Inhalt

LG München I, Endurteil v. 02.12.2025 – 12 O 2366/25
Titel:

Auskunftsanspruch des Krankentagegeldversicherers über Dauer und Höhe des Bezugs einer Berufsunfähigkeitsrente

Normenketten:
VVG § 31 Abs. 1 S. 1
BGB § 242, § 307
MB/KT 2009 § 9 Abs. 2, § 15 Abs. 1 lit. b
ZPO § 254
Leitsätze:
1. Dem Krankentagegeldversicherer kann gegen den Versicherungsnehmer mit Blick auf eine in den AVB enthaltene Regelung über die Beendigung der Leistungspflicht bei Bezug einer Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente oder einer Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die versicherte Person (hier: § 15 Teil II Nr. 2 AVB) ein Anspruch auf Auskunft über die Dauer und Höhe einer etwaig bezogenen Berufsunfähigkeitsrente zustehen. (Rn. 13 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Klausel in den AVB einer Krankentagegeldversicherung, wonach die Leistungspflicht des Versicherers spätestens mit dem Bezug einer Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente oder einer Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die betroffene versicherte Person endet, ist wirksam. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Krankentagegeldversicherung, Berufsunfähigkeitsrente, Auskunftsanspruch, Treu und Glauben, Stufenklage, Berufsunfähigkeitsversicherung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 34211

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, inwieweit der Beklagte über den Zeitraum vom 18.02.2022 bis zum 09.11.2023 eine Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente oder eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen hat;
2. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150,00 € vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt im Rahmen einer Stufenklage auf der ersten Stufe Auskunft über die Dauer und Höhe einer etwaig bezogenen Berufsunfähigkeitsrente auf Seiten des Beklagten.
2
Der Beklagte unterhält seit dem 01.12.2008 bei der Klägerin unter der Versicherungsnummer ... eine private Krankentagegeldversicherung im Tarif 260 und 270 mit einem vereinbarten Tagessatz in Höhe von insgesamt 300,00 Euro, zahlbar ab dem 43. Tag der Arbeitsunfähigkeit. In den dem privaten Krankentagegeldversicherungsvertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) der Klägerin (Anlage K 3), auf die im Übrigen Bezug genommen wird, heißt es auszugsweise:
§ 9 Teil I Nr. 2
„Der Versicherungsnehmer und die als empfangsberechtigt benannte versicherte Person (vgl. § 6 Teil I Nr. 3) haben auf Verlangen des Versicherers jede Auskunft zu erteilen, die zur Feststellung des Versicherungsfalles oder der Leistungspflicht des Versicherers und ihres Umfanges erforderlich ist. Die geforderten Auskünfte sind auch einem Beauftragten des Versicherers zu erteilen.“
§ 15 Teil I Nr. 1 b
„Das Versicherungsverhältnis endet hinsichtlich der betroffenen versicherten Personen mit Eintritt der Berufsunfähigkeit. Berufsunfähigkeit liegt vor, wenn die versicherte Person nach medizinischem Befund im bisher ausgeübten Beruf auf nicht absehbare Zeit mehr als 50% erwerbsunfähig ist. Besteht jedoch zu diesem Zeitpunkt in einem bereits eingetretenen Versicherungsfall Arbeitsunfähigkeit, so endet das Versicherungsverhältnis nicht vor dem Zeitpunkt, bis zu dem der Versicherer seine im Tarif aufgeführten Leistungen für diese Arbeitsunfähigkeit zu erbringen hat, spätestens aber drei Monate nach Eintritt der Berufsunfähigkeit.“
§ 15 Teil II Nr. 2
„Die Leistungspflicht des Versicherers endet spätestens mit dem Bezug einer Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente oder einer Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die betroffene versicherte Person.“
3
Der Beklagte beantragte bei dem Kläger die Zahlung von Krankentagegeld wegen Arbeitsunfähigkeit ab dem 07.01.2022. Der Kläger zahlte daraufhin für den Zeitraum vom 18.02.2022 bis zum 09.11.2023 für 630 Tage Krankentagegeld in Höhe von insgesamt 189.000,00 Euro an den Beklagten. Nachdem der Kläger mit Schreiben einer anderen Versicherung vom 13.12.2023 (Anlage K 4) erfuhr, der Beklagte habe Leistungen wegen Berufsunfähigkeit beantragt, forderte diese den Beklagten auf, Auskunft dazu zu erteilen. Der Beklagte bestätigte mit Schreiben vom 16.01.2024, er habe einen entsprechenden Antrag gestellt, über diesen sei jedoch noch nicht entschieden. Weitere Nachfragen des Klägers vom 29.02.2024 sowie 11.12.2024 (Anlage K 6) zum Stand des Antrags auf Berufsunfähigkeitsrente blieben vom Beklagten unbeantwortet. Über den 09.11.2023 hinaus erfolgte keine Zahlung von Krankentagegeld seitens des Klägers. Die Krankentagegeldversicherung wird seitdem als Anwartschaftsversicherung geführt.
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Der Kläger behauptet, in der ersten Stufe einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Beklagten zu haben. Sie ist der Auffassung, ein derartiger Anspruch ergebe sich aus den zugrunde liegenden Vertragsbedingungen § 9 Teil I Nr. 2 S. 1 iVm §§ 31 Abs. 1 S. 1 VVG, 242 BGB, da aus dem Versicherungsvertrag ein Treueverhältnis zwischen den Parteien vorliege. Erst nach Erteilung der Auskunft sei der Leistungsantrag unter Ziffer 2 bestimmbar, da sich erst aus der Auskunft des beklagten ergebe, welche bereits erbrachten Leistungen der Kläger zurückverlangen kann.
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Der Kläger beantragt,
1.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft darüber zu erteilen, inwieweit der Beklagte über den Zeitraum vom 18.02.2022 bis zum 09.11.2023 eine Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente oder eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen hat;
2.
Den Beklagten zu verurteilen, nach Erteilung der Auskunft sich ergebende Beträge, die dann beziffert werden, an den Kläger nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab 27.03.2025 zu zahlen; Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Der Beklagte ist der Auffassung, für einen Auskunftsanspruch bestünde keinerlei Anspruchsgrundlage. Insbesondere ergebe sich aus § 31 VVG lediglich eine Obliegenheit, welche nicht als Rechtsgrundlage für einen Anspruch tauglich sei. Ein Rückgriff auf § 242 BGB sei deshalb nicht möglich. Zudem ist er der Ansicht, die Klausel des § 15 Teil II Nr. 5 AVB sei gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam.
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Das Gericht hat am 28.10.2025 mündlich verhandelt. Insoweit wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen. Hinsichtlich des übrigen Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen sowie den restlichen Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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I. Die Klage ist zulässig und begründet.
A.  Zulässigkeit
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Die Klage ist zulässig, da insbesondere die besonderen Voraussetzungen der Stufenklage gem. § 254 ZPO vorliegen und das Landgericht München I in sachlicher sowie örtlicher Hinsicht zuständig ist.
1. Besondere Zulässigkeitsvoraussetzungen der Stufenklage § 254 ZPO
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Die Stufenklage ist zulässig, da der Zusammenhang zwischen Auskunfts- und Leistungsbegehren gegeben ist. § 254 ZPO betrifft einen Sonderfall der objektiven Klagehäufung (§ 260 ZPO). Der Kläger kann sich hierbei, wenn und weil ihm das Geschuldete nicht oder nicht hinreichend bekannt ist, die bestimmte Angabe der von ihm beanspruchten Leistungen bis zur Erteilung der geforderten Auskünfte vorbehalten (Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken Urteil vom 26. Juli 2017 – 5 U 9/23 juris. Rn. 59). Abweichend von § 253 II Nr. 2 ZPO ist es deswegen zulässig, einen insoweit noch unbestimmten Leistungsantrag zu stellen (BGH, Urteil vom 3. Juli 2003 – III ZR 109/02 juris Rn. 13). Die begehrte Auskunft dient vorliegend dazu, den Leistungsanspruch zu beziffern bzw. zu konkretisieren. Dem Kläger ist es vorliegend nicht möglich, einen etwaigen Rückzahlungsanspruch konkret zu bestimmen, ohne vorher vom Beklagten Auskunft über etwaig ausgezahlte Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zu erhalten. Das Unvermögen des Klägers, einen Rückzahlungsanspruch zu bestimmen, beruht gerade auf Unkenntnis des Anspruchsumfangs. Darüber hinaus richtet sich das Auskunfts- und das Leistungsbegehren vorliegend gegen denselben Beklagten.
2. Zuständigkeit
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Das Landgericht München I ist in sachlicher sowie örtlicher Hinsicht zuständig. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich aus §§ 1, 5 Hs. 1 ZPO i.V.m. §§ 23 Abs. 1, 71 Abs. 1 GVG. Die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts München I ergibt sich aus den §§ 12, 13 ZPO.
B.  Begründetheit
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Die zulässige Stufenklage ist in der Auskunftsstufe (1. Stufe) begründet. Der Kläger hat auf Grundlage des § 242 BGB i.V.m. § 31 Absatz 1 VVG i.V.m. § 9 Teil I Nr. 2 der AVB einen Auskunftsanspruch gegen den Beklagten.
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1. Zunächst ergibt sich aus § 9 Teil I. Nr. 2 der AVB in Verbindung mit § 31 Abs. 1 VVG die Obliegenheit des Beklagten vorliegend auf Erteilung jeder Auskunft, die der Versicherer anfordert zur Leistungsprüfung bzw. zur Feststellung des Vorliegens des Versicherungsfalls. Daraus ergibt sich die Obliegenheit zur Mitwirkung des Beklagten, wenn es um die Überprüfung des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen zu den bereits erfolgten Krankentagegeldzahlungen durch den Kläger geht. Vorliegend hat der Kläger den Beklagten aufgefordert, nach seinem entsprechenden Antrag im Hinblick auf die etwaige Zahlung einer Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrentean ihn Auskunft zu erteilen. Sie hatte auch ein berechtigtes Interesse daran, denn wie sich aus § 15 Teil II Nr. 2 der AVB ergibt, erlischt die Leistungspflicht des Klägers spätestens mit Bezug einer solchen Rente.
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Zwar ist insoweit dem Beklagten zuzugeben, dass es sich bei § 31 Abs. 1 VVG und auch bei § 9 Teil I. Nr. 2 der AVB um Mitwirkungsobliegenheiten handelt, welche grundsätzlich keine einklagbare Pflicht des Versicherungsnehmers darstellen. Jedoch beruht § 31 Abs. 1 VVG auf dem Gedanken einer kooperativen Regulierung des Versicherungsfalles auf der Basis eines strukturierten, von Treu und Glauben beherrschten Informations- und Kommunikationsprozesses, der die zwischen den Vertragsparteien bestehende Informationsasymmetrie ausgleichen und dem Versicherer damit die Prüfung seiner eventuellen Leistungspflicht ermöglichen soll (vgl. BGH IV. ZR 289/14, Rn. 31, Brömmelmeyer in Bruck/Müller, 9. Aufl. § 31 VVG Rn 2). Daraus wird deutlich, dass der Informationsprozess zwischen den Vertragsparteien auf dem Grundsatz von Treu und Glauben fußt. Daraus ergibt sich, dass ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen ein Auskunftsanspruch nach § 242 BGB im Rahmen einer Obliegenheitsverletzung vorliegen kann.
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Die Zubilligung des Auskunftsanspruchs hat unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu erfolgen (BGH IV ZR 177/22).
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Notwendig für das Vorliegen eines solchen Auskunftsanspruchs nach § 242 BGB ist dabei, dass ein Rechtsverhältnis zwischen den Parteien vorliegt, dessen Natur es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über Bestehen oder Umfang seines Rechts im Ungewissen und der Verpflichtete in der Lage ist, unschwer die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen (BGH – IV ZR 252/22). Der Kläger kann sich vorliegend ohne Mitwirkung des Beklagten die erbetenen Informationen zum Bezug einer etwaigen Berufsunfähigkeitsrente des Beklagten nicht selbst beschaffen. Der Kläger befindet sich hinsichtlich des Umfangs seines Rechts in entschuldbarer Weise im Ungewissen, wohingegen der Beklagte hier unproblematisch Auskunft hinsichtlich erlangter Zahlungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung in dem Zeitraum, in dem der Kläger Krankentagegeldzahlungen an den Beklagten geleistet hat, geben kann.
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Zwischen dem Kläger und dem Beklagten besteht auch eine besondere rechtliche Beziehung (BGH, IV ZR 252/22 juris. Rn. 22; BGH VI ZR 222/16, juris Rn. 13), die sich aus dem bestehenden Krankentagegeldversicherungsvertrag ergibt.
18
Insbesondere erfolgt die Zubilligung des Auskunftsanspruchs hier auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls und unter Wahrung der Grenzen der Zumutbarkeit. Dem Kläger verbleibt vorliegend keine andere Möglichkeit, Auskunft zu erhalten. Insbesondere das Vorbringen des Beklagten hinsichtlich einer von der Klägerin selbst verursachten Regelungslücke im Rahmen der AVB steht einem Rückgriff auf § 242 BGB nicht entgegen. Grundsätzlich befindet sich in § 9 der AVB eine Mitwirkungsverpflichtung des Beklagten als Versicherungsnehmer in Form einer Obliegenheit. Im Rahmen der aufgrund des Versicherungsverhältnisses zwischen den Parteien vorliegenden Treueverhältnis, welches in besonderem Maß auf das wechselseitige Vertrauen der Parteien gegründet ist (BGH IV ZR 289/14, juris Rn 59) und welches gegenseitige Informationspflichten beinhaltet, kann somit der Versicherer damit rechnen, dass im Rahmen dieser Obliegenheitsregelung der Versicherungsnehmer seiner Mitwirkungsverpflichtung grundsätzlich nachkommt. Mithin gibt es keine Regelungslücke in den AVB, da der Versicherer mit einem treuwidrigen Verhalten des Vertragspartners nicht zu rechnen braucht. Der Rückgriff auf § 242 BGB als Anspruchsgrundlage für den Auskunftsanspruch gebietet sich vorliegend gerade deshalb, weil vorliegend dem Kläger als Versicherer hier eine andere Möglichkeit zur Auskunft nicht gegeben ist. Die Auskunftsverweigerung des Beklagten stellt sich insoweit als treuwidrig dar. Er kann nämlich nicht davon ausgehen, dass er gleichzeitig Versicherungsleistungen aus der Krankentagegeldversicherung und auch aus der Berufsunfähigkeitsversicherung beziehen kann. Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit sind unterschiedliche Arten einer gesundheitlich bedingten Beeinträchtigung, die einander typischerweise ausschließen (vgl. OLG Saarbrücken, r+s 2017, 362 Rn. 27). Die Krankentagegeldversicherung soll nur den Schaden ausgleichen, der durch Verdienstentgang aufgrund von Arbeitsunfähigkeit entsteht. Das geht auch klar aus § 15 Teil I Nr. 1 b und § 15 Teil II Nr. 2 der AVB hervor, denn es ergibt sich daraus, dass bei Vorliegen einer Berufsunfähigkeit die Leistungspflicht hinsichtlich der Krankentagegeldzahlung entfällt. Dies war dem Beklagten auch erkennbar, wenn er die AVB als durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer bei verständiger Würdigung liest. Folglich kann er nicht davon ausgehen, gleichzeitig Versicherungsleistungen aus der Krankentagegeldversicherung und der Berufsunfähigkeitsversicherung zu beziehen bzw. behalten zu können. Dabei verletzt er durch sein eigennütziges Verhalten die Belange des Versicherers sowie der Versichertengemeinschaft und stört insoweit das aus dem Vertragsverhältnis folgende Vertrauensverhältnis. Damit ist hier das Aufklärungsinteresse des Versicherers in elementarer Weise berührt (vgl. OLG Köln, r+s 1990, 284). Eine andere Beurteilung würde den Kläger nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unzumutbar benachteiligen. Mithin kann hier ausnahmesweise ein Rückgriff auf den Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB erfolgen.
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2. Soweit der Beklagte vorbringt, bei der Klausel § 15 Teil II Nr. 2 AVB handelte es sich um eine unwirksame Klausel im Sinne des § 307 Abs. 1 BGB aufgrund Verstoßes gegen Treu und Glauben wegen unangemessener Benachteiligung, so verfängt diese Ansicht nicht. Unangemessen ist eine Klausel dann, wenn sie die Interessen des Verwenders gegenüber den Interessen des anderen Vertragsteils einseitig zugunsten des Verwenders zur Geltung bringt, ohne dass dies durch berechtigte Interessen des Verwenders gerechtfertigt ist (vgl. BGH NJW 1987,2431 m.w.N.). Dies ist immer dann der Fall, wenn eine Regel für den anderen Vertragsteil unzumutbar ist (u.a. BGH NJW 1986, 3134). Vorliegend handelt es sich um eine Regelung, die die Leistungspflicht des Versicherers entfallen lässt, wenn an die Stelle der bisher vorliegenden Arbeitsunfähigkeit eine Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers tritt. Dies stellt keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers dar, da es sich bei der Krankentagegeldversicherung um eine Versicherung handelt, welche den Verdienstausfall des Versicherungsnehmers als Folge von Krankheiten oder Unfällen bei vorübergehender Arbeitsunfähigkeit absichert (vgl. § 1 Teil I AVB). Dies ergibt sich eindeutig aus der Regelung der AVB, die ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer unzweideutig aus der Regelung zu entnehmen in der Lage ist. Die Versicherung sichert demgegenüber gerade nicht den Fall ab, dass ein Versicherungsnehmer dauerhaft seinen Beruf nicht mehr ausüben kann. Dies ergibt sich aus dem Wort „vorübergehend“ und im weiteren Verlauf der AVB der Definition der Berufsunfähigkeit als „auf nicht absehbare Zeit“ nicht in der Lage, seinen Beruf auszuüben (§ 15 Teil I AVB). Damit ist für den Versicherungsnehmer eindeutig erkennbar, dass ein Unterschied besteht zwischen Arbeitsunfähigkeit und Berufsunfähigkeit. Insoweit verkennt der Beklagte, dass § 15 Teil II Nr. 2 AVB nicht die einzige Rechtsfolge bezogen auf das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers normiert. Vielmehr ergibt sich aus § 15 Teil I Nr. 1 b), Nr. 2 AVB, dass mit Eintritt der Berufsunfähigkeit das Versicherungsverhältnis endet und die Möglichkeit der Fortführung einer Anwartschaft insoweit besteht. Damit tragen die Regelungen in § 15 der Tatsache Rechnung, das Sinn und Zweck der Krankentagegeldversicherung eben die Absicherung von Verdienstausfall wegen Arbeitsunfähigkeit darstellt. Im Gegensatz dazu ist Sinn und Zweck eine Berufsunfähigkeitsversicherung, die Absicherung des Verdienstausfalles für den Fall des Eintritts einer Berufsunfähigkeit. Beides kann nicht gleichzeitig vorliegen, sodass die Beendigung des Krankentagegeldversicherungsvertrages bei Eintritt der Berufsunfähigkeit und kongruent dazu der Entfall der Leistungspflicht des Versicherers dem Sinn und Zweck der abgeschlossenen Versicherung entspricht, demzufolge den Versicherungsnehmer nicht unangemessen benachteiligt. Ob ein Versicherungsnehmer den Auszahlbetrag im Rahmen der Krankentagegeldversicherung und denselben im Rahmen der Berufsunfähigkeitsversicherung bei Abschluss der Versicherung in gleicher Höhe oder unterschiedlich wählt, unterliegt der Vertragsfreiheit und führt deshalb nicht zur unangemessenen Benachteiligung des Versicherungsnehmers, da er insoweit selbst darüber entscheidet, welchen Vertrag er abschließt.
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Danach scheidet eine Unwirksamkeit der Klausel nach § 307 Abs. 1 BGB vorliegend aus, sodass diese hinsichtlich des Auskunftsanspruchs herangezogen werden kann.
21
Damit ist der Auskunftsanspruch begründet und der Klage war auf der 1. Stufe durch Teilurteil stattzugeben.
II. Vorläufige Vollstreckbarkeit
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Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht für die Auskunftsstufe auf § 709 S. 1 ZPO. Die Kostenentscheidung ist dem Schlussurteil vorbehalten.