Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.07.2025 – 15 CS 25.1021
Titel:

Zulässigkeit eines Nachbareilantrags gegen Baugenehmigung

Normenkette:
VwGO § 80 Abs. 5 S. 1, § 113 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Zulässigkeit eines gegen eine einem Nachbarn erteilte Baugenehmigung gerichteten Eilantrags setzt voraus, dass die streitgegenständliche Baugenehmigung möglicherweise gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die zumindest auch dem Schutz des Nachbarn zu dienen bestimmt sind. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine mögliche Verletzung des sog. Gebietsprägungserhaltungsanspruchs setzt voraus, dass eine genehmigte Wohnnutzung im Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets, das entweder einem Mischgebiet entspricht oder eine Gemengelage darstellt, steht. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bestimmtheit einer Baugenehmigung, Gebietsprägungserhaltungsanspruch, Verletzung des Rücksichtnahmegebots (verneint)., Baugenehmigung, Bestimmtheitsgebot, Rücksichtnahmegebot, Nachbarschutz, Nachbarklage, Gemengelage, Mischgebiet, Wohnnutzung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 07.05.2025 – RO 7 S 25.757
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20803

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 6.250,- € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen eine der Beigeladenen erteilte Genehmigung für den Neubau einer Wohnanlage mit 14 Wohneinheiten und Tiefgarage sowie den vorherigen Abbruch des bestehenden Wohnhauses.
2
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der von der Antragstellerin erhobenen Klage sowie den gleichzeitig begehrten Erlass einer entsprechenden Sicherungsmaßnahme und Zwischenverfügung abgelehnt. Nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung sei davon auszugehen, dass die Baugenehmigung keine nachbarschützenden Rechte der Antragstellerin verletzt. Insbesondere sei die Baugenehmigung hinreichend bestimmt und das Vorhaben verstoße nicht gegen das Rücksichtnahmegebot.
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Mit der eingelegten Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel weiter. Unter Wiederholung und teilweiser Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags macht sie im Wesentlichen geltend, die erteilte Genehmigung leide entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts an Bestimmtheitsmängeln. Im Übrigen verkenne das Verwaltungsgericht, dass die beiden geplanten Mehrfamilienhäuser zu einer Veränderung des Gebietscharakters und einem „sog. trading-down-Effekt“ führten und das Rücksichtnahmegebot in mehrfacher Hinsicht verletzten. Sie hat beantragt,
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unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin erhobenen Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Antragsgegners anzuordnen sowie diesem aufzugeben, unverzüglich der Beigeladenen mit einem für sofort vollziehbar erklärten Bescheid aufzuerlegen, von der vorgenannten Baugenehmigung keinen weiteren Gebrauch zu machen, d. h. sämtliche Baumaßnahmen einzustellen.
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Der Antragsgegner – Landesanwaltschaft Bayern – hat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen
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und verteidigt den angefochtenen Beschluss, dessen Ausführungen durch das Vorbringen der Antragstellerin nicht substantiiert in Frage gestellt würden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf den übermittelten Behördenakt verwiesen.
II.
9
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von der Antragstellerin dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, hat das Verwaltungsgericht den Antrag der Antragstellerin auf vorläufigen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO) zu Recht abgelehnt, weil die Klage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die streitgegenständliche Baugenehmigung verstößt nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz der Antragstellerin zu dienen bestimmt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen Folgendes zu bemerken:
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1. Der im Beschwerdeverfahren wiederholte Vortrag der Antragstellerin, die erteilte Baugenehmigung sei „im Hinblick auf die divergierend angegebene Oberkante des Urgeländes an der nordwestlichen Gebäudeecke des Hauses 2“ sowie die „fehlende Standortangabe der Wärmepumpe in nachbarrelevanter Weise unbestimmt“ verhilft ihr nicht zum Erfolg. In diesem Zusammenhang hat bereits das Verwaltungsgericht zunächst zutreffend darauf hingewiesen, dass die geltend gemachte Divergenz bereits deshalb nicht vorliegt, weil die Baugenehmigung zwar eine Höhenkote von -1,55 und eine solche von -1,50 verzeichnet, letztere allerdings rot durchgestrichen ist. Außerdem hat es überzeugend dargelegt, selbst bei Annahme einer Höhenkote von -1,55 scheide eine Rechtsverletzung der Antragstellerin mangels eines Abstandsflächenverstoßes aus. Beides bestreitet die Antragstellerin inhaltlich nicht. Ihr allein geltend gemachter Einwand, „bereits die Tatsache, dass das Erstgericht in seinem Beschluss zwei Szenarien behandelt“, zeige, „dass die notwendige Eindeutigkeit und Richtigkeit vorliegend gerade nicht gegeben ist“, verkennt, dass es sich hier um zwei voneinander unabhängige rechtliche Begründungen handelt, die jeweils für sich genommen eine diesbezügliche Rechtmäßigkeit der Baugenehmigung aufzeigen. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht mit ausführlicher und nachvollziehbarer Begründung festgestellt, dass der Standort der geplanten Wärmepumpe zwar in den Baugenehmigungsunterlagen nicht konkret verzeichnet, aber gleichwohl aufgrund des einzuhaltenden Schallleistungspegels und der zu wahrenden Abstände zur benachbarten Wohnbebauung ausreichend bestimmbar ist. Mit diesen Argumenten setzt sich die Antragstellerin nicht auseinander. Auch ihr weiteres Vorbringen, ihr Grundstück sei „fehlerhaft schon gar nicht immissionstechnisch betrachtet“ und untersucht worden, blendet die entsprechenden, eingehenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts aus. Dieses ist insoweit – gestützt auf die eingeholte und für plausibel und überzeugend erachtete, immissionsschutzfachliche Stellungnahme des zuständigen Landratsamts – zu dem nachvollziehbaren Schluss gelangt, bei Einhaltung der Auflagen zum zulässigen Schallleistungspegel und den Mindestabständen sei sichergestellt, dass die (eine und nicht, wie von der Antragstellerin ohne weitere Substantiierung behauptet, zwei) Wärmepumpe weder maßgeblich zur Lärmbelastung der Nachbarschaft beiträgt, noch schallschutzrechtlich bedenklich ist.
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2. Auch die weiteren Einwände der Antragstellerin sind unbegründet und verhelfen ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg. Mit zutreffender Begründung hat das Verwaltungsgericht eine mögliche Verletzung des sog. Gebietsprägungserhaltungsanspruchs zulasten der Antragstellerin verneint, weil die genehmigte Wohnnutzung jedenfalls nicht im Widerspruch zur Eigenart des Baugebiets, das entweder einem Mischgebiet entspricht oder eine Gemengelage darstellt, steht. Soweit die Antragstellerin nach Errichtung der beiden geplanten Mehrfamilienhäuser einen sogenannten „trading-down-Effekt“ (vgl. dazu die von der Antragstellerin zitierte Rspr des BayVGH, U.v.15.12.2010 – 2 B 0 9.2419 – juris Rn. 33) befürchtet, teilt der erkennende Senat diese Bedenken nicht. Abgesehen davon, dass das streitgegenständliche Gebiet nach den nicht substantiiert in Frage gestellten Feststellungen des Verwaltungsgerichts nicht, wie von der Antragstellerin behauptet, von „kleinen Wohnhäusern mit Erd- und Dachgeschoss“, sondern auch durch zwei- und dreigeschossige Wohngebäude geprägt ist (das Haus der Antragstellerin selbst verfügt über zwei Geschosse), ist eine entsprechende Verschlechterung oder Belastung der gegenwärtigen Situation aufgrund der geplanten Wohnbebauung weder erkennbar noch dargelegt. Was die abermals geltend gemachte Verletzung des Rücksichtnahmegebots „im Zusammenhang mit den Beeinträchtigungen erheblichen Ausmaßes, die von dem Zu- und Abfahrtsverkehr im Rahmen von Parkvorgängen, insbesondere im Hinblick auf die Tiefgarage ausgehen“ sowie die angeblich erdrückende Wirkung des Bauvorhabens zulasten des Antragstellergrundstücks betrifft, hat das Verwaltungsgericht beides u.a. mit dem Hinweis auf die Entfernung etwa der Tiefgaragenzufahrt vom Wohngebäude der Antragstellerin von 28 m und die eingehaltenen Abstandsflächen zutreffend verneint. Auf die entsprechenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts auf Seite 17 ff. des angefochtenen Beschlusses wird deshalb nochmals ausdrücklich Bezug genommen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Beigeladene hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keinem Kostenrisiko ausgesetzt. Es entspricht deshalb der Billigkeit, dass sie ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (vgl. § 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.1.1, 1.5, 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2025 und entspricht der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).