Inhalt

VG München, Urteil v. 08.05.2025 – M 19L DB 23.4977
Titel:

Disziplinarverfügung (Geldbuße), Polizeibeamter mit Führungsaufgaben, Mäßigungs- und Neutralitätsgebot, Verbreitung von Chemtrail-Theorien, Impfkritiker, Nichtbefolgung von Aufforderungen zu polizeiärztlichen Untersuchungen

Normenketten:
BeamtStG § 47
BeamtStG § 34 Abs. 1
BeamtStG § 33 Abs. 2
BeamtStG § 35 Abs. 1 S. 2
BayDG Art. 14 Abs. 1 S. 2
Schlagworte:
Disziplinarverfügung (Geldbuße), Polizeibeamter mit Führungsaufgaben, Mäßigungs- und Neutralitätsgebot, Verbreitung von Chemtrail-Theorien, Impfkritiker, Nichtbefolgung von Aufforderungen zu polizeiärztlichen Untersuchungen
Fundstelle:
BeckRS 2025, 13750

Tenor

I. Unter Abänderung der Disziplinarverfügung vom 12. September 2023 wird gegen den Kläger die Disziplinarmaßnahme einer Geldbuße in Höhe von 1.000,- EUR verhängt.
II. Der Kläger und der Beklagte haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen eine Disziplinarverfügung des Beklagten, mit der gegen ihn eine Geldbuße in Höhe von 2.500,- EUR verhängt wurde.
2
Der 19... geborene Kläger ist seit dem 1. März 1999 im Polizeidienst des Freistaates Bayern tätig, seit dem 22. Mai 2005 als Beamter auf Lebenszeit. Seine Ernennung zum Polizeioberkommissar (Besoldungsgruppe A 10) erfolgte mit Wirkung vom 1. November 2018. Letztmals beurteilt wurde er im Jahr 2021 mit dem Gesamturteil „10 Punkte“. Vom 1. Mai 2021 bis zum Verbot der Führung der Dienstgeschäfte am 22. September 2021 war der Kläger bei der Polizeiinspektion (PI) … … als Dienstgruppenleiter eingesetzt. Zuvor wurde er in der gleichen Funktion bei der PI … verwendet. Ab dem 4. Oktober 2022 bis 30. September 2023 erfolgte eine Abordnung des Klägers zur PI … Unter dem 10. Oktober 2022 sollte in der PI … die Aufhebung des Verbots der Führung der Dienstgeschäfte erfolgen. Der Kläger erschien nicht, sondern legte in der Folge Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen vor. Schriftlichen Aufforderungen vom 17. Oktober 2022 sowie 14. und 21. Dezember 2022, sich am 9. November 2022, 21. Dezember 2022 bzw. 3. Januar 2023 einer polizeiärztlichen Untersuchung zu unterziehen, kam der Kläger nicht nach. Für die Zeit vom 18. Januar 2023 bis 17. Januar 2025 wurde ihm antragsgemäß Elternzeit bewilligt. Anschließend war der Kläger weiter dienstunfähig erkrankt. Er wurde am 27. März 2025 polizeiärztlich begutachtet. Es wurde festgestellt, dass er zum Untersuchungszeitpunkt aufgrund einer psychischen Gesundheitsstörung mit chronischem Verlauf nicht dienstfähig war und zur Vermeidung einer weiteren Chronifizierung und vorzeitigen Ruhestandsversetzung der gesundheitlichen Beschwerden eine zumindest teilstationäre bzw. vollstationäre Behandlung in einer psychiatrischen oder psychosomatischen Fachklinik erforderlich ist.
3
Der Kläger ist disziplinarsowie strafrechtlich nicht vorbelastet. Er ist verheiratet und Vater einer minderjährigen Tochter.
4
Am 22. September 2021 wurde dem Kläger von Seiten des Beklagten persönlich mitgeteilt, dass gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde. Außerdem wurde ihm gegenüber mit sofortiger Wirkung das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ausgesprochen. Mit Schreiben vom 20. Oktober 2021 wurde der Kläger schriftlich über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens informiert und belehrt; ihm wurde Gelegenheit zur Äußerung gegeben.
5
Unter dem 31. März 2022 und 1. Juni 2022 wurden Persönlichkeitsbilder zum Kläger erstellt.
6
Mit Schreiben vom 10. Mai 2023 wurde der Kläger über die Ausdehnung des Disziplinarverfahrens informiert. Mit Schreiben vom 22. Juni 2023 erfolgte die abschließende Anhörung des Klägers zum Abschluss der disziplinarrechtlichen Ermittlungen.
7
Der Kläger äußerte sich im behördlichen Disziplinarverfahren umfänglich schriftlich, insbesondere mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 13. Januar 2022 (Bl. 66 ff. der Behördenakte – BA), 3. Mai 2022 (Bl. 176 ff. BA), 19. Mai 2022 (Bl. 183 ff. BA), 10. Oktober 2022 (Bl. 213 ff. BA), 13. Oktober 2022 (Bl. 217 BA), 17. Oktober 2022 (Bl. 223 ff. BA), 24. Oktober 2022 (Bl. 230 ff. BA), 11. November 2022 (Bl. 241 f. BA), 6. Dezember 2022 (Bl. 246 ff. BA), 9. Dezember 2022 (Bl. 254 ff. BA), 14. Dezember 2022 (Bl. 263 ff. BA), 23. Dezember 2022 (Bl. 272 f. BA), 23. März 2023 (274 ff. BA), 15. Mai 2023 (Bl. 285 ff. BA), 29. Juni 2023 (Bl. 295 f. BA), 3. Juli 2023 (Bl. 301 ff. BA) und 4. Juli 2023 (Bl. 304 ff. BA).
8
Mit Verfügung vom 12. September 2023 wurde gegen den Kläger als Disziplinarmaßnahme eine Geldbuße in Höhe von 2.500,- EUR verhängt. Auf den Inhalt dieser Verfügung wird verwiesen. Dem Kläger wurde demnach folgender Sachverhalt zur Last gelegt:
„1.
9
Am 16.09.2021 wurde dem PP … … bekannt, dass Sie als Dienstgruppenleiter gegenüber ihrem Schichtbeamten eingehend und nachdrücklich auf die Richtigkeit der sog. „Chemtrail-Theorie“ hingewiesen haben. Gegenüber PHM … äußerten Sie, dass „die Regierenden mit Zusätzen im Flugzeug-Treibstoff die Bevölkerung „blöd“ machen und auf das Wetter Einfluss nehmen würden“. Dadurch „ließen sich die Wetterkatastrophen der letzten Zeit erklären, welche die Regierenden zu Wahlkampfzwecken nutzen würden“.
10
Sie traten auf ihrer Dienststelle zudem als vehementer Impf-Gegner auf. Hierzu sprachen Sie u.a. am 02.09.2021 drei neue Beamte der PI … … auf die „Corona-Impfproblematik“ an, um deren angebliche negativen Folgen aufzuzeigen. Sie empfahlen hierbei u.a. dem bereits geimpften Kollegen POW … „wegen der drohenden Unfruchtbarkeit“ dringend einen Arzt aufzusuchen. Gegenüber PHMin … erklärten Sie, dass die Corona-Impfungen illegal seien und nicht gegen das Corona-Virus helfen würden. Menschen, die sich impfen ließen, würde „die Impfung“ kaputt machen.
11
Des Weiteren weigerten Sie sich, im Dienst einen Mund-Nasen-Schutz zu benutzen und vermieden nach Aussagen der Mitglieder Ihrer Dienstgruppe die Verrichtung von Außendiensten. Laut POM … äußerten Sie hierzu, dass es Ihnen aufgrund einer alten Tauchverletzung nicht möglich wäre, eine FFP-2-Maske über einen längeren Zeitraum zu tragen.
12
Mehreren Kollegen, u.a. PK …, empfahlen Sie zudem, sich mit dem Wahlprogramm der Partei „Die Basis“ auseinanderzusetzen, welches sie selbst als sehr gut empfinden würden.
13
Anlässlich einer ersten Versammlung der Partei „Die Basis“ in B. T. erwähnten Sie gegenüber PK …, dass Sie froh wären, nicht dorthin zu müssen. Sie wüssten nicht, auf welche Seite Sie sich stellen sollten.
14
Am 13.05.2021 wurde durch das Landratsamt B. T.-W. die Schließung der Gaststätte „…“ in … angeordnet. Vorausgegangen waren mehrere Verstöße der Betreiberin gegen das Infektionsschutzgesetz. Sie wurden durch den Dienststellenleiter der PI … …, EPHK …, mit der Umsetzung der Maßnahme beauftragt. Vor Ort äußerten sie laut POK … zu den eingesetzten Einsatzkräften wörtlich: „die Frau hat doch ihr Recht, ihr Handeln ist doch gerechtfertigt.“ Letztlich haben Sie die Schließung der Gaststätte veranlasst und hierzu geäußert, dass die Betreiberin aufgrund der Gesamtumstände eine Schuld träfe.
15
Sie waren bereits am 20.07.2021 aufgrund niederschwelliger Beschwerden aus dem Kollegenkreis sowie kritischer Bemerkungen zu den bestehenden Corona-Beschränkungen durch den Dienststellenleiter der PI … …, EPHK …, eindringlich darauf hingewiesen worden, ihren politischen Standpunkt zu mäßigen.
2.
16
Am 10.03.2022 und 11.03.2022 wurde aufgrund der o.g. Vorfälle das Nutzungsverhalten Ihres dienstlichen Internetzugangs anhand vorhandener Protokolldateien überprüft. Hierbei konnte festgestellt werden, dass in den Monaten Mai 2021 bis September 2021 eine Vielzahl von Webseiten durch sie aufgerufen wurden, die der Thematik „alternative Medien“, Corona-Maßnahmen und Verschwörungserzählungen zuzuordnen sind. Sie besuchten hierbei u.a. folgende Webseiten:
17
Reitschuster.de
18
Impfdilemma.de
19
Corona-Ausschuss.de
20
Mediarebell.de
21
Compact-online.de
Kenfm.de
22
Rubikon.news
Bittel.tv
23
Diebasispartei.de
24
Bündnis-landtag-abberufen.de
Auf1.eu
25
Wetteradler.com
26
Echte-Polizisten.de (Internetpräsenz des Vereins Polizisten für Aufklärung e.V.)
27
Die Webseiten sind zum Großteil der Corona-Leugner- bzw. der Querdenker-Bewegung zuzurechnen.
3.
28
Mit Schreiben PV1- …-mw vom 17.10.2022 wurden Sie durch das PP … … aufgefordert, sich am Mittwoch den 09.11.2022, 11:30 Uhr, beim ärztlichen Dienst der Bayerischen Polizei, I. BPA, 8... M., R. Straße 130, zur Untersuchung vorzustellen. Sie wurden mit gleichem Schreiben auch auf die dienstrechtlichen Konsequenzen einer Nichtbefolgung hingewiesen.
29
Sie erschienen jedoch unentschuldigt nicht zum genannten Untersuchungstermin.
30
Mit Schreiben PV1- …-mw vom 14.12.2022 wurden Sie deshalb erneut aufgefordert, sich am Montag den 21.12.2022, 10:00 Uhr, zur polizeiärztlichen Untersuchung vorzustellen. Diesem Termin blieben sie jedoch erneut unentschuldigt fern.
31
Sie wurden deshalb mit Schreiben PV1- …-mw vom 21.12.2022 zum dritten Mal aufgefordert, sich am Dienstag den 03.01.2023, 11:30 Uhr, zur polizeiärztlichen Untersuchung vorzustellen. Auch diesen Termin haben sie unentschuldigt nicht wahrgenommen.
32
Zur Überprüfung der Polizeidienstfähigkeit / Dienstfähigkeit sind Sie verpflichtet, sich auf Verlangen des Dienstvorgesetzten amts-/ polizeiärztlich untersuchen zu lassen. Diese Verpflichtung beruht auf Art. 128 Abs. 1 BayBG und § 26 Abs. 1 BeamtStG i.V.m. Art. 65 BayBG sowie auf der in § 35 Satz 2 BeamtStG normierten Gehorsamspflicht.
33
Die Weisungsgebundenheit (Gehorsamspflicht) gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums. Damit werden die Funktionstüchtigkeit und Effektivität des Entscheidungsprozesses und Handlungsvollzugs gesichert.“
34
Am 12. Oktober 2023 hat die Bevollmächtigte des Klägers in dessen Namen Klage erhoben und beantragt,
35
die Disziplinarverfügung vom 12. September 2023 aufzuheben.
36
Sie führte u.a. aus, dass es um die Meinungsfreiheit des Klägers gehe. Das Verwaltungsgericht möge die Vorgehensweise der Behörde unter Berücksichtigung dieses Grundrechts, es Selbstbestimmungsrechts und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit beurteilen. Es werde auf Behördenseite mit Schlagworten, wie „Impfgegner“ und „Querdenker“, „Delegitimierung des Staates“ gearbeitet. Die Verfügung enthalte keinen geordneten ermittelten und so dargestellten Sachverhalt, sondern ein Sammelsurium verschiedener Themen mit verschiedenen Wertungen und Ereignisse zu verschiedenen Zeitpunkten, die Meinungsäußerungen oder Behauptungen darstellten. Es liege ein Verstoß gegen das Substantiierungsgebot vor. Der Verfügungsinhalt sei nicht verständlich oder prüfbar. Eine Begründung sei nicht zu finden. Die Akte sei unvollständig. Insbesondere fehlten Fragebögen, die der Ausforschung unter Zuhilfenahme von Kollegen des Klägers gedient hätten. Die „Fragebogenaktion“ stelle überdies keine Zeugeneinvernahme dar, sondern sei Mitarbeiterbeeinflussung. Der Kläger habe keine Kenntnis hiervon gehabt. Es fehle an einem hinreichenden Verdacht bezüglich eines Dienstvergehens. Verstöße seien nicht ermittelt und geordnet dargestellt worden. Der objektiven Aufklärungspflicht sei nicht genügt. Die Ermittlung entlastender Umstände habe nicht stattgefunden.
37
Zu dem Vorwurf, keine Maske getragen zu haben, werde keine Dienstpflichtverletzung dargestellt. Zur Frage des Wahlprogramms der Partei „Basis“ möge es Zeugenvernehmungen geben. Zur Schließung der Gaststätte „…“ sei keine Dienstpflichtverletzung ersichtlich, zumal der Beklagte zugestehe, dass der Kläger die Anordnung hierzu im Rahmen der Verhältnismäßigkeit klug und umsichtig umgesetzt habe. Es sei nicht nachvollziehbar, was mit Mäßigung politischer Standpunkte gemeint sei. Eine Abgrenzung zum Persönlichkeitsrecht und zur Meinungsfreiheit haben nicht stattgefunden.
38
Zu einer Äußerung betreffend vakzin-bedingter Unfruchtbarkeit vom 2. September 2021 gebe es keine Aussage des POW …; ebenso wenig hinsichtlich einer Vernehmung der PHMin … bezüglich der Äußerungen zur Impfung. Überdies sei nicht nachvollziehbar, inwieweit im Hinblick auf die Thematik der Chemtrail-Theorien Verschwörungstheorien geäußert worden seien und der Kläger gegen das Mäßigungsgebot verstoßen habe.
39
Der Kläger habe nicht gegen die Pflicht zur Neutralität verstoßen, zumal er die verfassungsmäßige Ordnung einhalte und respektiere. Er habe eine Wahrheitssowie Offenbarungspflicht und müsse seinen Vorgesetzten Erkenntnisse weitergeben, auch erkannte Unzulänglichkeiten dienstlicher Vorgänge kritisieren. Dem Kläger werde eine eigene Meinung und Besorgnis um seine Gesundheit sowie der seiner Kollegen vorgeworfen. Die stets außerhalb der Dienstzeit, im Rahmen von Erholungspausen in privaten Gesprächen unter Kollegen erfolgten Äußerungen des Klägers gäben keinen Anlass, einen verdienten, hochmotivierten Beamten zu beschuldigen, gegen die Grundsätze der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland nachhaltig und vorsätzlich verstoßen zu haben.
40
Hinsichtlich der Überprüfung der Internetnutzung durch den Kläger sei fraglich, aufgrund welcher Vorfälle dies erfolgt sei. Der Kläger sei insoweit seiner Pflicht nachgegangen, die Szene, mit der er bei Demonstrationen, Versammlungen und Einsätzen in dieser Zeit konfrontiert worden sei, zu studieren.
41
Hinsichtlich der Ausdehnung des Verfahrens (ärztliche Untersuchung) werde gerügt, dass schikanös zu Arztbesuchen aufgefordert worden sei. Die Aufforderungen, sich dienstärztlichen Untersuchungen zu unterziehen, seien trotz entsprechender Nachfragen nicht begründet worden.
42
Der Beklagte beantragte,
43
die Klage abzuweisen.
44
Bezüglich der Begründung wird auf den Schriftsatz des Beklagten vom 14. März 2024 verwiesen. Darin wird u.a. ausgeführt, dass keine formellen Mängel des Verfahrens erkennbar seien. Dem Kläger sei die vollständige Verfahrensakte zur Einsicht überlassen worden. Diese beinhalte die Ergebnisse des Ermittlungsführers mit dem verwendeten Fragebogen sowie den jeweiligen Stellungnahmen der befragten Zeugen. Der Kläger habe seine Äußerungen im Dienst in der Dienststelle gegenüber Kollegen und Kolleginnen getroffen. Er habe somit innerdienstlich gehandelt. Die Mäßigungs- und Neutralitätspflicht des Beamten gebiete, dass er durch seine politische Betätigung im Dienst seine Arbeitsleistungspflicht nicht verletze, den Dienstbetrieb nicht beeinträchtige und keine Störung des Arbeitsfriedens hervorrufe. Regelmäßig habe er sich einer politischen Betätigung im Dienst zu enthalten. Äußerungen dürften nicht die Form von Werbung für bestimmte politische Parteien annehmen.
45
Der Kläger erwiderte mit weiteren Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 23. April 2024, 16. Mai 2024, 24. März 2025, 8. April 2025, 15. April 2025, 29. April 2025, 6. und 7. Mai 2025. Er verwies u.a. auf wiederholte Angebote, ein einvernehmliches Gespräch zu führen. Der Dienstherr habe gegen seine Pflicht verstoßen, den Kläger persönlich anzuhören. Darüber hinaus vertiefte er seinen bisherigen Vortrag zu Verfahrensfehlern und zur Würdigung des vorgeworfenen Sachverhalts, insbesondere auch zur Frage der Reichweite der Meinungsfreiheit.
46
Am 8. Mai 2025 fand die mündliche Verhandlung statt. Bezüglich der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakte mit dem Protokoll über die mündliche Verhandlung sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

47
Die nach Art. 50 Abs. 2 BayDG zulässige Klage gegen die Disziplinarverfügung des Beklagten vom 12. September 2023 ist teilweise begründet. Statt der verfügten Geldbuße von 2.500,- EUR ist die Disziplinarverfügung abzuändern und eine Geldbuße in Höhe von 1.000,- EUR als Disziplinarmaßnahme auszusprechen.
48
Nach Art. 58 Abs. 3 BayDG prüft das Gericht bei einer Klage gegen eine Disziplinarverfügung neben der Rechtmäßigkeit auch die Zweckmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung. Das Gericht ist demnach nicht auf die Prüfung beschränkt, ob der dem Kläger mit der Disziplinarverfügung zum Vorwurf gemachte Lebenssachverhalt tatsächlich vorliegt und disziplinarrechtlich als Dienstvergehen zu würdigen ist, sondern hat – bejahendenfalls – unter Beachtung des Verschlechterungsverbots darüber zu entscheiden, welches die angemessene Disziplinarmaßnahme ist. Anders als sonst bei einer Anfechtungsklage ist das Gericht nicht nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO darauf beschränkt, eine rechtswidrige Verfügung aufzuheben; es trifft vielmehr in Anwendung der in Art. 14 Abs. 1 BayDG niedergelegten Grundsätze innerhalb der durch die Verfügung vorgegebenen Disziplinarmaßnahmenobergrenze eine eigene „Ermessensentscheidung“ (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.2005 – 2 A 4.04 – juris Ls. 2 und Rn. 23; VG München, U.v. 15.2.2022 – M 13L DB 18.2224 – juris Rn. 9). Die Ermächtigung zur Prüfung der Zweckmäßigkeit der Verfügung verdeutlicht, dass das Gericht über eine eigene Disziplinargewalt verfügt (vgl. BVerwG, U.v. 7.11.2024 – 2 C 18/23 – juris Rn. 17). Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt ist der der gerichtlichen Entscheidung (vgl. VG München, B.v. 11.7.2023 – M 13L DB 22.756 – juris Rn. 11 m.w.N.).
49
1. Formelle Mängel des Disziplinarverfahrens, die zur Aufhebung der streitgegenständlichen Disziplinarverfügung führen könnten, liegen nicht vor.
50
a) Es liegen keine durchgreifenden Anhörungsmängel vor. Der Kläger wurde mit der Einleitung sowie der Ausdehnung des Disziplinarverfahrens über seine schriftlichen sowie mündlichen Anhörungsrechte nach Art. 22 Abs. 1 Satz 3 BayDG belehrt. Er erhielt bei allen Verfahrensschritten Gelegenheit zur Äußerung, wovon er umfänglich in schriftlicher Form Gebrauch machte. Zuletzt hat er sich im behördlichen Verfahren im Hinblick auf die abschließende Anhörung vom 22. Juni 2023 und innerhalb der insoweit eingeräumten Stellungnahmefrist bis zum 21. Juli 2023 (vgl. Art. 32 Sätze 1 und 2 BayDG) mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 3. und 4. Juli 2023 geäußert. Soweit er in dem anwaltlichen Schreiben vom 4. Juli 2023 auf das Angebot eines klärenden Gespräches „zwischen dem Beamten und dem Polizeipräsidenten, um diese Angelegenheit aus der Welt zu schaffen“, verwiesen hat, kann dieser Formulierung, auch im Kontext mit der im Schreiben zuvor gerügten Unterlassung von Zeugenvernehmungen, kein Antrag entnommen werden, noch eine ergänzende persönliche Anhörung vorzunehmen. Dies gilt auch mit Blick auf den Antrag des Klägers im Schreiben vom 10. Oktober 2022, mit dem er für den Fall, dass die Behörde das Disziplinarverfahren seinerzeit als beendet betrachtete, eine Anhörung im Beisein seiner Bevollmächtigten begehrte. Das Verfahren wurde anschließend nicht beendet, sondern mit Schreiben vom 10. Mai 2023 ausgedehnt. Der Kläger wurde aus diesem Anlass erneut über seine mündlichen und schriftlichen Anhörungsrechte belehrt, worauf mehrere schriftliche Stellungnahmen des Klägers folgten.
51
b) Der Personalrat wurde antragsgemäß beteiligt und hat der vorgesehenen, später verfügten Disziplinarmaßnahme ausweislich des Schreibens vom 22. August 2023 zugestimmt (vgl. Bl. 319 f. BA).
52
c) Soweit der Kläger das Unterlassen von erforderlichen Zeugeneinvernahmen bzw. das Übergehen von Beweisanträgen in Bezug auf den in der streitgegenständlichen Disziplinarverfügung unter II.1. (erster Tatkomplex) angeführten Sachverhalt rügt und darin einen Verfahrensfehler sieht, kann dies – auch wenn ihm zu folgen ist – nicht zur Aufhebung der Disziplinarverfügung aus formellen Gründen führen. Dies gilt ebenfalls, soweit Beweisanträge durch die Behörde unter Verstoß gegen Art. 26 Abs. 3 BayDG zu Unrecht abgelehnt wurden. Denn das Disziplinargericht hat eigenständig zu prüfen, ob der dem Kläger mit der Disziplinarverfügung zum Vorwurf gemachte Lebenssachverhalt und weitere erhebliche Tatsachen, auf die die behördliche Entscheidung gestützt wird, vorliegen. Es hat somit ggf. von Amts wegen noch erforderliche Beweise zu erheben und der Beamte kann im gerichtlichen Verfahren erneut Beweisanträge stellen. Unterlassene Aufklärungsmaßnahmen der Behörde können somit im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden (vgl. BayVGH, U.v. 5.7.2023 – 16a D 21.1331 – juris Rn. 43). Hinsichtlich der Auswirkungen des betreffenden Verfahrensfehlers auf die Bemessung der Disziplinarmaßnahme wird auf die diesbezüglichen Ausführungen unter 4. b) aa) verwiesen.
53
d) Ebenso wenig kann sich als durchgreifender Verfahrensfehler auswirken, dass dem Kläger angeblich nur unzureichend Einsicht in die Verfahrensakten gewährt worden sei. Abgesehen davon, dass ihm nach Aktenlage auf Ersuchen Akteneinsicht in jeweils aktuelle Fassungen der Disziplinarakte gewährt wurde (vgl. Bl. 71 f., 172 BA), hat er jedenfalls im gerichtlichen Verfahren Einsicht in die vorgelegte Behördenakte erhalten. Auch der nicht in der Disziplinarakte enthaltene Aktenvermerk des Dienststellenleiters EPHK … vom 14. September 2021 über ein Gespräch mit dem Kläger am 20. Juli 2021 wurde zum Gegenstand des Verfahrens gemacht sowie dem Kläger vor der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gegeben.
54
2. Das Disziplinargericht legt seiner weiteren Prüfung den in der Disziplinarverfügung dargestellten Sachverhalt mit Einschränkungen und daher wie folgt zugrunde:
55
a) Dem Kläger ist nach Auswertung der Aktenlage und der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung hinsichtlich des ersten Tatkomplexes unter II. 1. der Disziplinarverfügung folgendes anzulasten:
56
aa) Der Kläger hat in der Zeit zwischen seiner Versetzung zur PI … … innerhalb seiner Dienstgruppe, die er leitete, gegenüber einzelnen Schichtbeamten eine sogenannte Chemtrail-Theorie vertreten, wonach im Wege des Versprühens von Chemikalien in Luftschichten gezielt Einfluss auf das Wetter sowie Menschen genommen werde. Er hat dabei einen Zusammenhang solcher angeblichen Aktivitäten mit Hochwasserereignissen und deren medialer Bedeutung für anschließend stattgefundene Bundestags-Wahlen hergestellt. Überdies hat der Kläger verlautbart, die Mittelverbreitung lasse Menschen verblöden.
57
Das Vorstehende sieht das Gerichts als erwiesen an. Der Kläger hat sich zwar in der mündlichen Verhandlung dahingehend geäußert, dass er gegenüber PHM … lediglich zum Ausdruck gebracht habe, dass Geoengeneering zu Wetterkatastrophen führen könne und noch nicht geklärt sei, welche Auswirkungen solche Manipulationen auf Mensch oder Natur haben können. Er habe angedeutet, dass stattgefundene Hochwasser- oder Wetterkatastrophen medial hätten ausgenutzt werden können. Die im behördlichen Verfahren eingeholten Stellungnahmen von PHM …, POK … und PHMin … (Aktenvermerke vom 04.12.2021 bzw. 5.1.2022, Bl. 101 ff, 115 ff. BA) und deren Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung am 8. Mai 2025 haben aber zweifelsfrei ergeben, dass sich der Kläger nicht so vage, wie von ihm behauptet, sondern jeweils deutlich im Sinne einer sogenannten Chemtrail-Theorie mit deren spezifischen Verschwörungsinhalten geäußert hat. Hierbei handelt es sich um die Vorstellung, dass „Chemtrails“, (ungewöhnliche) Kondensstreifen seien, die auf „Sprühaktionen“ böswilliger Gruppierungen mit bestimmten Zielen (zum Beispiel, um auf das Klima Einfluss zu nehmen, die Erdbevölkerung zu vermindern oder Menschen zu vergiften) hinweisen würden (vgl. Deutscher Bundestag, Wissenschaftliche Dienste, Kurzinformation, „Zur Chemtrail-Hypothese: Hintergründe, innere Logik und Klassifikation als Verschwörungstheorie“, WD 8 – 3000 – 040/24 vom 14.6.2024, im Internet abrufbar). Dem Zeugen … gegenüber hat der Kläger anlässlich einer gemeinsamen Nachtschicht seine Recherchen zu Stratosphären-Tankern des US-Militärs anhand von Flug- und Wetterradar-Seiten im Internet erläutert. Er hat auch darauf verwiesen, dass sich am Himmel ein bestimmtes Muster ablesen lasse, das darauf hindeute, dass von Tankflugzeugen etwas abgelassen worden sei. Zudem äußerte er den Verdacht, dass Hochwasserereignisse vor Wahlen absichtlich herbeigeführt worden sein könnten, um das Wahlverhalten der Bürger zu beeinflussen. Gegenüber dem Zeugen … äußerte er, dass große Unwetter vor Bundestagswahlen hervorgerufen worden seien, um Politikern zu ermöglichen, sich in Szene zu setzen. Hierfür führte er dem Zeugen … ein Video auf YouTube zu Möglichkeiten der Wetterbeeinflussung zur Untermauerung vor. Gegenargumenten seiner beiden Kollegen war er dabei jeweils nicht zugänglich. Darüber hinaus ist auch glaubhaft, dass die ebenfalls in der mündlichen Verhandlung am 8. Mai 2025 vernommene Zeugin … – wie schon in ihrer schriftlichen Stellungnahme im behördlichen Verfahren geschildert – Äußerungen des Klägers in Diensträumlichkeiten gegenüber einem anderen Kollegen oder einer anderen Kollegin mit anhören konnte, wonach über Kondensstreifen Mittel verbreitet würden, die die Menschheit „verblöden“ lasse. Auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die im Jahr 2021 gefertigten Aktenvermerke der drei benannten Zeugen jeweils von ihnen zur Vorbereitung ihrer Aussagen in der mündlichen Verhandlung herangezogen worden sein mögen, wirkten alle drei Zeugen authentisch und glaubwürdig. Es gab keine Anhaltspunkte für einen besonderen Belastungseifer oder Gründe für die Motivation, den Kläger in einem schlechten Licht darzustellen. Insbesondere sieht das Gericht nach der Aktenlage, den Einlassungen des Klägers und der Einvernahme der Zeugen keinen Ansatzpunkt dafür, dass die Vorwürfe gegen den Kläger in kollusivem Zusammenwirken konstruiert worden sein könnten, um der Dienststellenleitung zu ermöglichen, einen im Sinne eines ergangenen Präsidialrundschreibens (PDrS) im fraglichen Zeitraum auffälligen Beamten im Hinblick auf Verschwörungstheorien und Ablehnung der Corona-Maßnahmen an vorgesetzte Stellen melden zu können. Für diese in der mündlichen Verhandlung vom Kläger weiterverfolgte Mutmaßung ist eine entsprechende Interessenlage auf Dienststellenleiter- bzw. Beklagtenseite in keiner Weise plausibel geworden. Außerdem führt auch nicht etwa der Umstand, dass sich der Ermittlungsführer im behördlichen Verfahren (zunächst) eines von ihm erstellten Fragenkatalogs bediente, um zu Wahrnehmungen von Beamten Stellungnahmen einzuholen, dazu, dass die darin enthaltenen Angaben oder die späteren Zeugenaussagen nicht oder nur eingeschränkt verwertbar wären. Gemäß Art. 26 Abs. 1 BayDG können insbesondere schriftliche dienstliche Auskünfte (Nr. 1) oder auch schriftliche Äußerungen von Zeugen und Zeuginnen (Nr. 2) eingeholt werden. Es liegt auf der Hand, das solchen schriftlichen Äußerungen schriftliche Fragen zu Grunde liegen können.
58
bb) Das Gericht sieht unter Fortgeltung der letztgenannten Erwägungen ebenso als erwiesen an, dass der Kläger in vehementer Weise, also mit erheblicher Intensität bzw. mit Nachdruck und heftig oder auch emotional (Synonyme für vehement nach Duden: aufbrausend, cholerisch, energisch, erbittert) in der Dienststelle, insbesondere im Sozialraum gegenüber den Mitgliedern der von ihm geleiteten Dienstgruppe seine ablehnende Haltung in Bezug auf Impfungen gegen Corona, darüber hinaus auch gegen andere Maßnahmen der Eindämmung der Pandemie zum Ausdruck brachte. Die Zeugen …, … und … haben in der mündlichen Verhandlung in Übereinstimmung mit ihren schriftlichen Angaben im behördlichen Verfahren überzeugend geschildert, dass der Kläger schon bald nach seiner Versetzung an die PI … … und im Laufe der Zeit verstärkt damit auffiel, immer wieder das Thema der Corona-Pandemie aufzugreifen und diskutieren zu wollen. Er äußerte sich dabei eindeutig kritisch oder ablehnend gegenüber einzelnen Coronamaßnahmen, außerdem aber auch in einer Häufigkeit und Weise, dass sich in der Dienstgruppe genervte Reaktionen, wie abruptes Verlassen des Raumes, oder vermehrt Versuche zeigten, das Thema zu vermeiden bzw. solchen Gesprächen mit dem Kläger aus dem Weg zu gehen. Die Einwirkungen des Klägers wurden von den Zeugen als „zu viel“ oder beklemmend empfunden. Die Zeugin … nahm ab Ende Juni 2021 eine angespanntere Atmosphäre in der Dienstgruppe wahr, was sie nach Gesprächen mit Kollegen und ihren eigenen Erfahrungen auf die fortwährende Thematisierung der Coronafragen durch den Kläger zurückführte. Auch der Zeuge … führte eine zunehmend negative Stimmung in der Dienststelle auf das diesbezügliche Verhalten des Klägers zurück. Er gab an, dass Kollegen auf ihn zukamen und von unangenehmen Gesprächssituationen berichteten.
59
Der Kläger hat zwar – wie die Sachverhaltsaufklärung ergab – immer wieder auch zum Ausdruck gebracht, dass er bezüglich seiner Bedenken hinsichtlich des Impfens seine persönliche Meinung vertrete und jeder seine eigene Entscheidung treffen müsse. Das Gericht hat nach der mündlichen Verhandlung dennoch keinen Zweifel daran, dass es ihm nicht um den bloßen und sachlichen Austausch von Meinungen ging, sondern er diesen Bereich verlassen hatte und seine ablehnende Haltung bezüglich einer von staatlicher Seite empfohlenen Infektionsschutzmaßnahme im Vordergrund stand, von der er seine Gesprächsteilnehmer auch überzeugen wollte. Hierfür spricht einerseits das überbordende und einseitig negativ geprägte Kommunikationsverhalten des Klägers in Bezug auf sämtliche Corona-Maßnahmen; darüber hinaus aber auch der Umstand, dass die der Beweisaufnahme zufolge getroffenen Behauptungen des Klägers, die Impfungen könnten unfruchtbar machen bzw. machten „kaputt“, geeignet waren, in erheblichem Maße Ängste auszulösen. Dies gilt umso mehr, wenn man sich die damalige Pandemiezeit mit all ihren Unsicherheiten vor Augen führt.
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Bezüglich einzelner Vorfälle ist als erwiesen anzusehen, dass der Kläger gegenüber dem vom Gericht vernommenen Zeugen …, der erst neu in der Dienststelle war, bereits bei der ersten Begegnung die These aufstellte, dass Unfruchtbarkeit die Folge der Impfung sein könne, was den noch kinderlosen, aber bereits längere Zeit verheirateten Zeugen nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung äußerst betroffen machte. Inwieweit zwei weitere neu beginnende Polizeibeamte vom Kläger auf Impfungen angesprochen wurden, ist dagegen bereits in der Disziplinarverfügung nicht ausreichend konkretisiert. Gegenüber der Zeugin … äußerte sich der Kläger bei einer von ihr konkret beschriebenen Gesprächssituation mit einer weiteren Kollegin u.a. dahingehend, dass das Impfen nicht rechtens sei, nicht helfen würde und „kaputt“ mache, also gesundheitsschädlich sei.
61
cc) Bereits bei einem Einsatz am 13. Mai 2021, bei dem es um die Schließung der Gaststätte „…“ in … ging, die mit der vorzeitigen Öffnung an diesem Tag gegen Infektionsschutzregelungen im Landkreis B. T.-W. verstieß, hat der Kläger entsprechend dem Bekunden des ebenfalls vom Gericht vernommenen Zeugen … zum Ausdruck gebracht, dass er das Agieren der Wirtin, bezüglich der ihm im Übrigen aufgrund von Vorabinformationen durch den Zeugen … auch vorangegangene Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz bekannt waren, für gerechtfertigt halte. Dies ergibt sich zweifelsfrei sowohl aus dem Aktenvermerk als auch aus der Zeugenaussage des Zeugen … Der Zeuge war für das Gericht glaubwürdig. Er schilderte nachvollziehbar, dass ihm insbesondere die besagte Äußerung des ihm bis dato noch unbekannten Klägers bemerkenswert vorkam.
62
dd) Des Weiteren ist durch den Aktenvermerk und die Aussage des Zeugen … erwiesen, dass der Kläger in Bezug auf die Partei „dieBasis“ anlässlich eines Einsatzes von Kollegen bei einer Veranstaltung dieser Partei im Zuständigkeitsbereich der PI … … wenn nicht wortwörtlich, so jedenfalls sinngemäß geäußert hat, nicht zu wissen, auf welche Seite er sich stellen würde, wenn er an dem Einsatz teilnehmen müsste. Der Zeuge hat in der mündlichen Verhandlung plausibel erklärt, dass er wegen dieses Ausspruchs des Klägers im Zusammenhang mit der Partei, für die er eine Nähe zur Querdenker-Szene sah, habe „schlucken“ müssen und sich daher auch so gut daran erinnere. Der Kläger hat überdies gegenüber dem Zeugen … und dem Zeugen … Sympathien für das Wahlprogramm dieser anlässlich des Protests gegen Corona-Maßnahmen im Jahr 2020 gegründeten Partei bekundet (vgl. www.bpb.de/themen/parteien/wer-steht-zur-wahl/bundestagswahl-2025/558924/basisdemokratische-partei-deutschland/). Letzteres hat er selbst im Schreiben seines Bevollmächtigten im Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz betreffend das Verbot der Dienstgeschäfte vom 16. Oktober 2021 (Bl. 143 ff., 146 BA) einräumen lassen.
63
ee) In Bezug auf die Darstellung in der Disziplinarverfügung, der Kläger habe sich geweigert, einen Mund-Nasen-Schutz zu benutzen und daher die Verrichtung von Außendiensten vermieden, vermag das Gericht keinen ausreichend bestimmten Sachverhalt zu erkennen, der einer disziplinarrechtlichen Würdigung unterzogen werden könnte. Inwiefern eine Weigerung vorgelegen haben soll, ist nicht substantiiert worden. Die Zeugen, insbesondere auch der Dienststellenleiter EPHK … haben im Übrigen keinen Dienstverstoß gegen einzelne Pflichten zum Tragen der Maske im Dienst angegeben. Der Beklagte hat überdies im Sinne einer Freistellung in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass der betreffende Passus in der angegriffenen Verfügung keinen eigenständigen Vorwurf enthält.
64
ff) Auch in Bezug auf den in der Disziplinarverfügung im Rahmen der Sachverhaltsdarstellung angeführten Umstand, dass der Kläger aufgrund von Beschwerden aus dem Kollegenkreis und kritischer Bemerkungen zu bestehenden Corona-Beschränkungen durch den Dienststellenleiter darauf hingewiesen worden sei, seinen politischen Standpunkt zu mäßigen, erkennt das Gericht keinen eigenständigen, ausreichend bestimmten Vorwurf.
65
b) In Bezug auf den zweiten Tatkomplex in der Disziplinarverfügung sieht das Gericht als erwiesen an, dass der Kläger die im Einzelnen dort angegebenen Internetseiten zu privaten und nicht etwa zu dienstlichen Zwecken aufgerufen hat. Der Kläger hat den Aufruf der Internetseiten während Dienstzeiten nicht bestritten. Vielmehr hat er im Verfahren angegeben, dass er die aufgerufenen Medien als unabdingbar zur beruflichen Orientierung angesehen habe. Er habe die „Szene“ recherchieren wollen. In der mündlichen Verhandlung teilte der Kläger u.a. mit, er habe sich Handlungssicherheit verschaffen wollen, Wissensdurst gehabt und sich auf einer breiten Basis informieren wollen, um bei Anfragen des Bürgers adäquat und informiert aufklären sowie Sorgen und Bedürfnisse besser verstehen bzw. Fragen besser beantworten zu können. Das Informationsmaterial von Dienstherrenseite habe er als defizitär empfunden. Mit alldem hat der Kläger nicht nachvollziehbar darlegt, dass es für seine Recherchetätigkeiten konkrete dienstliche Veranlassungen gegeben hat. Im Hinblick auf seine eigene kritische Einstellung gegenüber Coronamaßnahmen bzw. seine ebenso als erwiesen anzusehenden Annahmen im Zusammenhang mit „Chemtrails“ glaubt das Gericht dem Kläger zudem nicht, dass er mit dienstlichen Erwägungen „die Szene“ oder – wie in der mündlichen Verhandlung angegeben – „den Gegner“ habe studieren wollen.
66
c) Das Gericht legt in Bezug auf den in der Disziplinarverfügung angeführten dritten Tatkomplex außerdem den insoweit dargestellten Sachverhalt zugrunde, soweit die betreffenden Ausführungen in der Disziplinarverfügung den Tatsachenvorwurf und nicht schon die Rechtsgrundlage für die drei ergangenen Untersuchungsanordnungen und die Frage der schuldhaften Verletzung einer Dienstpflicht betreffen. Der Kläger hat nicht in Abrede gestellt, dass er den drei Untersuchungsanordnungen von Dienstherrenseite vom 17. Oktober 2022, 14. Dezember 2022 und 21. Dezember 2022 nicht Folge leistete.
67
3. Der Kläger hat durch den ihm zur Last gelegten Sachverhalt ein einheitliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG begangen.
68
a) Das Gericht stuft das Verhalten des Klägers in Bezug auf den gesamten Tatvorwurf als innerdienstlich ein.
69
Auch soweit der Kläger sich hinsichtlich des ersten Tatkomplexes darauf beruft, dass er seine Äußerungen gegenüber den Zeugen oder anderen Kollegen in seiner Dienststelle bzw. seiner Dienstgruppe während der täglichen Dienstzeit in Pausenzeiten und/oder im Sozialraum getätigt hat, bestand der dienstliche Bezug zu seinem Statusamt sowie der funktionale und logisch kausale Zusammenhang zum Dienst und zur Stellung des Klägers als Polizeibeamter sowie Dienstgruppenleiter (vgl. BVerwG, U.v. 1.2.2024 – 2 A 7.23 – juris Rn. 27). Abgesehen davon, dass auch während Pausen bzw. in hierfür vorgesehenen Sozialräumen keine stringente Trennung zwischen privaten und dienstlichen Themen durchzuhalten ist, trat der Kläger nicht etwa als Privatperson auf. Das Zusammentreffen mit anderen Polizeibeamten verlor während der täglichen Dienstzeit nicht den Dienstbezug. Vielmehr war das Aufeinandertreffen in solchen Situationen durch das bestehende Dienstsowie ggf. durch das Über-/Unterordnungsverhältnis geprägt und konnte die dienstliche Zusammenarbeit nachhaltig beeinträchtigt werden. Die ihm (untergeordneten) Beamten konnten nicht unbeeindruckt vom Dienstverhältnis (und der Vorgesetztenstellung des Klägers) reagieren.
70
b) In Bezug auf den ersten Tatkomplex der angefochtenen Disziplinarverfügung hat der Kläger gegen das beamtenrechtliche Mäßigungs- und Neutralitätsgebot (vgl. § 33 Abs. 2 BeamtStG) sowie gegen die Wohlverhaltenspflicht (vgl. § 34 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG bzw. § 34 Satz 2 BeamtStG in der bis 6.7.2021 geltenden Fassung – a.F.) verstoßen.
71
Gemäß § 33 Abs. 2 BeamtStG haben Beamtinnen und Beamte bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergeben. Dies betrifft – wie vorliegend – auch private politische Meinungsäußerungen während des Dienstes. Für Beamte darf die Ausübung der Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG in zulässiger Weise beschränkt werden, um die Erhaltung eines durch Art. 33 Abs. 5 GG statuierten, für den Staat unentbehrlichen, ihn tragenden, verlässlichen Beamtentums zu sichern. Jedes Verhalten, das als politische Meinungsäußerung gewertet werden muss, ist danach nur dann durch Art. 5 GG gedeckt, wenn es nicht unvereinbar ist mit den von Art. 33 Abs. 5 GG geforderten besonderen Pflichten des Beamten aus dem Dienst- und Treueverhältnis zu seinem Dienstherrn. Für die Anwendung und Auslegung der die Meinungsfreiheit des Beamten einschränkenden Vorschrift des § 33 Abs. 2 BeamtStG ist jeweils im konkreten Fall das Interesse des Beamten an der Betätigung der Meinungsfreiheit seinen besonderen Dienst- und Treuepflichten gegenüberzustellen und gegeneinander abzuwägen. Der zu beachtende Schutzzweck besteht darin, die Funktionsfähigkeit des Beamtentums dadurch zu gewährleisten, dass zum einen im Rahmen des Dienstbetriebes störende politische Auseinandersetzungen vermieden werden, andererseits die politische Neutralität der Amtsführung und das Vertrauen der Öffentlichkeit hierauf nicht gefährdet oder auch nur in Zweifel gezogen werden kann. Eine politische Meinungsäußerung liegt deshalb nicht nur dann vor, wenn sie sich auf die Darstellung von Programmen und politischen Zielen solcher Gruppierungen bezieht, die die Beteiligung an der politischen Meinungsbildung in den Institutionen der repräsentativen Demokratie – wie die hergebrachten politischen Parteien – erstreben, sondern auch bei Äußerungen und Aktivitäten von Gruppierungen, die solches nicht anstreben, wenn durch sie der Schutzzweck der Norm berührt wird. Dazu gehören Fragen, die von grundlegender Bedeutung für die Bundesrepublik Deutschland und ihrer Bürger sind, die innerhalb und außerhalb politischer Parteien kontrovers diskutiert werden (vgl. BVerwG, U.v. 25.1.1990 – 2 C 50.88 – juris Rn. 18 f.; VG Wiesbaden, B.v. 20.1.2023 – 28 L 42/22.WI.D – juris Rn. 95).
72
Wer gegen die politische Mäßigungspflicht verstößt, verstößt stets auch gegen die Neutralitätspflicht. Die Pflicht zu unparteiischer und gerechter Amtsführung ist die einfachrechtliche Konkretisierung eines hergebrachten Grundsatzes des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG. Aus ihr folgt das an den Beamten gerichtete Gebot, sich nicht in einer die Besorgnis der Parteilichkeit begründenden Weise zu verhalten, sodass keine Zweifel an der unparteiischen Amtsführung durch den Beamten entstehen. Eine Besorgnis der Parteilichkeit ist dann angezeigt, wenn objektive Gründe vorliegen, die aus Sicht eines vernünftigen Betrachters Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des Beamten erregen. Dafür kommt es nicht darauf an, ob der Beamte tatsächlich parteiisch ist und dem Gerechtigkeitsgebot zuwiderhandelt. Es genügt insoweit der „böse Schein“. Bereits dieser ist nämlich geeignet, das Vertrauen in eine sachgerechte Dienstverrichtung schwerwiegend und nachhaltig zu erschüttern (OVG RH-Pf, U.v. 5.6.2024 – 3 A 10684/23.OVG – juris Rn. 114).
73
Innerdienstliche politische Meinungsäußerungen des Beamten unterliegen somit zusätzlichen Beschränkungen, die sich aus den Erfordernissen eines ordnungsgemäßen Dienstbetriebs ergeben. Die Mäßigungs- und Neutralitätspflicht des Beamten gebieten, dass er durch seine politische Betätigung im Dienst seine Arbeitsleistungspflicht nicht verletzt, den Dienstbetrieb nicht beeinträchtigt sowie keine Störung des Arbeitsfriedens hervorruft. Grundsätzlich gilt, dass sich der Beamte einer politischen Betätigung im Dienst regelmäßig zu enthalten hat (vgl. dazu VG Freiburg, U.v. 13.5.2022 – DL 11 K 2735/21 – juris).
74
Außerdem muss das Verhalten einer Beamtin oder eines Beamten innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr bzw. sein Beruf erfordern. Bei und im Zusammenhang mit der dienstlichen Tätigkeit tritt der Beamte als Repräsentant des Staates auf, wobei von ihm ein unparteiisches, gerechtes und vertrauenswürdiges Verhalten erwartet werden darf. Die Wohlverhaltenspflicht ist etwa verletzt, wenn Meinungsäußerungen eines Beamten in ihrem jeweiligen Kontext den Bereich sachlicher Kritik verlassen und die Grenze dessen, was im Interesse eines störungsfreien Dienstbetriebs hingenommen werden kann, überschreiten (vgl. BVerwG, U.v. 15.12.2005 – 2 A 4.04 – juris Rn. 58; NdsOVG, U.v. 14.3.2023 – 3 LD 7/22 – juris Rn. 151 m.w.N.).
75
aa) Danach hat der Kläger mit seinen Äußerungen zu seinen Beobachtungen und Ansichten hinsichtlich des Ausbringens chemischer Stoffe, um gezielt auf Mensch und Wetter Einfluss zu nehmen (Chemtrail-Theorie), den Bereich einer sachlichen Kritik an staatlichem Handeln weit überschritten. Der Kläger mutmaßt im Sinne einer Verschwörungstheorie ein böswilliges manipulierendes Verhalten von hiervon profitierenden Kräften. Indem er solches Gebaren von staatlicher oder anderer Seite, ohne das der Staat dem Einhalt gebietet, für möglich hält, stellt er die bestehende staatliche Ordnung in ihrer Legitimität und Funktionalität in Frage. Er erweckt zugleich Zweifel, ob er als Polizeibeamter noch gewillt ist, sich uneingeschränkt in ihren Dienst zu stellen. Dass dies geeignet ist, das Vertrauen der Kollegen in eine ordnungsgemäße Dienstausübung des Klägers zu beeinträchtigen, liegt auf der Hand. Gleiches würde in Bezug auf die Öffentlichkeit gelten, wenn diese von den betreffenden Einstellungen des Klägers erfahren würde.
76
bb) Das Verhalten des Klägers war darüber hinaus auch pflichtwidrig im vorgenannten Sinne, soweit er die staatlichen Corona-Schutzmaßnahmen, insbesondere die Corona-Schutzimpfungen, immer wieder deutlich kritisierte. Es handelte sich im Tatzeitraum um Fragen von grundlegender Bedeutung für die gesamte Bevölkerung, die Gegenstand lebhafter gesellschaftlicher wie politischer Kontroversen gewesen sind. Der Kläger hat bei der Behandlung derselben die sich aus seinem Amt als Polizeibeamter, der mit dem Vollzug gesetzlich angeordneter Infektionsschutzmaßnahmen befasst ist, gebotene Zurückhaltung vermissen lassen. Er hat in Bezug auf seine kundgetane negative Einstellung zur Corona-Schutzimpfung in einer Art und Weise auf Beamte seiner Dienstgruppe eingewirkt, dass nicht mehr von einem angemessenen zur Sprache bringen der seinerzeit durchaus die Gemüter erregenden gesellschaftlichen Situation die Rede sein kann.
77
cc) Der Kläger hat auch anlässlich des polizeilichen Einsatzes am 13. Mai 2025, bei dem er gegenüber dem ihm bis dato noch unbekannten PHK … bzw. weiteren Einsatzkräften zum Ausdruck brachte, dass er das Verhalten der Wirtin, also die Öffnung der Gaststätte … entgegen der infektionsschutzrechtlichen Lage für rechtens erachtete, gegen das beamtenrechtliche Mäßigungsgebot, die Neutralitätspflicht und die Wohlverhaltenspflicht verstoßen. Seine Aussage, die Wirtin habe Recht, ihr Verhalten sei gerechtfertigt, lässt seine ablehnende Haltung gegenüber den Gaststättenschließungen deutlich werden. Auch wenn die besondere Situation zu berücksichtigen ist, dass aufgrund der unterschiedlichen Regelungslagen in den benachbarten Landkreisen B. T.-W. und D. die Öffnung des Biergartens erst am 14. Mai 2021 zulässig war, im Nachbarort im Landkreis D. aber bereits am 13. Mai 2021 („Vatertag“), war sie in diesem Moment geeignet, bei den anderen Einsatzkräften Zweifel zu wecken, ob der Kläger den Einsatz unparteiisch und sachgerecht durchführen würde.
78
dd) Außerdem hat der Kläger auch in Bezug auf die Partei „dieBasis“ jedenfalls mit der Äußerung, er wisse im Fall eines Einsatzes bei einer Veranstaltung dieser Partei nicht, auf welche Seite er sich stellen würde, die vorgenannten beamtenrechtlichen Pflichten verletzt. Die Aussage weckt erhebliche Zweifel daran, dass der Kläger vorbehaltlos an seinen Dienstpflichten festhält. Es entsteht der Eindruck, dass er die Partei auf der einen und den Staat, demgegenüber er als Beamter in einem Dienst- und Treueverhältnis steht, auf der anderen Seite sieht. Ob er sich noch an seine Dienst- und Treuepflicht gebunden fühlt, stellt er somit in Frage.
79
ee) Der Kläger handelte jeweils vorsätzlich und schuldhaft. Er wusste von den konkreten Inhalten seiner Äußerungen und wollte diese bewusst so treffen. Soweit er meint, sie seien von der Meinungsfreiheit umfasst, ist ein entsprechender Irrtum ohne Weiteres vermeidbar gewesen. Es ist zudem weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger im Zustand der Schuldunfähigkeit gehandelt haben könnte. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass er ausweislich der Mitteilung des Beklagten vom 5. Mai 2025 mittlerweile dienstärztlich wegen einer psychischen Gesundheitsstörung mit chronischem Verlauf als dienstunfähig eingestuft sowie seine Behandlung als erforderlich angesehen wird, um eine vorzeitige Ruhestandsversetzung zu vermeiden.
80
c) Durch das Verhalten des Beklagten im Hinblick auf die private Internetnutzung (zweiter Tatkomplex) hat der Kläger vorsätzlich und schuldhaft seine Pflicht nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG bzw. § 34 Satz 1 BeamtStG a.F., sich mit vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf zu widmen und zugleich seine Pflicht gemäß § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bzw. § 34 Satz 3 BeamtStG a.F, sich innerhalb des Dienstes vertrauenswürdig gegenüber seinem Dienstherrn zu verhalten, verletzt. Dies gilt unabhängig davon, welchen nicht-dienstlichen Inhalt die abgerufenen Internetseiten konkret hatten, denn der Kläger hat mit der weisungswidrigen Internetnutzung zugleich den ihm vom Dienstherrn mit der Bereitstellung des Internetzugangs gewährten Vertrauensvorschuss, dass er den ihm technisch uneingeschränkt zur Verfügung gestellten Internetzugang nur dienstlich nutzen werde, missbraucht (vgl. BayVGH, U.v. 25.10.2017 – 16a D 15.1110 – juris Rn. 37).
81
d) Schließlich hat der Kläger vorsätzlich und schuldhaft weitere Dienstpflichtverletzungen begangen, indem er in Zeiten fortlaufender Krankschreibungen drei Anordnungen von Beklagtenseite, sich dienstärztlich untersuchen zu lassen, nicht Folge leistete.
82
aa) Hinsichtlich der Untersuchungsanordnung vom 17. Oktober 2022 kann dem Kläger über den allgemeinen Vorwurf, Anordnungen nicht befolgt zu haben (§ 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG), allerdings nicht vorgeworfen werden, er habe sich damit zugleich entgegen Art. 128 Abs. 1 BayBG, § 26 Abs. 1 BeamtStG i.V.m. Art. 65 BayBG einer Überprüfung seiner Dienstfähigkeit entzogen.
83
(1) Ausweislich der Anordnung vom 17. Oktober 2022, sich am 9. November 2022 polizeiärztlich begutachten zu lassen, lag deren Hintergrund in Zweifeln am Bestehen einer tatsächlichen Erkrankung. Die Anordnung stellt sich als rechtswidrig dar, weil sie somit nicht der Klärung der Dienstunfähigkeit im Hinblick auf eine erwogene Versetzung des Beamten in den Ruhestand dienen sollte und demzufolge nicht auf die insoweit benannte Rechtsgrundlage (Art. 128 Abs. 1 BayBG, § 26 BeamtStG, Art. 65 BayBG) gestützt werden konnte (vgl. VG München, B.v. 14.2.2022 – M 5 E 21.6625 – juris Rn. 34; vgl. auch VG München, B.v. 21.3.2022 – M 5 E 21.5809 – juris Rn. 26; B.v. 14.2.2022 a.a.O. Rn. 35). Der Dienstherr hat schon im Zeitpunkt seiner Weisung sämtliche Gründe anzugeben, die zur Untersuchungsanordnung geführt haben. Hierzu gehört die Offenlegung der einschlägigen Rechtsgrundlage. Die Behörde darf weder annehmen, der Betroffene werde schon wissen, worum es geht, noch darf sie ihn darüber im Unklaren lassen, aus welchem Grund die Untersuchung durchgeführt werden soll. Dem Adressaten ist nicht zuzumuten, bei der Diskrepanz zwischen der angegebenen Rechtsgrundlage und der Begründung – wie hier – die mutmaßliche Intention des Dienstherrn zu ermitteln. Diesbezügliche Mängel können im Übrigen auch nicht nachträglich im Behörden- oder Gerichtsverfahren „geheilt“ werden (vgl. VG München, B.v. 14.2.2022 – M 5 E 21.6625 – juris Rn. 36).
84
(2) Der Kläger hat unabhängig von Vorstehendem aber einen Verstoß gegen die Folgepflicht begangen. Die Gehorsamspflicht des Beamten erstreckt sich grundsätzlich auch auf rechtswidrige Weisungen seines Dienstherrn, wie sich auch aus dem in § 36 Abs. 2 BeamtStG geregelten Remonstrationsverfahren ableiten lässt (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 4.3.2024 – 35 K 5731/22 – juris Rn. 67; VG München, M 13L DK 20.2458 – juris Rn. 63 m.w.N.). Die Untersuchungsanordnung vom 17. Oktober 2022 ist vorliegend nicht offensichtlich und schwerwiegend rechtswidrig im Sinne des § 36 Abs. 2 Satz 4 BeamtStG. Der Umstand der Rechtswidrigkeit kann somit erst bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden (vgl. VG München, U.v. 15.6.2023 – M 13L DK 20.2458 – juris Rn. 63).
85
bb) Die Untersuchungsanordnungen vom 14. Dezember und 21. Dezember 2022 sind dagegen nicht zu beanstanden und lösten die in der Disziplinarverfügung benannten Pflichten aus § 26 Abs. 1 BeamtStG, Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG i.V.m. Art. 128 Abs. 1 Satz 3 BayBG und § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG aus.
86
In den beiden Anordnungen wird ausgeführt, dass zwar ursprünglich Zweifel am Vorliegen einer tatsächlichen Erkrankung bestanden, nach Vorlage mehrerer fachärztlicher Atteste eines Arztes für psychosomatische Medizin und Psychotherapie sowie in Anbetracht des Umstands, dass der Kläger seit dem 22. September 2021 keinen Dienst mehr verrichtet hatte, aber nunmehr zu klären sei, ob bei ihm eine dauernde Dienstunfähigkeit bestehe. Damit ist den tatbestandlichen Voraussetzungen nach § 26 Abs. 1 BeamtStG, Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG i.V.m. Art. 128 Abs. 1 Satz 3 BayBG Rechnung getragen und nachvollziehbar begründet, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände zweifelhaft ist, ob der Beamte aus gesundheitlichen Gründen womöglich nicht mehr in der Lage ist, die Dienstpflichten seines abstrakt-funktionellen Amtes zu erfüllen (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2024 – 2 C 17.232 – juris Rn. 23 f.). Darüber hinaus hat sich der Dienstherr auch in der gebotenen Art und Weise damit auseinandergesetzt, welche Untersuchung zur Klärung geboten ist und in den beiden Untersuchungsanordnungen jeweils eine Beschränkung hinsichtlich einer Begutachtung durch einen Arzt aus der psychiatrischen Fachrichtung vorgenommen (vgl. BVerwG, U.v. 27.6.2024 a.a.O. Rn. 25 f.; B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 45 m.w.N.; VG München, B.v. 14.2.2022 – M 5 E 21.6625 – juris Rn. 37 f.).
87
4. Unter Berücksichtigung der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, des Persönlichkeitsbildes und des bisherigen dienstlichen Verhaltens des Klägers (vgl. Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayDG) ist die Disziplinarmaßnahme in Form einer Geldbuße in Höhe von 1000,- EUR als zweckmäßig und insbesondere auch verhältnismäßig anzusehen.
88
a) Ausgangspunkt der Maßnahmebemessung ist die Schwere des Dienstvergehens, die vorliegend im mittleren Bereich anzusiedeln ist.
89
Das Gericht erachtet den ersten und den dritten Tatkomplex aus der Disziplinarverfügung, so wie sich beide nach den vorstehenden Ausführungen zum Sachverhalt nunmehr darstellen, als vergleichbar schwerwiegend.
90
aa) Entscheidend für die Einordnung im jedenfalls mittelschweren Bereich ist dabei hinsichtlich der Äußerungen des Klägers im Zusammenhang mit „Chemtrails“, Corona-Maßnahmen und der Partei „dieBasis“, dass diese in Anbetracht seines Amtes als Polizeibeamter ein hohes Schadenspotenzial aufweisen. Es besteht nicht nur die Gefahr, dass die innerdienstliche Zusammenarbeit erheblich leidet, sondern es droht auch die Gefahr der Schädigung des Ansehens der Polizei und des Vertrauens der Bürger in „ihre“ Polizei, wenn die Vorfälle bekannt würden. Dienstherr und Öffentlichkeit müssen davon ausgehen können, dass Polizeibeamte unabhängig von ihrer persönlichen politischen Einstellung Recht und Gesetz beachten und für die Einhaltung der staatlichen Regeln sorgen. Bereits der Anschein, dass ein Beamter dem Staat oder staatlichen Maßnahmen gegenüber übermäßig kritisch oder gar ablehnend und feindselig eingestellt ist, ist daher unter allen Umständen zu vermeiden.
91
Vorliegend kommt hinzu, dass der Kläger als Dienstgruppenleiter eine Vorgesetztenfunktion innehatte und von seinem Dienststellenleiter bereits einmal zur Mäßigung aufgefordert worden war. Überdies ist die unbefugte Internetnutzung, die im zweiten Tatkomplex der Disziplinarverfügung thematisiert wurde, zu sehen, die aufgrund des Inhalts der abgerufenen Seiten auch einen inneren Zusammenhang mit dem ersten Tatkomplex aufweist.
92
bb) Nicht weniger schwerwiegend als die pflichtwidrigen Äußerungen des Klägers erweist sich zudem der Verstoß gegen beamtenrechtliche Pflichten im Zusammenhang mit der Nichtbefolgung von Untersuchungsanordnungen. Insoweit ist zwar zu berücksichtigen, dass es sich bezüglich der als rechtswidrig einzustufenden Untersuchungsanordnung vom 17. Oktober 2022 lediglich um einen Verstoß gegen die allgemeine Folgepflicht handelte. Dieser Pflichtenverstoß ist als gering zu bewerten. Anschließend hat der Kläger jedoch noch zwei weitere, diesmal rechtmäßige Untersuchungsanordnungen ignoriert, sodass die Frage seiner Dienstfähigkeit über längere Zeit ungeklärt blieb.
93
b) Nach der Einzelfallbetrachtung unter Würdigung der be- und entlastenden Umstände, insbesondere mildernder Gesichtspunkte, erweist sich eine Geldbuße im mittleren Bereich, nämlich in Höhe von 1000,- EUR als ausreichend, um auf den Kläger disziplinarisch einzuwirken.
94
aa) Insoweit war ausschlaggebend, dass vorliegend von einem besonders belastenden behördlichen Disziplinarverfahren für den straf- und disziplinarrechtlich bisher nicht in Erscheinung getretenen Kläger auszugehen ist. Disziplinarverfahren sind für den betroffenen Beamten zwangsläufig mit erheblichen Belastungen verbunden, die regelmäßig pflichtenmahnende Wirkung entfalten. Daher kann das disziplinarrechtliche Sanktionsbedürfnis bei Fortbestand des Beamtenverhältnisses gemindert sein, wenn der Dienstherr diese Belastungen unnötigerweise erhöht. Dies ist für die dem Dienstherrn zurechenbare überlange Verfahrensdauer anerkannt, muss aber aus den gleichen Erwägungen auch für erhebliche Verfahrensverstöße gelten (vgl. BVerwG, U.v. 27.1.2011 – 2 A 5.09 – juris Rn. 40 f. m.w.N.).
95
Das Disziplinargericht sieht es ebenso wie der Kläger als verfahrensfehlerhaft an, dass der in der streitgegenständlichen Disziplinarverfügung unter II.1. (erster Tatkomplex) angeführte Sachverhalt allein auf schriftliche dienstliche Auskünfte von Kollegen des Klägers gestützt und diesbezüglichen Anträgen seiner Bevollmächtigten auf förmliche Zeugenvernehmung nicht nachgegangen wurde. Die Bevollmächtigte des Klägers hat im behördlichen Disziplinarverfahren wiederholt gerügt, dass den als Zeugen in Betracht kommenden Polizeibeamten vom Ermittlungsführer jeweils ein Fragenkatalog übermittelt und die Beamten diesen lediglich in Aktenvermerkform zu beantworten hatten. Der Kläger hat die Vorwürfe im Verfahren auch nicht vollumfänglich eingeräumt, sondern zumindest in Teilen bestritten oder sich auf seine Meinungsäußerungsfreiheit berufen. Insbesondere hat er sich darauf zurückgezogen, dass es sich um private Äußerungen und in Bezug auf Coronamaßnahmen um gerechtfertigte und nicht übermäßige Kritik gehandelt habe. Da über einen Beweisantrag des Beamten nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden und ihm stattzugeben ist, wenn dem Antrag für die Tat- oder Schuldfrage oder für die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme Bedeutung zukommt (Art. 26 Abs. 3 BayDG), wären die in der Disziplinarverfügung angeführten Belastungszeugen zum ersten Tatkomplex bereits im behördlichen Verfahren als Zeugen zu vernehmen gewesen. Insbesondere wäre zu den vom Kläger behaupteten entlastenden Tatsachenaspekten noch zu ermitteln und dem Kläger die Gelegenheit zu geben gewesen, an der Vernehmung der Zeugen teilzunehmen sowie hierbei sachdienliche Fragen zu stellen (Art. 26 Abs. 4 Satz 1 BayDG).
96
Hätte der Beklagte die gebotene Sachverhaltsaufklärung umfassend vorgenommen und hierauf seine Disziplinarverfügung gestützt, hätte der Kläger womöglich von der Klageerhebung absehen können. Es kann nicht mit der gebotenen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass das noch einmal deutlich über ein Jahr dauernde Gerichtsverfahren vermieden worden wäre.
97
bb) Dagegen bestanden keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass die Schuldfähigkeit im Sinne einer eingeschränkten Steuerungs- oder Einsichtsfähigkeit gemäß § 21 StGB zum Zeitpunkt der Taten erheblich gemindert gewesen sein könnte. Ebenso ist im gesamten Verfahren nicht (substantiiert, durch Vorlage von ärztlichen Unterlagen) vorgetragen oder sonst ersichtlich geworden, dass damals bereits gesundheitliche Beeinträchtigungen bestanden haben könnten, die bei der Maßnahmebemessung zu beachten wären. Hinweise für Rückschlüsse auf erhebliche Erkrankungen in den Jahren 2021 und 2022 haben sich für das Gericht insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung nicht ergeben.
98
cc) Schließlich rechtfertigten auch die Persönlichkeitsbilder zum Kläger keine weitere Milderung der Disziplinarmaßnahme. Der Beamte wird zwar einerseits von seiner ehemaligen Vorgesetzten in der PI Miesbach hinsichtlich seiner Aufgabenerledigung als zuverlässig, motiviert und leistungsbereit, darüber hinaus als kollegial und mit positiver Berufseinstellung beschrieben. Auch der Vorgesetzte in der PI … … hatte zunächst einen entsprechend positiven Eindruck vom Kläger. Andererseits fiel er aber bereits seit etwa Dezember 2020 innerdienstlich zunehmend mit seiner kritischen Haltung zu Corona-Maßnahmen auf, was sich an der PI … … steigerte. Der dortige Vorgesetzte sah nach einigen Wochen u.a. Hinweise auf eine dominante und rechthaberische Art und erhielt Kenntnisse von weiteren Kritikpunkten, die neben weiteren Verfehlungen letztlich zu der streitgegenständliche Disziplinarverfügung führten.
99
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dabei fand einerseits Berücksichtigung, dass der Kläger ein zu ahndendes Dienstvergehen begangen hat, andererseits aber eine geringfügigere Geldbuße auszusprechen war, weil sich auswirkte, dass das behördliche Disziplinarverfahren nicht frei von Verfahrensfehlern geblieben ist.