Inhalt

OLG München, Beschluss v. 08.10.2025 – 33 W 1013/25 e
Titel:

Zwangsgeld wegen Verpflichtung zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses

Normenketten:
ZPO § 888 Abs. 1
BGB § 2314
BNotO § 15 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die in der obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelte Pflicht des zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verurteilten Erben, gegen einen seiner Urkundstätigkeit nicht ordnungsgemäß nachkommenden Notar im Wege der Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO oder disziplinarrechtlich vorzugehen, dient allein dem Zweck, den Notar zur Erfüllung seiner grundsätzlich bestehenden gesetzlichen Urkundsgewährungspflicht anzuhalten. (Rn. 18)
2. Der Erbe muss eine Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO gegen einen seine Urkundstätigkeit verweigernden Notar nur dann erheben, wenn diese geeignet ist, den Notar zur Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses anzuhalten. (Rn. 19)
3. Will das Gericht die Verhängung eines Zwangsgeldes mit einer nicht erhobenen Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO oder sonstigen Disziplinarmaßnahme begründen, muss es prüfen, ob diese hinreichend Aussicht auf Erfolg gehabt hätten. (Rn. 19)
Schlagworte:
Zwangsgeld, notarielles Nachlassverzeichnis, Beschwerde, Notar, Abhilfeverfahren, Rechtliches Gehör
Vorinstanz:
LG Ingolstadt, Beschluss vom 09.07.2025 – 82 O 686/23 Erb
Fundstellen:
BeckRS 2025, 27169
FDErbR 2025, 027169

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Landgerichts Ingolstadt vom 09.07.2025, Az. 82 O 686/23 Erb, aufgehoben.
2. Der Zwangsgeldantrag der Klägerin vom 19.06.2025 wird zurückgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
1
Der Beschwerdeführer (= Beklagte) wendet sich gegen den Beschluss des Landgerichts vom 09.07.2025, mit dem das Landgericht ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft wegen der Verpflichtung des Beklagten zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses verhängt hat.
2
Der Beklagte ist mit Teilurteil des Landgerichts vom 03.04.2025 zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses nach dem Tod des am 09.10.2022 verstorbenen Erblassers, dem Ehemann der Klägerin und Onkel des Beklagten, verurteilt worden.
3
Am 19.06.2025 beantragte die Klägerin die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen den Beklagten, weil dieser das notarielle Nachlassverzeichnis noch nicht vorgelegt habe.
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Der Beklagte bringt vor, dass ein Notar in Schrobenhausen, den er im Oktober 2024, also schon vor Erlass des Teilurteils kontaktiert hatte, die Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses abgelehnt hat. Daraufhin habe er sich im April 2025 an den Notar Dr. H. in Schwedt, dem letzten Wohnsitz des Erblassers, gewandt und diesen mit der Erstellung eines notariellen Nachlassverzeichnisses beauftragt. Am 15.04.2025 seien alle Unterlagen, einschließlich eines bereits erstellten privatschriftlichen Nachlassverzeichnisses an den Notar in Schwedt übersandt worden. Am 26.06.2025 habe der Beklagte den Notar per Email aufgefordert, nunmehr das notarielle Nachlassverzeichnis zu erstellen. Mit Bescheid vom 04.07.2025 habe der Notar Dr. H./Schwedt die Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses schließlich abgelehnt, weil u. a. ein Beurkundungsverbot gemäß § 14 Abs. 2 BNotO bestehe.
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Mit Beschluss vom 09.07.2025, dem Beklagten zugestellt am 10.07.2025, hat das Landgericht das beantragte Zwangsgeld verhängt.
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Gegen diesen Beschluss hat der Beklagte am 24.07.2025 sofortige Beschwerde eingelegt und diese umfangreich begründet. Er trägt u.a. vor, dass zwischenzeitlich das Notariat F. in Augsburg beauftragt worden sei, das sich bereit erklärt hat, das notarielle Nachlassverzeichnis zu erstellen. Zudem seien alle Unterlagen übermittelt worden. Disziplinarmaßnahmen gegen Notar Dr. H./Schwedt hätten in der Kürze der Zeit keinen Erfolg versprochen.
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Das Landgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 29.07.2025 nicht abgeholfen und die Akten dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
8
Die Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Zu Unrecht hat das Landgericht gegen den Beklagten ein Zwangsgeld verhängt. Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben und der Antrag auf Verhängung eines Zwangsgeldes zurückzuweisen.
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1. Der Senat kann sogleich in der Sache entscheiden, obwohl das Abhilfeverfahren an einem wesentlichen Verfahrensmangel leidet, da das Erstgericht das Vorbringen des Beschwerdeführers in dessen Schriftsatz vom 24.07.2025 vor Erlass der Abhilfeentscheidung vom 29.07.2025 nicht hinreichend berücksichtigt und damit dessen Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt hat.
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a) Zweck des Abhilfeverfahrens ist es, dass das Ausgangsgericht seine Entscheidung noch einmal überprüft und der Beschwerde gegebenenfalls abhilft, bevor das Obergericht mit ihr befasst wird (OLG München, 31 Wx 99/16, FGPrax 2017, 42; MüKoZPO/Hamdorf, 6. Auflage 2020, § 572 Rn. 5). In jedem Falle hat sich das Ausgangsgericht mit dem Beschwerdevorbringen sachlich auseinanderzusetzen, insbesondere um dem Beschwerdegericht die Überprüfung zu ermöglichen, ob das Nachlassgericht seiner Verpflichtung zur Selbstkontrolle nachgekommen ist.
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b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hätte sich das Landgericht mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerdebegründung auseinandersetzen müssen. Allein die floskelhafte Wendung, der Beschwerdeführer habe nicht vorgetragen, alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ausgeschöpft zu haben, um seiner Verpflichtung aus dem Teilurteil vom 03.04.2025 nachzukommen, genügt angesichts des Vortrags des Beschwerdeführers, er habe zwischenzeitlich ein anderes Notariat beauftragt und alle Unterlagen übermittelt, zur Gewährung rechtlichen Gehörs ersichtlich nicht. Auch der Vortrag, Disziplinarmaßnahmen gegen den ablehnenden Notar Dr. H./Schwedt seien wirtschaftlich nicht sinnvoll gewesen, weil zwischenzeitlich ein anderer Notar beauftragt worden sei, wird in der Abhilfeentscheidung nicht berücksichtigt.
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c) Eine Aufhebung der Nichtabhilfeentscheidung und Rückgabe der Akten an das Erstgericht konnte gleichwohl unterbleiben, weil die Sache entscheidungsreif ist und der mit der unterbleibenden Rückgabe der Akten an das Erstgericht einhergehende Verlust einer Instanz angesichts dessen nicht erheblich ins Gewicht fällt.
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2. Die Voraussetzungen für die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen den Beschwerdeführer liegen jedenfalls derzeit nicht vor.
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a) Die Zwangsvollstreckung zur Erfüllung eines titulierten Anspruchs auf Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses richtet sich als unvertretbare Handlung nach § 888 ZPO (BGH, Beschluss vom 13.09.2018, I ZB 109/17, ZEV 2019, 81; Burandt/Rojahn/Horn Erbrecht, 4. Aufl., 2022, § 2314 BGB Rn. 94; Senat, 33 W 775/22, ErbR 2023, 220). Das gilt auch dann, wenn zur Vornahme der Handlung die Mitwirkung eines Dritten – hier des Notars – notwendig ist (OLG Karlsruhe, 9 W 58/20, ZEV 2021, 577).
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Die Vollstreckung dient in diesem Fall dazu, den Willen eines Schuldners insoweit zu beugen, als dieser alles tatsächlich und rechtlich in seiner Macht Stehende zu tun hat, um den Notar zur erforderlichen Mitwirkung zu veranlassen (Zöller/Seibel ZPO, 35. Aufl. 2024, § 888 Rn. 2). Dabei ist es für die Festsetzung einer Zwangsmaßnahme gemäß § 888 Abs. 1 ZPO bedeutungslos, ob und inwieweit der Schuldner in der Vergangenheit alles Erforderliche mit der gebotenen Beschleunigung getan hat, um auf eine zügige Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses hinzuwirken, denn das Zwangsgeld hat – im Gegensatz zum Ordnungsgeld – keinen Sanktionscharakter. Maßgeblich ist vielmehr (allein), ob der Schuldner zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat alles in seiner Macht Stehende getan hat, um die Mitwirkung des beauftragten Notars zu erlangen (OLG Karlsruhe, a. a. O.). Für die Frage, ob Zwangsmaßnahmen gemäß § 888 Abs. 1 ZPO zu verhängen sind, ist mithin darauf abzustellen, ob dem Schuldner zum Zeitpunkt der Entscheidung Maßnahmen oder Handlungen möglich sind, die zur Herbeiführung des geschuldeten Erfolgs – Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses – führen können.
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b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kam die Verhängung eines Zwangsgeldes vorliegend nicht in Betracht.
17
aa) Das Landgericht durfte seine Entscheidung nicht darauf stützen, dass der Beschwerdeführer gegen den ablehnenden Bescheid des Notars Dr. H./Schwedt keine Beschwerde gemäß § 15 Abs. 2 BNotO eingelegt oder sonstige Disziplinarmaßnahmen ergriffen hat, weil es nach Lage der Akten weder geprüft noch festgestellt hat, dass ein solcher Rechtsbehelf in der Sache Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, dass also die Verweigerung der Urkundstätigkeit durch den Notar ohne ausreichenden Grund im Sinne des § 15 Abs. 1 BNotO erfolgt war. Ebenso wenig hat es sich mit der Frage auseinandergesetzt, ob, einen Erfolg der Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO einmal unterstellt, der Erbe dann verpflichtet wäre, notarielle Nachlassverzeichnisse von zwei Notaren erstellen zu lassen.
18
(1) Die Verpflichtung des Erben, gegen einen Notar im Wege der Beschwerde nach § 15 Abs. 2 BNotO oder disziplinarrechtlich vorzugehen, dient dem Zweck, den Notar zu Erfüllung seiner grundsätzlich bestehenden gesetzlichen Urkundsgewährungspflicht durch gerichtliche oder aufsichtsrechtliche Entscheidungen oder Maßnahmen anzuhalten. Gleichzeitig hat der Erbe damit die Möglichkeit, auf die Erfüllung seiner Verpflichtung gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten, ein notarielles Nachlassverzeichnis vorzulegen, über seine sonstigen Mitwirkungspflichten hinaus Einfluss zu nehmen.
19
(2) Deswegen kann der Erbe auf den Weg der Beschwerde gegen einen seine Urkundstätigkeit verweigernden Notar nur dann verwiesen werden, wenn diese zur Erreichung dieses Zwecks geeignet ist, was voraussetzt, dass die Anfechtung des ablehnenden notariellen Bescheids erfolgversprechend gewesen wäre. Auf einen nicht erfolgversprechenden Rechtsbehelf darf der Erbe schon deshalb nicht verwiesen werden, weil die Einlegung eines entsprechenden Rechtsbehelfs keinen Selbstzweck darstellt und es die Interessen des Pflichtteilsberechtigten gebieten, dass der Erbe nur solche Maßnahmen ergreift, die es erwarten lassen, dass er seiner Verpflichtung zur Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses zeitnah nachkommen kann.
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(3) Diese Grundsätze gelten ebenso für etwaige disziplinarrechtliche Maßnahmen des Erben gegen den Notar.
21
bb) Im vorliegenden Fall kann das Ergebnis einer solchen Prüfung offenbleiben, denn der Beschwerdeführer hat innerhalb von drei Wochen nach der Ablehnung der Urkundstätigkeit durch den Notar Dr. H./Schwedt einen anderen Notar gefunden, der bereit ist, das Nachlassverzeichnis zu erstellen und diesem bereits alle dafür erforderlichen Unterlagen zur Verfügung gestellt. Damit hat er zum Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat alles getan, um seiner Verpflichtung aus dem Teilurteil effektiv nachzukommen, denn nach Aushändigung aller Unterlagen steht zu erwarten, dass das notarielle Nachlassverzeichnis zeitnah erstellt werden wird. Der Senat vermag nicht zu erkennen, welche sonstigen erfolgversprechenden Maßnahmen der Beschwerdeführer im konkreten Fall (derzeit) ergreifen könnte, um das geschuldete notarielle Nachlassverzeichnis (schneller) vorlegen zu können.
III.
22
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin, §§ 567 ff., 97 ZPO.
23
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.