Titel:
Auf § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG gestützte und für sofort vollziehbar erklärte Anordnung zur Herausgabe von Equidenpässen bei vorher verfügter und bereits vollzogener dauerhafter Wegnahme von Pferden, Die Anordnung ist auch dann rechtmäßig, wenn ein Pferd vor deren Erlass nicht mehr lebt.
Normenketten:
VwGO §§ 80 Abs. 5
TierGesG 24 Abs. 3
ViehVerkV 44c Abs. 1 Nr.1, 44b Abs. 1 S. 1
VO (EU) 2021/963 Art. 25 Abs. 1, 26 Abs. 1, 27
TierSchG § 16a Abs. 1
Schlagworte:
Auf § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG gestützte und für sofort vollziehbar erklärte Anordnung zur Herausgabe von Equidenpässen bei vorher verfügter und bereits vollzogener dauerhafter Wegnahme von Pferden, Die Anordnung ist auch dann rechtmäßig, wenn ein Pferd vor deren Erlass nicht mehr lebt.
Fundstelle:
BeckRS 2025, 695
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid des Landratsamts X. … (im Folgenden: Landratsamt), mit dem sie sofort vollziehbar und zwangsgeldbewehrt verpflichtet wurde, die Equidenpässe für drei Pferde herauszugeben.
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Die Antragstellerin hielt auf dem Anwesen …, … mehrere Pferde. In der Vergangenheit kam es wiederholt zu tierschutzrechtlichen Beanstandungen und nachfolgend zu Anordnungen für deren Haltung.
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Mit Bescheid vom 4.3.2024 ordnete das Landratsamt die unverzügliche und dauerhafte Wegnahme und Veräußerung von drei von der Klägerin gehaltenen Pferden (zwei Stuten, ein Hengst) an. Darunter war auch die Stute „K. …“. Ferner wurde die Einziehung der Tiere sowie der Übergang des Eigentums an den Tieren auf den Freistaat Bayern angeordnet. Die Antragstellerin habe die Wegnahme und Veräußerung der Tiere zu dulden. Die Anordnungen wurden für sofort vollziehbar erklärt.
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Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin Klage erheben (Az. RO 4 K 24.752) und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen lassen (Az. RO 4 S 24.750). Am 30.8.2024 teilte das Landratsamt mit, dass die beiden Stuten – also auch „K. …“ – verkauft und an einen Dritten übereignet worden seien. Das Verwaltungsgericht Regensburg lehnte deshalb den Eilrechtschutzantrag mit Beschluss vom 9.12.2024 ab. Die Anordnungen des Bescheids seien vollzogen worden und der Vollzug könne auch nicht mehr rückgängig gemacht werden, da die Tiere an Dritte übereignet worden seien. Der Antrag sei somit unzulässig, da sich die Anordnung erledigt habe.
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Am 2.9.2024 erließ das Landratsamt einen weiteren Bescheid, mit dem die unverzügliche und dauerhafte Wegnahme und Veräußerung der Hengste „F. …“ und „R. …“ angeordnet wurden. Es wurden auch hier die Einziehung der Tiere, der Übergang des Eigentums auf den Freistaat Bayern sowie die Verpflichtung der Antragstellerin zur Duldung der Wegnahme und Veräußerung angeordnet.
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Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin durch ihre Bevollmächtigte Klage (Az. RO 4 K 24.2337) erheben und um vorläufigen Rechtsschutz (Az. RO 4 S 24.2338) nachsuchen lassen. Mit Beschluss vom 9.12.2024 lehnte das Verwaltungsgericht Regensburg den Eilrechtsschutzantrag als unzulässig ab, da der Antragsgegner im Verfahren mitgeteilt hatte, dass sich die Tiere nicht mehr im Eigentum des Freistaats Bayern befänden. Die Tiere seien bereits – entsprechend der vollziehbaren Anordnung – verkauft worden.
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Nach der Wegnahme der Tiere bemühte sich das Landratsamt darum, von der Antragstellerin die Pferdepässe zu erhalten. Diese ließ durch ihre Prozessbevollmächtigte jedoch mitteilen, dass sie nach wie vor die Rückgabe der Pferde an sie anstrebe. Eine Herausgabe der Equidenpässe werde nur dann erfolgen, wenn das Verwaltungsgericht in der Hauptsache entscheide, dass die Wegnahme der Tiere zu Recht erfolgt sei.
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Am 9.10.2024 erließ das Landratsamt daraufhin den verfahrensgegenständlichen Bescheid, welcher der Bevollmächtigten der Antragstellerin am 16.10.2024 zugestellt wurde. Die Antragstellerin wird darin verpflichtet, die Equidenpässe für drei bis vor kurzem von ihr gehaltene Pferde bis spätestens eine Woche nach Zustellung des Bescheids an das Veterinäramt des Landratsamts X. … herauszugeben. Es handele sich dabei um die Pässe für „K. …“, „F1. …“ und „R. …“, welche mit Bescheid vom 4.3.2024 bzw. 2.9.2024 weggenommen und anderweitig untergebracht worden seien (Ziffer I). Im Falle der Zuwiderhandlung werde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 € je nicht herausgegebenen Pass zur Zahlung fällig (Ziffer II). Die sofortige Vollziehung der Anordnung in Ziffer I wurde angeordnet (Ziffer III). Die Antragstellerin habe als bisherige Eigentümerin der Pferde die Kosten des Verfahrens zu tragen (Ziffer IV). Für den Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 250,00 EUR erhoben (Ziffer V).
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Zur Begründung wird ausgeführt, die Antragstellerin sei mehrfach über ihre Bevollmächtigte aufgefordert worden, die Equidenpässe beim Landratsamt abzugeben. Die Anordnung der Herausgabe der Pässe stütze sich auf § 24 Abs. 3 des Tiergesundheitsgesetzes (TierGesG). Sie sei notwendig, da die Equidenpässe als Identifizierungsdokumente das jeweilige Pferd ständig begleiten müssten. Obwohl der Antragstellerin das Eigentum an den Pferden entzogen worden sei, verweigere sie die Herausgabe der Pässe und schaffe damit einen rechtswidrigen Zustand. Dies könne nicht hingenommen werden, da Eintragungen in Bezug auf das jeweilige Tier nicht zeitnah gemacht werden könnten. Die Beantragung von Ersatzdokumenten komme nur bei Verlust in Frage, was hier nicht zutreffe. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei beachtet worden. Bezüglich der Anordnung der sofortigen Vollziehung wird ausgeführt, dass das öffentliche Interesse an der Erfüllung der gesetzlichen Vorgaben, wonach ein Pferdepass das jeweilige Tier immer begleiten müsse, das Interesse der Betroffenen überwiege. Ein Abwarten der Hauptsacheentscheidungen bezüglich der Wegnahmeanordnungen hätte eine nicht hinnehmbare zeitliche Verzögerung zur Folge, vor allem auch in Anbetracht des Zeitraums, der seit der Wegnahme der Pferde bereits vergangen sei.
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Gegen diesen Bescheid ließ die Antragstellerin am Montag, den 18.11.2024, Klage erheben (RO 5 K 24.2708) und um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen. Zur Begründung wird insbesondere vorgetragen, dass die Tiere nicht rechtmäßig in das Eigentum des Antragsgegners übergegangen seien. Eine rechtskräftige Entscheidung zu den entsprechenden Anordnungen liege nicht vor. Ein rechtswidriger Zustand hinsichtlich der Zurückbehaltung der Pässe sei derzeit deshalb nicht gegeben. Die Androhung des Zwangsgelds sei eine Ermessensentscheidung und derzeit noch unverhältnismäßig. Die Antragstellerin lehne die Herausgabe der Pässe vorliegend nicht vollständig ab, sie wolle lediglich den Ausgang der bereits anhängigen Verfahren abwarten. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht notwendig gewesen. Der Antragsgegner habe mitgeteilt, dass die Tiere wohl bereits veräußert worden seien. Diese Veräußerung sei wohl ohne die Vorlage von Equidenpässen erfolgt. Ein öffentliches Interesse an der Herausgabe der Pferdepässe sei daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht gegeben.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Landratsamtes X. … vom 9.10.2024 (Gesch.-Z.: ….) anzuordnen bzw. wiederherzustellen.
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Der Antragsgegner beantragt,
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Gemäß § 44 der Viehverkehrsverordnung (ViehVerkv) seien Pferde zu kennzeichnen. Die Daten der Kennzeichnung seien in einem Equidenpass festzuhalten, welcher nach den Vorgaben des § 44a ViehVerKV von einer tierzuchtrechtlich anerkannten Züchtervereinigung, von einer internationalen Wettkampforganisation oder der zuständigen Behörde ausgestellt werde. Dieser Equidenpass müsse das jeweilige Pferd als Identifizierungsdokument nach den einschlägigen europarechtlichen Vorgaben ständig begleiten. Dies gelte selbst im Falle einer vorübergehenden Unterbringung wie beispielsweise in einer Klinik. Die Pässe seien somit herauszugeben, da die Tiere endgültig weggenommen und auch bereits weiterübereignet worden seien. Sie befänden sich nicht mehr im Eigentum des Antragsgegners. Eine Rückgabe an die Antragstellerin scheide damit definitiv aus.
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Aus einem sich in den Akten des Antragsgegners befindlichen Schreiben der Klinik für Pferde der L. …-Universität M. … vom 10.10.2024 an das Landratsamt ergibt sich, dass der Hengst „F1. …“ in der Klinik einer umfassenden Untersuchung unterzogen worden ist. Da er an einer Karpalgelenkarthrose leide, die schmerzhaft und unheilbar sei und somit zu chronischen und erheblichen Leiden des Tieres führe, sei eine Euthanasie besprochen und am 20.9.2024 auch durchgeführt worden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten mit den eingereichten Schriftsätzen und die Behördenakte sowie die beigezogene Akte im Verfahren RO 5 K 24.2708 Bezug genommen. Das Gericht hat ferner die Gerichtsakten in den Verfahren RO 4 S 24.750 sowie RO 4 S 24.2338 zum Verfahren beigezogen.
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
17
Gemäß § 80 Abs. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt allerdings nach § 80 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO unter anderem dann, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist oder die Behörde – wie vorliegend bezüglich der Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids – die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders angeordnet hat. In diesen Fällen kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen (bei gesetzlich angeordnetem Sofortvollzug) oder wiederherstellen (bei behördlich angeordnetem Sofortvollzug).
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1. Der Antrag ist zulässig.
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Er ist insbesondere statthaft, da die gegen den Bescheid erhobene Klage keine aufschiebende Wirkung hat. Bezüglich der Ziffer I des Bescheids vom 9.10.2024 wurde der Sofortvollzug seitens des Landratsamts angeordnet, während bezüglich der Zwangsgeldandrohung in Ziffer II die sofortige Vollziehbarkeit aus Art. 21a Abs. 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) folgt. Die Kostenentscheidung in Ziffer III des Bescheids teilt als Nebenentscheidung zur Sachentscheidung deren rechtliches Schicksal, weshalb sich die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs insoweit nach der Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Sachentscheidung richtet. Daher entfällt auch insoweit die aufschiebende Wirkung der Klage (so BayVGH, B.v. 8.11.2013 – 22 CS 13.1186 – juris, str. vgl. zum Streitstand: Schoch in: Schoch/Schneider, 46. EL August 2024, VwGO § 80 Rn. 140 ff.).
20
Der streitgegenständliche Bescheid ist auch noch nicht bestandskräftig. Die Antragstellerin hat innerhalb der nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, Art. 12 Abs. 2 AGVwGO geltenden einmonatigen Klagefrist Anfechtungsklage erhoben. Der streitgegenständliche Bescheid wurde der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 16.10.2024 zugestellt. Gemäß den §§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 Abs. 1 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1, 193 BGB endete damit die Klagefrist am Montag, den 18.11.2024. Das reguläre Ende der Frist fiel auf einen Samstag (16.11.2024), weshalb sich die Klagefrist bis zum Montag, den 18.11.2024, verlängerte. Die Klageerhebung an diesem Tag war mithin fristgemäß.
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2. Der Antrag ist nicht begründet.
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Im Rahmen der Begründetheitsprüfung hat das Gericht eine eigene, originäre Interessenabwägung vorzunehmen, im Rahmen derer zu ermitteln ist, ob das Suspensivinteresse der Antragstellerin oder das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Dabei sind maßgeblich die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten einer Klage im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen. Während dem Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich unzulässigen oder unbegründeten Klage kein hohes Gewicht zukommt, ist die aufschiebende Wirkung im Regelfall anzuordnen, wenn der in der Hauptsache erhobene bzw. noch zu erhebende Rechtsbehelf bei summarischer Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein wird (vgl. nur BayVGH, B.v. 25.10.2021 – 20 CS 20.3147 – juris Rn. 2; B.v. 27.3.2019 – 8 CS 18.2398 – juris Rn. 25 m.w.N.). Sind die Erfolgsaussichten hingegen als offen anzusehen, ist die Entscheidung des Gerichts auf der Grundlage einer reinen Interessenabwägung zu treffen (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 93 m.w.N.).
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Ordnet eine Behörde den Sofortvollzug gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 VwGO an, so muss sie in formeller Hinsicht gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich begründen. Die Pflicht zur Begründung soll der Behörde den bestehenden Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, mit Sorgfalt zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollziehungsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Diese vom Gesetzgeber beabsichtigte „Warnfunktion“ beruht letztlich auf dem besonderen Stellenwert, den die Verfassung der aufschiebenden Wirkung beimisst (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 80 Rn. 84 m.w.N.). Dem Erfordernis einer schriftlichen Begründung ist nicht bereits genügt, wenn überhaupt eine Begründung gegeben wird. Es bedarf vielmehr einer schlüssigen, konkreten und substantiierten Darlegung der wesentlichen Erwägungen, warum aus Sicht der Behörde gerade im vorliegenden Einzelfall ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben ist und das Interesse des Betroffenen am Bestehen der aufschiebenden Wirkung ausnahmsweise zurückzutreten hat (BVerwG, B.v. 18.9.2001 – 1 DB 26.01 – juris m.w.N. aus Rspr. und Lit). Nicht ausreichend sind dagegen formelhafte Begründungen, die nicht auf den konkreten Einzelfall abstellen (BayVGH, B.v. 7.3.2016 – 10 CS 16.301 – juris Rn. 3; B.v. 9.12.2013 – 10 CS 13.1782 – juris Rn. 16; Kopp/Schenke, VwGO, 30. Aufl. 2024, § 80 Rn. 85 m.w.N.). Auf die materielle Richtigkeit der Begründung kommt es an dieser Stelle nicht an, da das Gericht insofern eine eigene Abwägungsentscheidung zu treffen hat (BayVGH, B.v. 8.2.2021 – 6 CS 21.111 – juris Rn. 29; B.v. 19.8.2014 – 22 CS 14.1597 – juris Rn. 14; B.v. 15.8.2008 – 19 CS 08.1471 – juris Rn. 3). Entscheidend ist allein, dass die gegebene Begründung erkennen lässt, dass sich die Behörde des Ausnahmecharakters der sofortigen Vollziehung bewusst war und dennoch aufgrund konkreter Erwägungen zum Einzelfall ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung bejaht hat (VG Augsburg, B.v. 9.10.2009 – Au 6 S 09.1495 – juris Rn. 54).
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a) Die Anordnungen unter Ziffer I stellen sich in formeller sowie materieller Hinsicht als rechtmäßig dar.
25
aa) Bezüglich der Verpflichtung zur Herausgabe der Equidenpässe in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids hat der Antragsgegner die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet. Die von ihm hierzu gegebene Begründung genügt noch den soeben dargestellten formellen Anforderungen an die Begründungspflicht. Insoweit wird im Bescheids auf die gesetzliche Vorgabe hingewiesen, wonach ein Pferdepass das jeweilige Tier stets begleiten müsse. Auch in Anbetracht des Zeitraums, der bereits seit der Wegnahme der Tiere vergangen sei, könne es nicht hingenommen werden, wenn die Equidenpässe bis zur bestandskräftigen Entscheidung nicht bei den Tieren seien. Zur Beseitigung dieses gesetzeswidrigen Zustandes sei die Anordnung des Sofortvollzugs das geeignete Mittel. Diese Begründung ist in formeller Hinsicht ausreichend. Auf die materielle Richtigkeit der gegebenen Begründung kommt es an dieser Stelle nicht an, denn § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO normiert eine formelle und keine materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung (vgl. nur BayVGH, B.v. 5.5.2022 – 11 CS 22.927 – juris Rn. 18 m.w.N.; B.v. 7.6.2021 – 8 CS 21.720 – juris Rn. 25 m.w.N.). Hinsichtlich der Tragfähigkeit der gegebenen Begründung hat das Gericht eine eigene Interessenabwägung vorzunehmen, im Rahmen derer die für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände gegeneinander abzuwägen sind. Dabei ist dann auch zu berücksichtigen, dass sich bezüglich des Hengstes „F1. …“ der Sachverhalt anders darstellt. Bei diesem Pferd geht es nicht darum, dass die notwendigen Informationen zum Pferd stets beim Pferd verfügbar sein müssen. Da der Hengst nicht mehr lebt, geht es hier vielmehr darum, den Equidenpass einzuziehen, um eine missbräuchliche Verwendung zu verhindern (vgl. dazu unten 2 c)).
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bb) Die Hauptsacheklage wird bezüglich der Verpflichtung in Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich erfolglos sein, weshalb die seitens des Gerichts vorzunehmende Interessenabwägung zulasten der Antragstellerin ausfällt.
27
Das Landratsamt hat die Anordnung zur Herausgabe der Equidenpässe auf § 24 Abs. 3 TierGesG gestützt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift trifft die zuständige Behörde die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts, eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße erforderlich sind. Der Begriff „Verstöße“ bezieht sich insoweit auf die Nichtbeachtung von in § 24 Abs. 1 Satz 1 TierGesG genannten Vorschriften, nämlich auf die Vorschriften des Tiergesundheitsgesetzes und der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften sowie der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft und der Europäischen Union im Anwendungsbereich des Tiergesundheitsgesetzes. Im vorliegenden Fall geht es um die Einhaltung tierseuchenrechtlicher Vorschriften, die in der Durchführungsverordnung (EU) 2021/963 der Kommission vom 10.6.2021 mit Vorschriften zur Anwendung der Verordnungen (EU) 2016/429, (EU) 2016/1012 und (EU) 2019/6 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich der Identifizierung und Registrierung von Equiden und zur Aufstellung von Muster-Identifizierungsdokumenten für diese Tiere (ABl. L 213 vom 16.6.2021, S. 3ff.) und in der Viehverkehrsverordnung enthalten sind. Da die Viehverkehrsverordnung auf das frühere Tierseuchengesetz gestützt ist, welches die Vorgängerregelung des Tiergesundheitsgesetzes darstellt, kann Verstößen gegen die darin enthaltenen Regelungen mit Anordnungen nach § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG begegnet werden. Nach dem Wortlaut des § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG besteht für die Behörde bei der Feststellung eines Verstoßes bzw. bei absehbaren künftigen Verstößen kein Entschließungsermessen. Sie ist vielmehr zu einem Tätigwerden verpflichtet. Ein Ermessen besteht nur hinsichtlich der Frage, welche von mehreren möglichen Maßnahmen getroffen werden, wobei insoweit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen ist.
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Vorliegend war die in den Bescheiden vom 4.3.2024 und 2.9.2024 verfügte und bereits durchgeführte dauerhafte Wegnahme der Pferde mit einem Wechsel des Halters der Pferde verbunden. Eine Definition des Tierhalters findet sich in den aktuell gültigen tierseuchenrechtlichen Vorschriften nicht. Allerdings enthielt die zwischenzeitlich außer Kraft getretene Equidenpass-Verordnung (Durchführungsverordnung (EU) 2015/262 der Kommission vom 17.2.2015 zur Festlegung von Vorschriften gemäß den Richtlinien 90/427/EWG und 2009/156/EG des Rates in Bezug auf die Methoden zur Identifizierung von Equiden, ABl. L 59 vom 3.3.2015, S. 1 ff.) in deren Art. 2 Bucht. c) eine Definition, auf die zurückgegriffen werden kann. Halter ist danach jede natürliche oder juristische Person, die im Besitz von Equiden bzw. für deren Haltung zuständig ist, und zwar unabhängig davon, ob entgeltlich oder unentgeltlich bzw. ob befristet oder unbefristet (z. B. während eines Transports, auf Märkten, bei Wettkämpfen, Rennen oder kulturellen Veranstaltungen). Nach der Wegnahme der Tiere verlor die Antragstellerin folglich ihre Haltereigenschaft, und zwar unabhängig davon, ob sie auch das Eigentum an den Tieren verloren hat. Nach § 44c Abs. 1 Nr. 1 ViehVerkV darf ein Tierhalter einen Einhufer nur dann in seinen Bestand übernehmen, wenn dieser von einem Equidenpass begleitet wird. Verstößt ein Tierhalter gegen diese Vorschrift, handelt er gemäß § 40 Abs. 1 Nr. 24 ViehVerkV ordnungswidrig. Diese für den neuen Halter bestehende gesetzeswidrige Situation kann nur durch die getroffene Anordnung bereinigt werden. Ein milderes Mittel zur Erreichung rechtmäßiger Zustände ist insoweit nicht ersichtlich. Insbesondere scheidet eine Neuausstellung eines Equidenpasses aus; denn eine solche ist nur möglich, wenn der Pass verlorengegangen ist, ohne behördliche Genehmigung verändert oder ersetzt oder das betreffende Tier nicht fristgerecht identifiziert wurde (vgl. Art. 25 Abs. 1 und 26 Abs. 1 VO (EU) 2021/963). Bei der Herausgabeanordnung handelt es sich somit um die einzig zielführende Anordnung.
29
Zwar lebte der Hengst „F1. …“ zum Zeitpunkt des Erlasses der Herausgabeanordnung für die Equidenpässe nicht mehr, was im Bescheid nicht berücksichtigt worden ist. Gleichwohl musste auch für den ihn betreffenden Pass die Herausgabe angeordnet werden. Die Herausgabe dient insoweit der Sicherstellung der aus Art. 27 VO (EU) 2021/963 und § 44b Abs. 1 Satz 1 ViehVerkV folgenden Verpflichtung. Danach ist der Pass nach dem Tod eines Equiden ungültig zu machen und an die Ausstellungsstelle zurückzugeben, was vorliegend noch nicht erfolgt ist. Dementsprechend lag auch insoweit ein Verstoß gegen tierseuchenrechtliche Vorschriften vor, der ein Einschreiten der Behörde notwendig machte, wobei auch dieser Verstoß bußgeldbewehrt ist (vgl. § 46 Abs. 1 Nrn. 31 und 32 ViehVerkV). Da auch diesbezüglich nur die Anordnung der Herausgabe des Equidenpasses als Maßnahme infrage kommt, ist die Anordnung nicht zu beanstanden.
30
Nichts Anderes gilt, wenn man den Herausgabeanspruch auf § 16a Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 2 HS. 1 des Tierschutzgesetzes (TierSchG) stützen wollte. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kann die Herausgabepflicht bezüglich der Equidenpässe auch als Annexentscheidung zu der im vorliegenden Fall mit Bescheiden vom 4.3.2024 und 2.9.2024 angeordneten dauernden Wegnahme der Pferde angesehen werden (vgl. dazu: BayVGH, B.v. 8.1.2016 – 20 CS 16.1193 – juris Rn. 32). Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Ermächtigungsgrundlage sind dieselben wie diejenigen des § 24 Abs. 3 Satz 1 TierGesG. Auch § 16a Abs. 1 Sätze 1 und 2 Nr. 2 HS. 1 TierSchG eröffnet der Behörde kein Entschließungsermessen, sondern verpflichtet diese bei Vorliegen eines festgestellten Verstoßes bzw. bei absehbaren künftigen Verstößen zu einem Tätigwerden. Eröffnet wird der zuständigen Behörde nur ein Auswahlermessen hinsichtlich der in den einzelnen Ziffern des § 16a Abs. 1 TierSchG genannten möglichen Maßnahmen, das sie unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auszuüben hat (BayVGH, B.v. 8.1.2016 – 20 CS 16.1193 – juris Rn. 26 m.w.N. aus Lit. und Rspr.).
31
Schließlich besteht auch ein besonderes Vollzugsinteresse, das die Anordnung trägt. Es wurde bereits dargelegt, dass die Equidenpässe der noch lebenden Tiere grundsätzlich immer beim Halter der Pferde sein müssen. Eine Veräußerung der Tiere ohne Pässe ist nicht möglich und als Ordnungswidrigkeit ausgestaltet. Damit soll sichergestellt werden, dass die im Pass enthaltenen und das Pferd betreffenden Informationen stets zeitnah verfügbar sind. Dementsprechend überwiegt das Interesse an der sofortigen Herausgabe der Equidenpässe das Interesse der Antragstellerin. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin im Verwaltungsverfahren vorgetragen hat, die Pässe behalten zu wollen, weil sie auf die Rückgabe der Pferde hoffe. Insoweit ist jedoch zu bedenken, dass die Pässe im Falle einer (unwahrscheinlichen) Rückgabe der Pferde an die Antragstellerin ohne Weiteres ebenfalls auch wieder an diese zurückgegeben werden könnten.
32
In Bezug auf den Equidenpass für das Pferd „F1. …“ ergibt sich das besondere Vollzugsinteresse daraus, dass der Pass schnellstmöglich ungültig gemacht und an die ausstellenden Behörde zurückgegeben werden muss, um jeglichen Missbrauch zu verhindern. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, worin das besondere Interesse der Antragstellerin am Behaltendürfen des Passes liegen sollte.
33
Nach alledem hat die entscheidende Kammer keine rechtlichen Bedenken im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung unter Ziffer I des streitgegenständlichen Bescheids.
34
b) Auch die Zwangsgeldandrohung in Ziffer II des Bescheids vom 9.10.2024 ist nicht zu beanstanden. Sie beruht auf Art. 18, 19 Abs. 1 Nr. 2, 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Es bestehen auch keine Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit der Androhung eines Zwangsgeldes. Da eine vollstreckbare – hier eine für sofort vollziehbare – Grundverfügung vorlag, durfte eine Zwangsgeldandrohung erfolgen (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG). Es bestanden auch keine Zweifel im Hinblick auf die Herausgabeverpflichtung wegen ungeklärter Eigentumsverhältnisse an den betroffenen Pferden, wie dies die Antragstellerin meint. Bereits oben wurde dargelegt, dass die Equidenpässe beim Pferdehalter aufzubewahren sind, und zwar unabhängig von den Eigentumsverhältnissen. Halterin war die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Anordnung ohne Zweifel nicht mehr. Darüber hinaus bestehen keine Bedenken im Hinblick auf die der Antragstellerin für die Herausgabe der Pässe gesetzten Frist von einer Woche nach Zustellung des Bescheids. Innerhalb dieser Frist konnte der Antragstellerin die Herausgabe billigerweise zugemutet werden (vgl. Art. 36 Abs. ein Satz 2 VwZVG).
35
c) Schließlich bestehen auch keine Bedenken im Hinblick auf die Kostenentscheidung in den Ziffern IV und V des Bescheides. Sie beruht auf Art. 1, 2 Abs. .2, Art. 5 und 6 des Kostengesetzes (KG) i.V.m. Tarif-Nr.7.1X.10/2.5. des Kostenverzeichnisses (KVz).
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Im Ergebnis war der Antrag daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
37
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 und 2 GKG und den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Nach Nr.1.5 des Streitwertkatalogs ist der sich im Hauptsacheverfahren ergebende Streitwert (5.000,00 EUR gemäß § 52 Abs. 2 GKG) im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren.