Titel:
Keine Anwendbarkeit des Glücksspielstaatsvertrages auf Spiele im Ausland
Normenkette:
GlüStV 2012/2021 Art. 4
Leitsatz:
Bereits aus der Überschrift des Glücksspielstaatsvertrages folgt, dass Regelungen für das Glücksspielwesen in Deutschland getroffen werden sollten. Der Staatsvertrag kann für Glücksspiele, die im Ausland von ausländischen Anbietern veranstaltet werden, keine Geltung beanspruchen. Die Nichtigkeit der im Ausland veranstalteten Glücksspiele und Sportwetten kann somit nicht aus dem GlüStV folgen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Darlegungs und Beweislast, Malta, Glücksspielstaatsvertrag, Online-Glücksspiel
Vorinstanz:
LG Bayreuth, Urteil vom 25.09.2024 – 44 O 424/23
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Beschluss vom 04.06.2025 – 4 U 145/24 e
Fundstelle:
BeckRS 2025, 11853
Tenor
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 25.09.2024, Az. 44 O 424/23, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und den Streitwert für die Berufung auf 21.512,96 € festzusetzen.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis 12.05.2025.
Entscheidungsgründe
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Der Kläger begehrt Rückzahlung von geleisteten Zahlungen im Zusammenhang mit Onlineglücksspielangeboten auf einer Website der Beklagten im Zeitraum Januar 2009 bis August 2022.
2
Der Kläger unterhielt im streitgegenständlichen Zeitraum unter anderem ein Spielerkonto mit dem Benutzernamen „“ bei der Beklagten, welches er am 08.01.2009 eröffnet hatte. Der Kläger nahm an virtuellen Automatenspielen, Sportwetten und Onlinepoker teil und nutzte u.a. die Website Er registrierte sich mit Für den Kläger zugänglich wurde eine deutschsprachige Website zur Nutzung angeboten. Die Beklagte hat ihren Sitz in Malta. Sie bot virtuelle Automaten- und Pokerspiele und Sportwetten an. Die Beklagte hatte die streitgegenständlichen Glücksspiele mit einer maltesischen Glücksspiellizenz angeboten. Der Kläger hatte bei der Beklagten mehrere Spieleraccounts. Der Kläger nahm auch aus Tschechien, Großbritannien, Hongkong und Österreich an den Glücksspielen teil.
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Das Landgericht hat am 26.04.2024 ein klageabweisendes Versäumnisurteil erlassen. Hiergegen hat der Kläger form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.
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Mit Endurteil vom 25.09.2024 hat das Landgericht das Versäumnisurteil aufrechterhalten. Zur Begründung wird ausgeführt, dass trotz mehrfacher richterlicher Hinweise die Klage weiterhin unschlüssig sei. Die Darlegungs- und Beweislast für die Glücksspielteilnahme im Geltungsbereich des GlüStV 2012/2021 liege bei der Klagepartei. Die Beklagte habe substantiiert vorgetragen, dass der Kläger auch aus Großbritannien, Tschechien, Hongkong und Ungarn gespielt habe. Diese Spielorte seien nicht bestritten worden. Dies habe der Kläger auch anlässlich seiner Anhörung teilweise eingeräumt. Eine Differenzierung dahingehend, welche Einsätze der Kläger bei Glücksspielen im Inland und welche Einsätze im Ausland getätigt habe, finde nicht statt. Die Teilnahme an einem Online-Glücksspiel der in Malta lizenzierten Beklagten durch eine sich im Ausland aufhaltende Person habe nicht dem Verbot nach Art. 4 GlüStV 2012/2021 unterlegen.
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Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 522 Abs. 2 Satz 4 ZPO.
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Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers. Hinsichtlich der Spieltätigkeit im Ausland bestehe eine Beweislastumkehr. Der Beklagten wäre es ein leichtes, substantiiert durch Vortrag zu Zahlungs- oder Spieltätigkeiten zu bestreiten. Dem Kläger sei es unmöglich, den täglichen Aufenthaltsort über einen Zeitraum von nahezu 10 Jahren konkret darzulegen oder gar zu beweisen. Es sei Aufgabe der Beklagten, ihr Bestreiten aufgrund der eigenen und unstreitigen Kenntnis zu substantiieren, welche Spieleinsätze wegen Auslandsbezug unbegründet seien. Die Beklagte könne anhand der IP-Adressen präzise nachvollziehen, von wo der Kläger tatsächlich gespielt habe. Zumindest sei es dem Gericht möglich, einen Mindestschaden nach § 287 ZPO zu schätzen. Überdies sei auch für kurze Auslandsaufenthalte deutsches Recht anwendbar, da sich der gewöhnliche Aufenthalt im Sinne des Art. 6 der Rom-I-Verordnung des Klägers nicht ändere. Der GlüStV sei auch für Glücksspiele anwendbar, an denen der in Deutschland wohnende Kläger im Ausland teilnimmt.
- 1.
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das angefochtene Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 25.09.2024 zum Az. 44 O 424/23 sowie das Versäumnisurteil vom 26.04.2024 aufzuheben und die Beklagte entsprechend dem erstinstanzlichen Schlussantrag zu verurteilen, an die Klagepartei EUR 21.512,96 nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2022 sowie weitere EUR 1.295,43 an vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
- 2.
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hilfsweise die Beklagte zu verurteilt, an den Kläger USD 55.957,80 abzüglich EUR 30.641,20 nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2022 zu sowie weitere EUR 1.214,99 an vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
- 3.
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hilfsweise die Beklagte zu verurteilt, an den Kläger EUR 20.305,52 nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2022 zu sowie weitere EUR 1.214,99 an vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren nebst Zinsen in Höhe von jährlich 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;
- 4.
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hilfsweise, das angefochtene Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 25.09.2024, Az.: 44 O 424/23 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Bayreuth zurückverweisen.
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Die Beklagte beantragt,
Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Landgerichts Bayreuth vom 25. September 2024, 44 O 424/23 wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte verteidigt das Ersturteil. Wegen der unklaren Rechtslage sei das Verfahren auszusetzen. Die Beklagte habe die IP-Adressen (Anlage B 14) vorgelegt. Der Kläger habe nicht dargelegt und bewiesen, dass sämtliche Spielteilnahmen aus dem Inland erfolgten. Nach der herrschenden Meinung in der obergerichtlichen Rechtsprechung sei für die Spielteilnahme außerhalb Deutschlands der GlüStV 2012 nicht anwendbar. Für eine Schätzung des Schadens nach § 287 ZPO fehle es an einer tauglichen Grundlage. Hilfsweise wird vorgetragen, dass die Spielverträge nicht unwirksam seien, eine Leistungsbeziehung ausschließlich zwischen Spielern untereinander bestanden habe und ein Großteil der Ansprüche verjährt sei.
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Ergänzend wird auf die Berufungsbegründung vom 27.12.2024 und die Berufungserwiderung vom 24.02.2025 verwiesen.
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Der Senat beabsichtigt, die Berufung einstimmig durch Beschluss zurückzuweisen, weil sie nach derzeitigem Sach- und Streitstand aussichtslos und offensichtlich unbegründet ist, § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO (§ 513 Abs. 1 1. Alt. ZPO), noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 Abs. 1 2. Alt. ZPO).
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Nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 2. HS ZPO ist der Senat an die von dem erstinstanzlichen Gericht festgestellten Tatsachen gebunden, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Konkrete Anhaltspunkte, welche hiernach die Bindung des Berufungsgerichts an die vorinstanzlichen Feststellungen entfallen lassen, können sich etwa daraus ergeben, dass Beweislast oder Beweismaß verkannt wurden, beweiswürdigende Darlegungen nachvollziehbaren Grundlagen entbehren, ein lückenhaftes Sachverständigengutachten ohne Ergänzung geblieben ist, oder aus Verfahrensfehlern, die dem Eingangsgericht bei der Feststellung des Sachverhalts unterlaufen sind. Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
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Der Senat nimmt daher zunächst auf die zutreffenden Feststellungen im Ersturteil Bezug, die durch das Berufungsvorbringen auch nicht entkräftet werden. Zutreffend hat das Landgericht die Klage wegen fehlender schlüssiger Darlegung der im Inland stattgefundenen Glücksspiele oder Sportwetten abgewiesen. Ein Anspruch gemäß § 812 Abs. 1, Satz 1, 1. Fall BGB wegen Nichtigkeit der Glücksspiele und Sportwetten aufgrund des GlüStV 2012/2021 wurde durch den darlegungsbelasteten Kläger nicht vorgetragen. Entsprechendes gilt für Ansprüche gemäß § 823 Abs. 1 und Abs. 2 BGB.
14
Im Hinblick auf die Berufungsangriffe ist folgendes auszuführen:
1. Zutreffend geht das Landgericht von der Darlegungs- und Beweislast des Klägers hinsichtlich sämtlicher Tatbestandsmerkmale der § 812 BGB und § 823 BGB aus. Entsprechend hat der Kläger die Nichtigkeit der Glücksspiele und Sportwetten darzulegen, an denen er teilgenommen hat und aus denen er die Rückerstattung von Verlusten geltend macht. Eine Beweislastumkehr kommt nicht in Betracht. Selbst wenn von der Beklagten im Rahmen einer sekundären Darlegungslast gefordert wird, Angaben zu einzelnen Wetteinsätzen und Spielen zu machen, kam die Beklagte diesen Anforderungen durch Vorlage der Anlage B 14 nach. In der Aufstellung sind sämtliche IP-Adressen enthalten, von denen der Kläger Zugriff auf das Glücksspielangebot der Beklagten hatte. Durch Auswertung der IP-Adressen kann der Kläger darlegen, ob Zugriffe aus dem Inland erfolgt sind. Weitere Angaben sind in zumutbarer Weise von der Beklagten nicht zu erwarten. Es ist im Ergebnis daher davon auszugehen, dass die Beklagte substantiiert bestritten hat, dass der Kläger das Glücksspiel Angebot vom Inland aus wahrgenommen hat.
2. Wie das Landgericht richtig ausführt, ist der Vortrag des Klägers nicht schlüssig, soweit es den Austragungsort des Spiels betrifft, an denen der Kläger teilgenommen hat. Es ist entscheidend, wo der Spieler spielt. Konkrete Angaben dazu wurden vom Kläger jedoch nicht gemacht. Er musste anlässlich seiner persönlichen Anhörung einräumen, dass verschiedene Spiele vom Ausland aus durchgeführt wurden. Welche Spiele im Inland stattfanden, wurde nicht vorgetragen.
3. Es fehlt entgegen der Auffassung der Berufung auch nicht an der Entscheidungserheblichkeit des fehlenden Vortrags. Mit der Berufung geht der Senat von der Anwendbarkeit deutschen Rechts aus. Allerdings findet der Glücksspielstaatsvertrag lediglich auf Glücksspiele und Sportwetten Anwendung, die im Geltungsbereich des Glücksspielstaatsvertrags veranstaltet werden. Der Senat schließt sich der Auffassung des OLG Braunschweig, Beschluss vom 09.09.2024, Az. 9 U 72/23 (Anlage BB6) an. Zutreffend wird ausgeführt, dass bereits aus der Überschrift des Staatsvertrages folgt, dass Regelungen für das Glücksspielwesen in Deutschland getroffen werden sollten. Der Staatsvertrag kann für Glücksspiele, die im Ausland von ausländischen Anbietern veranstaltet werden, keine Geltung beanspruchen. Bereits für den vergleichbaren LottStV geht das Bundesverwaltungsgericht vom inländischen Geltungsbereich aus (BVerwG NJOZ 2014, 1892 Rn. 64, beck-online). Die Nichtigkeit der im Ausland veranstalteten Glücksspiele und Sportwetten kann somit nicht aus dem GlüStV folgen.
4. Mangels konkreter Anknüpfungspunkte fehlt auch eine Schätzgrundlage für den Anteil der im Inland durchgeführten Glücksspiele und Sportwetten. Eine Schätzung des Mindestschadens gemäß § 287 ZPO scheidet aus.
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Auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO liegen vor. Der Senat weicht nicht von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs oder anderer Obergerichte ab. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Sie ist geprägt durch die ihr innewohnenden Besonderheiten eines Einzelfalles. Alle Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind bereits höchstrichterlich geklärt. Eine Zulassung der Revision wäre im Falle einer Entscheidung durch Urteil nicht geboten.
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Auch eine mündliche Verhandlung ist in der vorliegenden Sache nicht veranlasst (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO). Es ist auszuschließen, dass in einer mündlichen Verhandlung neue, im Berufungsverfahren zuzulassende Erkenntnisse gewonnen werden können, die zu einer anderen Beurteilung führen.
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Der Senat regt daher – unbeschadet der Möglichkeit zur Stellungnahme – die kostengünstigere Rücknahme des aussichtslosen Rechtsmittels an. Auf die bei einer Berufungsrücknahme erfolgende Ermäßigung der Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 (vgl. GKG KV Nr. 1220, 1222) wird hingewiesen.
Für die Richtigkeit der Abschrift