“ ankomme, könnten Fälle, in denen mehrere Personen Kenntnis von dem jeweiligen Private Key hätten, nicht außen vor bleiben. Gerade in Fällen wie den dezentral verwalteten Blockchain-Einträgen komme es häufig vor, dass der eigentlich vermeintlich „Berechtigte“ seine Zugangsdaten an einem Ort verwahre, zu dem auch andere Personen Zugang hätten oder diesen Zugang vom vermeintlich „Berechtigten“ bewusst eingeräumt erhielten. So habe auch der Kläger aus Vorsicht seinem mit Blockchain-Einträgen grundlegend vertrauten Bruder bereits im fraglichen VZ 2017 aufgezeigt, wo dieser im Bedarfsfall nachschauen könne, um die erforderlichen Private Keys aufzufinden. Ebenso seien hier die Fälle der sog. Multi-Sig-Verfahren zu nennen, bei denen mehrere Personen in beliebig abwechselnd möglicher Zusammensetzung Zugriff auf einen Private Key nehmen könnten und jeweils der erfolgreiche Zugriff auf diese individuell unterschiedliche Weise erfolgen könne (Hinweis auf Anlage 13). Selbst dann müsse die Durchführung der „Transaktion“ nicht zwangsläufig auf der Blockchain erfolgen, so dass insoweit ggf. keine Dokumentation auffindbar sei.
80
Nicht jeder Vermögenswert stelle automatisch ein Wirtschaftsgut dar; vielmehr bedürfe es einer „objektiv werthaltigen“ Position (Hinweise auf BFH-Beschluss vom 07.08.2000 GrS 2/99, BStBl II 2000, 632 (Anlage K 18); Anlagen K 14 und K 15 sowie auch Schreiben des Bayerischen Landesamts für Steuern vom 21.07.2020 m. w. N.). Anhand eines Beispiels über einen imaginären „Tolliple“ führt der Klägervertreter aus, dass bei einem substanzlosen, nichtexistierenden „Etwas“ es für die Wirtschaftsguteigenschaft nicht ausreiche, dass es in einer Buchführung – hauseigen oder in einem DLT-System – dokumentiert sei. Auch ein Wirtschaftsprüfer wäre gehindert, etwas zu testieren, was nicht existiere. Insoweit werde auf das Interview der NZZ mit der Rechtsprofessorin Hilary J. Allen verwiesen (Hinweis auf Anlage K 26), die im Zusammenhang mit dem Rückzug der Firma M. sich u. a. dahingehend geäußert habe, dass es diesem Unternehmen offensichtlich zu riskant geworden sei, Werte zu attestieren, die aus dem Nichts geschaffen worden seien und die Geschäfte mit Kryptowährungen mit Glückspiel vergleiche. Messe man – wie die Finanzverwaltung es tue – den eigentlich wertlosen Kryptowährungen einen Wert („das, was ein anderer bereit ist, dafür zu zahlen“) bei und bejahe die „tatsächliche Übertragbarkeit“ angesichts der bloßen Initiierungsmöglichkeit von Neuverknüpfungen einer Signaturkette als maßgeblich für die Wirtschaftsguteigenschaft und entsprechende Bilanzierung, ergäben sich – auf die Einzelheiten der Darstellung wird insoweit verwiesen – zahlreiche Probleme hinsichtlich der Testierung durch die Wirtschaftsprüfung. Der Gläubigerschutz werde insoweit erschwert; es ergäben sich ein erhebliches Missbrauchspotential und steuerliche Risiken (vgl. Schriftsatz 31.01.2023, S. 24-29).
81
Hinzuweisen sei auch darauf, dass das Treasury Committee des britischen Parlaments am 10.05.2023 (laut www.finanzen.net) empfohlen habe, wegen der gravierenden Risiken für Verbraucher den Handel mit Kryptowährungen den Glücksspielen zuzuordnen (Hinweise auf Anlagen K 28, K 29).
82
22) Darüber hinaus sehe der Kläger ein erhebliches strukturelles Erhebungs- bzw. Vollzugsdefizit bezogen auf den Veranlagungszeitraum 2017, das dem Gesetzgeber zuzurechnen sei. Selbst offensichtlich bestehende Vollzugsdefizite – wie sie laut Klägervertreter exemplarisch von der Finanzverwaltung bereits einmal eingestanden worden seien (Hinweis auf Anlage K 12) würden verschwiegen und stattdessen – wie im Urteil des FG Baden-Württemberg vom 11.06.2021 (Az.: 5 K 1996/19) – werde behauptet, der Gesetzgeber habe (noch) nicht auf diese neuen Phänomene reagieren müssen.
83
Zudem würden dort etwa mögliche Erkenntnisse aus sog. KYC-Verfahren als Abhilfemöglichkeit in Zeiträumen dargestellt, in denen solche Verfahren in mehr als 90% der zu beurteilenden Fälle noch gar nicht existiert hätten (Hinweise auf Anlagen K 16 und K 14).
84
Das FG Köln greife im Urteil vom 25.11.2021 (Az.: 14 K 1178/20) diese unsubstantiierte Argumentation auf, ohne selbst einen ordnungsgemäßen Vollzug auch nur zu prüfen.
85
Im Rahmen der Eingriffsverwaltung müsse der Gesetzgeber tätig werden. Wenn – wie im Falle der Blockchain-Einträge – über einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren im Bereich des Steuerrechts keinerlei gesetzgeberische Aktivität entfaltet werde, dies aber - wie bereits ausgeführt (Hinweis auf These 20) – verhältnismäßig einfach möglich gewesen wäre, so könne dies in Anbetracht der §§ 85, 88 Abs. 1 Satz 2 und 121 Abs. 1 AO bei verfassungskonformer Auslegung nicht automatisch zum alleinigen Nachteil des Klägers wirken. Fehle – wie hier – eine Absicherung des materiellen Steuertatbestandes durch die Normierung von geeigneten Aufzeichnungspflichten (§ 147a AO betreffe lediglich Aufbewahrungspflichten), so könne alleine das zur Verfassungswidrigkeit der Steuererhebung führen (Hinweis auf: Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, Stand Sep. 2020, Vorbemerkungen zu §§ 140-148 AO, Rn. 5).
86
Um eine durch die Rechtsprechung schließbare planwidrige Regelungslücke handele es sich offensichtlich nach Überzeugung der damaligen Bundesregierung nicht (Hinweis auf Anlage K 14), da zuletzt Mitte April 2021 die damalige Bundesregierung in Hinblick auf Anfragen zur ertragsteuerlichen Behandlung von Kryptowährungen geäußert habe, dass Einkünfte aus Kryptowährungen, die im Privatvermögen erzielt würden, insbesondere der Besteuerung nach §§ 22 Nr. 3 oder 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG unterlägen. Anhaltspunkte für planwidrige Regelungslücken bestünden nicht.
87
Jedenfalls für den hier in Rede stehenden VZ 2017 und die hier relevanten 56 unterschiedlichen Cryptos könne aus Sicht der Klägerseite ein strukturelles Erhebungs- und Vollzugsdefizit bei genauer Prüfung kaum in Abrede gestellt werden.
88
Das Einkommensteuergesetz sehe eben nicht vor, dass jedweder Sachverhalt, der zu einer Leistungsfähigkeitsänderung führe, auch zu einer Einkommensbesteuerung führe (Bsp. Glückspiele, Hinweis auf BFH-Urteile vom 11.11.1993 XI R 48/91, BFH/NV 1994, 622, unter II. 1., m.w.N. zur Rechtsprechung des RFH; vom 19.07.1990 IV R 82/89, 144, BStBl II 1991, 333). Bei den §§ 22, 23 EStG handele es sich nicht um Auffangtatbestände, die zur Besteuerung all dessen führten, was nicht bereits unter die Tatbestände der übrigen sechs Einkunftsarten des § 2 Abs. 1 EStG falle. Eine erkannte Besteuerungswürdigkeit reiche für eine Besteuerung ohne einschlägige Vorschriften nicht aus. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen, dass entsprechend § 85 AO die Steuern nach Maßgabe der Gesetze zu erheben und festzusetzen seien und die Finanzbehörde insbesondere sicherzustellen habe, dass sie nicht zu Unrecht erhoben würden.
89
Der Beklagte habe auch den Aspekt des strukturellen Erhebungs-/Vollzugsdefizits nicht geprüft, aber gleichwohl ein solches rundheraus verneint. Die pauschalen Hinweise auf „Auskunftsersuchen“ bzw. „Sammelauskunftsersuchen“ seien insoweit unzureichend; der Hinweis auf die Erklärungs- und Mitwirkungspflichten kranke bereits an den fehlenden Aufzeichnungspflichten für private Steuerpflichtige (Hinweis auf Andres/Hötzel/Kranz, DStR 2022, 224). Demgegenüber verlange das Landesamt in seinem „Entwurf vom 09.03.2023“:
„Damit der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht bei der Ermittlung seiner Einkünfte nachkommen kann, hat er folgende Daten zu dokumentieren und eine Beweisvorsorge, z.B. in Form von Aufstellungen, Screenshots oder Ausdrucken, zu treffen:
- Datum der Anschaffung von Einheiten einer virtuellen Währung,
- Anschaffungskosten der erworbenen Einheiten einer virtuellen Währung in Euro,
- Anschaffungsnebenkosten (z.B. Transaktionsgebühren) der erworbenen Einheiten einer virtuellen Währung in Euro,
- sonstige Kosten (z. B. Kosten für die Einrichtung eines Accounts),
- Datum der Veräußerung von Einheiten einer virtuellen Währung,
- Veräußerungserlös in Euro,
- werden Einheiten einer virtuellen Währung gegen Einheiten einer anderen virtuellen Währung getauscht der Marktkurs der Einheiten beider virtuellen Währungen am Transaktionstag in Euro,
- Veräußerungskosten (z.B. Transaktionsgebühr) der veräußerten Einheiten einer virtuellen Währung in Euro.
90
Insbesondere in diesem Punkt irre das Landesamt für Steuern, denn es verlange zu Unrecht die Angaben in Euro, denn im Urteil des FG Köln vom 25.11.2021 (14 K 1178/20, Rn. 79) begründe das Gericht seine Ablehnung einer Korrektur der vom Steuerpflichtigen und Kläger berechneten und erklärten Beträge letztlich damit, dass genau zwischen den Tatsachen und den sich aus eigenen Berechnungen ergebenden erklärten Beträgen zu unterscheiden sei. Letztere seien die rechtliche Würdigung der Tatsachen. Die Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen (§ 90 AO) umfasse hier nur die Pflicht, die für die Besteuerung erheblichen Tatsachen vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen; nicht dagegen, die rechtlichen Würdigungen vorzunehmen. Habe jemand für Einträge in Bitcoin-, Ether- und Monero-Signaturketten echtes FIAT-Geld, z.B. Euro, bezahlt bzw. erhalten, sei der jeweilige FIAT-Geldbetrag die Tatsache, die dem Finanzamt jeweils als Preis der Anschaffung bzw. Veräußerung anzugeben sei. Dies gelte jedoch nicht bei „vermeintlichen“ (ergänzt auf Wunsch der Klägerseite lt. Sitzungsprotokoll vom 22.01.2025) privaten Veräußerungsgeschäften ohne Euro-Beteiligung wie im Streitfall. Insofern gelte für den Erwerb und die Veräußerung von Signaturketteneinträgen gegen Euro der Europreis als Tatsache, jedoch nicht beim Tausch von Signaturketten die Bewertung in Euro oder einer anderen FIAT-Währung. Anzugeben sei hier nur das Tauschverhältnis. Bei diesen Vorgängen sei es häufig so, dass bestimmte Blockchaineinträge nicht direkt gegen andere Blockchaineinträge gewandelt werden könnten. In diesen Fällen erfolge eine virtuelle Umrechnung in Euro (als Recheneinheit) und eine anschließende neuerliche Umrechnung in den neuen Blockchaineintrag. So erklärten sich die vom Finanzamt festgestellten „Verkäufe von Bitcoin und Ethereum gegen Euro“; der Kläger habe im Streitjahr jedoch keine Beträge „ausgecasht“.
91
Zu beachten sei ebenfalls, dass die Amtssprache deutsch sei (§ 87 Abs. 1 AO). Bediene sich die Finanzbehörde bei fremdsprachlichen Begriffen keiner (amtlichen) Übersetzung, sondern nehme eigene Interpretierungen vor ohne jegliche konkrete Überprüfung der technischen Zusammenhänge, bestehe eine besondere Begründungspflicht nach § 87 Abs. 1 i.V.m. § 121 Abs. 1 AO, wenn die von der Finanzverwaltung verwendete Terminologie von der tatsächlichen Bedeutung abweiche oder Anlass zu Zweifeln gebe. Beispiel sei hierfür der Begriff „Wallet“, der ursprünglich als elektronische Geldbörse (BMF-Schreiben vom 27.02.2018, I.) und später funktional richtigstellend (da auf einer Wallet keine Blockchainanteile gespeichert würden) als „Schlüsselbund“ bezeichnet worden sei (BMF-Schreiben vom 10.05.2022; Hinweis auf Anlage K 12). Ein entsprechendes Begründungserfordernis gelte erst recht dann, wenn im Laufe des Verfahrens grundlegende Änderungen in der steuerrechtlichen Beurteilung wie der Wechsel von der Einstufung von Blockchaineinträgen als „immaterielle“ Wirtschaftsgüter zur Wirtschaftsgütern „materieller“ Art (Hinweis auf BMF-Schreiben vom 20.05.2022, Rn. 41) vorgenommen würden.
92
Das Vorgehen des Finanzamts sei insgesamt aus rechtstaatlichen Gründen zu beanstanden.
93
So sei die vom Finanzamt behauptete Akzeptanz von Blockchaineinträgen in der Wirtschaftswelt anhand der Aufzählung einiger Unternehmen, die angeblich Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren würden, und der Hinweis auf die Veröffentlichung in CryptoMonday vom 11.11.2022 im Hinblick auf den konkreten Fall im Jahr 2017 ohne Aussagekraft.
94
In der Einspruchsentscheidung seien die Vorgaben des BMF-Schreibens vom 10.05.2022 nicht zugunsten des Klägers umgesetzt worden. Vielmehr sei zumindest teilweise auch noch das Schreiben des Landesamts für Steuern vom 21.07.2021 in Anwendung gebracht worden, das zudem noch (im einzelnen benannte) Fehldefinitionen beinhalte.
95
Auch hinsichtlich der Stellungnahme des Finanzamts vom 09.03.2023 lasse sich festhalten, dass die vermeintlich stringente Prüfung der Wirtschaftsguteigenschaft weder vollständig noch in Bezug auf das BMF-Schreiben vom 10.05.2022 erfolgt sei. So heiße es exemplarisch: „Gem. BMF-Schreiben vom 10.5.2022 listet die Internetseite „Coinmarket“ virtuelle Währungen auf (Rz. 1) und die einzelnen Einheiten virtueller Währungen sind Wirtschaftsgüter (Rz. 31).“ Diese Ableitung sei in sich unlogisch.
96
Selbst wenn die genannte Seite nominell „virtuelle Währungen“ auflisten würde, bedeute dies nicht automatisch, dass sie ausschließlich „virtuelle Währungen“ auflisten müsse, die den im BMF-Schreiben vom 10.05.2022 definierten Voraussetzungen vollständig entsprächen. Für die Behauptung, dass das Finanzamt jeden der dort gelisteten Einträge geprüft und erfolgreich als virtuelle Währung qualifiziert habe, bleibe es den Nachweis schuldig. Da die Seite weder von der Finanzverwaltung verwaltet oder verlässlich von Dritter Seite geprüft werde, wäre eine solche Behauptung auch spekulativ; vielmehr müsse das Finanzamt begründen, weshalb es meine, alles ungeprüft als „virtuelle Währung“ bezeichnen zu können, was auf coinmarketcap.com gelistet werde.
97
Des Weiteren führe der Beklagte auf Seite 3 unten aus: „Die vom BMF im Schreiben vom 10.05.2022 geforderte ertragsteuerliche einzelne Würdigung jedes Token, bezieht sich, wie sich aus dem Zusammenhang ergibt, auf die nicht bereits als virtuelle Währung qualifizierten Token.“ Denn das BMF-Schreiben spreche regelmäßig von „virtuellen Währungen und sonstigen Token“. Dies ergebe sich nach Auffassung der Klägerseite eben gerade nicht aus dem BMF-Schreiben, sondern im Gegenteil werde dort in Rn. 2 allgemein die Bezeichnung „Token“ definiert: „Die Bezeichnung „Token“ ist ein Oberbegriff für digitale Einheiten, denen bestimmte Ansprüche oder Rechte zugeordnet sind, deren Funktionen variieren.“ Erst in der Folge – ab Rn. 3 – würden Token – soweit solche nach den Voraussetzungen der Rn. 2 überhaupt vorlägen – unterschieden in „(…) Currency oder Payment Token (…). Im Weiteren wird dann für diesen so qualifizierten Token der Begriff „virtuelle Währung“ verwendet.“ Weiter konkretisierend heiße es dann in Rn. 5: „Während virtuelle Währungen regelmäßig auf einer eigenen Blockchain basieren, nutzen Utility Token und Security Token bereits bestehende Blockchains als Basis… .“ So habe der Beklagte vorab (vgl. Rn. 2) sowohl die Ansprüche/Rechte bzgl. jeder einzelnen Blockchain-Eintragsart zu untersuchen und – soweit solche positiv vorlägen – ggf. noch zu prüfen, ob es sich (aufgrund des Vorliegens einer eigenen Blockchain) um eine virtuelle Währung oder um sonstige Token handele.
98
Trotz entsprechender Hinweise der Klägerseite habe das Finanzamt bezüglich der streitgegenständlichen 56 unterschiedlichen Blockchaineinträge eine detaillierte Einzelfallprüfung unter Einbeziehung der vorgenannten Ausführungen hinsichtlich der materiellen/ immateriellen Wirtschaftsguteigenschaft, der Erlangung eines durchsetzbaren Anspruchs und der Zurechnung nach § 39 Abs. 1 AO nicht vorgenommen. Vielmehr lasse sich anhand der Äußerungen des Landesamts (E-Mail vom 27.11.2020) erkennen, dass das Finanzamt die Wirtschaftsguteigenschaft jeglichen Blockchaineintrags ungeprüft unterstelle. Die lt. Schreiben des Finanzamts vom 22.09.2021 vermeintlich differenziert geprüften Blockchaineinträge habe das Finanzamt nur allgemein anhand (nicht im Einzelnen zitierter) Sekundärliteratur kommentiert. So würden auch die Ausführungen zum Stablecoin „Tether“ und dessen angeblicher Stabilität nicht hinterfragt; dabei habe man am Beispiel des Stablecoins „Terra“ gesehen, dass auch ein „Stablecoin“ binnen kürzester Zeit den vermeintlich garantierten Wert verlieren könne. Zwar habe das Finanzamt im Schriftsatz vom 09.03.2023 zumindest hinsichtlich des Blockchaineintrags „STRAX“ sich etwas bemüht, bestimmte Ansprüche oder Rechte zu prüfen; letztlich bleibe die Behauptung, „Der Kryptowährung STRAX ist damit der Anspruch bzw. Recht von Beratungs- und Serviceleistungen der Nutzer der Plattform zugeordnet.“, jedoch unbewiesen und entsprechende Feststellungen konkret auf den Kläger bezogen nicht ersichtlich.
99
Auch die Behauptung der „Überprüfung der besteuerten Token“ anhand der nunmehr mit Schriftsatz vom 09.03.2023 vorgelegten Excel-Tabelle sei unzutreffend. Diese Excel-Tabelle belege lediglich, dass zu gegebenen Abkürzungen eine Namens-Langversion gesucht sowie gefunden worden sei und belege lediglich, dass auf dieser undifferenzierten Grundlage vom Beklagten ohne weitere erkennbare Prüfung eine Qualifizierung als „Kryptowährung“ angenommen worden sei. Schließlich sei noch unterschieden worden, ob es sich um einen COIN oder einen TOKEN (mit welcher Rechtsfolge bleibe offen) handeln solle und zu einigen Abkürzungen noch eine Blockchain benannt – allerdings nicht zu allen – und außerdem seien noch „Links“ ohne nachvollziehbare Begründung angefügt worden. Ein Erkenntnisgewinn aus der vorgelegten Tabelle „Gesamtübersicht …“, die in den drei linken Spalten farbige Hintergründe habe, sei nicht erkennbar.
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Nicht wenige Spalten seien gelb markiert und mit der Bedeutung „ohne nähere Infos“ verknüpft. Bei anderen sei nicht vermerkt, dass diese überhaupt bei coinmarketcap.com gelistet seien. Diese „Nachweise“ belegten zunächst lediglich, dass diese wenig aussagekräftigen Daten – zu welchem Zweck auch immer – zusammengetragen worden seien. Jedoch erschließe sich hieraus nicht, was aus diesen Informationen für die Qualifizierung von Signaturketten – trotz dokumentierter partieller Unkenntnis – zu einem Wirtschaftsgut i.S.v. § 23 EStG dienen solle.
101
Auch nach erfolgter Akteneinsicht und der Stellungnahme des Finanzamts vom 09.12.2022 ergebe sich nicht, dass das Amt den Vorgaben hinsichtlich der erforderlichen Sachverhaltsermittlung und Subsumtion gefolgt sei. Die nach Auffassung der Klägerseite erforderliche individuelle Prüfung jedes privaten Veräußerungsgeschäfts sei weder den Akten noch der Einspruchsentscheidung noch dem Schreiben vom 09.12.2022 zu entnehmen. Eine bloße Aufzählung und namentliche Benennung der sog. Kryptowährungen vermöge eine solche Prüfung schon vor dem Hintergrund des BMF-Schreibens nicht zu ersetzen.
102
Die Behauptung des Finanzamts, die Unterlagen des Klägers zur Gewinnermittlung seien nachvollzogen und die Beträge anhand historischer Kurswerte auf Internetseiten wie „finanzen.net“ überprüft worden, sei offensichtlich unzutreffend. Hätte es jeden einzelnen Tatbestand bezüglich der Angaben des Steuerpflichtigen tatsächlich geprüft, hätte es zwangsläufig Abweichungen in den Notierungen der einzelnen Blockchaineinträge auf den von ihm selbst genannten Internetseiten feststellen müssen, da dort Werte ersichtlich seien, die den vom Kläger den Berechnungen zugrunde gelegten immer wieder abwichen (Hinweis auf Anlage K 27, in der vier Daten mit Abweichungen in der Bewertung genannt sind). Dafür, dass keine Überprüfung stattgefunden habe, sprächen noch weitere (im einzelnen benannte) Indizien:
- So sei auffällig, dass es – entgegen der Behauptungen des Beklagten – nach dessen angeblich durchgeführter detaillierter Prüfung nicht einmal in einem einzigen Fall – bei immerhin 56 unterschiedlichen Blockchain-Eintragsarten – zu marginalen Änderungen nach dieser angeblich vom Beklagten durchgeführten Prüfung gekommen sei.
- Insbesondere die historischen Werte seien bezogen auf das jeweilige Datum auf diversen Internetseiten unterschiedlich hoch, da diese ihre Werte von unterschiedlichen Börsen bezögen.
- Selbst ein Abgleich mit nur zwei unterschiedlichen Börsen hätte hier nahezu zwangsläufig Abweichungen zu Tage fördern müssen, da diese laufend voneinander abweichende Werte auswiesen. Dass sich dies so verhalte, könne daran überprüft werden, dass es sonst keine erfolgreichen Arbitrage-Geschäfte gebe.
- Auch die zuletzt vorgelegten weiteren Akteninhalte ließen auf keiner einzigen Seite auch nur eine einzige Überprüfung bezüglich eines einzigen Blockchain-Eintrags ausgehend von den vom Beklagten genannten Homepages erkennen. Dies hätte in der Akte zumindest ansatzweise – i.S. eines Negativvermerks (z.B. Ausgangswert lt. Kläger: € …; nach Überprüfung: Abweichung von € yy; keine Abweichung von mehr/weniger als € z, daher keine Änderung) vermerkt werden müssen, um später einen Steuerbescheid für den Fall einer Verböserung auch entsprechend rechtssicher begründen zu können.
- Bei einer tatsächlichen Überprüfung hätte man u. U. an den vom Kläger gewählten Wertansätzen festhalten können, wenn das Finanzamt im Einzelfall zu dem Ergebnis gekommen wäre, dass die zu Tage getretenen Wertabweichungen aus Sicht des Beklagten nicht nennenswert seien. Hierfür hätte er aber Korridore benennen müssen, bis zu welchem Grad der prozentualen Abweichung eine nicht nennenswerte Abweichung vorliege und ab wann eine Abweichung vom Beklagten nicht mehr hingenommen werden könne – also z.B. der Verböserung bedurft hätte.
- Für alles das hätte es Prüfungskriterien geben müssen, die das Finanzamt bislang nicht offengelegt habe. Dann hätte auch das Zustandekommen dieser Prüfkriterien seinerseits rechtsstaatlich überprüft werden müssen/können.
103
Eine solche Überprüfung sei nicht erkennbar. Da der Klägervertreter davon ausgehe, dass der Beklagte den Tatsachen entsprechend vortrage, also einmal erzeugte Aufzeichnungen nicht vernichtet worden seien – ohne dies zu erwähnen – müsse davon ausgegangen werden, dass im Streitfall von vornherein keine Aufzeichnungen zu den durchgeführten Prüfungshandlungen angefertigt worden seien. Eine Verifikation der für die Begründung der erforderlichen (§ 121 Abs. 1 AO) vorgenommenen Prüfungshandlungen könne daher nur anhand von Angaben der beteiligten Bearbeiter/innen erfolgen. Insoweit sollten diese(n) bzw. eine geeignete Auskunftsperson(en) im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Verfügung stehen.
104
Im Hinblick auf die Anhaltspunkte für das Unterbleiben der erforderlichen Prüfung liege es allerdings im Streitfall nahe, dass das Finanzamt die vom Landesamt angesprochene „Minimallösung“ gewählt habe, da es das Zahlenwerk des Klägers ohne die geringste Änderung übernommen habe. Faktisch sei somit eine Vielzahl von – nicht gekennzeichneten und nicht zulässigen – Schätzungen erfolgt.
105
Im Streitfall gehe es um eine Vielzahl unterschiedlicher jeweils separat zu beurteilender Vorgänge, bei denen die jeweilige Steuerbarkeit und ggf. zusätzlich auch deren jeweilige Steuerpflicht einer hinreichenden Überprüfung zum Zwecke einer differenzierten Beurteilung und steuerrechtlichen Qualifizierung bedürfe. Die Wirtschaftsguteigenschaft jedes einzelnen Blockchaineintrags sei sowohl zum Zeitpunkt der vermeintlichen Anschaffung, als auch zum Zeitpunkt der vermeintlichen Veräußerung (also in Bezug auf jeden dieser beiden gemäß § 23 EStG relevanten unterschiedlichen Zeitpunkte separat) zu beurteilen und die Nämlichkeit der vermeintlichen Wirtschaftsgüter festzustellen. Erfolgten diese Prüfungshandlungen nicht oder nicht vollständig, nehme das Finanzamt – zumindest verdeckt – eine unzulässige qualitative Schätzung vor.
106
Im Übrigen erfolge nach Einschätzung der Klägervertreter eine Überprüfung der erklärten Beträge durch die Finanzbehörden im Allgemeinen nicht; auch die Finanzgerichte (Hinweise auf Urteile des FG Köln vom 25.11.2021 14 K 1178/20, juris; des FG Baden-Württemberg vom 11.06.2021 5K 1996/19, juris) würden offensichtlich eine ähnliche „Minimallösung“ bevorzugen. In beiden Fällen seien – entsprechend dem BMF-Schreiben – zu hohe Beträge erklärt worden.
107
Entgegen den Ausführungen des Finanzamts, dass die Werte des Klägers nicht ungeprüft übernommen worden seien, sei anhand der Verböserung in der Einspruchsentscheidung erkennbar, werde darauf hingewiesen, dass sich diese Verböserung tatsächlich nur auf die sog. „Airdrops“ bezogen habe.
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Entsprechend Rn. 70 des BMF-Schreibens vom 10.05.2022 könne eine Einkunftserzielung im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG nur vorliegen, wenn für den Erhalt einer virtuellen Währung oder sonstiger Token eine Leistung erbracht werde. Eine solche Leistung könne allerdings nicht ohne weiteres zu Lasten des Klägers unterstellt oder geschätzt werden. Insoweit werde auf die BFH-Rechtsprechung verwiesen (Hinweis auf BFH-Urteile vom 10.02.2015 V B 87/14, BFH/NV 2015, 662; vom 19.01.2017 III R 28/14, BStBl II 2017, 743), nach der Voraussetzung einer Schätzung die Gewissheit sei, dass ein steuerlich bedeutsamer Sachverhalt vorliege. Diesbezügliche Zweifel könnten nicht durch eine Schätzung behoben werden. Insofern begegne es rechtsstaatlichen Bedenken, dass das Bayerische Landesamt für Steuern eine Schätzung von steuerpflichtigen Einkünften nach § 22 Abs. 3 EStG i.H.v. 14.169,60 € befürworte, obwohl es aus seiner Sicht unklar sei, ob solche Einkünfte vorliegen.
109
Soweit sich das Finanzamt in seinem Schriftsatz vom 09.03.2023 im Wesentlichen auf das BFH-Urteil vom 14.02.2023 (IX R 3/22, BStBl II 2023, 571) stütze, ohne dies im Einzelnen zu hinterfragen und schon nicht zwischen der angeblich fehlenden Relevanz der „whitepaper“ für die Wirtschaftsguteigenschaft und der Relevanz für die Zurechnung (§ 39 Abs. 1 AO) differenziere, sei Folgendes festzuhalten:
(1) behandele in seinem Urteil lediglich die sog. Kryptowährungen BTC, ETH und XMR. Die weitaus meisten der hier streitgegenständlichen sog. Kryptowährungen behandele der BFH ausdrücklich nicht.
(2) erwähne nicht, dass die Zielsetzung der missverständlich zitierten Whitepapers vorrangig das Etablieren zumindest pseudonymer Zahlungssysteme verfolge und insoweit vor allem die Funktionalität der jeweiligen sog. Kryptowährung beschreibe, nicht aber eine juristische oder gar steuerrechtliche Einordnung, wofür der BFH diese zu nutzen suche.
(3) erkläre „komplexe technische Zusammenhänge“ (vgl. Rz. 31), die aus den Whitepaper hervorgingen, in Bezug auf die von ihm angeblich geprüften sog. Kryptowährungen ohne weitere Differenzierung „dennoch für nicht maßgeblich, indem er sie nicht im Detail prüft“.
(4) mache das Vorliegen eines „anderen Wirtschaftsguts“ nicht mehr von der Einschätzung eines in §§ 1 ff. HGB gesetzlich normierten Kaufmanns (so noch in Rz. 23 f. beschrieben), der nicht nur an verschiedene Sorgfaltspflichten gebunden, sondern insbesondere verpflichtet sei, die Werte seines jeweiligen Betriebsvermögens jährlich fortlaufend zu dokumentieren, abhängig.
(5) lasse stattdessen die Verkehrsanschauung einer gesetzlich nicht definierten neuen Gruppe der „an diesen Geschäften beteiligten Kreise“ (Rz. 25) als neuen diffusen Maßstab ausreichen, die zudem nachträglich nicht eingegrenzt oder genau erfasst werden könnten, und die gerade nicht über einen „Betrieb“ verfügen müssten, in dem eine – nunmehr ungeprüft – „objektiv werthaltige Position“ kraft Listing bei beliebigen Online-Börsen enthalten sein solle.
(6) unterstelle, dass auch ein Vorgang, den er missverständlich ohne nähere Prüfung als Tausch zwischen sog. Kryptowährungen unterstelle (vgl. Rz. 26, 29), bei dem tatsächlich aber nichts getauscht werde, eine Einnahme darstelle, obwohl ein Übergang von der virtuellen in die reale Welt (umgangssprachlich „Auscashen“ genannt) dabei nicht stattfinde und tatsächlich jeweils lediglich Signaturketten verlängert würden, die jedenfalls nicht zu einer Leistungsfähigkeitssteigerung beim jeweiligen Steuerpflichtigen führten.
(7) ziehe die jeweiligen Whitepapers der genannten sog. Kryptowährungen nahezu nicht zur Untersuchung der jeweiligen Funktionsweise und Zielsetzung der betreffenden sog. Kryptowährung (= Tatsachen) heran.
(8) zitiere vermeintlich deutsche Begriffe aus ausschließlich in englischer Sprache verfassten Whitepapers, ohne darauf hinzuweisen, dass die vom BFH selbständig vorgenommene Übersetzung nur eine von zahlreichen weiteren Übersetzungsmöglichkeiten darstelle.
(9) übernehme aber gleichwohl die in den Whitepapers zum Ausdruck kommenden vermeintlichen rechtlichen Würdigungen („Eigentümerstellung“) teilweise unbekannter Dritter („Satoshi Nakamoto“) und mache diese ohne ersichtliche Begründung sogleich zur Grundlage der eigenen Subsumtion unter Begriffe wie „Eigentümer“ oder „Recht“, die so weder in dem vermeintlich zitierten Whitepaper erschienen, noch zwangsläufig so übersetzt werden müssten und insbesondere diese Begriffe bei ordnungsgemäßer Prüfung als durchsetzbare Rechtspositionen gerade nicht ausfüllten.
(10) verwende daher auch nicht unmittelbar die in den bundesdeutschen Steuergesetzen niedergelegten Begriffe wie „Eigentum“ in § 39 Abs. 1 AO, sondern stattdessen den Begriff der „Eigentümerstellung“, spreche nicht von „Recht“, sondern demgegenüber von „(faktischer) Berechtigung“ oder noch allgemeiner von „Position“ oder „Inhaberschaft“ (vgl. Rz. 40).
(11) gehe sogar noch einen Schritt weiter und wolle es gem. Rz. 41 dem „Grundverständnis“ von „DLT-Systemen“ zufolge u.a. in Anlehnung an das ETH-Whitepaper den Nutzern erlauben, „die Regeln für die Eigentümerstellung selbst zu definieren“ – und damit zugleich über die Zurechnung gemäß § 39 AO zu entscheiden.
(12) überlasse die eigentlich ihm obliegende erforderliche rechtliche Würdigung ohne vorhergehende Tatsachenprüfung damit vollständig dem Belieben der jeweiligen Verfasser und/oder Nutzer des Whitepapers der jeweils zu prüfenden sog. Kryptowährung – ähnlich einer dynamischen Verweisung auf einen jeweiligen Gesetzestext.
(13) untersuche dabei den Umstand nicht, dass die in Bezug genommenen Texte ausweislich der eingesetzten Sprache offenbar von Personen verfasst worden seien, die einer anderen Jurisdiktion, insbesondere dem anglo-amerikanischen Case Law, entstammten und ganz offensichtlich keine deutschen Gesetze zur Grundlage der eigenen Vorstellungen und Ausführungen gemacht hätten.
(14) thematisiere nicht, dass die von ihm vermeintlich wörtlich zitierten Whitepapers offenbar weder von juristisch vorgebildeten Experten verfasst worden seien, noch zum Zwecke einer juristischen – geschweige denn steuerrechtlichen – Einordnung dienen sollten.
(15) knüpfe dadurch an ein buchstäblich nur „gefühltes“ Eigentumsrecht an – von dem dem BFH positiv bekannt sei, dass es mangels Sacheigenschaft bei sog. Kryptowährungen nach deutschem Recht nicht existiere – und vermittele den Steuerpflichtigen auf diese Art den Eindruck einer angeblich rechtlich einwandfreien Besteuerung, durch eine Aneinanderreihung zahlreicher bewusst verwässernd eingesetzter Begriffe, die nur vermeintlich dem Gesetzestext angenähert seien, diesem aber tatsächlich gerade nicht entsprächen.
(16) gebe in Bezug auf das angeblich nicht feststellbare normative Vollzugsdefizit (vgl. Rz. 48) vor, ein solches existiere nicht, ohne insoweit die offensichtlichen Regelungslücken bzgl. fehlender Dokumentationspflichten Privater (argumentum e contrario aus § 147a AO) auch nur im Ansatz zu prüfen.
(17) verneine pauschal ein strukturelles Vollzugsdefizit mit Hinweis auf angeblich fehlende „Anhaltspunkte“ (vgl. Rz. 51) wobei zugleich tatsächliche Umstände des Jahres 2023 mit solchen, die 2017 tatsächlich vorlagen, in unzutreffender Weise vermischt werden (vgl. Rz. 53).
(18) berufe sich stattdessen zum einen auf eine Kommentierung des Berichterstatters Trossen (vgl. Rz. 52), der solche Defizite in Bausch und Bogen verneine, und zum anderen auf die angebliche Möglichkeit von nicht konkret bezeichneten Sammelauskunftsersuchen (vgl. Rz. 53), die im fraglichen Veranlagungszeitraum 2017 nachweislich weder in nennenswertem Umfang durchgeführt worden seien, noch auf eine ausreichend aussagekräftige Datengrundlage hätten auch nur theoretisch treffen können.
110
Auch aus dem Aufsatz von Schroen, „Steuerbarkeit von Gewinnen aus der Veräußerung von verschiedenen Kryptowährungen“ (NWB 2023, 1370 ff. in Anlage K 30) sei im Detail ersichtlich, welche gravierenden Defizite das vom Beklagten übernommene Urteil des BFH vom 14.02.2023 (Az.: IX R 3/22) über den bisherigen Vortrag des Klägers hinaus aufweise.
111
Ergänzend (29.10.2024) wurde zur BFH-Entscheidung vom 14.02.2023 (IX R 3/22) und der Entscheidung der Vorinstanz auf die teilweise unzutreffenden Tatsachenfeststellungen des FG Köln (Urteil vom 25.11.2021, 14 K 1178/ 20) hingewiesen, das alle Anträge auf Korrektur der in der Steuererklärung ursprünglich erklärten Tatsachen zurückgewiesen habe. So sei durch den BFH auch nicht überprüft worden, ob und inwieweit die Angaben des dortigen Klägers zu den vorgetragenen angeblichen Gewinnen aus der Veräußerung und/oder dem Tausch sog. Kryptowährungen zutreffend oder unzutreffend, vollständig oder unvollständig gewesen seien.
112
Mit Schriftsätzen vom 21.10.2024, 29.10.2024 und 11.12.2024 hat der Klägervertreter nochmals darauf verwiesen, dass es sich bei den streitbefangenen anspruchslosen (§ 194 BGB) Signaturketten nach Auffassung des Klägers nicht um Wirtschaftsgüter handele. Dies lasse sich anhand der Schaffung und Entwicklungshistorie der bereits erwähnten digitalen Signaturkette namens „Logoi“ Abkürzung „LOGI“ (mit ERC20 Standard auf der Ethereum-Blockchain), die zur ebenfalls bereits erwähnten (und vorgelegten) analogen Signaturkette „analogi-coin) entwickelt worden sei, herleiten. Beide seien als (offensichtlich anspruchslose, § 194 BGB) Signaturketten keine Wirtschaftsgüter. Dennoch seien die Signaturketten „LOGI“ (auf die Darstellung im Schriftsatz vom 21.10.2024 wird wegen der Einzelheiten verwiesen) weiter „übertragen“ (= Verlängerung der Signaturkette durch Verknüpfung der bisherigen Signaturkette mit weiteren Kryptoadressen) worden, dies auch auf die Adresse von Uniswap, einer dezentralen Börse für digitale Signaturkettenverlängerungen und nun dort zum „Verkauf“ für umgerechnet 0,10 € angeboten worden. Wie anhand der vorgelegten Screenshots (von „dexcreener“ und „coinmarketcap“, Hinweis auf Anlagen K 32 bis 35) erkennbar sei, seien nachfolgend „Käufe“ und „Verkäufe“ (Signaturkettenverlängerungen) erfolgt. Am 17.10.2024 sei der „LOGI“ (Hinweis auf Anlage K 33) auf coinmarketcap.com mit Wert 0,1814 USD gelistet und dort vermerkt, dass der „contract verified“ sei. Offensichtlich gebe es damit einen Markt für den digitalen „LOGI“.
113
Unter Hinweis auf das BMF-Schreiben vom 10.05.2022 (Rn. 2) und die Selbstbindung der Verwaltung (Hinweis auf BFH-Urteil vom 04.07.2023 VIII R 29/20, BStBl II 2023, 1005) müsste nach Auffassung der Klägerseite – wie bereits ausgeführt – die Finanzverwaltung zwingend zu dem Schluss kommen, dass es sich bei solch anspruchslosen Signaturketten nicht um „Token“ handele und somit die weiteren Ausführungen des BMF-Schreibens schon nicht mehr zur Anwendung kommen könnten.
114
Des Weiteren stellt der Klägervertreter (erneut) anhand des Beispiels des „LOGI“ (Hinweis auf Anlagen K 32 – K 37) und unter Hinweis auf den sog. „Jesus-Coin“ dar, dass aus seiner Sicht eine (zuverlässige) Wertfindung erst dann möglich sei, wenn die „Token“ sich in Euro (o.ä.) oder einem anderen „realen“ Wirtschaftsgut realisierten, nicht jedoch, wenn lediglich Signaturketten ausgetauscht würden.
115
Als Fazit sei zu ziehen, dass unter Berücksichtigung der Feststellungslast das Finanzamt das erforderliche Zugeordnetsein von bestimmten Rechten und Ansprüchen für jede einzelne Signaturkette nicht vorgenommen habe und dies wegen deren Anspruchslosigkeit bereits per definitionem auch nicht möglich sei. Mangels Eigenschaft als Wirtschaftsgut sei eine Besteuerung nicht möglich.
116
Nach wie vor gelte sowohl für den Bereich des Zivilrechts – wie sich anhand an der Zusammenstellung bei Omlor/Möslein, Blockchain und Recht, 2024 (u.a. S. 15, Omlor: „Kryptowerte sind nicht eigentumsfähig, soweit ihnen nicht Spezialgesetze wie das eWpG eine solche zuweisen“) bestätige – als auch für den Bereich des Steuerrechts, dass für den Gesetzgeber Handlungsbedarf bestehe. Wie bereits ausgeführt, sehe die Bundesregierung keine planwidrige Regelungslücke, die dann auch durch die Judikative geschlossen werden könne; daher sei entweder das Gesetz/Steuergesetz ausreichend genau gefasst, oder es liege ein „rechtspolitischer“ Fehler vor, der nur durch die Legislative behoben werden könne. In diesem Fall könne eine Besteuerung so lange nicht erfolgen, bis dieser Fehler behoben sei. Tatsache sei, dass der Gesetzgeber auch im steuerlichen Bereich den „rechtspolitischen Fehler“ erkannt haben müsse, und in Kenntnis dieses Defizits dieses nicht ansatzweise ausgefüllt habe. Insofern sei die Rechtsprechung mit Blick auf Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz nicht berechtigt, dieses gesetzgeberische Defizit durch Urteil selbst auszugleichen. Daher lasse die nahezu uferlose „teleologische Extension“ des BFH (Urteil vom 14.02.2023 IX R 3/22) in Hinblick auf die Anwendung des § 39 Abs. 1 AO sämtliche Aspekte der Lehren des Zivilrechts außer Acht und übertrage letztlich die Gesetzgebungskompetenz zur grundsätzlich denkbaren Erstreckung des Eigentumsbegriffs auf Signaturketten auf einen unbestimmten, unbegrenzten, weltweiten Kreis von austauschbaren Personen. Dieses Vorgehen widerspreche ersichtlich dem in Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 GG verankerten verfassungsrechtlichen Grundsatz der Rechtssicherheit in seiner Ausprägung als Gebot der Belastungsklarheit und Vorhersehbarkeit.
117
Hinsichtlich der Abgrenzung der „planungswidrigen Regelungslücke“ vom „rechtspolitischen Fehler“ verhalte es sich wie bei der steuerlichen Beurteilung des Geschäfts- oder Firmenwerts als Wirtschaftsgut, der ebenso wie anspruchslose Blockchaineinträge ein/e Geschäftschance/-risiko darstelle, für die auch Geld bezahlt werde. Auch hier habe die Exekutive eine gesetzliche Neuregelung für obsolet gehalten und es habe erst einer handelsrechtlichen Fiktion der Legislative bedurft, mit welcher der Geschäfts- oder Firmenwert zum Vermögensgegenstand/Wirtschaftsgut lediglich nur „erhoben“ worden sei, ohne aber genuin ein Vermögensgegenstand/Wirtschaftsgut zu sein (Hinweis auf BT-Drs. 16/10067, S. 46; Kirsch in Kirsch eKomm Ab. 1.1.2015, § 246 HGB Rz. 181 Aktualisierung v. 1.3.2022).
118
Letztlich habe sich der Kläger an einem öffentlich zugänglichen Glücksspiel ohne Altersbegrenzung beteiligt, das in jedem einzelnen Fall hochriskant und zudem in Deutschland steuerrechtlich ungeregelt gewesen sei (und dies immer noch sei).
119
Grundsätzlich trage das Finanzamt die Feststellungslast für die steuerbegründenden und steuererhöhenden Tatsachen; dies gelte auch in Hinblick auf die zeitliche Komponente des § 23 EStG (Jahresfrist; Hinweis auf Urteil des FG Köln vom 25.11.2021, 14 K 1178/30 Rz. 43).
120
Bezogen auf den Streitfall sei das Finanzamt weder seiner Amtsermittlungspflicht (§ 88 Abs. 1 AO), noch seiner Begründungspflicht (§ 121 Abs. 1 AO) ausreichend nachgekommen. Auch habe das beklagte Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen nicht ausreichend offengelegt (§ 364 AO); die aufgrund § 78 FGO gewährte Akteneinsicht lasse nicht erkennen, aufgrund welcher Recherchetätigkeit auf welche Besteuerungsgrundlagen zurückgegriffen worden sei. Eine Einzelfallprüfung in Bezug auf die im Streitfall in Rede stehenden sog. Kryptowährungen sei anhand der Aktenlage nicht erkennbar.
121
Im Hinblick auf die fehlende hinreichende Begründung in Bezug auf jeden einzelnen Blockchaineintrag seien sämtliche nacheinander in diesem Fall ergangenen Einkommensteuerbescheide zu unbestimmt i.S.v. §§ 119 Abs. 1, 157 i.V.m. § 121 Abs. 1 AO (Hinweis auf BFH-Urteil vom 26.09.2020, II R 24/18, DStR 2021, 796), da eine individuelle Würdigung noch nicht einmal in Bezug auf jede Blockchain-Art erfolgt sei.
122
Diese zahlreichen Bescheidmängel bestünden auch nach dem Erlass mehrerer Folgebescheide und Vorlage der Klageerwiderungen noch immer unverändert fort, da die Begründungsdefizite noch immer derart weitreichend und offensichtlich seien, dass dahingestellt bleiben könne, ob der zuletzt erlassene Einkommensteuerbescheid vom 26.09.2022 gemäß § 125 Abs. 1 AO bereits nichtig sei. An dessen Rechtswidrigkeit könne angesichts der Vielzahl der enthaltenen unbestimmten Details jedenfalls kein durchgreifender Zweifel bestehen.
123
In Anbetracht der Tatsache, dass das Finanzamt – jedenfalls bei der Abfassung der Einspruchsentscheidung – wesentliche Teile des Sachverhalts nicht zur Kenntnis genommen habe, sei auch von Verstößen gegen Denkgesetze auszugehen (Hinweis auf BFH-Urteil vom 14.04.2021 III R 50/20, BStBl II 2021, 866).
124
Hinsichtlich der Berechnung der Einkünfte aus den privaten Veräußerungsgeschäften wurden vom Klägervertreter – wie vom Landesamt für Steuern am 16.12.2020 angeregt – mit Schriftsatz vom 29.10.2024 ein „CapitalGainsReport“ sowie eine „TradeTable“ (Anlagen K 40 und K 41) überreicht und zwar ergänzend zu der zuvor bereits vorgelegten Tatsachenaufstellung von Cryptotax (aktuell unter der Anbieterbezeichnung „Blockpit“). Bezüglich der steuerrechtlichen Würdigung dieser Tatsachen komme CoinTracking (Ausdruck vom 28.10.2024) für den Veranlagungszeitraum 2017 zu einem gegenüber Cryptotax abweichenden Ergebnis i.H.v. 97.329,04 €. Unterstelle man, die von CoinTracking hinterlegte steuerliche Würdigung sei korrekt, wären von diesem Ergebnis jedoch noch 2.902,66 € abzuziehen, da auf Seite 18 des „CapitalGainsReport“ in einer Zeile vom 08.10.2017 ein sog. „Warning“ zu finden sei. Hier würden die Anschaffungskosten fehlen, welche bei US-Dollar und entsprechenden Stable-Coins nur in geringem Umfang schwanken würden, weshalb davon auszugehen sei, dass die Anschaffungskosten vom selben Tag ebenso mit dem Veräußerungspreis übereinstimmten. Das auf Basis der von CoinTracking ermittelten Werte berechnete Ergebnis nach Abzug von 2.902,66 € betrage somit 94.426,38 €.
125
Hinsichtlich der erbetenen näheren Ausführungen verweist der Klägervertreter erneut darauf, dass bei Tauschvorgängen von Signaturkettenverlängerungen die Bewertung in Euro eine rechtliche Würdigung darstelle (Hinweis auf Urteil des FG Köln vom 25.11.2021 14 K 1178/20, Rz. 79). Ob und ggf. welche Abweichungen sich gegenüber einer ordnungsgemäßen Untersuchung (§ 88 AO) des Finanzamtes ergäben, vermöge der Kläger nicht abschließend zu erhellen oder gar aufzuklären, da sämtliche – auch dem Klägervertreter bekannten – handelsüblichen Tools sog.“blackboxes“ seien, bei denen vom Steuerpflichtigen in keinerlei Hinsicht abschließend beurteilt werden könne, wie einzelne Auswertungsvorgänge im Detail vor sich gingen und an welchen Stellen ggf. Programmier-, Erfassungs-, Bewertungs- und/oder Rechenfehler – d.h. bei dem Vorgang der rechtlichen Würdigung – vorlägen. Dem Klägervertreter sei aus vielfach gemachten Erfahrungen mit Mandantendaten bekannt, dass bereits sog. „Updates“ beim Anbieter ein und desselben Tools bei identischem Datenbestand zu teilweise erheblichen Abweichungen führten. Ebenso sei bekannt, dass die Tools unterschiedlicher Anbieter zu unterschiedlichen Ergebnissen führten. Daher versichere der Kläger – selbst bei der lediglich unterstellten (nicht: anerkannten) Annahme des teilweisen oder vollständigen Vorliegens von Wirtschaftsgütern und der Anwendung von § 23 EStG wegen Nichtüberschreitens der Jahresfrist – zu keinem seiner eingereichten Vorschläge, dass dieser auch nur ein annähernd zutreffendes Ergebnis darstellen könnte.
126
Insofern habe das beklagte Finanzamt die Steuerklärung mit den vorhandenen EDV-Anwendungen zu bearbeiten (Hinweis auf Rz. 13 der BT-Drs 19/32192; kl. Anfrage der FDP und Antwort Bundesregierung).
127
Der Einkommensteuerbescheid für 2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.06.2022 wurde mit Bescheid vom 11.07.2022 sowie Bescheid vom 26.09.2022 jeweils nach § 10 d Abs. 1 Satz 3 EStG – zuletzt aufgrund des Ansatzes eines Verlustrücktrags bei den Einkünften aus priv. Veräußerungsgeschäften i. H. v. ./. 28.228 € – geändert und die Steuer auf 42.105 € herabgesetzt. Der im Klageverfahren strittige Ansatz von Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften erfolgte unverändert mit 102.141 € (abzüglich Rücktrag); Einkünfte aus sonstigen Leistungen wurde weiterhin mit 8.395 € angesetzt.
128
Die Klägervertreter beantragen,
Beweisantrag Nr. 1 des Klägers im Verfahren Kläger ./. Finanzamt vor dem Finanzgericht Nürnberg, Az.: 3 K 760/22, vorgelegt in der Verhandlung am 22.01.2025;
Vorbehaltlich der Darlegungs- und Feststellungslast des Finanzamtes, wird Beweis angetreten für die Tatsache, dass die vom Beklagten als „andere Wirtschaftsgüter“ im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG behandelten streitgegenständlichen Phänomene lediglich in einer Abfolge von elektronischen Signaturen bestehen (Signaturketten), denen keine – und somit weder bestimmbare, noch gar bestimmte – Ansprüche i.S.v. § 194 BGB oder Rechte zugeordnet sind, weshalb diese Phänomene als anspruchslos zu qualifizieren sind.
1. Sachverständigengutachten
2. Inaugenscheinnahme der in den nachfolgend genannten Schriftsätzen aufgeführte Quellen zur Definition von Signaturketten
3. Zeugnis der wie folgt benannten Mitarbeiter des Finanzamts:
Der vorstehende Beweisantrag ist für den gesamten Streitstoff beweiserheblich, insbesondere für den Klagevortrag aus den Schriftsätzen vom 13.07.2022, 16.10.2022, 15.12.2022, 23.01.2023, 31.01.2023, 18.04.2023, 05.06.2023, 28.08.2024, 21.10.2024, 29.10.2024 und 11.12.2024 sowie im Hinblick auf die Ausführungen des hohen Senats in seinem Aussetzungsbeschluss vom 08.04.2020, Az.: 3 V 1239/19.
Insoweit wird jeweils vollinhaltlich auf die vorgenannten Schriftsätze und diesen Aussetzungsbeschluss Bezug genommen.
Beweisantrag Nr. 2 des Klägers
im Verfahren Kläger ./. Finanzamt vor dem Finanzgericht Nürnberg, Az.: 3 K 760/22, vorgelegt in der Verhandlung am 22.01.2025;
Vorbehaltlich der Darlegungs- und Feststellungslast des Finanzamtes, wird Beweis ange-treten für die Tatsache, dass eine Blockchain – ausgestaltet als DLT-System (Distributed Ledger Technology/verteilte Buchführung) – ein reines Dokumentationssystem darstellt, welches nur die Abfolge der durch Signaturen erfolgten Signaturkettenverlängerungen (Historie) aufzeigt, und dass bezüglich der im Streitfall anspruchslosen (§ 194 BGB) Signaturketten die Einträge in der jeweiligen Blockchain nichts steuerlich Relevantes – außer den Signaturkettenverlängerungen selbst – dokumentiert, weshalb es vergleichbar der Dokumentation in einem Grundbuch ist, in dem zwar Datennachweise vergleichbar einer „Ersten Abteilung“ eines Grundbuchs zu vermeintlichen Berechtigungsverhältnissen zu finden sind, welches jedoch kein darüber hinausgehendes „Bestandsverzeichnis“ aufweist, in dem eine Zuordnung dieser vermeintlichen Berechtigung(en) zu einem bestimmten realen Anspruch oder Recht dokumentiert werden („Grundbuch ohne Grundstücke“) und dass demnach ein DLT-Buchführungssystem mit anspruchslosen (§ 194 BGB) Signaturketten, nichts vom Buchführungssystem unabhängig zusätzlich Existierendes abbildet, auch nicht digital, weshalb hier nur Buch geführt wird über „Luftgeschäfte“, und demgemäß auch nur „Luftbuchungen“ – ggf. digital – dokumentiert werden können.
1. Sachverständigengutachten
2. Inaugenscheinnahme der in den nachfolgend genannten Schriftsätzen aufgeführten Quellen zur Definition von Signaturketten
3. Zeugnis der wie folgt benannten Mitarbeiter des Finanzamts:
Der vorstehende Beweisantrag ist für den gesamten Streitstoff beweiserheblich, insbesondere für den Klagevortrag aus den Schriftsätzen vom 13.07.2022, 16.10.2022, 15.12.2022, 23.01.2023, 31.01.2023, 18.04.2023, 05.06.2023, 28.08.2024, 21.10.2024, 29.10.2024 und 11.12.2024 sowie im Hinblick auf die Ausführungen des hohen Senats in seinem Aussetzungsbeschluss vom 08.04.2020, Az.: 3 V 1239/19. Insoweit wird jeweils vollinhaltlich auf die vorgenannten Schriftsätze und diesen Aussetzungsbeschluss Bezug genommen.
Beweisantrag Nr. 3 des Klägers
im Verfahren Kläger ./. Finanzamt vor dem Finanzgericht Nürnberg,
Az.: 3 K 760/22, vorgelegt in der Verhandlung am 22.01.2025;
Vorbehaltlich der Darlegungs- und Feststellungslast des Finanzamtes, wird Beweis angetreten für die Tatsache, dass es sich bei den hier streitgegenständlichen Signaturkettenarten NICHT um Daten handelt, welche von Person A an Person B gesendet werden können, und dass es sich tatsächlich NICHT so verhält, wie es das FG Köln in seinem Urteil 4 K 1178/20 vom 25.11.2021, in Rz. 49. und 50. in unzutreffender Weise angenommen hat, wonach angeblich „Datenpakete“ von einer Person an eine andere Person übertragen werden könnten, weshalb das FG Köln aus diesem tatbestandlichen Irrtum auch unzutreffend folgert und pauschal zu einer Gleichsetzung mit „Texten auf anderen Medien, etwa Büchern oder magnetischen Tonträgern“ mit analogen oder digitalen Signaturketten gelangt, und dass nur durch eine weitere Signatur eine Signaturkettenverlängerung initiiert wird, welche dann erst durch das Zusammenwirken einer in ihrer Zusammensetzung ständig wechselnden unbekannten Menge an Rechnern („Majority of CPU Power” = „Macht“) zu einer Signaturkettenverlängerung = Dokumentation in der Blockchain führen kann.
1. Sachverständigengutachten
3. Zeugnis der wie folgt benannten Mitarbeiter des Finanzamts:
Der vorstehende Beweisantrag ist für den gesamten Streitstoff beweiserheblich, insbesondere für den Klagevortrag aus den Schriftsätzen vom 13.07.2022, 16.10.2022, 15.12.2022, 23.01.2023, 31.01.2023, 18.04.2023, 05.06.2023, 28.08.2024, 21.10.2024, 29.10.2024 und 11.12.2024 sowie im Hinblick auf die Ausführungen des hohen Senats in seinem Aussetzungsbeschluss vom 08.04.2020, Az.: 3 V 1239/19.
Insoweit wird jeweils vollinhaltlich auf die vorgenannten Schriftsätze und diesen Aussetzungsbeschluss Bezug genommen.
Beweisantrag Nr. 4 des Klägers
im Verfahren Kläger ./. Finanzamt vor dem Finanzgericht Nürnberg, Az.: 3 K 760/22, vorgelegt in der Verhandlung am 22.01.2025;
Vorbehaltlich der Darlegungs- und Feststellungslast des Finanzamtes, wird Beweis angetreten für die Tatsache, dass eine erfolgte Signaturkettenverlängerungsdokumentation in der Blockchain jederzeit mit einer entsprechenden systemimmanenten Macht der Validatoren/Miner („Majority of CPU Power“) rückwirkend verändert werden kann, und dass diese Macht – bei Proof-of-Work Consensus Systemen (wie z.B: der Bitcoin-Blockchain und in 2017 auch der Ethereum-Blockchain) – lediglich mehr als 50% der CPU Power benötigt, um erfolgte Signaturkettenverlängerungsdokumentationen rückwirkend abzuändern, und dass eine solche rückwirkende Abänderung dazu führt, dass Signaturkettenverlängerungen rückgängig gemacht werden (Redo), und dass solche rückwirkenden Abänderungen tatsächlich bereits mehrfach stattgefunden haben, und je nach Blockchain auch immer wieder systemimmanent stattfinden können.
1. Sachverständigengutachten
2. Dokumentation des im Jahr 2021 rückwirkend erfolgten teilweisen Wegfalls der Blockchain-Eintragsart „VERGE“, vgl.: https://news,bitcoin.com/privacy-coin-verge-third-51-attack-200-days-xvg-transactions-erased Dort wurden die letzten 200 Tage der Transaktionshistorie mit geschätzt mehr als 560.000 Blöcken (Buchungsstapeln mit Luftbuchungen) rückwirkend gelöscht. Alle in diesen 560.000 Blöcken bislang ggf. entstandenen Signaturketten sind rückwirkend doch nicht entstanden bzw. alle Signaturkettenverlängerungen in diesen Blöcken gelten als nicht erfolgt. Verglichen mit einem Bankkonto wäre das so, als ob plötzlich „systemimmanent“ alle Buchungen der Bank der letzten 200 Tage für immer verschwinden könnten und keinerlei rechtliche Möglichkeiten bestünden, die Bank zur Korrektur oder zu Schadensersatz zu zwingen.
3. Zeugnis der wie folgt benannten Mitarbeiter des Finanzamts:
Der vorstehende Beweisantrag ist für den gesamten Streitstoff beweiserheblich, insbesondere für den Klagevortrag aus den Schriftsätzen vom 13.07.2022, 16.10.2022, 15.12.2022, 23.01.2023, 31.01.2023, 18.04.2023, 05.06.2023, 28.08.2024, 21.10.2024, 29.10.2024 und 11.12.2024 sowie im Hinblick auf die Ausführungen des hohen Senats in seinem Aussetzungsbeschluss vom 08.04.2020, Az.: 3 V 1239/19.
Insoweit wird jeweils vollinhaltlich auf die vorgenannten Schriftsätze und diesen Aussetzungsbeschluss Bezug genommen.
Beweisantrag Nr. 5 des Klägers
im Verfahren Kläger ./. Finanzamt vor dem Finanzgericht Nürnberg, Az.: 3 K 760/22, vorgelegt in der Verhandlung am 22.01.2025;
Vorbehaltlich der Darlegungs- und Feststellungslast des Finanzamtes, wird Beweis angetreten für die Tatsache, dass die „Verkäufe“ der vom Beklagten als „andere Wirtschaftsgüter“ im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG behandelten streitgegenständlichen 56 Blockchain-Eintragsarten, soweit sie vom Kläger nicht „ausgecasht“, d.h. gegen gesetzliche Zahlungsmittel veräußert wurden, auch nicht zu einer in Euro messbaren Realisation eines Gewinns und damit auch nicht zu einer Leistungsfähigkeitssteigerung beim Kläger geführt haben.
1. Sachverständigengutachten
2. Inaugenscheinnahme der in den nachfolgend genannten Schriftsätzen aufgeführten Quellen zur Definition von Signaturketten
3. Zeugnis der wie folgt benannten Mitarbeiter des Finanzamts:
Der vorstehende Beweisantrag ist für den gesamten Streitstoff beweiserheblich, insbesondere für den Klagevortrag aus den Schriftsätzen vom 13.07.2022, 16.10.2022, 15.12.2022, 23.01.2023, 31.01.2023, 18.04.2023, 05.06.2023, 28.08.2024, 21.10.2024, 29.10.2024 und 11.12.2024 sowie im Hinblick auf die Ausführungen des hohen Senats in seinem Aussetzungsbeschluss vom 08.04.2020, Az.: 3 V 1239/19.
Insoweit wird jeweils vollinhaltlich auf die vorgenannten Schriftsätze und diesen Aussetzungsbeschluss Bezug genommen.
Beweisantrag Nr. 6 des Klägers
im Verfahren Kläger ./. Finanzamt vor dem Finanzgericht Nürnberg, Az.: 3 K 760/22, vorgelegt in der Verhandlung am 22.01.2025;
Vorbehaltlich der Darlegungs- und Feststellungslast des Finanzamtes, wird Beweis angetreten für die Tatsache, dass der „Kauf“ und „Verkauf“ von anspruchslosen (§ 194 BGB) Signaturketten/Blockchain-Einträgen wirtschaftlich mit der Teilnahme an Glücksspielen, insbesondere einer Lotterie, gleichzusetzen ist, bei denen der „Loskäufer'' entgeltlich eine Chance erwirbt, ohne dass diese Chance sogleich als vernünftige Kaufentscheidung eines ordentlichen Kaufmanns gelten kann, weil es außer der zweifelhaften Chance jemanden zu finden, der ihm das „Los“ später zu einem höheren Preis abzukaufen bereit ist, keinerlei Wert hat oder verkörpert; anders als etwa beim Erwerb von Aktien, denen stets ein Anteil an realen Wirtschaftsgütern/Vermögenswerten oder Rechten an einem konkreten Unternehmen zugeordnet ist.
1. Sachverständigengutachten
2. Inaugenscheinnahme der in den nachfolgend genannten Schriftsätzen aufgeführten Quellen zur Definition von Signaturketten
3. Zeugnis der wie folgt benannten Mitarbeiter des Finanzamts:
Der vorstehende Beweisantrag ist für den gesamten Streitstoff beweiserheblich, insbesondere für den Klagevortrag aus den Schriftsätzen vom 13.07.2022, 16.10.2022, 15.12.2022, 23.01.2023, 31.01.2023, 18.04.2023, 05.06.2023, 28.08.2024, 21.10.2024, 29.10.2024 und 11.12.2024 sowie im Hinblick auf die Ausführungen des hohen Senats in seinem Aussetzungsbeschluss vom 08.04.2020, Az.: 3 V 1239/19.
Insoweit wird jeweils vollinhaltlich auf die vorgenannten Schriftsätze und diesen Aussetzungsbeschluss Bezug genommen.
129
Hilfsweise für den Fall, dass das Gericht den Beweisanträgen nicht folgt,
beantragen die Klägervertreter
- den geänderten Einkommensteuerbescheid 2017 vom 26.09.2022 dahin zu ändern, dass die Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften sowie die Einkünfte aus sonstigen Leistungen jeweils mit 0,- € angesetzt werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird
- der Klägerseite vollständige Akteneinsicht zu gewähren
- die Kosten für die Zuziehungen eines Bevollmächtigen für das Vorverfahren für erstattungsfähig zu erklären
- für den Fall des Unterliegens wird die Zulassung der Revision beantragt Hilfsweise wird eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht beantragt zu den Fragen, ob eine Einkommensbesteuerung aus Geschäften mit nach § 194 BGB anspruchslosen Signaturketten / Blockchain Einträgen
a) in Ermangelung eines formellen oder materiellen Gesetzes (Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz i.V. mit Artikel 20 Abs. 3 GG)
b) wegen Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips (Artikel 3 GG) zumindest in Fällen der fehlenden Realisation (z.B. in gesetzliche Währung) und / oder
c) wegen Vorliegens eines strukturellen Vollzugsdefizits (Artikel 3 Abs. 1 GG) unzulässig ist.
130
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen. Für den Fall des Unterliegens wird die Zulassung der Revision beantragt.
131
Die Prozessbevollmächtigten rügen vorsorglich die Nichterhebung der angebotenen Beweise.
132
Das Finanzamt trägt im Wesentlichen auch unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung und den Schriftverkehr im Verwaltungsverfahren vor, dass die Besteuerung im Streitfall zutreffend vorgenommen worden sei.
133
Zu dem jetzt abweichend ermittelten Veräußerungsgewinn merkt es an, dass sich zwischen dem als Anlage K 40 vorgelegten Steuerreport (CapitalGainsReport) und der als Anlage 1 des Schriftsatzes des Klägers vom 27.01.2021 eingereichten Transaktionsübersicht Differenzen ergäben. Aus letzterer ergebe sich eine Gesamtsumme i.H.v. 102.141,56 €, die sich aus Gewinnen und Verlusten von Verkäufen vom 15.05.2017 bis zum 22.12.2017 zusammen setze. Die restlichen der Einkommensteuer unterworfenen Einkünfte i.H.v. 8.395 € resultierten aus Erträgen aus sonstigen Leistungen im Zusammenhang mit Kryptowährungen (Income) gem. der Anlage 2 des Schriftsatzes des Klägers vom 27.01.2021. Der Gesamtgewinn gemäß des CapitalGainsReport i.H.v. 97.329,04 € resultiere aus Verkäufen vom ersten Verkauf am 15.05.2017 bis zum letzten Verkauf am 24.12.2017. Damit fehlten in der am 27.01.2021 vorgelegten Transaktionsübersicht die Gewinne und Verluste aus den Verkäufen vom 23.12.2017 und 24.12.2017. Darüber hinaus führe die dem CapitalGainsReport zugrundeliegende Transaktionsübersicht von CoinTracking 65 Transaktionen auf, die mit „Lost“ bezeichnet seien und zu denen keine Anschaffungswerte (Anzahl und Art der virtuellen Währung) angegeben seien. Entsprechend fehlten diese Transaktionen im Steuerreport (CapitalGainsReport) und seien in der ursprünglichen Transaktionsübersicht ebenfalls nicht aufgeführt. Für die Erstellung von Transaktionsübersichten und Steuerreports stünden zahlreiche Einstellungen und Filter zur Verfügung. Darüber hinaus seien die Ergebnisse eines Steuerreports auch vom Steuerpflichtigen abänderbar. Welche Filter oder Einstellungen den Transaktionsübersichten und dem Steuerreport zugrunde lägen und welche nachträglichen Änderungen vorgenommen worden seien, sei aus den zahlreichen vorgelegten Unterlagen nicht ersichtlich. Daher könne der Gesamtgewinn gemäß dem CapitalGainsReport nicht ohne weitere Prüfung übernommen werden. Der Kläger möge Unterlagen vorlegen, aus denen die jeweils zugrundeliegenden Einstellungen, Filter und nachträglichen Änderungen ersichtlich seien, sowie Unterlagen, aus welchen Quellen die jeweils zugrundeliegenden Kurswerte stammten. Darüber hinaus solle der Kläger zu den mit „Lost“ bezeichneten Trades gem. der Transaktionsübersicht von CoinTracking Stellung nehmen.
134
Aus prozessökonomischen Gründen wäre das Finanzamt allerdings bereit, die geringere Summe von 94.426,28 € zur Beilegung des Rechtsstreits der Steuerfestsetzung zugrunde zu legen.
135
Den Einwendungen des Klägers, das Finanzamt habe keine Einzelbeurteilung der vorliegenden 56 unterschiedlichen Kryptowährungen vorgenommen, sei entgegenzuhalten, dass das Finanzamt im Schreiben vom 22.09.2021 alle streitgegenständlich gehandelten Token, die im Streitjahr 2017 zu Gewinnen geführt hätten, im Einzelnen aufgeführt, definiert und in Bezug auf ihre Eigenschaft als Wirtschaftsgut beurteilt habe. Ebenso sei hinsichtlich Eigentum bzw. Zurechnung in diesem Schreiben Stellung genommen worden; insoweit werde auf diese Ausführungen verwiesen. Bei der nochmaligen Überprüfung sei allerdings aufgefallen, dass die Kryptowährung STRAX versehentlich nicht erläutert worden sei. Hierzu sei nachzuholen, dass Stratis (STRAX) eine Blockchain-as-a-Service (BaaS) Plattform sei, die die Schwelle für Unternehmen und Organisationen senke, um die Blockchain Technologie zu nutzen. Sie biete verschiedene Produkte und Serviceleistungen für Unternehmen an. Die Plattform sei so aufgebaut, dass sie es Organisationen ermögliche, schnell und einfach ihre eigene Blockchain zu erstellen. Stratis fokussiere sich hauptsächlich auf Finanzinstitute, obwohl es auch für andere Projekte verwendet werden könne. Zusätzlich zu den BaaS-Leistungen, biete Stratis auch Beratungsservices an. Auf diese Weise könnten interessierte Unternehmen bei der Implementierung ihrer eigenen Blockchain angeleitet werden. Der Kryptowährung STRAX sei damit der Anspruch bzw. das Recht von Beratungs- und Serviceleistungen der Nutzer der Plattform zugeordnet. Diese Ausführungen beruhten auf der im Internet verfügbaren Beschreibung von „bitvavo“.
136
Noch genauer erscheine die auf https://www.stratisplatform.com) offenbar von Stratis selbst stammende Beschreibung: „The Stratis Token The STRAX Token fuels Stratis Blockchain Technologies and can be utilized as a value transfer vehicle and is leveraged for Smart Contract execution. The STRAX Token is available on most popular exchanges, such as Binance, Crypto.com and Upbit. Wrapped STRAX wSTRAX is also available on the Ethereum Blockchain via the UNiSwap Decentralized exchange.” Somit könne der STRAX Token verschiedene Funktionen erfüllen, u.a. als Möglichkeit, Werte zu übertragen. Insoweit komme es nach dem BMF-Schreiben (Rn. 4) auf die konkrete Verwendung an; hier – soweit ersichtlich – nur als Tauschmittel (Gegenleistung = Zahlungszwecke) seien die STRAX Token ertragsteuerlich als virtuelle Währung zu behandeln.
137
Entgegen der Ausführungen des Klägervertreters habe das Finanzamt keine Airdrops als steuerpflichtig behandelt.
138
Die Wirtschaftsguteigenschaft von „LOGI“ oder „Jesus coins“ sei ohne Belang, da solche im Streitfall keiner Besteuerung unterlegen hätten.
139
Im Übrigen sehe das Finanzamt seine Rechtsansicht durch das BFH-Urteil vom 13.02.2023 IX R 3/22 bestätigt. Zwar seien im vorliegenden Fall nicht lediglich die dort strittigen Kryptowährungen Bitcoin, Ether und Monero betroffen, sondern 56 verschiedene Token, jedoch ergebe sich aus den Ausführungen des BFH, dass Ausgangspunkt der Überlegungen die Wirtschaftsguteigenschaft sei, die vor allem aus dem tatsächlichen Verhalten der Marktteilnehmer zu beurteilen sei und nicht abstrakt anhand eines „whitepaper“.
140
Die vom Kläger gehandelten Kryptowährungen, die im Streitjahr zu Gewinnen und Verlusten geführt hätten, seien alle auf der Internetseite „Coinmarket“ gelistet und fielen unter die Begrifflichkeit „virtuelle Währung“, da sie als Tauschmittel akzeptiert und auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt worden seien. Gem. BMF-Schreiben vom 10.5.2022 liste die Internetseite „Coinmarket“ virtuelle Währungen auf (Rz. 1) und die einzelnen Einheiten virtueller Währungen seien Wirtschaftsgüter (Rz. 31). Der Kläger habe für deren Anschaffung Geldmittel aufgewendet. Damit seien die Anforderungen an ein Wirtschaftsgut bei den vom Kläger gehandelten Kryptos, die zu Gewinnen geführt hätten, erfüllt.
141
Auch laut BMF-Schreiben vom 10.05.2022 (Rz. 31, 32) seien virtuelle Währungen und sonstige Token Wirtschaftsgüter. Die vom BMF im Schreiben vom 10.05.2022 geforderte ertragsteuerliche einzelne Würdigung jedes Token beziehe sich, wie sich aus dem Zusammenhang ergebe, auf die nicht bereits als virtuelle Währung qualifizierten Token. Denn das BMF-Schreiben spreche regelmäßig von „virtuellen Währungen und sonstigen Token“. Eine gegenteilige Selbstbindung der Verwaltung liege entgegen den Ausführungen des Klägers nicht vor. Der Kläger zitiere einen einzelnen Satz des BMF-Schreibens vom 10.05.2022 ohne den Zusammenhang zu berücksichtigen. Nirgends sei angeordnet, dass Bitcoin oder ähnliche „virtuelle Währungen“ nicht als Wirtschaftsgut besteuert würden.
142
In Rn. 2 des BMF-Schreibens vom 10.05.2022 heiße es, die Bezeichnung „Token“ sei Oberbegriff für digitale Einheiten, denen bestimmte Ansprüche oder Rechte zugeordnet seien, deren Rechte variierten. In Rn. 3 würden Beispiele verschiedener Token im Sinn des BMF-Schreibens genannt, so z.B. „Currency oder Payment Token sind Token, die als Zahlungsmittel eingesetzt werden. „Im Weiteren werden für diese Token der Begriff „virtuelle Währung“ verwendet (vgl. Randnummer 1)“. Laut Rn. 1 des BMF-Schreibens seien „virtuelle Währungen im Sinne dieses Schreibens digital dargestellte Werteinheiten, die von keiner Zentralbank oder öffentlichen Stelle emittiert oder garantiert werden und damit nicht den gesetzlichen Status einer Währung oder von Geld besitzen, aber von natürlichen oder juristischen Personen als Tauschmittel akzeptiert werden und auf elektronischem Wege übertragen, gespeichert und gehandelt werden können. Zu den bekanntesten virtuellen Währungen gehören beispielsweise Bitcoin, Ether, Litecoin und Ripple.“
143
Das Schreiben schließe also ausdrücklich digitale Währungen, also Token, die als Zahlungsmittel Verwendung fänden, nicht vom Begriff Token aus. Denn durch die ihnen vom Marktgeschehen zugestandene Zahlungsfunktion seien sie nicht funktionslos, auch wenn sie keine technische Funktion hätten.
144
Dass die Kryptowährungen im Streitjahr nicht in Euro umgetauscht worden seien, sondern in andere Kryptowährungen, sei irrelevant. Auch der Tausch von Wirtschaftsgütern stelle einen Anschaffungs- bzw. Veräußerungsvorgang dar. Es sei nicht ersichtlich, warum dies bei Kryptowährungen, die an Internetbörsen frei gehandelt würden, anders sein solle. Im Übrigen ergäbe sich entgegen des Vortrags des Klägers, dass auch Etherium und Bitcoin gegen Euro verkauft worden seien:
145
Transaktionsübersicht von CoinTracking am 13.12.2017 Darüber hinaus hätten in 2017 noch weitere Verkäufe von virtuellen Währungen gegen Euro bspw. am 31.07.2017, 26.05.2017 und 22.05.2017 stattgefunden. Ob die Beträge auf ein Wallet geflossen seien oder auf ein Bankkonto, sei für den Zufluss nicht entscheidend. Für den Zufluss sei die Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht maßgebend, die nicht ausschließlich durch Zufluss von Geldbeträgen auf ein Bankkonto erlangt werden könne.
146
Demzufolge treffe es nicht zu, dass der Beklagte nicht ausreichend zwischen den betroffenen virtuellen Währungen im Streitfall unterschieden habe. Es sei geprüft worden, welche „virtuellen Währungen“ betroffen seien und ob diese an frei zugänglichen Handelsplattformen im Internet gelistet und handelbar, also verkehrsfähig, gewesen seien. Die nunmehr vorgelegte Excel-Tabelle belege dies als Teil der angestellten Ermittlungen ebenfalls. Auch die selbständige Bewertbarkeit stehe fest, wenn hierfür Marktpreise an diesen Handelsplattformen ermittelt werden könnten.
147
Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Kläger moniere, dass die Einkünfte, die er selbst ermittelt habe, ohne Abweichung vom Finanzamt übernommen worden seien. Die Unterlagen des Klägers zur Gewinnermittlung seien nachvollzogen worden und die Beträge hätten anhand historischer Kurswerte auf Internetseiten wie „finanzen.net“ überprüft werden können. Entgegen seiner Ansicht seien die Werte des Klägers nachweisbar nicht ungeprüft übernommen worden, wie sich bereits aus der erfolgten Verböserung in der Einspruchsentscheidung ergebe. Nachprüfung bedeute nicht, dass das Finanzamt jeden einzelnen Geschäftsvorfall detailliert bis auf alle möglichen Tageskurse überprüfen müsse. Es gebe an verschiedenen Börsen verschiedene Tagesendkurse bzw. auch während des Tages zeitgleich unterschiedliche Kurse an verschiedenen Börsen, die durch Differenzgeschäfte ausgenutzt werden würden. Mangels gesetzlich vorgegebener Leitbörse seien die Angaben nicht falsch, nur, weil eine Börse einen anderen Wert ausweise. Geringfügige Abweichungen in den Kurswerten müssten nicht beanstandet werden. Die vom Kläger angegebenen Kurswerte hätten nach stichprobenartiger Überprüfung zwischen dem Tageshöchstwert und dem Tagestiefstwert gem. der auf der Internetseite „finanzen.net“ aufgeführten historischen Kurswerte gelegen. Auch die Anschaffungs- und Veräußerungszeitpunkte seien hinsichtlich der Jahresfrist überprüft worden. Prüfungshandlungen müssten nicht dokumentiert werden, wenn diese nicht zu Abweichungen des Erklärten führten. Der Steuerpflichtige habe die Erklärungspflicht und versichere mit seiner authentifiziert übermittelten Steuererklärung, dass alle Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht worden seien. Da keine greifbaren Umstände vorgelegen hätten, die darauf hindeuteten, dass der Kläger unwahre Angaben gemacht habe, habe es keinen Anlass zur weiteren Ermittlung gegeben (AEAO zu § 88; Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bezüglich der Ermittlungen, § 88 Abs. 2 AO). Insofern sei auch keine Schätzung vorgenommen worden, sondern Basis der Festsetzung seien die klägerseits vorgelegten Unterlagen gewesen.
148
Auch das BMF-Schreiben vom 10.05.2022 sei berücksichtigt worden; hiernach hätten sich jedoch für die Beurteilung der streitgegenständlichen Currency Token keine Änderungen ergeben, da nach wie vor die an Handelsplattformen gelisteten und gehandelten Einheiten als Wirtschaftsgüter angesehen worden seien. Die vom Kläger zitierten Abweichungen der Formulierungen hätten daran nichts geändert, da nach wie vor eine „Zahlungsmittelfunktion“ gesehen werde, da die gehandelten Einheiten für zwischen den Beteiligten abzuwickelnde „Bezahlvorgänge“ Verwendung finden könnten (Hinweis auf BFH a.a.O. Rn. 28). Auf die geänderte Rechtsauffassung zur Verlängerung der Spekulationsfrist beim Lending komme es nicht an, da die besteuerten Vorgänge innerhalb der 1-Jahresfrist lägen.
149
Dass die Blockchain-Technologie grundsätzlich fragwürdig sei, könne aus Sicht des Finanzamts in Anbetracht der Tatsache, dass eine Vielzahl von namhaften Unternehmen/Institutionen (Microsoft, Mastercard, PayPal, Air Baltic, LOT Polish Airlines, Norwegian Air, CheapAir, Expedia, Rakuten, Lush, Twitch, Dallas Mavericks, Lieferando, UNICEF, uvm.) Bitcoins als Zahlungsmittel akzeptierten, nicht nachvollzogen werden. Das Fachmagazin CryptoMonday (Beitrag vom 11.11.2022, https://crypto-monday.de/krypto/ressourcen/bei-diesen-firmen-kann-man-im-jahr-2022-mit-bitcoin-bezahlen/), bezeichne die 40 Top Unternehmen, bei denen mit Bitcoin bezahlt werden könne und die Vor- und Nachteile von Bitcoins. Hier werde die Blockchain als transparent und sicher beschrieben: „Bitcoin-Zahlungen sind dank der Blockchain transparent und sicher. Jede Überweisung mit Bitcoin wird von Minern verifiziert und als korrekt bestätigt. Fälschungen sind im Nachhinein auf der Blockchain nach dem derzeitigen Stand der Technik nicht möglich.“
150
Eine Blockchain ähnle einem öffentlichen Register, das alle Geldflüsse dokumentiere (jedoch in kryptischer Codierung). Die Blockchain sei dezentral auf den Computern ihrer Benutzer gespeichert; alle Transaktionen mit Kryptowährungen würden so festgehalten.
151
Dieses Festhalten der Vermögenszuschreibungen in den sog. Blockchains als öffentliche Finanztransaktionsdatenbank ermögliche der Finanzverwaltung durch Auskunftsersuchen Zugriff auf die Daten. Darüber hinaus gebe es die Möglichkeit von Sammelauskunftsersuchen an einschlägige Handelsplattformen. Unter weiterer Berücksichtigung der Erklärungs- und Mitwirkungspflichten der Steuerpflichtigen sei die Besteuerung sichergestellt. Ein strukturelles Vollzugsdefizit werde daher nicht gesehen.
152
Dass es sich lediglich um Signaturketten, also virtuelle Einträge in einer Datenbank handele, stehe der Wirtschaftsguteigenschaft der virtuellen Währung nicht entgegen. Das sei lediglich die technische Ausgestaltung der Übertragung der virtuellen Währungen.
153
Der Marktwert der virtuellen Währungen sei über Börsen, Handelsplattformen und Listen (auch unter „Coinmarket“) in Euro dargestellt und damit die Bewertung ganz konkret möglich. Unabhängig von dem intrinsischen Wert eines Schlüssels verschaffe das Innehaben des Schlüssels dem Inhaber die Möglichkeit bzw. das Recht an der Fortschreibung der Signaturkette teilzunehmen und damit die Möglichkeit auf Kurssteigerung der jeweiligen virtuellen Währung. Dafür gebe es einen Markt und die jeweiligen Teilnehmer ließen sich diese Teilnahme an der Fortschreibung der Signaturketten etwas kosten, sei es in Form von Geld oder Tausch mit anderen virtuellen Währungen. Dieses Recht bzw. dieser Anspruch sei allen streitgegenständlichen Token gemeinsam.
154
Im Gegensatz zum Beispiel des Klägers mit „Tolliple“ könnten die gehandelten virtuellen Währungen des Klägers allesamt bewertet werden, da auf den jeweiligen Handelsplattformen oder Listen ihr Kurswert in Euro ausgewiesen sei und ein Markt existiere.
155
Für die Beurteilung der Wirtschaftsguteigenschaft irrelevant sei, wie risikobehaftet oder betrugsanfällig die virtuellen Währungen seien (extreme Kursschwankungen) oder wie seriös bzw. unseriös die Krypto-Szene sei. Auch illegale Geschäfte seien steuerpflichtig. Entscheidend sei allein, dass die von Investoren (Erwerbern) geprägte Verkehrsanschauung dem Innehaben eines Currency Token einen greifbaren, mit einem ins Gewicht fallenden besonderen Entgelt zu bemessenden marktüblichen Wert und somit Spekulationspotential gebe (Hinweis auf BFH a.a.O. Rn. 31, 32). Auch Aktien seien risikobehaftet und könnten starken Kursschwankungen unterliegen. Ein Wirtschaftsgut verliere auch dann nicht die Eigenschaft als Wirtschaftsgut, wenn es z.B. überteuert verkauft werde (vgl. Immobilien während einer Immobilienpreisblase). Auch wenn eine gefälschte Luxusware (z.B. Rolex) zum Preis einer echten verkauft werde, sei sie trotzdem ein Wirtschaftsgut.
156
Ebenso wenig führe der Verlust eines Wirtschaftsguts zum Verlust der Eigenschaft als Wirtschaftsgut. Der Wirtschaftsguteigenschaft stehe es ebenfalls nicht entgegen, dass verschiedene Marktkurse auf verschiedenen Börsen/Handelsplattformen gleichzeitig bestehen könnten. Dies sei bei anderen Wirtschaftsgütern (Aktien, Wertpapieren) nicht anders. Auch im analogen Geschäftsleben sei es nicht ungewöhnlich, dass für gleiche Ware bei unterschiedlichen Anbietern unterschiedliche Preise aufgerufen würden.
157
Insoweit komme es auch nicht auf den intrinsischen Wert eines Wirtschaftsgutes an. Einen „absoluten“ Wert gebe es nicht. Vielmehr seien Wirtschaftsgüter Sachen, Rechte oder tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten oder Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lasse, die einer besonderen Bewertung zugänglich seien und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden könnten; nicht sei Voraussetzung, dass es dem Betrieb Nutzen für mehrere Jahre bringe (Hinweis auf BFH-Urteile vom 19.06.1997 IV R 16/95, BStBl II 1997, 808; vom 26.11.2014 X R 20/12, BStBl II 2015, 325). Es genüge somit, dass ein wirtschaftlich denkender Bevölkerungskreis für eine konkrete Möglichkeit Geld auszugeben bereit sei. Die hier strittigen Kryptowährungen würden unter anderem auf „coin-market“ gelistet und auf vielfältigen Plattformen gehandelt. Eine Bewertung sei anhand der dort ermittelten Kurse möglich.
158
Insofern überzeuge auch der Vergleich mit „100 B.“ oder Spielgeld nicht, denn auch bei diesen sei unter den genannten Voraussetzungen grundsätzlich möglich, dass sie ein Wirtschaftsgut bilden könnten.
159
Das Finanzamt schließe sich der Meinung des FG Köln vom 25.11.2021 – 14 K 1178/20 an, dass selbst „analogi-coins” – wie Kryptowerte – zu Wirtschaftsgütern würden, wenn sich ein Markt für sie etablieren würde, wie es bei den streitbefangenen virtuellen Währungen der Fall sei.
160
Auch die Zurechnung könne nicht daran scheitern, dass die Zugangscodes an andere weitergegeben oder geteilt würden. Hierbei sei vielmehr entscheidend, ob die Weitergabe der Daten erfolge, um dem anderen die Verfügungsbefugnis für die Kryptowährung zu verschaffen (= Veräußerung) oder nur z.B. für den Todesfall Vorsorge getroffen werden solle.
161
Hierzu bildet das Finanzamt verschiedene „analoge“ Beispiele anhand eines Goldklumpens (im Tresor) und der Verwendung des Zugangsschlüssels bzw. der Zugangsschlüssel bzw. auch eines nur goldfarben lackierten Steins, der als werthaltig angesehen werde (= Wirtschaftsgut).
162
Werde ein Goldklumpen in einen Tresor gelegt und dem Erwerber nur der Schlüssel zur Verschaffung der Verfügungsmacht übergeben, stelle dies ebenso eine Veräußerung dar, wie der direkte Verkauf. Wenn mehrere Personen Inhaber eines Schlüssels seien und diese nur gemeinsam verfügen dürften, seien alle Veräußerer, wenn sie einen Schlüssel als Miteigentümer des Goldklumpens besäßen und Mitgewahrsam hätten. Entsprechendes gelte, wenn die Personen mehrere Schlüssel habe und nur mit diesen gemeinsam verfügen könnten.
163
Habe der Zweite (z.B. der Bankangestellte) den Schlüssel nur aus Sicherheitsgründen, bleibe der Eigentümer der Veräußerer, der seinen Schlüssel weitergebe. Auch insoweit komme es letztlich auf das Innenverhältnis der Schlüsselinhaber an, um zu beurteilen, wem die Veräußerung zuzurechnen sei.
164
Die vom Kläger gesehenen Probleme mit mehreren Schlüsseln ergäben sich nur daraus, dass er nicht unterscheide zwischen der Nachweisbarkeit bzw. dem Auftreten nach außen und dem Innenverhältnis, auf wessen Rechnung die Verfügung erfolge.
165
Wenn der Schlüssel einem anderen anvertraut werde und der unberechtigt verfüge, sei Eigentum bis zu diesem Zeitpunkt gegeben; ebenso wie im Fall des Diebstahls.
166
Nichts Anderes sei die Möglichkeit eines „51%-Angriffs“ oder eines unberechtigten „Redo“. Erst in diesem Augenblick verliere der Berechtigte seine Einflussmöglichkeiten auf die Blockchain. Dennoch habe er sich zuvor mit dem Erwerb eines Bitcoin etc. die Möglichkeit verschafft, auf die Blockchain einzuwirken, z.B. auf einer Tradingplattform einen Verkaufsauftrag zu geben und eine Weiterschreibung der Blockchain anzustoßen.
167
Der Erwerber eines Tokens zahle somit nicht für eine „Luftbuchung“, sondern für den Erhalt von Daten, die die tatsächliche Möglichkeit vermittelten, auf die Blockchain, die dem jeweiligen Token zugrunde liege, einzuwirken bzw. allgemeiner für die Möglichkeit diesen Token behalten oder weiterveräußern zu können.
168
Dies sei der wesentliche gemeinsame Inhalt von virtuellen Währungen. Daneben könne der Erwerber je nach Art des Tokens ggf. weitere Rechte erwerben, was aber an dieser grundsätzlichen steuerlichen Einordnung nichts ändere.
169
Seine Rechtsauffassung zur Eigenschaft als Wirtschaftsgut sowie deren Zurechnung und zum Vorliegen eines Vollzugsdefizits habe das Finanzamt im Rahmen des Einspruchsverfahrens begründet; auch der BFH sehe kein Vollzugsdefizit im Jahr 2017 (BFH-Urteil vom 13.02.2023 IX R 3/22). Auch habe man entsprechend der Vorgaben im vorangegangen AdV-Beschluss des Finanzgerichts Nürnberg die versäumten Ermittlungen bezüglich Umfang und Art der getätigten Trades nachgeholt; ursprünglich habe man die Angabe zum Gewinn des Klägers einfach übernommen.
170
Im Übrigen schließe man sich auch den überzeugenden grundsätzlichen Rechtsausführungen im Urteil des FG Köln vom 25.11.2021 (14 K 1178/20) und dem nachfolgenden Urteil des BFH (vom 13.02.2023 IX R 3/22) an. Inwieweit in diesen Verfahren Fehler bezüglich der Datengrundlage vorgelegen hätten, sei daher unerheblich.
171
Eine Regelungslücke sehe der BFH offensichtlich ebenso wenig wie die Bundesregierung, sondern gehe davon aus, dass die Steuerbarkeit des Handels mit virtuellen Währungen/Token bereits geregelt sei. Wären sie nicht erfasst, läge daher allenfalls eine verdeckte Regelungslücke vor, eine teleologische Auslegung des BFH zur Vermeidung bzw. Schließung dieser Lücke wäre somit gerechtfertigt. Inwieweit, insbesondere zivilrechtlich, weitere gesetzliche Regelungen wünschenswert wären, sei nicht entscheidungserheblich, wenn sich aus der Subsumtion unter die bestehenden Regeln de lege lata bereits die Steuerbarkeit ergebe.
172
Aus den Akten ergibt sich noch, dass der Klägervertreter gerügt hat (Schriftsatz vom 22.08.2022), dass die zunächst auf seinen Wunsch beim Finanzamt D eingesehenen Akten nicht vollständig seien. Das Finanzamt hat dazu mitgeteilt, dass tatsächlich Aktenbestandteile (interne Vermerke, Korrespondenz mit dem Landesamt, Verfügungen „Nur für den Dienstgebrauch“) bei der Übermittlung zur Akteneinsicht beim Finanzamt D aufgrund „eines Missverständnisses“ entfernt wurden. Diese Aktenbestandteile wurden bei der Übermittlung der Akten an das Finanzgericht Nürnberg mit Schreiben vom 09.12.2022 extra geheftet und „zwischennummeriert“ mit vorgelegt und dem Kläger nach Einscannen elektronisch übermittelt.
173
Auf Rückfrage des Finanzgerichts teilte das Finanzamt mit Schriftsatz vom 27.01.2023 mit, dass die Akten vollständig seien; noch geänderte Entwürfe würden nicht zu den Akten genommen, sondern nur die zu den dann tatsächlich ergangenen Schreiben.
174
Im Rahmen der weiteren Klagebegründung vom 31.01.2023 wies der Klägervertreter erneut darauf hin, dass es Indizien gäbe, dass die Akten nicht vollständig seien. Mit Schriftsatz vom 09.03.2023 legte das Finanzamt daraufhin die Anhänge (Schriftsatz des Landesamts für Finanzen vom 19.04.2021 mit Exceltabellen zur vom Klägervertreter angesprochenen E-Mail vom 19.04.2021) vor mit dem Bemerken, dass die Anhänge nicht ausgedruckt und zur Akte genommen worden seien; dies werde jetzt nachgeholt. Die vom Finanzamt insoweit übermittelten Unterlagen wurden dem Klägervertreter mit Schreiben des Gerichts vom 10.03.2023 elektronisch übermittelt.
175
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen, die vorgelegten Akten (Einkommensteuerakte 2017, Rechtsbehelfsakte mit Ergänzungen) und die Sitzungsniederschrift vom 22.01.2025 verwiesen.
Entscheidungsgründe
176
Die Klage hat keinen Erfolg, denn das Finanzamt hat im Streitfall die sonstigen Einkünfte aus Geschäften mit Kryptowerten zutreffend dem Grunde und der Höhe nach festgesetzt.
177
Die Sache ist entscheidungsreif. Das Verfahren war nicht wegen verfassungswidriger Besteuerung von Geschäften mit Kryptowährungen mangels eines formellen und materiellen Gesetzes (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20. Art. 3 GG), wegen Verletzung des Leistungsfähigkeitsprinzips (Art. 3 Abs. 1 GG) oder wegen des Vorliegens eines strukturellen Vollzugsdefizits (Art. 3 Abs. 1 GG) auszusetzen.
178
1. Ungeachtet der Tatsache, dass der Kläger die Zulassung der Revision beantragt hat, der Senat diesem Antrag gefolgt ist und die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nur hilfsweise beantragt war, ist die Verfassungswidrigkeit von entscheidungserheblichen Gesetzen von Amts wegen zu beachten.
179
Gemäß Art. 100 Abs. 1 GG i. V. m. § 80 BVerfGG hat ein Gericht, welches ein Gesetz für verfassungswidrig hält, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, das Verfahren auszusetzen und unmittelbar die Entscheidung des BVerfG einzuholen. Nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG und des BFH besteht diese Vorlagepflicht jedoch nur dann, wenn das Gericht von der Verfassungswidrigkeit einer entscheidungserheblichen Gesetzesvorschrift überzeugt ist; bloße Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit einer Vorschrift vermögen das Gericht dagegen nicht von der Pflicht zur Anwendung des Gesetzes zu entbinden (vgl. z. B. BVerfG-Urteil vom 20.03.1952 1 BvL 12, 15, 16, 24, 28/51, BVerfGE 1, 184; BVerfG-Beschluss vom 06.04.1989 2 BvL 8/87, BVerGE 80, 59; BFH-Urteil vom 22.07.1997 VI R 121/90, BStBl II 1997, 692). Bezogen auf den Streitfall begegnet die Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften mit Kryptowährungen bzw. besser wohl „Kryptowerten“ (da der Begriff Kryptowährungen suggeriert, dass es sich um „Währungen“ handelt, um die es sich aber mangels staatlicher Anerkennung tatsächlich nicht handelt) nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG jedoch ebenso wenig verfassungsrechtlichen Bedenken wie die Besteuerung von bezogenen Kryptowerten als Einkünfte aus sonstigen Leistungen nach § 22 Nr. 3 EStG.
180
2. So sind entsprechend der maßgeblichen einkommensteuerrechtlichen und damit wirtschaftlichen Betrachtungsweise auch die elektronischen Daten in Form einer Dokumentation einer fortgesetzten Signaturkette in einem DLT (Distributed-Ledger Technologie) – System (bei Kryptowerten bislang die Blockchain), dann als Wirtschaftsgut einzuordnen, wenn die Rechtspraxis Wege gefunden hat, den kommerzialisierbaren Teil der Rechtsposition entgeltlich einem Dritten zu überlassen und wirtschaftlich zu verwerten (vgl. BFH-Urteil vom 14.02.2023 IX R 3/22, BStBl II 2023 m. w. N.). Insofern liegt kein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot vor, da der Wirtschaftsgutbegriff des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sich zutreffend auch auf neuartige Sachverhalte wie Kryptowerte anwenden lässt (so zutreffend auch Urteil des FG Köln vom 25.11.2021 14 K 1178/20, EFG 2022, 677, nachgehend BFH-Urteil vom 14.02.2023 IX R 3/22 a. a. O.) Insoweit ist anhand der gesetzlichen Regelung hinreichend bestimmt und für den betroffenen Steuerpflichtigen hinreichend klar, was der Besteuerung zu unterwerfen ist.
181
Entsprechendes gilt für die Besteuerung von für Leistungen bezogenen Kryptowerten nach § 22 Nr. 3 EStG. Eine (sonstige) Leistung i. S. dieser Vorschrift ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und eine Gegenleistung auslöst (z.B. BFH-Urteil vom 14.04.2015 IX R 35/13, BStB II 2015, 795 m.w.N.). Dabei kann das „Leistungsentgelt“ in Geld oder Sachwerten bestehen (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 43. Aufl. 2024, § 22 Rn. 142); entscheidend ist, ob die Gegenleistung durch das Verhalten der Steuerpflichtigen veranlasst ist. Durch das Anknüpfen an die wirtschaftliche Veranlassung als Korrektiv ist der Tatbestand hinreichend bestimmt, ohne dadurch eine Art Generaltatbestand zu eröffnen (vgl. BFH-Urteil vom 25.02.2009 IX R 33/07, BFH/NV 2009, 1529). Insofern ist auch im Hinblick auf die Besteuerung eines Bezugs von Sachwerten in Form von Kryptowerten für eine sonstige Leistung gesetzlich hinreichend bestimmt und für den Betroffenen klar, was der Besteuerung zu unterwerfen ist (so auch BFH-Urteil vom 17.07.2007 IX R 1/06, BFH/NV 2007, 2263).
182
3. Der Senat ist auch nicht davon überzeugt, dass die Besteuerung von Geschäften mit Kryptowerten nach 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG bzw. gegen Kryptowerte nach § 22 Nr. 3 EStG wegen Verstoßes gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip „bei fehlender Realisation (z.B. in gesetzliche Währung“) verfassungswidrig ist. In beiden Fällen erfährt der Steuerpflichtige bei Erfüllung der gesetzlichen Tatbestandsmerkmale eine objektiv feststellbare Vermögensmehrung und damit objektive Bereicherung. Im Streitfall hat der Kläger eine Steigerung der Leistungsfähigkeit erfahren, da er die Verfügungsbefugnis über grundsätzlich handelbare und verwertbare Sachwerte in Form von Kryptowerten erhielt. Maßgeblich für die Besteuerung ist dabei das Kalenderjahr der Verwirklichung des Steuertatbestands, somit im Fall des § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG die Veräußerung (auch durch Tausch, vgl. Schmidt/Levedag, EStG, 43. Aufl. 2024, § 23 Rn. 49 m.w.N.) und bei im Falle des § 22 Nr. 3 EStG der Zufluss (§ 11 Abs. 1 EStG) der Einnahmen, die auch in Geldeswert bestehen können (vgl. BFH-Urteil vom 23.04.2021 IX R 20/19, BStBl II 2021, 687). Aus Sicht des Senats fehlt es für einen abweichenden Besteuerungszeitpunkt bei Kryptowerten (Realisation durch Verkauf gegen gesetzliche Währung) gegenüber anderen als Gegenleistung bezogenen Sachwerten oder gesetzlichen Währungen sowohl an einer gesetzlichen Regelung als auch an einer verfassungsrechtlichen Grundlage.
183
4. Der Senat teilt auch nicht die Auffassung der Klägerseite, dass die Besteuerung von Geschäften mit Kryptowerten wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits verfassungswidrig ist.
184
Eine gesetzliche Besteuerungsgrundlage (im Streitfall § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und § 22 Nr. 3 EStG) ist nur dann verfassungswidrig, wenn die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens in prinzipieller Weise verfehlt wird. Eine Gleichheitswidrigkeit folgt dabei nicht schon ohne Weiteres aus der (vorgeblichen) empirischen Ineffizienz von Rechtsnormen, sondern nur aus einem normativen Defizit des widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten Rechts. Verfassungsrechtlich verboten ist mithin der Widerspruch zwischen dem normativen Befehl der materiell pflichtbegründenden Steuernorm und einer nicht auf Durchsetzung angelegten Erhebungsregel (BFH-Urteil vom 14.02.2023 I R 3/22, BStBl II 2023, 571 mit Hinweis auf Urteil des BVerfG vom 09.03.2004 2 BvL 17/02, BStBl II 2005, 56).
185
Daher genügt nicht schon jeder tatsächlich feststellbare Vollzugsmangel, um eine Abweichung von der erforderlichen Ausrichtung zu belegen. Nur wenn das Umsetzungsdefizit bereits in der Regelung selbst angelegt ist oder, wenn gehäufte oder gar systematische Verstöße nicht konsequent geahndet und unterbunden werden, prägt dies die tatsächliche Handhabung der Regelung und lässt auf Defizite der normativen Sicherung schließen (vgl. BFH-Urteil vom 14.02.2023 I R 3/22, a.a.O. mit Hinweisen auf BVerfG-Urteil 2 BvL 17/02, BStBl II 2005, 56; BFH-Urteil vom 07.09.2021 IX R 5/19, BFH/NV 2022, 131).
186
Insoweit fehlt es nach Überzeugung des Senats in Bezug auf die hier anzuwendenden Regelungen schon an widersprüchlich auf Ineffektivität angelegten gesetzlichen Regelungen (vgl. zu § 22 Nr. 3 EStG BFH-Urteil vom 17.07.20207 IX R 1/06, BFH/NV 2007, 2263; zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG BFH-Urteil vom 14.02.2023 I R 3/22, a.a.O.). Trotz möglicher, durch die Anonymisierung des Handels bei Kryptowerten oder die Verlagerung von Geschäften auf Handelsplattformen im europäischen oder außereuropäischen Ausland zurückzuführende Vollzugsschwierigkeiten bei der Besteuerung von Veräußerungsgeschäften mit Kryptowerten liegt nach Überzeugung des Senats auch keine der materiellen Regelung strukturell gegenläufige Erhebungsregelung vor. Der Finanzverwaltung stehen – über die ohnehin bestehende Erklärungspflicht des Steuerpflichtigen hinaus – weitere Kontrollmöglichkeiten zur Verfügung. So ist das Verbot der Kontrollmitteilungen nach § 30a Abs. 3 AO a. F. entfallen und es besteht die Möglichkeit, Sammelauskunftsersuchen (§ 93 Abs. 1a AO) an Betreiber von Handelsplattformen für Kryptowerte zu richten, um die für die Besteuerung maßgeblichen Sachverhalte aufzuklären. Zu Recht weist auch das Finanzgericht Köln (Urteil vom 25.11.2021 14 K 1178/20, EFG 2022, 677) darauf hin, dass bei Geschäften mit Kryptowerten die Besonderheit hinzu kommt, dass die Daten auf verschiedenen Rechnern gespeichert werden und die Technologie hinter der Blockbildung es in der Regel unwahrscheinlich macht, eine Transaktion im Nachgang zu ändern. Es ist durchaus denkbar, dass die Finanzverwaltung die sich hieraus ergebenden Möglichkeiten früher oder später zunutze macht, indem sie retrospektiv versucht, die Blockchain auszulesen und die hinter den Transaktionen stehenden Personen zu identifizieren. Zu Recht weist auch der BFH (BFH-Urteil vom 14.02.2023 I R 3/22, a.a.O.) auf die internationalen Bemühungen hin, einen Rahmen für den Austausch steuerlich relevanter Daten zu Kryptowährungen zu schaffen, um internationale Vollzugserschwernisse zu verhindern. Im Übrigen ist nach Überzeugung des Senats Gesetzgebung und Verwaltung bei (technischen) Neuerungen ein zeitlicher Spielraum zuzubilligen, um gegebenenfalls angemessen auf gravierende Missstände zu reagieren (so auch Urteil des FG Baden-Württemberg vom 11.06.2021 5 K 1996/19, BB 2021, 2977). Dieser Zeitraum war im Streitjahr 2017 in Bezug auf die Besteuerung von Geschäften mit Kryptowerten nach Auffassung des Senats keinesfalls überschritten.
187
Der Senat teilt auch nicht die Auffassung des Klägers, dass alleine das Fehlen von Aufzeichnungspflichten ein Vollzugsdefizit bedingt. So existieren solche Aufzeichnungspflichten z.B. auch nicht im Bereich der Einkunftsart der Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG). Dennoch ist der Steuerpflichtige auch bei solchen Einkunftsarten gehalten, den allgemeinen Mitwirkungspflichten (§ 90 Abs. 1 AO) nachzukommen, die sich intensivieren, wenn es sich um Sachverhalte aus seiner Sphäre handelt (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 90 AO, Rz 12 m. w. N.).
188
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid für 2017 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger daher nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO). Das beklagte Finanzamt hat die erklärten Erträge aus dem Verkauf bzw. dem Tausch von Kryptowerten zutreffend nach § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und die als „Income“ vom Kläger bezeichneten und bezogenen Kryptowerte nach § 22 Nr. 3 EStG der Einkommensbesteuerung unterworfen.
189
1. Die geänderten Einkommensteuerbescheide 2017 vom 11.07.2022 und 26.09.2022 sind nach § 68 FGO jeweils Gegenstand des Klageverfahrens geworden; streitgegenständlich ist daher der zuletzt ergangene Änderungsbescheid vom 26.09.2022.
190
a) Hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens ist der Senat überzeugt, dass die Änderungsbescheide vom 19.08.2019 und 03.09.2019 nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a AO zu Recht auch insoweit ergingen, als die Einkünfte aus Spekulationsgeschäften steuererhöhend angesetzt wurden. Diesbezüglich folgte das Finanzamt dem Antrag des Steuerpflichtigen, da er die Anlage SO mit Erklärung dieser Einkünfte schriftlich nachreichte. Mit Zustimmung des Steuerpflichtigen ist auch eine Änderung zu dessen Lasten möglich. Damit ist kein Rechtsbehelfsverzicht verbunden (vgl. Tipke/Kruse, AO/FGO, Loose zu § 172 AO Tz. 28 m. w. N.). Die Anfechtung des Bescheides vom 03.09.2019 erfolgte zu Recht, da bei Änderung oder Ersetzung des Verwaltungsakts der neue Verwaltungsakt den geänderten Verwaltungsakt in seinen Regelungsinhalt mit aufnimmt. Solange der neue Verwaltungsakt wirksam ist, wird der ursprüngliche Verwaltungsakt in seiner Wirksamkeit suspendiert. Der ursprüngliche (geänderte) Verwaltungsakt kann keine Rechte des Steuerpflichtigen mehr verletzen. Einem Rechtsbehelfsverfahren gegen den ursprünglichen Bescheid ist die Grundlage entzogen, solange der Änderungsbescheid Bestand hat.
191
b) Im Streitfall war das Finanzamt berechtigt, die festgesetzte Steuer mit Einspruchsentscheidung vom 14.06.2022 verfahrensrechtlich zu erhöhen.
192
Die Finanzbehörde, die über den Einspruch zu entscheiden hat, hat nach § 367 Abs. 2 Satz 1 AO die Sache in vollem Umfang zu überprüfen. Nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO kann ein mit dem Einspruch angefochtener Verwaltungsakt auch zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. Die Mitteilung der Gründe für eine mögliche Verböserung wird den Erfordernissen des § 367 Abs. 2 Satz 2 AO nur dann gerecht, wenn diese in Verbindung mit der Steuerfestsetzung für den Einspruchsführer objektiv und nachprüfbar erkennen lassen, in welcher Beziehung und in welchem Umfang die Finanzbehörde ihre der Steuerfestsetzung zugrunde liegende Auffassung geändert hat (BFH-Urteil vom 15.12.1992 VIII R 27/91, BFH/NV 1993, 599).
193
Im Streitfall hat das Finanzamt mit Schreiben vom 19.04.2022 auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung hingewiesen. Es hat seine Gründe hierfür dargelegt und die zu erwartende steuerliche Auswirkung beziffert. Auf die Möglichkeit, die verbösernde Entscheidung durch Rücknahme des Einspruchs zu vermeiden, wurde ebenfalls hingewiesen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
194
Die Klägerseite drängte darauf, die Einspruchsentscheidung zu erlassen. Damit war die vom Finanzamt vorgenommene Verböserung verfahrensrechtlich zulässig.
195
2. Das Finanzamt hat zu Recht die als sonstige Einkünfte erklärten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften der Besteuerung zu Grunde gelegt, da die gehandelten Kryptowerte steuerlich als Wirtschaftsgüter einzuordnen und vom Kläger die entsprechenden Wirtschaftsgüter innerhalb der Frist von einem Jahr angeschafft und veräußert worden sind.
196
a) Nach § 22 Nr. 2 EStG sind sonstige Einkünfte solche aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG. Nach § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG sind private Veräußerungsgeschäfte bei anderen als den in Nr. 1 der Vorschrift genannten Wirtschaftsgütern Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Zweck des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist es, innerhalb der Haltefrist von einem Jahr realisierte Werterhöhungen eines „anderen Wirtschaftsguts“ im Privatvermögen der Einkommensteuer zu unterwerfen. Die in der maßgeblichen Vorschrift verwendeten Begriffe „Anschaffung“ und „Veräußerung“ erschließen sich aus den Bestimmungen des § 6 EStG, des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs und der §§ 135, 136 BGB. Unter Anschaffung bzw. Veräußerung i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG ist danach der entgeltliche Erwerb und die entgeltliche Übertragung eines anderen Wirtschaftsguts auf eine andere Person zu verstehen (BFH-Urteile vom 14.02.2023 IX R 3/22, a.a.O.; BFH-Urteil vom 03.09.2019 IX R 12/18, BStBl II 2020, 94 jeweils m.w.N.). Dabei sind Tauschvorgänge den Anschaffungs- und Veräußerungsvorgängen gleichgestellt (BFH-Urteile vom 14.02.2023 IX R 3/22, a.a.O. m.w.N.; vom 23.04.2021 IX R 20/19 BStBl II 2021, 687).
197
Die Regelung in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG betrifft alle Wirtschaftsgüter im Privatvermögen, d.h. Sachen und Rechte im Sinne des Bürgerlichen Gesetzesbuchs (BGB), tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und vermögenswerte Vorteile jedweder Art (BFH-Urteile vom 14.02.2023 IX R 3/22, a.a.O.; vom 29.10.2019 IX R 10/18, BStBl II 2020, 258, m.w.N.). Hierbei sind ausgenommen die Veräußerungen von Gegenständen des täglichen Gebrauchs (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 2 EStG).
198
Die Einkünfteerzielungsabsicht bedarf keiner näheren Prüfung; sie wird bei einer Veräußerung innerhalb der gesetzlichen Frist vermutet. Art und Motive der Veräußerung sowie eine Spekulationsabsicht sind irrelevant (vgl. Schmidt/Levedag, EStG, 43. Aufl. 2024, § 23 Rn. 2 m. w. N. auf die BFH-Rechtsprechung).
199
Der Begriff des (anderen) „Wirtschaftsguts“ i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG entspricht – wie auch bei den übrigen Einkunftsarten – dem handelsrechtlichen Begriff des Vermögensgegenstands; er ist weit zu fassen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 02.03.1970 GrS 1/69, BStBl II 1970, 382; Beschluss des Großen Senats des BFH vom 26.10.1987 GrS 2/86, BStBl II 1988, 348; BFH-Urteile vom 30.11.2010 VIII R 58/07, BStBl 2011, 491; vom 26.04.2018 III R 5/16, BStBl II 2018, 536; vom 14.02.2023 IX 3/22, a.a.O. m.w.N.). Der Begriff des Wirtschaftsguts ist dabei auf der Grundlage einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise auszulegen (z.B. BFH-Urteile vom 14.02.2023 IX 3/22, a. a. O.; vom 29.11.2012 IV R 47/09, BStBl II 2013, 324, und vom 14.03.2006 I R 109/04, BFH/NV 2006, 1812). Der Begriff des „Wirtschaftsguts“ in § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG umfasst daher nicht nur Gegenstände im Sinne des bürgerlichen Rechts wie Sachen und Rechte, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt, die nach der Verkehrsanschauung einer besonderen Bewertung zugänglich sind, in der Regel einen Nutzen für mehrere Wirtschaftsjahre erbringen und zumindest mit dem Betrieb übertragen werden können (Beschluss des Großen Senats GrS 1/69, BStBl II 1970, 382; vom 26.11.2014 X R 20/12, BStBl II 2015, 325). Entsprechend dieser weit gefassten Definition wurden von der höchstrichterlichen Rechtsprechung z.B. bereits Gebrauchsvorteile (BFH-Urteil vom 25.05.1984 III R 103/84, BStBl II 1984, 617) eine ungeschützte Rezeptur (BFH-Urteil vom 08.09.2011 IV R 5/9, BStBl II 2012, 122), der kommerzialisierbare Teil des Namensrechts (BFH-Urteil vom 12.06.2019 X R 20/17, BStBl II 2020, 3), Wärmeenergie (12.03.2020 IV R 9/17, BStBl II 2021, 226), Verkaufsoptionen (BFH-Urteil vom 26.11.2014 X R 20/12, BStBl II 2015, 325) und eine Internetdomain (BFH-Urteil vom 19.10.2006 III R 6/05, BStBl II 2007, 301) als Wirtschaftsgüter qualifiziert.
200
Das Merkmal der selbständigen Bewertbarkeit ist dahin zu konkretisieren, dass ein Erwerber des gesamten Betriebs in dem „Vorteil“ einen greifbaren Wert sehen würde, für den er im Rahmen des Gesamtpreises ein ins Gewicht fallendes besonderes Entgelt ansetzen würde; das bedeutet, dass zum jeweiligen Stichtag ein wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil vorliegen muss, der als realisierbarer Vermögenswert angesehen werden kann (BFH-Urteile vom 14.02.2023 IX R 3/22, a.a.O.; vom 26.11.2014 X R 20/12, BStBl II 2015, 325, jeweils m.w.N.).
201
Aufgrund dieses Begriffsverständnis kann auch eine zivilrechtlich nicht oder nur beschränkt übertragbare (Rechts-)Position im Einzelfall steuerrechtlich als eigenständiges Wirtschaftsgut angesehen werden, wenn die Rechtspraxis Wege gefunden hat, den kommerzialisierbaren Teil der Rechtsposition entgeltlich einem Dritten zu überlassen und dadurch wirtschaftlich zu verwerten (BFH-Urteile vom 14.02.2023 IX R 3/22, a.a.O.; vom 12.06.2019 X R 20/17, BStBl II 2020, 3; vgl. auch BFH-Urteil vom 16.12.2009 I. R 97/08, BStBl II 2010, 808). Der „Vorteil“ für den Betrieb, welcher im Sinne der Begriffsdefinition des „Wirtschaftsguts“ erforderlich ist, wird in diesem Zusammenhang nicht durch die Rechtsposition selbst (oder dem ihr innewohnenden „Nutzen“) definiert, sondern bestimmt sich vielmehr durch den Geschäftsverkehr bzw. die konkrete Marktsituation, die dieser Position eine vermögensmäßige Relevanz – im Sinne einer Chance oder Möglichkeit – beimisst, deren Erlangung der Kaufmann sich etwas kosten lässt und die einer selbständigen Bewertung zugänglich sind (BFH-Urteil vom 26.11.2014 X R 20/12, BStBl II 2015, 325).
202
Daher können zu den Wirtschaftsgütern grundsätzlich auch solche objektiv werthaltigen Positionen gerechnet werden, bei deren Übertragung es auf dinglicher Ebene an einem Rechtsgeschäft fehlen könnte (vgl. BFH-Urteil vom 14.02.2023 IX R 3/22, a.a.O. m.w.N.), sofern ihnen im Geschäftsverkehr ein selbständiger Wert beigelegt wird und sie – allein oder mit dem Betrieb – verkehrsfähig sind. Für die Verkehrsfähigkeit eines Wirtschaftsguts ist dabei dessen abstrakte Veräußerbarkeit maßgebend. Eine Veräußerbarkeit im Rechtssinne ist nicht erforderlich; es genügt, dass der Rechtsverkehr die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Übertragung entwickelt hat (vgl. BFH-Urteil vom 19.10.2006 III R 6/05, BStBl II 2007, 301). Insoweit ist maßgeblich auf die Verkehrsanschauung der an diesen Geschäften beteiligten Kreise abzustellen (BFH-Urteil vom 14.02.2023 IX R 3/22, a.a.O.).
203
Nach § 39 Abs. 1 AO sind Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen. „Eigentümer“ im Sinne dieser Vorschrift ist der zivilrechtliche Eigentümer oder der Inhaber des Wirtschaftsguts. Abweichend hiervon ist einem anderen als dem Eigentümer das Wirtschaftsgut nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO zuzurechnen, wenn dieser die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (wirtschaftlicher Eigentümer). „Eigentümer“ eines Wirtschaftsguts i.S. des § 39 Abs. 1 AO ist der nach Maßgabe des Privatrechts Berechtigte. Die Bestimmung des § 39 Abs. 1 AO ist aus der Sicht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) „unjuristisch“ formuliert und weicht vom engen Eigentumsbegriff des Zivilrechts ab. Eigentum ist nur an Sachen im Sinne des § 90 BGB denkbar; ein Eigentum an Wirtschaftsgütern oder Vermögensgegenständen ist nach den Vorschriften des BGB nicht vorgesehen. Für die Auslegung des § 39 AO folgt daraus, dass die einzelnen Zurechnungstatbestände nicht im Sinne des Privatrechts, sondern in einem sehr viel weiteren Sinne verstanden werden müssen (Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 39 AO Rz. 4, 20). Aufgrund dieses weit auszulegenden Begriffsverständnisses kann auch eine zivilrechtlich nicht oder nur beschränkt übertragbare, wirtschaftlich jedoch werthaltige Position einer natürlichen Person als „Eigentümer“ zugerechnet werden, wenn dieser eine faktische Berechtigung (im Sinne einer „unbeschränkten Herrschaftsmacht“) an der als Wirtschaftsgut zu qualifizierenden Position zukommt (BFH-Urteil vom 14.02.2023 IX R 3/22, a.a.O. m.w.N.). Abzustellen ist insoweit auf die Verfügungsgewalt (vgl. Drüen in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 39 AO Rz. 24c m.w.N.), die mittels eines „privaten Schlüssels“ ausgeübt werden kann.
204
b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist der BFH in seinem Urteil vom 14.02.2023 (IX R 3/22, a.a.O.) zu dem Ergebnis gekommen, dass es sich bei den virtuellen Währungen in Gestalt von Currency Token Bitcoin (BTC), Ether (ETH) und Monero (XMR) um andere Wirtschaftsgüter im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG handelt. Der Senat folgt dieser als zutreffend erachteten Entscheidung auch für den Streitfall und verweist insoweit auf die Begründung der Entscheidung im Einzelnen. Aus Sicht des Senats ist die Wirtschaftsguteigenschaft der Kryptowährungen Bitcoin und Ether (sowie Monero) nicht in Zweifel zu ziehen. Abzustellen ist hierbei auf die maßgebliche wirtschaftliche Betrachtungsweise, nach der auch solche objektiv werthaltigen Positionen zu Wirtschaftsgütern gerechnet werden, bei deren Übertragung es auf dinglicher Ebene an einem Rechtsgeschäft fehlen kann. Maßgeblich für die Wirtschaftsguteigenschaft der Kryptowährungen Bitcon, Ether und Monero ist vielmehr die Tatsache, dass sie (einzeln und in kleinere Untereinheiten teilbar) übertragbar und tauschbar sind, ihnen im Geschäftsverkehr ein selbständiger Wert beigelegt wird, sie auf speziellen Handelsplattformen bzw. Börsen gehandelt werden und über jederzeit abrufbare zeitaktuelle Kurse verfügen. Die für den jeweiligen Token und die jeweilige Transaktion ermittelbaren „(Kurs-)Werte“ belegen nach Auffassung des BFH (BFH-Urteil vom 14.02.2023 IX R 3/22, a.a.O.) dessen Realisierbarkeit. Der Senat folgt dieser Rechtsprechung.
205
c) Unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze und insbesondere des BFH-Urteils vom 14.02.2023 (IX R 3/22, a.a.O.) ist der Senat weiter der Auffassung, dass auch den streitgegenständlich weiter (mit Gewinn) gehandelten Kryptowerten (Binance Coin = BNB, Tether = USDT, MobileGo = MGO, Monaco = MCO, Stratis = STRAT, Waves = WAVES) sowie den (lediglich) als Gegenleistung bei der Veräußerung mit Gewinn im Tauschwege hingegebenen Kryptowerten (Astronaut Token = ASTRO; Bancor = BNT; Gas = GAS; Xtrabytes = XBY) die Wirtschaftsguteigenschaft zukommt. Zwar ist die BFH-Entscheidung nur zu den – hier ebenfalls streitgegenständlichen – Kryptowerten BTC und ETH (sowie XMR) ergangen; es handelt sich aber um eine Grundsatzentscheidung, die auf andere Kryptowerte – so beispielsweise Ripple, Litecoin, Tether, Binance Coin – übertragbar ist. Kryptowerte werden insoweit wie alle Wirtschaftsgüter bemessen, denen ein Wert zukommt und für die ein Markt besteht. Insoweit gilt nichts anderes wie bei der Veräußerung von anderen Wirtschaftsgütern wie z. B. Oldtimern oder Champions-League-Tickets (vgl. Trossen, jurisDieMonatszeitschrift (jM) 2023, 203 m.w.N.). Insoweit ist zu den mit Gewinn gehandelten Kryptowerten des Streitfalles folgendes anzumerken:
206
Die auf CoinMarketCap (2013 gegründete Webseite, die Informationen und Daten wie Preise, Handelsvolumen und Marktkapitalisierung über Kryptowährungen bereitstellt; seit 2020 Eigentümer Binance; Quelle: Wikipedia) gelistetete Kryptowährung wurde im Zuge der Gründung der gleichnamigen Krypto-Börse im Jahr 2017 eingeführt. Sie wurde als Erweiterung des Ethereum-Netzwerks als ERE-20-Token entwickelt (Quelle; https://coinmerce.io/de/lernen/was-ist-binance-coin/). Lt. Coinmarketcap können BNB als Zahlungsmittel, Utility-Token (um Gebühren an der Binance-Börse zu zahlen) oder als Beteiligung an Token-Sales auf dem Binance Launchpad genutzt werden. BNB kann auch für die Unterstützung von Smart Contracts genutzt werden und die Binance DEX (dezentrale Börse) wird auch mit BNB betrieben.
207
Diese allgemeinen Ausführungen decken sich mit den Angaben im „Whitepaper“, in dem zum einen Gründe und Ziele der Gründung der Börse Binance genannt werden und zum anderen die Finanzierung durch ICO (ein Initial Coin Offering (ICO) ist die unregulierte Emission von Utility Token, meist zum Zweck der Unternehmensfinanzierung; Quelle: https//www.btc-echo.de/academy/bibliothek/initial-coin-offering-ico/) mittels des „Binance Coin“ beschrieben wird. Der ICO sollte in BTC und ETH auf diversen Plattformen weltweit erfolgen. Der Binance Coin sollte weiter (neben weiteren coins) als „trading pair“ für die Börsengeschäfte dienen und zur Zahlung von Gebühren der Börse eingesetzt werden können. Im Whitepaper wird ausgeführt, „investors can purchase BNB Tokens“ (also kaufen) und „2017/07/21 ICO finishes, or whenever the coins are sold out“. Hieran wird aus Sicht des Senats deutlich, dass auch hier die Gründer von einem „Verkauf“ ausgehen und damit einen Eigentümerstellung/-wechsel hinsichtlich der Coins als selbstverständlich vorausgesetzt haben.
208
Nach Berechnung des Senats anhand der im Verwaltungsverfahren mit Schriftsatz vom 27.01.2020 als Anlage 1 eingereichten Gewinnermittlung („Total Gain“; bezeichnet nachfolgend als Liste 4) bezieht sich der besteuerte Gewinn mit einem Betrag in Höhe von 17.055,10 € auf veräußerte Kryptowerte an BNB; diese wurden im Wesentlichen gegen Bitcoin, Tether und Gas getauscht (entsprechend Auswertung der im Verwaltungsverfahren mit Schriftsatz vom 14.08.2020 eingereichten Tradingübersicht (bezeichnet nachfolgend als „Liste 3“)).
209
Dieser auf CoinMarketCap gelistete Kryptowert ist ein sog. Stablecoin, d.h. eine Kryptowährung, die an einen stabilen Vermögenswert gekoppelt ist (hier US-Dollar; durch Rücklagen). Eingeführt wurde es 2014; die Entwickler, eine Gruppe von Kryptounternehmern, wollten eine Brücke zwischen den Kryptowährungen und den FIATWährungen schaffen. Ursprünglich auf dem Bitcoin-Netzwerk mit Hilfe des Omniprotokolls eingeführt, war es bereits kurz danach als ERC-20Token auf der Ethereum-Blockchain verfügbar (am verbreitesten, daneben weitere Möglichkeiten). Ein Hauptzweck von Tether besteht darin, als Mittler zwischen den Kryptowährungen zu dienen. Zentrale Anwendungsbereiche sind u.a. der Handel, internationale Zahlungen und Wertspeicher (Quelle: https://bitcoin-2go.de/was-ist-tether/). Im Whitepaper wird betont, dass generierte Tether frei handelbar sind: „The User can transfer, exchange, and store tethers via a p2p open-source, pseudo-anonymous, Bitcoinbased platform.“ „Once a tether enters circulation it can be traded freely between any business or individual. For example, user can purchase tethers from Bitfinex, with more exchanges to follow soon“. Auch hier findet sich wieder der Ausdruck purchase (kaufen), was deutlich macht, dass die Gründer einen Eigentümerwechsel hinsichtlich des Tethers als selbstverständlich vorausgesetzt haben. Ebenso „Users can purchase tethers from Tether.to (our web.wallet) or from supportet exchanges… .” Nach Berechnung des Senats anhand der Liste 4 bezieht sich der besteuerte Gewinn mit einem Betrag in Höhe von 9,76 € auf veräußerte Kryptowerte an USDT; diese wurden gegen Bitcoin und im Wesentlichen gegen BNB getauscht (entsprechend Auswertung Liste 3).
210
Der auf CoinMarketCap gelistete Kryptowert geht auf das MobilGo Projekt zurück, das 2017 mit dem Ziel ins Leben gerufen wurde, um den weltweiten eSports-Bereich im Wert von mehreren Milliarden Dollas aufzurütteln und die Kraft der Blockchain-Technologie zu nutzen. Das Hauptziel der Plattform ist es, ein dezentrales Peer-to-Peer-Netzwerk für Online-Matchplay und -Turniere anzubieten, das sich an Gaming-Fans und wettbewerbsorientierte e-Sport-Teilnehmer auf der ganzen Welt richtete. MGO ist die eigene Kryptowährung der Plattform, die zusätzlich an fast einem Dutzend Börsen für digitale Assets wie Bitfinex, Yobit und Livecoin gehandelt werden kann. In technischer Hinsicht wird das MGO-Token sowohl für die Wave- als auch für die Ethereum-Blockchain ausgestellt (Quellen: https://coinmaketcap.com.de/currencies/crypto-com/, https://www.coinlore.coom/de/coin/mobilego, https//coinjournal.net/de/mobilego/was-ist-mobilego/).
211
Laut Whitepaper zu MGO war der Token (erhältlich ab Mitte Februar 2017) zum Einsatz innerhalb der Plattform bestimmt („MobileGo tokens will be used to gamify the mobile platform“) und sollte den Inhabern insoweit verschiedene Vorteile bieten. Im Rahmen des Whitepapers wird auch hier auf die Kaufmöglichkeit hingewiesen: „can be purchasesd with BTC, ETH, WAVES and GAME“.
212
Nach Berechnung des Senats anhand der Liste 4 bezieht sich der besteuerte Gewinn mit einem Betrag in Höhe von 773,10 € auf veräußerte Kryptowerte an MGO; diese wurden gegen Waves getauscht (entsprechend Auswertung der Liste 3).
213
Der auf CoinmarketCap gelistete Kryptowert ist technisch ein ERC-20-Token, der auf der Ethereum Blockchain basiert. MCO ist die Kryptowährung des Kreditkartenanbieters Monaco und dient als Token für diese Plattform (seit 2018 neu: Crypto.com; Quelle https://peakd.dom/@stcabrio/was-ist-der-monaco-coin-mco). Das Unternehmen wurde in 2016 gegründet und hat laut Whitepaper die Vision, mit Hilfe der Blockchain-Technologie zu demokratisieren, in dem es „schöne, einfache und nützliche Finanzdienstleistungen“ entwirft. Es bietet neben verschiedenen Kreditkarten (in Zusammenarbeit mit VISA) Finanzdienstleistungen an. Laut Whitepaper startete der Token-Verkauf (MCO Token Sale) im Rahmen eines ICO im Mai 2017 (und endete am 18. Juni 2017) und der Token war ab Juli/August 2017 bei Bittrex und Binace gelistet; im Whitepaper wird auch die positive Kursentwicklung erwähnt.
214
Laut Whitepaper bot das Halten von Monaco diverse Vorteile (Kreditkartenbezug, bei Kreditvergabe, Handel/Tausch von Kryptowährungen, Airdrop).
215
Nach Berechnung des Senats anhand der Liste 4 bezieht sich der besteuerte Gewinn mit einem Betrag in Höhe von 700,16 € auf veräußerte Kryptowerte an MCO; diese wurden gegen BTC getauscht (entsprechend Auswertung der Liste 3).
(5) Stratis = STRAT (seit 2020 „STRAX“)
216
Der auf CoinMarketCap gelistete Coin geht auf die in 2016 gegründete Stratis Plattform (Blockchain-as-a-Service) zurück (Quellen: https://kryptoszene.de./kryptowährungen-kaufen/stratis-kaufen-/; https://cryptowolf.de/was-ist-stratis-kryptowaehrung-im-detail/; Ausführungen des Finanzamts im Schriftsatz vom 19.05.2023), die als dezentrale Blockchain-Plattform es Entwicklern ermöglicht, Blockchain-Lösungen mit bekannten Programmiersprachen wie C# und .NET zu erstellen. Der im Rahmen eines ICO’s im Jahr 2016 im Rahmen auf den Markt gebrachte Token (Handel an Börsen mit 0,0076 €) dient u.a. zur Übertragung von Vermögenswerten und zur Zahlung von Transaktionsgebühren. Stratis biete vielfältige Chancen für Technik-Begeisterte, Unternehmen und Organisationen, andererseits auch für jene, „die Rendite erzielen“ wollten; Stratis erreichte im Januar 2018 ein Allzeithoch von 18,93 € für den Token.
217
Das aktuelle Whitepaper zu Stratis enthält umfangreiche Ausführungen zur technischen und inhaltlichen Zielsetzung der Plattform; konkrete Angaben zum Einsatz des Tokens sind nicht entnehmbar.
218
Nach Berechnung des Senats anhand der Liste 4 bezieht sich der besteuerte Gewinn mit einem Betrag in Höhe von 539,05 € auf veräußerte Kryptowerte an STRAT; diese wurden gegen BTC getauscht (entsprechend Auswertung der Liste 3).
219
Der auf CoinMarketCap geleistete Kryptowert geht auf die offene Blockchain-Plattform gleichen Namens zurück (Quellen: https://blockchainwelt.de//waves/; https://weareblox.com/en-eu/waves?utm_medium=search& utm_medium=search& utm_..), die vor allem für ihre Massentauglichkeit und Benutzerfreundlichkeit geschätzt wird. Sie erlaubt es, in wenigen Schritten eigene Token herzustellen, ohne viele Vorkenntnisse mitzubringen. Waves wurde Anfang 2016 entwickelt, um Probleme bei Geschwindigkeit, Skalierbarkeit und Benutzerfreundlichkeit zu beheben und die Distributed-Ledger-Technologie einer breiteren Nutzerbasis zugänglich zu machen.
220
Die Entwicklung wurde durch einen Crowdsale (ICO im April 2016) finanziert, der fast 30.000 Bitcoins einbrachte. Das entsprach einem Gegenwert von etwa 16 Millionen US-Dollar. Damit ist das Startup bis heute das siebtgrößte „Crowdfunded Blockchain-Projekt“. Mit Waves kann jeder seinen eigenen digitalen Token erzeugen und diesen dann problemlos für Fiat-Währungen oder Kryptowährungen handeln. Dabei nimmt die Erstellung des Tokens nur wenige Minuten in Anspruch und ist auch für den Laien leicht umzusetzen.
221
Wer einen benutzerdefinierten Token erstellen möchte, muss zunächst Waves-Token kaufen. Der Waves-Token ist als Ökosystem konzipiert, das darauf abzielt, Transaktionen zu erleichtern und die Verwendung der Waves-Blockchain zu fördern. Der Waves-Token dient als native Kryptowährung des Waves-Ökosystems und wird als Zahlungsmittel für Transaktionen auf der Blockchain und als Sicherheit für die Ausgabe von Zollmarken verwendet. Inhaber von Waves-Token können an der Transaktionsvalidierung auf der Blockchain teilnehmen. Im Gegenzug werden sie mit Waves-Token als Anreiz belohnt, um die Sicherheit und Integrität des Netzwerks aufrechtzuerhalten. Die Waves-Kryptowährung spielt eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung und dem Betrieb des Waves-Netzwerks (Quelle: https://www.kraken.com/de/learn/what-is-waves). Waves wird verwendet, um benutzerdefinierte Token zu erstellen und Transaktionsgebühren zu bezahlen. Außerdem ist das Angebot an Waves-Token begrenzt – es wird immer nur 100 Millionen Waves geben. Die Eigentümerschaft an der Waves-Kryptowährung bestimmt, wer neue Blöcke zur Waves-Blockchain hinzufügen darf und wer einen Anteil an den Gebühren für Transaktionen erhält.
222
Die Kryptowährung Waves gilt in Bezug auf Sicherheit als besonders sicher (Quelle: https://Coincierge.de.kryptowährungen-kaufen/waves-kaufen/).
223
Die (wesentlich umfangreicheren) Ausführungen zur Zielsetzung, Anwendungsfällen und technischer Ausgestaltung der Darstellung von der Plattform Waves entsprechen der Darstellung im Whitepaper. Nähere Angaben zum nativen Coin sind dort nicht ersichtlich.
224
Nach Berechnung des Senats anhand der Liste 4 bezieht sich der besteuerte Gewinn mit einem Betrag in Höhe von 49.459,57 € auf veräußerte Kryptowerte an Waves; diese wurden gegen BTC getauscht (entsprechend Auswertung der Liste 3).
225
Zu den als Gegenleistung bei Tauschgeschäften (mit steuererhöhender Gewinnauswirkung) erworbenen Kryptowerten (die im Streitjahr nicht veräußert wurden) ist näher auszuführen:
(7) Astronaut Token (inzwischen Astro) = ASTRO
226
Dieser Token wurde entsprechend der Auswertung der Listen 3 und 4 im Dezember 2017 als Gegenleistung im Tauschwege für die Veräußerung von ETH erworben; die Veräußerung der ETH-Kryptowerte wurde als privater Spekulationsgewinn insoweit steuererhöhend berücksichtigt.
227
Der Token ist ein (geschlossener) ERC-20-Token (Quelle: https://astronaut.capital; Whitepaper Astronaut; https://pitchbook.com/profilies/investor/436005-82#overview) basierend auf der Ethereum Blockchain, der entwickelt wurde, um die Bedürfnisse der Crypto-Community zu erfüllen. Die dahinterstehende Capital-Venture-Gesellschaft investiert in den Kryptowährungsmarkt. Der Token konzentriert sich auf die Beteiligung an einem diversifizierten Portfolio, das ICO’s, Kryptowährungen und Altcoins umfasst. Es sollten für Halter, die den „Zugriff“ in MyEtherWallet halten, (oder auch HardWallet) „Dividenden“ ausgeschüttet werden. Der Token wurde im Rahmen des ICOs ab September 2017 auf den freien Markt gebracht.
228
Dieser Kryptowert wurde entsprechend der Auswertung der Listen 3 und 4 im Juni 2017 als Gegenleistung im Tauschwege für die Veräußerung von ETH erworben; die Veräußerung der ETH-Kryptowerte wurde als privater Spekulationsgewinn insoweit steuererhöhend berücksichtigt (z B. 23.06.2017).
229
Der auf CoinMarketCap gelistete Token ist der native Token der Plattform Bancor (Quelle: https://blockchainwelt.de/bancor/#bnt-technik/); es handelt sich um einen ER-20-Token basierend auf der Ethereum Blockchain. Der Token wurde im Rahmen eines ICO ab Juni 2017 auf den Markt gebracht. Als Liquiditätsprotokoll in der Welt von Decentralized Finance (DeFI) ist Bancor die Vorreiterplattform, um Kryptowährungen untereinander auf verschiedenen Blockchains sicher zu konvertieren. Bancor wurde in der Schweiz entwickelt und gibt Benutzern außerdem die Möglichkeit, ihre eigenen Kryptowährung einfacher zu lancieren. Auf der Bancor-Plattform wird das native Bancor Network Token (BNT) verwendet. Nach dem fulminanten Start im Jahr 2017 ist die Kryptowährung für Anleger nach wie vor attraktiv (Quelle https://www.swissquote.com/de-ch/private/trade/products/cryptocu…). Zum Wert des Token (Quelle: https://kraken.com/de/learn/what-is-bancor-bnt): Die BNT-Kryptowährung ist essenziell für das Trading zwischen Pools auf Bancor. Wie andere Kryptowährungen ist auch der BNT-Token von Bancor auf ein bestimmtes Angebot begrenzt. Es wird maximal 69 Millionen Token geben. Laut dem Datenanbieter Nomics zirkulieren etwa 65 Millionen Token frei auf den Märkten. Der wichtigste Vorteil von BNT ist vielleicht, dass Werte zwischen Coins auf verschiedenen Blockchains transferiert werden können. Da Bancor sowohl auf Ethereum als auch auf EOS basiert, kann BNT aus Pools abgezogen werden, die sich aus Coins beider Chains zusammensetzen. Der Wert von BNT könnte auch dadurch steigen, dass damit die Nutzung der Bancor-Plattform verfolgt wird.
230
Dieser Kryptowert wurde entsprechend der Auswertung der Listen 3 und 4 im Saldo zwar nur mit (von Finanzamt anerkannten) Verlusten (vgl. Tradingtage 21.06.2017, 22.07.2017) bei dem als Spekulationsgewinn besteuerten Betrag steuermindernd berücksichtigt. Der Kryptowert wurde jedoch auch mehrfach als Gegenleistung im Tauschwege für die Veräußerung von Bitcoin erworben; die Veräußerung der Bitcoin wurde dabei – zumindest teilweise – als privater Spekulationsgewinn insoweit steuererhöhend berücksichtigt (z. B. am 27.06.2017).
231
Der auf CoinmarketCap gelistete Kryptowert Neo ist eine der nativen Kryptowährungen (GAS ist die zweite) des NEO-Netzwerks (Quellen: https://www.ig.com/de/trading-strategien/wie-neo-handeln-190516, Whitepaper), eine Open-Source-Blockchain-Plattform, mit der Nutzer dezentralisierte Anwendungen erstellen können. Bei diesen sogenannten „DApps“ handelt es sich um Softwareprogramme, die auf einer Vielzahl von Computern ausgeführt werden. Das Ziel des Netzwerks ist die Verbreitung der Blockchain-Technologie durch die Bereitstellung einer digitalen Tauschbörse für Vermögenswerte. Das Netzwerk vereinfacht den Austausch digitaler Vermögenswerte durch Smart Contracts. Das NEO-Netzwerk wurde 2014 von Da Hongfei und Erik Zhang zuerst unter dem Namen Antshares gegründet. Das Netzwerk mit Sitz in Shanghai wurde dann 2017 in NEO umbenannt. Die Plattform nutzt zwei unterschiedliche Kryptowährungs-Token: NEO und NeoGas (GAS). NEO ist der primäre Vermögenswert, der auf dem NEO-Markt der Funktion von „Aktien“ entspricht. Mit dem Besitz der Kryptowährung erhält der Besitzer ein „Stimmrecht“ und eine „Dividende“ in Form von GAS-Token. Diese alternativen Token werden zum Bezahlen von Transaktionsgebühren über das Netzwerk, zum Aufbau der Blockchain und zur Erstellung von DApps oder Smart Contracts eingesetzt. Neo wurde bereits als das „chinesische Ethereum“ bezeichnet (Quelle: https://www.ig.com/de/trading-strategien/wie-neo-handeln-190516), da die Ähnlichkeiten zwischen beiden Netzwerken offensichtlich sind: Beide basieren auf der Entwicklung von Smart Contracts und zielen darauf ab, die Blockchain-Technologie für so viele Menschen wie möglich zugänglich zu machen. Und auch wenn NEO noch nicht so weit entwickelt ist wie das Ethereum-Netzwerk, hat es doch den Vorteil, Bestandteil des aufblühenden chinesischen Technologiesektors zu sein und in enger Beziehung mit den chinesischen Regulierungsbehörden zu stehen. Wenn das NEO-Netzwerk zukünftig stärker als das Ethereum-Netzwerk genutzt wird, kann der Marktpreis der Kryptowährung steigen.
232
Dieser Kryptowert wurde entsprechend der Auswertung der Listen 3 und 4 im Streitjahr nicht veräußert. Er wurde jedoch auch mehrfach als Gegenleistung im Tauschwege für die Veräußerung von Bitcoin und ETH erworben; die Veräußerung wurde dabei – zumindest teilweise – als privater Spekulationsgewinn insoweit steuererhöhend berücksichtigt (z.B. am 01.09.2017, 22.12.2017).
233
Der auf auf CoinMarketCap gelistete Kryptowert ist die zweite Kryptowährung, die zur Neo-Plattform gehört. (Quellen: https://www.ig.com/de/trading-strategien/wie-neo-handeln-190516, Whitepaper; vgl. auch die Ausführungen zur Neo). Gas dient als Token für das Neo-Netzwerk und wird für verschiedene Transaktionszwecke verwendet. Gas kann auf verschiedenen Kryptowährungsbörsen gehandelt werden und wird auch als Belohnung für Entwickler verwendet, die Anwendungen auf der Neo-Plattform entwickeln. Die Menge an verfügbarem Gas ist begrenzt, was für Knappheit sorgt und potenziell den Wert im Laufe der Zeit beeinflussen kann. Darüber hinaus bietet Gas Anreize für Benutzer, Neo-Token zu halten und zu nutzen, da sie dafür mit Gas belohnt werden. Gas wird weiter zur Zahlung von Transaktionsgebühren im Neo-Netzwerk und zur Ausführung von Smart Contracts verwendet.
234
Dieser Kryptowert wurde entsprechend der Auswertung der Listen 3 und 4 im Streitjahr nur mit Verlust veräußert. Er wurde jedoch auch mehrfach als Gegenleistung im Tauschwege für die Veräußerung von Bitcoin erworben; die Veräußerung wurde dabei – zumindest teilweise – als privater Spekulationsgewinn insoweit steuererhöhend berücksichtigt (z.B. 09.06.2017).
235
Der auf CoinMarketCap gelistete (laut diesen gestartet am 20.April 2017) Kryptowert geht auf die Blockchain-Plattform XTRABYTES zurück (Quellen: https://www.bidget.com/de/price/yxtrabites/what-is; Whitepaper). XTRABYTES ist ein „bahnbrechendes“ Projekt, das darauf abzielt, die Grenzen der Blockchain-Technologie zu erweitern. Es wurde entwickelt, um die Sicherheit und Skalierbarkeit von Kryptowährungen zu verbessern und gleichzeitig Transparenz und Dezentralisierung zu gewährleisten. Entwickler können benutzerdefinierte Anwendungen erstellen und von den Vorteilen der XTRABYTES-Technologie profitieren. XTRABYTES verfügt über eine eigene Kryptowährung, die als XBY bezeichnet wird. Diese Währung wird verwendet, um Transaktionen innerhalb des Ökosystems durchzuführen. XBY kann auch als Investitionsmöglichkeit betrachtet werden, da das Potenzial für eine Wertsteigerung besteht. Insgesamt bietet XTRABYTES eine innovative Lösung für die Herausforderungen der herkömmlichen Blockchains. Mit ihrem Fokus auf Sicherheit, Skalierbarkeit und Dezentralisierung hat XTRABYTES das Potenzial, die Art und Weise zu verändern, wie Kryptowährungen genutzt und verstanden werden.
236
d) Unter Berücksichtigung der dargestellten Grundsätze der BFH-Rechtsprechung handelt es sich auch bei allen unter c) (1) – (11) näher beschriebenen Kryptowerten um Wirtschaftsgüter im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Es handelt sich sämtlich um Kryptowerte, die im Streitjahr in öffentlich zugänglichen Märkten nach Tageskursen gehandelt wurden. Dies ergibt sich zum einen aus den obigen Ausführungen zu den einzelnen Kryptowerten und zum anderen aus den eingereichten Unterlagen des Klägers über die im Streitjahr entwickelte Handelstätigkeit, die nach dessen Angaben ausschließlich über die einschlägigen Handelsplattformen Anycoin.direct, Bancor, Binance, Bittrex, C-Cex, Changelly, Coss, Cryptopia, Etherdelta, Kraken, Liqui, Shapeshift, Waves abgewickelt wurde. Hierbei wurde die Anschaffung und Veräußerung der Kryptowerte teilweise durch An- (und Ver-) kauf gegen Euro, teilweise USD und im Wesentlichen durch Tausch gegen andere Kryptowerte vollzogen. Tauschvorgänge stehen dabei einer Anschaffung bzw. Veräußerung mittels Kaufvertrag gleich (BFH-Urteile vom 14.02.2023 IX R 3/22, a.a.O. m.w.N.; vom 23.04.2021 IX R 20/19 a.a O.). Der Senat hält die Anwendung der BFH-Rechtsprechung zu den virtuellen Währungen in Gestalt von Currency Token wie Bitcoin, Ethereum und Monero (BFH-Urteil vom 14.02.2023 IX R 3/22, a.a.O. m.w.N.) nicht nur auf andere virtuelle Währungen in Form von Currency Token für anwendbar, sondern grundsätzlich auf alle Kryptowerte (so auch zutreffend Kanzler, FR 2023, 323 m.w.N.), die den Grundsätzen der BFH-Rechtsprechung in den wesentlichen rechtlichen Tatbestandsmerkmalen und der verwendeten Technik – wie im Streitfall die Nutzung der Blockchain-Technologie – entsprechen.
237
Soweit die Klägerseite grundsätzlich einwendet, es handele sich bei Kryptowerten nur um „Signaturketten ohne intrinsischen Wert“ und der Handel sei einem Glückspiel ohne steuerliche Relevanz vergleichbar, ist dem nicht zu folgen. Unbeschadet der im Einzelnen komplexen technischen Zusammenhänge des jeweiligen DLT-Systems ergibt sich für den Inhaber eines Kryptowertes ein wirtschaftlich ausnutzbarer Vermögensvorteil. Denn die insoweit maßgebliche, von den Investoren (Erwerbern) hinsichtlich derartiger Kryptowerte geprägte Verkehrsanschauung ergibt einen greifbaren, mit einem ins Gewicht fallenden besonderen Entgelt zu bemessenden, marktüblichen (Handels- oder Umtausch-) Wert und ein damit solchen Token bzw. Coins innewohnendes Spekulationspotential (vgl. auch BFH-Urteil vom 14.02.2023 IX R 3/22, a.a.O. m.w.N.), wie aus Sicht des Senats das Beispiel der klägerischen Tätigkeit anschaulich deutlich macht. Darüber hinaus stehen hinter den „Signaturketten“ wie die obige Auswertung zeigt, eine Vielzahl von Funktionen und Vorteilen für den Inhaber, die durchaus als wertbildende Faktoren geeignet sind. Die Rechtsprechung zu den Kryptowährungen bewegt sich insoweit im gesetzlichen Rahmen und orientiert sich an der wirtschaftlichen Realität.
238
Bei der Beurteilung, ob ein Wirtschaftsgut im Sinne § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorliegt, kommt es daher nicht entscheidend darauf an, ob es sich bei den Krytpowerten um Currency Token, Utility Token, Security Token oder Mischformen (hybride Token; vgl. hierzu BMF-Schreiben vom 10.05.2022 – IV C 1-S 2256/19/1003 :001, BStBl I 2022, 668) handelt. Vielmehr ist entscheidend, dass sie (einzeln und in kleinere Untereinheiten teilbar) übertragbar und tauschbar sind, ihnen im Geschäftsverkehr ein selbständiger Wert beigelegt wird, sie auf speziellen Handelsplattformen bzw. Börsen gehandelt werden und über jederzeit abrufbare zeitaktuelle Kurse verfügen, die insoweit die Realisierbarkeit belegen. Diese Tatbestandsmerkmale sind im Streitfall gegeben. Auch bezogen auf die oben genannten Kryptowerte hat die Rechtspraxis Wege gefunden, den kommerzialsierbaren Teil einer Rechtsposition wirtschaftlich zu verwerten, wie die vom Kläger anhand seiner eingereichten Listen umfassend dargestellte Tradingtätigkeit anschaulich belegt. Die vom Kläger nach seinen Angaben selbst vorgenommenen und somit zurechenbaren Anschaffungs- und Veräußerungsvorgänge erfolgten alle innerhalb der Jahresfrist; der Kläger hat seine Tätigkeit erst im April 2017 mit dem Erwerb von Bitcoin begonnen.
239
Der Kläger hat insoweit den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz Nr. 2 Satz 1 EStG verwirklicht und grundsätzlich die daraus erzielten Gewinne als sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 Nr. 2 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG zu versteuern.
240
e) Bezüglich der weiter im Streitfall „gehandelten“ Kryptowerte Aragon (ANt), Bytom (BTM), Coss (COSS), Lithecoin (LTC) OpenAnx (OAX) und WAves Comunity Token (WTC) konnte eine Prüfung der Wirtschaftsguteigenschaft unterbleiben, da diese in Hinblick auf die gerichtliche Prüfung der Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung dem Grund und der Höhe nach und unter dem Verbot der reformatio in peius (Verböserungsverbot) für die Entscheidung nicht relevant sind.
241
Die Auswertung der Listen 3 und 4 ergibt hierzu, dass der Kryptowert ANT im Streitjahr nicht veräußert wurde, sondern nur unter Verlustrealisierung am 19.08.2017 gegen Tausch von Bitcoin erworben wurde. Der Verlust wurde vom Finanzamt gewinnmindernd berücksichtigt. Die Verneinung der Wirtschaftsguteigenschaft würde somit zu einer nicht zulässigen Steuererhöhung führen.
242
Entsprechendes gilt für den Kryptowert BTM, der ebenfalls im Streitjahr nicht veräußert, sondern nur am 12.08.2017 unter Verlustrealisierung im Tausch gegen ETH erworben wurde.
243
Hinsichtlich des Kryptowertes COSS ist festzuhalten, dass der Erwerb von COSS am 06.09.2017 im Tausch gegen ETH ergebnisneutral erfolgte und am 09.11.2017 der Erwerb im Tausch gegen Bitcoin einen anerkannten Verlust realisiert hat. Bei dem Zwangstausch von COSS gegen ETH durch den Hackerangriff am 23.12.2017 und der so ebenfalls zwangsweisen Rückabwicklung durch den Kläger am 23.12.2017 handelt es sich nach Überzeugung des Senats weder um Veräußerungs- noch um Anschaffungsvorgänge im Sinne des 23 Abs. 1 Satz Nr. 2 Satz 1 EStG (vgl. Schmidt/Levedag, EStG, 43. Aufl. 2024, § 23 Rn. 58). Insofern hat der Kläger diese Vorgänge zu Recht für steuerlich nicht relevant gehalten und dem folgend hat das Finanzamt sie auch bei der Steuerfestsetzung unberücksichtigt gelassen.
244
Hinsichtlich der Kryptowährung OAX ergibt sich, dass sowohl der Erwerb gegen ETH wie auch die Veräußerung durch Tausch gegen ETH und BTC am 19. und 20.08.2017 mit berücksichtigten Verlusten erfolgten; auch insoweit würde daher die Verneinung der Wirtschaftsguteigenschaft zu einer Steuererhöhung führen.
245
Entsprechendes gilt für den Kryptowert WTC, dessen Veräußerung ebenfalls mit einem anerkannten Verlust (./.43,43 €) erfolgte, wobei hierbei noch ergänzend anzumerken ist, dass insoweit die WCT-Anteile vom 15.06.2017, 15.07.2017 lt. Aufstellung zu den sonstigen Einkünften (eingereicht mit Schriftsatz vom 21.07.2021, nachfolgend bezeichnet mit „Liste 5“) mittels voraussetzungslosem Airdrop erlangt wurden. Insoweit lag keine „Anschaffung“ vor und die Verlustanerkennung folgte insoweit zu Unrecht.
246
Der An- und Verkauf von Lithecoin am 31.07.2017 erfolgte mit einer zu vernachlässigenden Gewinnauswirkung von 0,11 €.
247
3. Zutreffend wurden weitere Einkünfte in Höhe von 8.395 € als sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) der Besteuerung unterworfen.
248
Der Ansatz dieser Einkünfte bezieht sich auf die im Rechtsbehelfsverfahren eingereichte Liste des Klägers zum „damaligen Airdropbestand“ (Liste 5, „total Value“ 14.165,60 €). Diese listet mit Datum der Einzahlung („Date of deposit“), Menge („Amount“), die Währung („Currency“), die Einordnung („Type“, „Airdrop“/“Income und den Umrechnungswert in Euro („Value upon Deposit in EUR“), Zugänge von verschiedenen Kryptowerten auf. Diese „Erträge“ waren in der Summe der mit der Einkommensteuererklärung, Anlage SO, angegebenen Erträge aus Veräußerungsgeschäften (An- und Verkauf von Kryptowährungen) zunächst nicht enthalten.
249
Das Finanzamt setzte mit Einspruchsentscheidung vom 14.06.2021 nur die laut Liste mit „Income“ bezeichneten und über „0“ € erklärten Beträge im Gesamtbetrag von 8.395 € steuererhöhend an und erhöhte die Einkommensteuer um 3.526 €.
250
a) Nach § 22 Nr. 3 Satz 1 EStG sind sonstige Einkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG) Einkünfte aus Leistungen, soweit sie weder zu anderen Einkunftsarten (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 6 EStG) noch zu den Einkünften i.S. von § 22 Nr. 1, 1a, 2 oder 4 EStG gehören, z.B. Einkünfte aus gelegentlichen Vermittlungen und aus der Vermietung be-weglicher Gegenstände. Eine (sonstige) Leistung i.S. von § 22 Nr. 3 EStG ist jedes Tun, Dulden oder Unterlassen, das Gegenstand eines entgeltlichen Vertrages sein kann und eine Gegenleistung auslöst (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 13.03.2018 IX R 18/17, BStBl II 2018, 531). Ein synallagmatisches Verhältnis von Leistung und Gegenleistung i.S. eines wechselseitigen Austauschvertrags ist nicht erforderlich. Entscheidend ist vielmehr, ob die Gegenleistung durch das Verhalten des Steuerpflichtigen (Leistung) wirtschaftlich veranlasst ist. Insofern ist nicht erforderlich, dass der Steuerpflichtige bei Erbringung seiner Leistung eine Gegenleistung schon erwarten müsste. Ausreichend ist vielmehr, dass er eine im wirtschaftlichen Zusammenhang mit seinem Verhalten gewährte Gegenleistung als solche annimmt. Auf diese Weise ordnet er sein Verhalten der erwerbswirtschaftlichen und damit auch steuerrechtlich bedeutsamen Sphäre zu. Erforderlich ist eine objektivierende, wertende Betrachtung des wirtschaftlichen Zusammenhangs zwischen Leistung und Gegenleistung, wonach die Leistung die Gegenleistung „ausgelöst“ haben muss (BFH-Urteil vom 13.03.2018 IX R 18/17, BStBl II 2018, 531).
251
Das Leistungsentgelt kann in Geld oder Sachwerten bestehen; Höhe und wirtschaftli-cher Zusammenhang mit der Leistung sind unabhängig von der Bezeichnung nach den Umständen des Einzelfalles zu ermitteln (Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 43. Aufl. 2024, § 22 Rn. 142).
252
Dabei sind Einnahmen gem. § 8 Abs. 1 EStG alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen und dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer Einkunftsart des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nummer 4 bis 7 zufließen. Wertzugänge in Geldeswert sind alle nach objektiven Merkmalen in Geld ausdrückbaren Vorteile, die einen wirtschaftlichen und nicht nur einen ideellen Wert besitzen und damit – wie durch § 8 Abs. 2 EStG zum Ausdruck gebracht – eine objektive Bereicherung des Zuwendungsempfängers zur Folge haben (BFH-Urteil vom 17.08.1982 VI R 75/79, BStBl II 1988, 995, Tz. 18). Nach § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG sind Einnahmen, die nicht in Geld bestehen, mit den üblichen Endpreisen am Abgabeort anzusetzen. Bei diesem Wert, der im Schätzungswege zu ermitteln ist, handelt es sich um den Betrag, den ein Fremder unter gewöhnlichen Verhältnissen für Güter gleicher Art im freien Verkehr aufwenden muss (BFH-Urteil vom 18.08.2005 VI R 32/03, BStBl II 2006, 30, Tz. 49).
253
b) Gemessen an diesen Grundsätzen ist die steuerliche Behandlung des Finanzamts nicht zu beanstanden. Das Finanzamt ist insoweit den wiederholten Angaben der Klägerseite gefolgt, dass alle mit „Airdrop“ bezeichneten „Zuflüsse“ ohne weiteres Zutun des Klägers erfolgt seien (so auch auf ausdrückliche Rückfrage des Amtes zu diesen Vorgängen beantwortet mit Schreiben vom 09.11.2021) und hat diese Zuflüsse bei der Besteuerung außer Acht gelassen.
254
Hingegen wurden die Einnahmen, die nach Auskunft des Klägervertreters durch Staking der WAVE Coins bezogen wurden (WAVES, MRT (Miners Reward Token), eine digitale Währung, die für die Teilnahme am WAVES-Netzwerkmining vergeben wird, und WavesGo, die lt. Whitepaper u. a. an alle WAVE accounts verteilt wird) und vom Kläger auch als „Income“ gewertet wurden, zutreffend der Besteuerung unterworfen.
255
Staking bezeichnet den Prozess, bei dem Netzwerkteilnehmer Belohnungen erhalten können, indem sie ihre Coins in Kryptowallets sperren und zum Validieren von Netzwerktransaktionen oder als Liquiditätsquelle zur Verfügung stellen (Quelle: https:// www.bitpanda.com/academy/de/lektionen/was-ist-staking/; sowie BMF-Schreiben vom 10.05.2022, BStBl I 2022, 668, III. 3. Tz. 3: „Einnahmen aus Staking im hier verwandten Begriffsverständnis der Bereitstellung eines Stakes ohne selbst als Forger an der Blockerstellung beteiligt zu sein (Teilnahme an einem Staking-Pool, Plattformstaking)“).
256
Im Tausch für diese Leistung (temporärer Verzicht auf die Nutzung ihrer Einheiten einer virtuellen Währung; so auch BMF-Schreiben, a.a.O.) erhalten die Steuerpflichtigen - wie hier der Kläger – eine Gegenleistung in Form von (zusätzlichen) Einheiten einer virtuellen Währung.
257
Ebenso wurden daher die laut Kläger aus „Claiming“ stammenden Einnahmen (Bezug von GAS durch das Halten von NEO, vgl. auch Ziff. 2. c) (9), (10) /Ausführungen zu NEO und GAS) zu Recht als „Income“ gewertet und vom Finanzamt der Besteuerung unterworfen. Entsprechendes gilt für das ETH-„Income“ vom 28.12.2017 aus dem Halten der Währung Astronaut, da auch hier durch das Halten der entsprechenden Währungen in der vorgesehenen Wallet über einen gewissen Zeitraum eine Leistung erbracht wird. Dafür erhalten die Inhaber der Coins/Token an den sich ergebenden Erträgen eine Art „Gewinnbeteiligung“ bzw. „Dividende“ (vgl. die Ausführungen Astronaut Token, Ziff. 2) c), (7)).
258
Dass das bezogene Leistungsentgelt hier wiederum in Form von Kryptowerten bezogen wurde, ist nach den oben genannten Grundsätzen unschädlich, da auch diese bezogenen Anteile einen Sachwert darstellen. Es handelte sich um handel- und bewertbare Kryptowerte, wie bereits zu ETH, GAS und WAVES ausgeführt wurde. Auch MRT-Coins waren im Streitjahr auf dem freien Markt handelbar (Quelle; https://www.krypoto-magazin.de/was-ist-mrt-coin/); WGO sind nach wie vor auf CoinMarketCap gelistet und sollten lt. Whitepaper ab ca. April 2017 über die Handelsplattformen DEX, Tidex, Bittrex Cryptopia u. weitere im Angebot sein.
259
Die vom Kläger insoweit selbst vorgenommene Bewertung wurde vom Finanzamt nicht in Zweifel gezogen; auch der Senat sieht insoweit keine konkrete Veranlassung, den Angaben des – inzwischen fachkundig vertretenen – Klägers nicht zu folgen; auf die Ausführungen unter 5. wird ergänzend verwiesen.
260
4. Klarstellend ist aus Sicht des Senats noch darauf hinzuweisen, dass die übrigen - bislang noch nicht angesprochenen – Kryptowerte, die vom Klägervertreter in der Liste 2 (alle Kryptowährungen, die im Streitjahr vom Kläger transferiert wurden oder ihm transferiert wurden, Anlage 1 Schriftsatz 14.08.2020) aufgezählt wurden, für die Besteuerung im Streitfall (und nur deren Rechtmäßigkeit ist vom Finanzgericht zu prüfen), keine Rolle gespielt haben. Die als „Income“ bezogenen Kryptowährungen COF (CoffeeCoin), COXST (CoExist-Coin), CORE liegen betragsmäßig mit 0,43 € noch unter der Abrundungsdifferenz bei den Einkünften aus sonstigen Leistungen. Die weiter noch benannten Kryptowerte wurden als „Airdrop“ nicht der Besteuerung unterworfen oder waren als „Income“ vom Kläger mit „Null“ Euro bewertet worden; dies wurde vom Finanzamt so übernommen. Damit blieben diese Kryptowerte für die Besteuerung des Streitjahres ohne Auswirkung.
261
Der Ordnung halber weist der Senat weiter darauf hin, dass der „analogi-coin“ und der Kryptowert „Logoi (LOGI)“ für die Besteuerung des Klägers im Streitjahr keine Rolle gespielt haben. Weder hat der Kläger diesbezügliche Einkünfte erklärt noch hat das Finanzamt entsprechende Einkünfte der Besteuerung unterworfen.
262
5. Nach Überzeugung des Senats ist die Steuerfestsetzung anhand der Steuererklärung und der im Rechtsbehelfsverfahren eingereichten Unterlagen des Klägers zur Ermittlung der Einkünfte nach § 22 Nrn. 2, 3 EStG im Streitfall zutreffend erfolgt.
263
a) Die an die Ermittlungen der Finanzbehörde nach § 88 AO zu stellenden Anforderungen sind nicht allgemein festzulegen. Die Finanzbehörde verletzt ihre Amtsermittlungspflicht nur dann, wenn sie offenkundigen Zweifelsfragen, Unklarheiten oder Zweifeln, die sich ohne weiteres aufdrängen, nicht nachgeht und Ermittlungsmöglichkeiten nicht nutzt, deren Ergiebigkeit sich ihr hätten aufdrängen müssen (BFH-Urteile vom 12.07.2001 VII R 68/00, 317, BStBl II 2002, 44; vom 28.06.2006 XI R 58/05, BStBl II 2006, 835; vom 07.07.2004 XI R 10/03, BStBl II 2004, 911). Werden Steuererklärungen abgegeben, so muss die Finanzbehörde nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung eventuellen Unklarheiten und Zweifelsfragen nachgehen, die sich aus der Erklärung oder den dazu eingereichten Unterlagen aufdrängen. Grundsätzlich darf sie aber davon ausgehen, dass der steuerlich erhebliche Sachverhalt richtig, vollständig und deutlich angegeben worden ist. Sie muss den Angaben des Steuerpflichtigen nicht mit Misstrauen begegnen (BFH-Urteil vom 07.07.2004 XI R 10/03, a.a.O.). Aus den allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung wie z.B. §§ 88, 89, 90 ff., 140 ff. und § 200 AO folgt der allgemeine Grundsatz, dass für die wahrheitsgemäße und vollständige Aufklärung abgabenrechtlich bedeutsamer Tatsachen die Finanzbehörde und der Steuerpflichtige gemeinsam verantwortlich sind. Besondere Bedeutung kommt hierbei dem Gedanken der Beweisnähe zu; je mehr die Tatsachen und Beweismittel der von dem Steuerpflichtigen beherrschten Informations- und Tätigkeitssphäre angehören, umso größer ist dessen Verantwortung für die Aufklärung des Sachverhalts (grundsätzlich BFH-Urteil vom 15.02.1989 X R 16/86, BStBl II 1989, 462).
264
b) Im Streitfall ist die Steuerfestsetzung zutreffend unter Zugrundelegung der vom Kläger im Rechtsbehelfsverfahren eingereichten Ermittlungen und Aufstellungen (insbesondere Anlage 1 „Total Gain“ (Liste 4) und Anlage 2 „Total Value“ (Liste 5) zum Schriftsatz vom 27.01.2021) erfolgt.
265
Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BFH gibt es im Streitfall keinen Grund, der Ergebnisermittlung des Klägers zu misstrauen. So spricht schon die Tatsache, dass der Kläger die Einkünfte von sich aus erklärt hat, für seine Steuerehrlichkeit. Die Ermittlung des „Total Gain“ (Liste 4) war Grundlage der Steuererklärung, in der der Kläger den so ermittelten Gewinn in Höhe von 102.142 € angegeben hat und so auch – ohne Vorbehalt – versichert, dass er seine Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht hat. Diese vom Kläger erstellten Aufstellungen und Auswertungen erfolgten am zeitnächsten zu den An- und Verkaufsvorgängen. Hinzu kommt, dass der Klägervertreter im Rechtsbehelfsverfahren (Schriftsatz 15.07.2021) ausdrücklich darauf hingewiesen und detailliert geschildert hat, dass diese Listen und damit auch die Liste zum Airdropbestand/Income (Liste 5) in wochenlanger Detailarbeit erstellt und trotz Steuersoftware anhand weiter eingeholter Informationen um Fehler korrigiert wurden. Weiter wurde in dem Schriftsatz vom 15.07.2021 ausgeführt, dass der Kläger für die Erstellung der Listen eine mühevolle Kleinarbeit auf sich genommen habe.
266
Schon aus diesem Grund verdienen die vom Kläger bereits im Rechtsbehelfsverfahren eingereichten Listen daher grundsätzlich das Vertrauen des Finanzamts und auch des Senats.
267
Im Gegensatz zu der im Rechtsbehelfsverfahren eingereichten Ermittlung des Gewinns aus privaten Veräußerungsgeschäften fehlt der erst im Klageverfahren sehr viel später (am 29.10.2024) eingereichten mittels „CoinTracking“ erstellten Auswertung eine Angabe dahingehend, dass diese vom Kläger überprüft und ggf. korrigiert wurde. Hinzu kommt, dass dieser im Klageverfahren eingereichte „CapitalGainsReport“ im Gegensatz zum vom Kläger ermittelten Gesamtergebnis im Veranlagungsverfahren die durch den „Hackerangriff“ bedingten Tauschgeschäfte enthält. Diese Hackergeschäfte sind entsprechend der Ausführungen im Urteil unter II. 2. c) bei der Ermittlung des Ergebnisses aus den privaten Veräußerungsgeschäften nicht zu berücksichtigen. Im Kapital-Gains-Report sind diese jedoch als Verlust in Höhe von ./. 13.497,74 € fälschlicherweise enthalten. Ohne Berücksichtigung dieser Vorgänge ergäbe sich selbst bei klägerseits angegebener Korrektur um die fehlenden Anschaffungskosten (08.10.2017 „Warning“) nach neuer Aufstellung lt. CoinTracking ein „mutmaßlich“ steuerlicher Ertrag in Höhe von 107.924,02 €, der damit über dem bisher steuerlich berücksichtigten Betrag liegt.
268
Selbst wenn zusätzlich die ebenfalls in der Auswertung von CoinTracking fehlenden Anschaffungskosten für MGO (Veräußerung am 13., 15.08.2017, Anschaffung 24.05.2017 gegen WAVES; lt. Ermittlung Kläger mit identischem Anschaffungsdatum mit 887,67 € in Abzug zu bringen) berücksichtigt werden, ergibt sich, dass das sorgfältig ermittelte Ergebnis des Klägers laut zeitnaher Ermittlung günstiger bleibt als das im Klageverfahren mitgeteilte.
269
Hinzu kommt, dass der Kläger ausweislich seiner ausdrücklichen Angabe im Veranlagungsverfahren (Schriftsatz mit Eingang beim Finanzamt am 23.07.2019) bei seiner Ermittlung des Spekulationsgewinns die Lifo-Methode (Einzelbetrachtung) gewählt und angewandt hat.
270
Die Ermittlung nach CoinTracking erfolgte demgegenüber nach der Fifo-Methode, wie anhand des Datenabgleichs zwischen der zunächst eingereichten „Gewinnermittlung“ und der im Klageverfahren neu eingereichten Aufstellung von „CoinTracking“ ersichtlich (z. B. 22.05.2017, 06.06.2017, 09.06.2017, 02.20.2017, 16.10.2017, 09.11.2017).
271
Hierzu ist aus Sicht des Senats festzuhalten, dass zwar die Fifo-Methode als allgemein gängiger betrachtet wird (vgl. z.B. https://www.blockpit.io/de-de/steuer-guides/verbrauchsfolgeverfahren) und laut BMF-Schreiben (BMF vom 10.05.2022, a.a.O., Rz. 61f.) in der Regel zu bevorzugen ist. Jedoch ist die vom Kläger gewählte Methode (Währungs- und Walletbezogen) gesetzlich zulässig (keine gesetzliche Sonderregelung, § 23 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG wie bei Fremdwährungsgeschäften) und wurde vom Finanzamt im Streitfall akzeptiert. Die vom Kläger gewählte Methode führt im konkreten Fall für das Streitjahr 2017 zu einem für den Steuerpflichtigen insgesamt günstigeren Ergebnis als die Fifo-Methode laut im Klageverfahren nachgereichter Auswertung von CoinTracking, so dass auch nach dem Grundsatz der reformatio in peius eine Abweichung von der ursprünglichen Ermittlung des Klägers aus Sicht des Senats nicht veranlasst ist.
272
Der Senat sieht auch keine anderen konkreten Anhaltspunkte, die dafür sprächen, die vom Kläger zeitnah erstellte „Gewinnermittlung“ für unrichtig (zu seinen Lasten) zu halten. Die vom Kläger für steuerwirksam gehaltenen Vorgänge sind im Vergleich zur nachgereichten Auswertung von Coin-Tracking und den Gesamtübersichten nach stichprobenweiser Überprüfung im Wesentlichen vollständig enthalten. Soweit Abweichungen hierbei festgestellt wurden (z. B. fehlt zwar der 08.10.2017 (Dollargeschäft) in der Ermittlung des ursprünglichen Gesamtergebnisses mit ./. 2,64 € gegenüber der Auswertung von CoinTracking; ebenfalls fehlt auch die Veräußerung von 20 WAVES am 22.05.2017 gegenüber CoinTracking 5,23 €), sind diese minimal und nicht geeignet, eine abweichende Festsetzung zu begründen.
273
Auch hinsichtlich der vom Kläger vorgenommenen Bewertung der Anschaffungskosten und der Veräußerungskosten der Kryptowerte in Euro kann aus Sicht des Senats der zeitnäheren und überarbeiteten Ermittlung des Klägers gefolgt werden.
274
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass sich letztlich beim Tausch von Kryptowerten immer ein gewisses Bewertungsproblem ergeben wird, da es keinen „amtlichen“ Kurs gibt. Der Kurs wird an den verschiedenen Börsen und selbst zu verschiedenen Zeitpunkten desselben Tages Schwankungen unterworfen sein, so dass das Finanzamt hier in besonderem Maße auf die Angaben des Steuerpflichtigen angewiesen ist, da nur er über die seine Geschäfte betreffenden Detailkenntnisse verfügt. Bezogen auf den Streitfall ist eine konkrete Benachteiligung des Klägers durch seine selbst vorgenommene Bewertung nicht ersichtlich oder konkret geltend gemacht. Ungeachtet der Frage, wie genau das Finanzamt die vom Kläger vorgenommene Bewertung geprüft hat, gibt die im Klageverfahren eingereichte Auswertung von CoinTracking eine weitere Überprüfungsmöglichkeit. Vergleicht man (stichprobenweise) den mit CoinTracking ermittelten Gewinn der Transaktionen von Kryptowerten mit übereinstimmenden Anschaffungs- und Veräußerungsdaten mit der ursprünglichen Bewertung des Klägers ergibt sich tendenziell, dass die Auswertung von CoinTracking etwas abweichend – aber oft zu Lasten des Klägers – bewertet hat (z. B. Veräußerung von WAVES am 17.06.2017 und 21.06.2017, Veräußerung von MCO am 30.08.2017 und von STRAT am 13.08.2017; geringfügig zu Gunsten am 22.06.2017 Veräußerung von WAVES und von BNB am 08.11.2017).
275
Im Hinblick darauf, dass der Kläger selbst im Rahmen seiner zeitnah und sorgfältig (nach Angaben des Klägervertreters im Schriftsatz vom 15.07.2021) vorgenommenen Gewinnberechnungen auch seine Bewertung vorgenommen hat, sieht der Senat keine Veranlassung, den Angaben des Klägers nicht auch insoweit zu vertrauen. Greifbare Umstände, die Anlass zu weiteren Ermittlungen ergäben hätten (§ 88 Abs. 1, Abs. 2 AO), lagen im Streitfall nicht vor.
276
Das Finanzamt hat daher zutreffend 102.141 € als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (vermindert um Verlustrückträge i.H. v. 28.228 €) sowie Einkünfte aus Leistungen in Höhe von 8.395 €, mithin insgesamt 82.308 €, an sonstigen Einkünften der Besteuerung zugrunde gelegt.
277
Aus Sicht des Senats war es im Streitfall nicht geboten, aufgrund der sechs Beweisanträge Beweis zu erheben.
278
1. Nach § 76 Abs. 1 FGO hat das FG den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen und dabei die erforderlichen Beweise zu erheben (§ 81 Abs. 1 Satz 2 FGO). Der erkennende Senat ist nach § 76 Abs. 1 Satz 5 FGO nicht an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten gebunden. Gleichwohl darf es substantiierten Vortrag und substantiierte Beweisanträge, die den entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffen, grundsätzlich weder ablehnen noch übergehen. Ein ordnungsgemäß gestellter Beweisantrag darf nur unberücksichtigt bleiben, wenn das angebotene Beweismittel untauglich ist, wenn es auf die Beweistatsache nach der Rechtsauffassung des Finanzgerichts nicht ankommt oder wenn die Beweistatsache als wahr unterstellt wird. Maßgeblich für Form und Umfang der Sachaufklärung im Einzelfall ist letztlich die Auffassung des Gerichts darüber, inwiefern eine Tatsache für die Sachentscheidung erforderlich ist; aus der Sicht des Gerichts unerhebliche Umstände sind nicht aufklärungsbedürftig (vgl. Krumm in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 76 FGO Rz. 20 m.w.N.). Beweisermittlungsanträge oder Beweisausforschungsanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann, brauchen dem Gericht regelmäßig keine Beweisaufnahme nahe zu legen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29.03.2016 I B 99/14, BFH/NV 216, 1282 vom 27.10.2004 XI B 182/02, BFH/NV 2005, 564 und vom 07.12.2006 VIII B 48/05, BFH/NV 2007, 712). Gegenstand der Sachaufklärungspflicht sind dabei die Tatsachen, die den abstrakt formulierten gesetzlichen Tatbeständen zugrunde liegen. Die Rechtssätze selbst sind grundsätzlich nicht Gegenstand richterlicher Sachaufklärung (vgl. Krumm in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 76 Rz. 21 m.w.N.). Daher sind Rechtssätze grundsätzlich nicht beweisbedürftig. Dies gilt für die Rechtsgrundsätze selbst wie auch die Methodik ihrer Anwendung (iura novit curia: die Rechtsanwendung obliegt dem Gericht selbst; vgl. auch Krumm in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 81 Rz. 10). Beweisanträge zu Rechtsfragen sind daher unzulässig (BFH-Beschluss vom 06.12.2012 I B 8/12, BFH/NV 2013, 703).
279
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ergibt sich hinsichtlich des Beweisantrags Nr. 1 („dass die vom Beklagten als „andere Wirtschaftsgüter“ im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG behandelten streitgegenständlichen Phänomene lediglich in einer Abfolge von elektronischen Signaturen bestehen (Signaturketten), denen keine – und somit weder bestimmbare, noch gar bestimmte – Ansprüche i.S.v. § 194 BGB oder Rechte zugeordnet sind, weshalb diese Phänomene als anspruchslos zu qualifizieren sind“), dass zum einen der Senat die Tatsache, dass es sich bei den streitigen Kryptowerten um Signaturketten handelt, ebenfalls als zutreffend erachtet und somit keine Beweisbedürftigkeit besteht. Soweit der Beweisantrag die (fehlende) Zuordnung von Ansprüchen i.S. des § 194 BGB bzw. Rechten umfasst, ist der Beweisantrag unzulässig, da dies überwiegend eine Rechtsfrage betrifft und somit der richterlichen Einschätzung unterliegt. Im Übrigen war die Beantwortung dieser Frage auch nicht entscheidungserheblich.
280
Auch der Beweisantrag Nr. 2 („dass eine Blockchain – ausgestaltet als DLT-System (Distributed Ledger Technology/verteilte Buchführung) – ein reines Dokumentationssystem darstellt, welches nur die Abfolge der durch Signaturen erfolgten Signaturkettenverlängerungen (Historie) aufzeigt, und dass bezüglich der im Streitfall anspruchslosen (§ 194 BGB) Signaturketten die Einträge in der jeweiligen Blockchain nichts steuerlich Relevantes – außer den Signaturkettenverlängerungen selbst – dokumentiert, weshalb es vergleichbar der Dokumentation in einem Grundbuch ist, in dem zwar Datennachweise vergleichbar einer „Ersten Abteilung“ eines Grundbuchs zu vermeintlichen Berechtigungsverhältnissen zu finden sind, welches jedoch kein darüber hinausgehendes „Bestandsverzeichnis“ aufweist, in dem eine Zuordnung dieser vermeintlichen Berechtigung(en) zu einem bestimmten realen Anspruch oder Recht dokumentiert werden („Grundbuch ohne Grundstücke“) und dass demnach ein DLT-Buchführungssystem mitanspruchslosen (§ 194 BGB) Signaturketten, nichts vom Buchführungssystem unabhängig zusätzlich Existierendes abbildet, auch nicht digital, weshalb hier nur Buch geführt wird über „Luftgeschäfte“, und demgemäß auch nur „Luftbuchungen“ – ggf. digital – dokumentiert werden können“) betrifft nahezu ausschließlich Rechtsfragen (i.S. des § 194 BGB anspruchslose Signaturketten, steuerliche Relevanz, Einordnung als „Luftgeschäft“, „Luftbuchung“) und ist somit unzulässig. Die Tatsache, dass es sich bei einer Blockchain (ausgestaltet als DLT-System) um ein Dokumentationssystem für Signaturketten handelt, wird vom Senat ebenfalls als zutreffend erachtet.
281
Hinsichtlich des Beweisantrags Nr. 3 („dass es sich bei den hier streitgegenständlichen Signaturkettenarten NICHT um Daten handelt, welche von Person A an Person B gesendet werden können, und dass es sich tatsächlich NICHT so verhält, wie es das FG Köln in seinem Urteil 14 K 1178/20 vom 25.11.2021, in Rz. 49. und 50. in unzutreffender Weise angenommen hat, wonach angeblich „Datenpakete“ von einer Person an eine andere Person übertragen werden könnten, weshalb das FG Köln aus diesem tatbestandlichen Irrtum auch unzutreffend folgert und pauschal zu einer Gleichsetzung mit „Texten auf anderen Medien, etwa Büchern oder magnetischen Tonträgern“ mit analogen oder digitalen Signaturketten gelangt, und dass nur durch eine weitere Signatur eine Signaturkettenverlängerung initiiert wird, welche dann erst durch das Zusammenwirken einer in ihrer Zusammensetzung ständig wechselnden unbekannten Menge an Rechnern („Majority of CPU Power” =„Macht“) zu einer Signaturkettenverlängerung = Dokumentation in der Blockchain führen kann“) ist auszuführen, dass die Annahmen des Finanzgerichts Köln für die Entscheidung des Senats im Streitfall nicht relevant waren. Dass es sich bei den Signaturketten nicht um „versandte“ Daten handelt und dass nur durch weitere Signaturen eine Verlängerung der Kette initiiert wird, die erst durch die „Majoritiy of CPU Power“ zu einer entsprechenden Signaturkettenverlängerung und Dokumentation in der Blockchain führt, unterstellt der Senat als wahr.
282
Hinsichtlich des Beweisantrags Nr. 4 („dass eine erfolgte Signaturkettenverlängerungsdokumentation in der Blockchain jederzeit mit einer entsprechenden systemimmanenten Macht der Validatoren/Miner („Majority of CPU Power“) rückwirkend verändert werden kann, und dass diese Macht – bei Proof-of-Work Consensus Systemen (wie z.B: der Bitcoin-Blockchain und in 2017 auch der Ethereum-Blockchain) – lediglich mehr als 50% der CPU Power benötigt, um erfolgte Signaturkettenverlängerungsdokumentationen rückwirkend abzuändern und dass eine solche rückwirkende Abänderung dazu führt, dass Signaturkettenverlängerungen rückgängig gemacht werden (Redo), und dass solche rückwirkenden Abänderungen tatsächlich bereits mehrfach stattgefunden haben, und je nach Blockchain auch immer wieder systemimmanent stattfinden können“) unterstellt der Senat die von Klägerseite aufgestellten Tatsachenbehauptungen einer möglichen Abänderung der Signaturkettenhistorie als wahr, hält sie jedoch für die Entscheidungsfindung für unerheblich. Der Wegfall in der Transaktionshistorie der genannten Kryptowährung Verge fand im Jahr 2021 statt; diese Währung ist im Streitjahr 2017 des Streitfalles nicht streitgegenständlich. In Bezug auf einen anderen – streitgegenständlichen – Kryptowert hat der Kläger nicht geltend gemacht, durch eine rückwirkende Abänderung der Signaturkettenverlängerung betroffen gewesen zu sein.
283
Soweit es die Beweisanträge Nr. 5 („dass die „Verkäufe“ der vom Beklagten als „andere Wirtschaftsgüter“ im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG behandelten streitgegenständlichen 56 Blockchain-Eintragsarten, soweit sie vom Kläger nicht „ausgecasht“, d.h. gegen gesetzliche Zahlungsmittel veräußert wurden, auch nicht zu einer in Euro messbaren Realisation eines Gewinns und damit auch nicht zu einer Leistungsfähigkeitssteigerung beim Kläger geführt haben“) und Nr. 6 („dass der „Kauf“ und „Verkauf“ von anspruchslosen (§ 194 BGB) Signaturketten/Blockchain-Einträgen wirtschaftlich mit der Teilnahme an Glücksspielen, insbesondere einer Lotterie, gleichzusetzen ist, bei denen der „Loskäufer'' entgeltlich eine Chance erwirbt, ohne dass diese Chance sogleich als vernünftige Kaufentscheidung eines ordentlichen Kaufmanns gelten kann, weil es außer der zweifelhaften Chance jemanden zu finden, der ihm das „Los“ später zu einem höheren Preis abzukaufen bereit ist, keinerlei Wert hat oder verkörpert; anders als etwa beim Erwerb von Aktien, denen stets ein Anteil an realen Wirtschaftsgütern/Vermögenswerten oder Rechten an einem konkreten Unternehmen zugeordnet ist)“ angeht, sind diese Anträge wiederum unzulässig, da es um die Beantwortung reiner Rechtsfragen geht. Zum Einen der Frage nach der (steuer-)rechtlich erforderlichen Leistungssteigerung und zum Anderen die Frage nach der Einordnung als steuerlich unbeachtliches Glückspiel unter Berücksichtigung der Sicht eines ordentlichen Kaufmanns. Diese rechtlichen Fragen unterliegen der ausschließlichen Beurteilung durch die Rechtsprechung und wurden durch den Senat bezogen auf den Streitfall im Rahmen des Urteils beantwortet. Abgesehen davon, hält der Senat den Beweisantrag Nr. 5 auch in Hinblick auf die pauschal genannten „56 Blockchain-Eintragsarten, soweit sie vom Kläger nicht „ausgecasht“ wurden“ für zu unbestimmt, da nicht ersichtlich ist, welche Kryptowerte Gegenstand der Beweiserhebung sein sollen.
284
Der Antrag auf – weitere – Akteneinsicht ist im Streitfall unbegründet.
285
Das Recht der Akteneinsicht (§ 78 Abs. 1 FGO) erstreckt sich grundsätzlich nur auf sämtliche Akten, die dem Gericht in der konkreten Streitsache tatsächlich vorliegen (vgl. Gräber/Stapperfend, FGO, § 78 Rn. 3 m.w.N.). Im Streitfall wurden der Klägerseite alle vom Finanzamt vorgelegten Akten – auch die nachgereichten Unterlagen – zur Einsicht (in Papierform bzw. durch elektronische Übermittlung) zugänglich gemacht. Aufgrund der Einlassungen des Finanzamts im Verfahren bestand auf Seiten des Senats keine Veranlassung (mehr) an der erforderlichen Vollständigkeit der vorgelegten Akten des Finanzamts Zweifel zu haben.
286
Da es sich bei den Krypowerten um ein relativ neues Phänomen handelt, zu dem es noch wenig (höchstrichterliche) Rechtsprechung gibt, war die Revision zur Rechtsfortbildung zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).
287
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 143 Abs. 1, 135 Abs. 1 FGO.