Titel:
Keine Prozessführungsbefugnis des Wohnungseigentümers nach einem Versicherungsfall am Sondereigentum
Normenketten:
VVG § 44, § 45
VGB 2008 Teil B § 12 Nr. 1. S. 2
Leitsatz:
Eine Klage des Wohnungseigentümers gegen die Wohngebäudeversicherung nach einem Leitungswasserschaden am Sondereigentum ist mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig, wenn der Versicherungsvertrag durch die Wohnungseigentümergemeinschaft auch für das Sondereigentum geschlossen wurde (Fremdversicherung) und die Versicherungsbedingungen (hier: § 12 Nr. 1 S. 2 Teil B VGB 2008) in zulässiger Abänderung von § 44 Abs. 2 VVG bestimmen, dass die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag nur dem Versicherungsnehmer zustehen (Anschluss an LG Nürnberg-Fürth BeckRS 2020, 47009 Rn. 25). (Rn. 16 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Wohngebäudeversicherung, Wohnungseigentum, Leitungswasserschaden, Sondereigentum, Fremdversicherung, Prozessführungsbefugnis
Fundstellen:
BeckRS 2025, 1351
r+s 2025, 260
LSK 2025, 1351
Tenor
1. Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Der Streitwert wird auf 4.060,00 € festgesetzt.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Versicherungsvertrag.
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Der Kläger ist Eigentümer der streitgegenständlichen Wohnung in der … und Mitglied der dortigen Wohnungseigentümergemeinschaft.
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Im Mai 2020 kam es aufgrund nicht näher bekannter Umstände zu einem größeren Wasserschaden in seiner Wohnung, welche zu jenem Zeitpunkt vermietet war. Der Wasserschaden entstand hauptsächlich im Badezimmer der Wohnung. Die Ursache des Schadens befand sich wohl in der Wohnung unter der Wohnung des Klägers.
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Die Hausverwaltung meldete den Schaden anschließend der Beklagten.
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Mit der Sanierung der Wohnung wurde die Firma … beauftragt. Zur Sanierung der Wohnung mussten die dort wohnenden Mieter für vier Monate die Wohnung verlassen, da eine umfangreiche Sanierung notwendig war. Die Dusche wurde saniert. Dabei wurde allerdings nicht wie geplant ein Gefäll im Duschboden installiert, sodass das Wasser nicht ablaufen konnte. Das Wasser lief daraufhin nicht über den Siphon ab, sondern breitete sich im Badezimmer aus. Eine Nachbesserung wurde seitens der Hausverwaltung nicht veranlasst.
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Die WEG beschloss mit Beschluss vom 27.11.2024 TOP 9 einstimmig Folgendes: „Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beschließen, dem Sondereigentümer Herrn … sämtliche Mangel- und Gewährleistungsansprüche, die der WEG im Bereich und Gegenstand des Sondereigentums WHG 4 DG … im Außenverhältnis zu einem Auftragnehmer der WEG entstanden sind oder sein könnten, abzutreten. Hilfsweise(!) ermächtigt die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer den Sondereigentümer und Beirat Herrn … dazu, im Namen der WEG sämtliche Ansprüche geltend zu machen, die der WEG im Bereich und Gegenstand des Sondereigentums WHG 4 DG … im Außenverhältnis zu einem Auftragnehmer der WEG entstanden sind oder sein könnte. Der Sondereigentümer Herr … nimmt die Abtretung – vorbehaltlich eines positiven Abstimmungsergebnisses – an.“ (Anlage K8)
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Der Kläger behauptet, die Beklagte habe das Generalunternehmen, die Firma … mit der Schadensbehebung beauftragt, welche wiederum den ausführenden Handwerker als Subunternehmer beauftragt habe.
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Der Kläger meint, die Hausverwaltung habe die Ansprüche wirksam an ihn abgetreten. Er könne daher sowohl aus dem werkvertraglichen Verhältnis als auch aus dem Versicherungsvertrag Ansprüche geltend machen. Er sei ferner auch infolge der Abtretung der Ansprüche durch Beschluss der WEG und als Miteigentümer der WEG aktivlegitimiert.
die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.060,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt:
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Die Beklagtenseite behauptet, sie stünde in keinem Vertragsverhältnis mit dem die Arbeiten in der Dusche ausführenden Handwerker. Sie habe die Firma … nicht beauftragt. Dieses Maklerbüro sei von der Wohnungsverwaltung im Namen der WEG beauftragt worden. Für eine unterbliebene Nachbesserung könne sie daher nicht haften.
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Die Beklagte meint, der Kläger sei nicht aktivlegitimiert. Lediglich die WEG könne Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gegen sie geltend machen.
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Eine mündliche Verhandlung hat stattgefunden am 06.12.2024. Ein gerichtlicher Hinweis findet sich auf im Protokoll der mündlichen Verhandlung. Wegen der Einzelheiten wird im Übrigen verwiesen auf den gesamten Akteninhalt, insbesondere auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das/die Protokoll der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist unzulässig.
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1. Das angerufene Amtsgericht München ist zur Entscheidung in der Sache zuständig. Die Zuständigkeit resultiert aus §§ 71, 23 Nr. 1 GVG i.V.m. §§ 12, 17 ZPO.
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Der Kläger ist nicht zur Prozessführung im vorliegenden Rechtsstreit befugt.
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Der Kläger ist kein Versicherungsnehmer und kann daher keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag gemäß § 1 VVG geltend machen. Gemäß Teil I. B § 12 Nr. 1 Satz 1 VGB 2008 steht die Ausübung der Rechte aus dem Versicherungsvertrag nur dem Versicherungsnehmer und nicht auch dem Versicherten zu.
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Versicherungsnehmerin ist die WEG gem. § 9 a Abs. 1 S. 1 WEG als rechtsfähiger Verband, die Versicherten sind die Wohnungseigentümer. Hinsichtlich des Sondereigentums handelt es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung, siehe Teil I. B § 12 Nr. 1 Satz 1 VGB 2008. Damit stehen die Rechte aus dem Versicherungsvertrag gem. § 44 Abs. 1 S. 1 VVG insoweit dem Versicherten, mithin den Wohnungseigentümern, zu. Verfügen über diese Rechte kann gern. § 45 Abs. 1 VVG jedoch ausschließlich der Versicherungsnehmer.
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Aufgrund der Regelung des Teil I. B § 12 Nr. 1 Satz 1 VGB 2008 gilt dies auch dann, wenn der Versicherte den Versicherungsschein besitzt. Die Klausel, dass nur der Versicherungsnehmer zur Geltendmachung des Versicherungsanspruches berechtigt sein soll, ist nicht nach § 307 BGB zu beanstanden, da der Versicherer ein berechtigtes Interesse daran hat, es nur mit dem Versicherungsnehmer zu tun zu haben (keine Überprüfung der Versicherteneigenschaft, kein Prozesskostenrisiko im Hinblick auf den Versicherten, keine Auseinandersetzung mit einer Vielzahl unbekannter Personen, keine Doppelklage des Versicherungsnehmers und des Versicherten auf die Versicherungsleistung, keine Einvernahme des Versicherungsnehmers als Zeugen, usw.) (LG Nürnberg-Fürth v. 17.7.2020 – 8 O 4992/19, BeckRS 2020, 47009 Rn. 25).
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Nur die WEG, vertreten durch die Hausverwaltung, kann daher Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend machen.
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2. Der Kläger ist auch nicht aufgrund einer Freigabe der Hausverwaltung zur Geltendmachung von Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag im eigenen Namen prozessführungsbefugt. Eine solche Prozessstandschaft ist unzulässig, da damit gerade der legitime Vereinbarungszweck der Bestimmung des VGB 2008, Teil B, § 12 Ziff. 1 S. 2 konterkariert und umgangen würde. Es ist der Beklagten auch nicht nach § 242 BGB zu versagen, sich auf mangelnde Prozessführungsbefugnis des Klägers zu berufen. Gerade die Vielzahl der hier betroffenen Interessen macht es nicht unbillig, dass die Beklagte eine Klärung nur im Verhältnis zum Versicherungsnehmer hergestellt haben will (LG Nürnberg-Fürth Endurteil v. 17.7.2020 – 8 O 4992/19, BeckRS 2020, 47009 Rn. 25, beck-online).
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Der Versicherte kann daher auch dann keine Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend machen, wenn die Versicherungsnehmerin zugestimmt hat (OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 8.5.2018 – 3 U 59/17 = NJW-RR 2018, 1243 und BeckRS 2018, 10066).
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3. Die Prozessführungsbefugnis wird auch durch die mit Beschluss vom 27.11.2024 TOP vereinbarten Abtretung von Mangel- und Gewährleistungsansprüchen und Ansprüchen im Außenverhältnis zum Auftragnehmer begründet. Die Beklagte ist unstreitig nicht mit der Behebung des Mangels beauftragt worden und hat auch nicht im eigenen Namen einen Werkunternehmer beauftragt. Sie ist lediglich der Gebäudeversicherer, sodass Gewährleistungsansprüche oder Ansprüche aus einem Auftragsverhältnis gegen die Beklagte ausscheiden. Überdies würde eine Abtretung den Zweck der Vereinbarung in VGB 2008, Teil B, § 12 Ziff. 1 S. umgehen.
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4. Das Gericht verkennt nicht, dass für den Kläger eine problematische Situation eintritt, wenn die WEG nicht geneigt ist, Ansprüche des Klägers gegenüber der Versicherung durchzusetzen und der Kläger dies selbst aufgrund der fehlenden Prozessführungsbefugnis nicht kann. Die Rechtsschutzmöglichkeiten des Klägers beschränken sich darauf, von der WEG zu verlangen, dass ihre gegebenenfalls bestehenden Ansprüche gegenüber die Versicherung und/oder den Werkunternehmer durchgesetzt werden. Der Kläger hat unter Umständen Schadensersatzansprüche gegen die WEG (so auch: LG Berlin II, Urt. v. 10.1.2024 – 4 O 81/23, r+s 2024, 665 Rn. 14). Ob solche Ansprüche tatsächlich bestehen, ist hier nicht streitgegenständlich. Es kann folglich dahinstehen, ob ein Anspruch der WEG gegen die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag besteht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.