Inhalt

OLG Nürnberg, Beschluss v. 03.02.2025 – 16 W 131/25
Titel:

Folgen der Zurücknahme einer Streitwertbeschwerde

Normenketten:
GKG § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2, § 68 Abs. 3
ZPO § 516 Abs. 3
Leitsätze:
Zu den Auswirkungen der Zurücknahme einer auf Streitwerterhöhung gerichteten Beschwerde auf die Möglichkeit zur amtswegigen Streitwertreduzierung durch das Rechtsmittelgericht (Rn. 1 – 4)
1. Wird eine Streitwertbeschwerde zurückgenommen, ist eine förmliche Entscheidung in der Regel nicht mehr erforderlich, gleichwohl kann aber ein klarstellender Beschluss geboten sein. Eine solche Sachlage kann wegen der Möglichkeit der amtswegigen Streitwertänderung gegeben sein. (Rn. 1) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zwar gilt gem. § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG, dass die Streitwertfestsetzung des Erstgerichts auch vom Rechtsmittelgericht unter anderem dann von Amts wegen geändert werden kann, wenn das Verfahren wegen der Entscheidung über den Streitwert in der Rechtsmittelinstanz "schwebt". Dabei greift in dem von § 63 Abs. 3 S. 2 GKG vorgegebenen zeitlichen Rahmen auch kein Verböserungsverbot. Zudem räumt § 63 Abs. 3 GKG grundsätzlich keinen Ermessensspielraum für eine rechtlich gebotene Streitwertanpassung ein. Vielmehr ist das Gericht zur Änderung verpflichtet, wenn es die Unrichtigkeit der vorherigen Wertfestsetzung erkennt, wobei es den Beteiligten zuvor rechtliches Gehör gewähren muss. (Rn. 3) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Änderungsmöglichkeit des Beschwerdegerichts gem. § 63 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 GKG entfällt, wenn das Verfahren über die Streitwertbeschwerde nicht mehr in der Rechtsmittelinstanz "schwebt". Das kann dann der Fall sein, wenn sich das Rechtsmittel zB durch Zurücknahme bereits anderweitig erledigt hat. Da eine entsprechende Anwendung des § 516 Abs. 3 S. 2 ZPO im Streitfall nicht erforderlich war, kommt es für den Wegfall der Änderungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts nicht mehr auf die Zäsurwirkung der Mitteilung eines solchen (formal) verfahrensabschließenden Beschlusses an. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Streitwertbeschwerde, amtswegige Streitwertänderung, Rücknahme des Rechtsmittels, Verböserungsverbot, Sechsmonatsfrist
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 18.07.2024 – 6 O 6779/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 4335

Tenor

1. Eine Entscheidung über die Streitwertbeschwerde der Beklagtenvertreter vom 20. Dezember 2024 gegen die im klageabweisenden Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 18. Juli 2024, Az.: 6 O 6779/23, vorgenommene Festsetzung des Gebührenstreitwerts ist aufgrund Zurücknahme des Rechtsmittels mit Schriftsatz vom 29. Januar 2025 nicht mehr veranlasst.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

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1. Wird eine Streitwertbeschwerde zurückgenommen, ist eine förmliche Entscheidung in der Regel nicht mehr erforderlich, gleichwohl kann aber ein klarstellender Beschluss geboten sein (BeckOK KostR/Laube, 47. Ed. 1.10.2024, GKG § 68 Rn. 155). Eine solche Sachlage war vorliegend wegen der Ausführungen unter 2. zur Möglichkeit der amtswegigen Streitwertänderung gegeben. Demgegenüber bedurfte es mit Blick auf die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens (§ 68 Abs. 3 GKG) keines weitergehenden Ausspruchs über die (Kosten-)Folgen der Rechtsmittelrücknahme in analoger Anwendung von § 516 Abs. 3 Satz 2 ZPO (allg. dazu z.B. Stein/Jacobs, 23. Aufl. 2018, ZPO § 572 Rn. 43). Der Ausnahmefall, dass im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gerichtliche Auslagen entstanden sind (vgl. Laube, a.a.O., GKG § 68 Rn. 157), liegt nicht vor.
2
2. An einer Abänderung der landgerichtlichen Festsetzung des Gebührenstreitwerts für das Verfahren in erster Instanz betreffend einen Datenschutzverstoß aufgrund Meldung eines Mobilfunkvertragsschlusses (sog. Positivdaten) an die X ist das Beschwerdegericht aufgrund der Zurücknahme des Rechtsmittels gehindert.
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a) Zwar gilt gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG, dass die Streitwertfestsetzung des Erstgerichts auch vom Rechtsmittelgericht unter anderem dann von Amts wegen geändert werden kann, wenn das Verfahren (allein) wegen der Entscheidung über den Streitwert in der Rechtsmittelinstanz schwebt. Dabei greift in dem von § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG vorgegebenen zeitlichen Rahmen – d.h. hier innerhalb von sechs Monaten ab Rechtskraft, die erst am 23.09.2024 eingetreten ist – auch kein Verböserungsverbot (allg.M., z.B. Laube, a.a.O., GKG § 68 Rn. 161). Zudem räumt § 63 Abs. 3 GKG grundsätzlich keinen Ermessensspielraum für eine rechtlich gebotene Streitwertanpassung ein. Vielmehr ist das Gericht zur Änderung verpflichtet, wenn es die Unrichtigkeit der vorherigen Wertfestsetzung erkennt (BeckOK KostR/Jäckel, 47. Ed. 1.10.2024, GKG § 63 Rn. 29). Denn das Gericht hat stets den richtigen Wert festzusetzen, wobei es den Beteiligten vor einer beabsichtigten Änderung, wie vorliegend im Hinblick auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Hamm im Beschluss vom 22.10.2024 (Az.: I-7 W 25/24, GRUR-RS 2024, 37984) mit Verfügung vom 28.01.2025 geschehen, zuvor rechtliches Gehör gewähren muss (Jäckel, a.a.O., GKG § 63 Rn. 33 f.).
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b) Allerdings entfällt die Änderungsmöglichkeit des Beschwerdegerichts gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG, wenn das Verfahren über die Streitwertbeschwerde nicht mehr in der Rechtsmittelinstanz „schwebt“. Das kann dann der Fall sein, wenn sich das Rechtsmittel – wie hier aufgrund Zurücknahme – bereits anderweitig erledigt hat (vgl. Jäckel, a.a.O., GKG § 63 Rn. 26). Da eine entsprechende Anwendung des § 516 Abs. 3 Satz 2 ZPO im Streitfall nicht erforderlich war (s.o.), kommt es vorliegend für den Wegfall der Änderungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts nicht mehr auf die Zäsurwirkung der Mitteilung eines solchen (formal) verfahrensabschließenden Beschlusses an (dazu z.B. BGH, Beschluss vom 17.03.2015 – II ZR 391/13, BeckRS 2015, 8711). Vielmehr ist unter den gegebenen Umständen von Seiten des Beschwerdegerichts nurmehr noch die Rückleitung der Akten an das Ausgangsgericht zu verfügen. Die weitere Prüfung, ob im Anschluss an das Oberlandesgericht Hamm (a.a.O.) auch bezüglich des Klageantrags zu 1) eine Streitwertreduzierung veranlasst ist, obliegt damit innerhalb der noch laufenden Sechsmonatsfrist nach § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG allein dem hierfür gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GKG zuständigen Erstgericht.
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3. Der Kostenausspruch folgt, wie ausgeführt, aus § 68 Abs. 3 GKG.