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VGH München, Urteil v. 08.04.2024 – 22 A 17.40026
Titel:

Verpflichtungsklage auf Rücknahme/Widerruf einer atomrechtlichen Aufbewahrungsgenehmigung für Kernbrennstoffe in Transport- und Lagerbehältern der Bauart Castor V/52

Normenketten:
AtG § 6 Abs. 2 Nr. 2, Nr. 4, § 17 Abs. 2, Abs. 3 Nr. 2, Abs. 5, § 44
VwGO § 67 Abs. 4, § 87b Abs. 3, § 121
UmwRG § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 6, S. 2, § 6
GG Art. 19 Abs. 4
Leitsätze:
1. Die Prüfung, ob iSv § 6 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 AtG die erforderliche Vorsorge gegen Schäden getroffen und der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet ist, obliegt in erster Linie der Genehmigungsbehörde, welche die Verantwortung für die Risikoermittlung und -bewertung trägt. Dabei steht ihr ein Einschätzungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. (Rn. 164) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Gerichte sind danach darauf beschränkt zu überprüfen, ob die der behördlichen Beurteilung zugrunde liegende Risikoermittlung und -bewertung auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Behördenentscheidung Rechnung trägt. Sind die Ermittlungen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik ausreichend und hat sie die Behörde ihren Bewertungen zugrunde gelegt, so muss sich das Gericht bei der Prüfung, ob diese Bewertung hinreichend vorsichtig sind, wegen des Funktionsvorbehalts auf eine Willkürkontrolle beschränken. (Rn. 164) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auch die Auswahl der in die Lastannahmen aufzunehmenden SEWD-Szenarien unterliegt danach dem Funktionsvorbehalt der Exekutive und ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar. Dies gilt auch, soweit die Genehmigungsbehörde zur Abgrenzung des durch Vorsorge verminderbaren Risikos vom zumutbaren Restrisiko eine Einzelfallentscheidung zu treffen hat (s. BVerwG BeckRS 2021, 5331 Rn. 29). (Rn. 164) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verpflichtungsklage auf Rücknahme/Widerruf einer atomrechtlichen Aufbewahrungsgenehmigung für Kernbrennstoffe in Transport- und Lagerbehältern der Bauart, Castor V/52, Änderungsgenehmigungen, Klagebegründungsfrist, Anforderungen an den Vortrag eines Prozessbevollmächtigten, präjudizielle Wirkung der Rechtskraft früherer Urteile über Anfechtungsklagen gegen die Aufbewahrungsgenehmigung, Änderung der Sachlage, erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen, zufälliger Absturz eines bewaffneten Militärflugzeugs, Sicherheit des Einschlusses von Brennelementen in den Transport- und Lagerbehältern, erforderlicher Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen, Dritter, gezielter Absturz eines Verkehrsflugzeugs, einschließlich des Typs A380, gezielter Absturz eines bewaffneten Militärflugzeugs, Angriff mit panzerbrechenden Waffen, für den Schutz vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen, Dritter maßgeblicher Richtwert für die Strahlenbelastung, Funktionsvorbehalt der Exekutive, gerichtliche Aufklärungspflicht, atomrechtliche Aufbewahrungsgenehmigung, Zwischenlager, Änderungsgenehmigung
Fundstellen:
ZUR 2024, 618
BeckRS 2024, 7480
LSK 2024, 7480

Tenor

I. Soweit der Kläger zu 4 die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren eingestellt.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen jeweils zu 1/5.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.  

Tatbestand

1
Die Kläger erstreben die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung einer atomrechtlichen Aufbewahrungsgenehmigung und einer dazu ergangenen Änderungsgenehmigung für das Standort-Zwischenlager G2..
2
1. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2003 erteilte das damals zuständige Bundesamt für Strahlenschutz (im Folgenden: BfS) den Firmen R.. … AG, E. ... GmbH und K. ... GmbH die atomrechtliche Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen aus den Blöcken B und C des Kernkraftwerks G2. II im Standort-Zwischenlager in G2. (im Folgenden: Ausgangsgenehmigung). Das Standort-Zwischenlager G2. befindet sich am nördlichen Rand des Betriebsgeländes des inzwischen stillgelegten Kernkraftwerks. Die angefochtene Genehmigung betrifft die Aufbewahrung bestrahlter Kernbrennstoffe nach dem Konzept der trockenen Zwischenlagerung in metallischen, dicht verschlossenen Behältern in einem Lagergebäude aus Stahlbeton. Sie sieht vor, dass bestrahlte Brennelemente des Kernkraftwerks im Lagergebäude in bis zu 192 Transport- und Lagerbehältern der Bauart Castor V/52 aufbewahrt werden dürfen. Die Genehmigung ist befristet auf 40 Jahre, beginnend ab der Einlagerung des ersten mit Brennelementen beladenen Behälters in das Standort-Zwischenlager.
3
Die äußeren Abmessungen des Lagergebäudes betragen: Länge ca. 104 m, Breite ca. 38 m und Höhe ca. 18 m. Das Lagergebäude ist in zwei Lagerhallen sowie eine Verladehalle mit Behälterwartungsstation aufgeteilt. Die Außenwände haben eine Stärke von ca. 0,85 m. Die Dachdecke hat eine Dicke von ca. 0,55 m. Dem Lagergebäude kommt nach dem sog. WTI-Konzept, dem Aufbewahrungskonzept der Ausgangsgenehmigung, keine wesentliche Schutzfunktion gegen Einwirkungen von außen zu. Mechanische oder thermische Lasten auf Grund von äußeren Einwirkungen sollen in erster Linie durch die Transport- und Lagerbehälter abgewehrt werden.
4
Der Kläger zu 1 ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung G. …, das 5 km vom Standort-Zwischenlager entfernt ist. Der Kläger zu 2 ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung L. …, das 4 km vom Standort-Zwischenlager entfernt ist. Der Kläger zu 3 ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung S. ..., das ca. 9,8 km vom Standort-Zwischenlager entfernt ist. Der Kläger zu 4 ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung O. …, das 6 km vom Standort-Zwischenlager entfernt ist. Der Kläger zu 5 ist Eigentümer des Grundstücks FlNr. … der Gemarkung E. …, das 11 km vom Standort-Zwischenlager entfernt ist.
5
Die Kläger zu 1, zu 2, zu 3 und zu 5 hatten die Genehmigung vom 19. Dezember 2003 verwaltungsgerichtlich angefochten. Ihre Klagen wurden mit Urteilen des Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Januar 2006 (Az. 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris, Kläger zu 2, zu 3 und zu 5) sowie vom 9. Januar 2006 (Az. 22 A 04.40012 u.a. – juris, u.a. Kläger zu 1) abgewiesen. Eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil vom 2. Januar 2006 wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 24. August 2006 (Az. 7 B 38.06 – NVwZ 2007, 88 = juris), eine entsprechende Beschwerde bezüglich des Urteils vom 9. Januar 2006 mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ebenfalls vom 24. August 2006 (Az. 7 B 39.06 – juris) zurückgewiesen. Dagegen eingelegte Verfassungsbeschwerden nahm das Bundesverfassungsgericht mit Beschlüssen vom 12. August 2008 (zum Verfahren 7 B 38.06: 1 BvR 2458/06 – juris; zum Verfahren 7 B 39.06: 1 BvR 2492/06 – juris) nicht zur Entscheidung an.
6
2. In der Folge ging die Zuständigkeit für die Erteilung der Aufbewahrungsgenehmigungen im streitgegenständlichen Standort-Zwischenlager vom BfS mit Wirkung vom 1. Januar 2014 auf das Bundesamt für kerntechnische Entsorgung (im Folgenden: BfE) über (Gesetz vom 23.7.2013, BGBl I S. 2553, 2563), das mit Wirkung vom 30. Juli 2016 in Bundesamt für kerntechnische Entsorgungssicherheit (im Folgenden: BfE) umbenannt wurde (Gesetz vom 26.7.2016, BGBl I S. 1843). Mit Wirkung vom 1. Januar 2020 wurde das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (im Folgenden: BASE) zuständig (Gesetz vom 12.12.2019, BGBl I S. 2510).
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Die jeweils zuständige Behörde erließ im Nachgang zu der Ausgangsgenehmigung vom 19. Dezember 2003 insgesamt 6 Änderungsgenehmigungen (6. Änderungsgenehmigung vom 1.10.2020). Gegenstand der 2. Änderungsgenehmigung vom 7. Januar 2014 ist die Erweiterung des Schutzes des Standort-Zwischenlagers gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter (im Folgenden auch: SEWD), nach den Angaben der Beklagten insbesondere hinsichtlich bestimmter Angriffsszenarien im Nahbereich der eingelagerten Behälter, darunter der Beschuss mit panzerbrechenden Waffen. Dazu wurden weitere Sicherungsvorkehrungen genehmigt, nämlich u.a. die Errichtung von Stahlbetonwänden an den Längsseiten des Lagers und der Austausch bzw. der Einbau von Türen und Toren.
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Die Kläger zu 1, zu 2, zu 3 und zu 5 legten unter dem 25. Februar, 27. Februar und 10. März 2014 jeweils Widerspruch gegen die 2. Änderungsgenehmigung ein. Unter dem 24. März 2014 wurde die sofortige Vollziehung der 2. Änderungsgenehmigung angeordnet. Die Widersprüche wurden mit Bescheid des BfE vom 3. August 2017 zurückgewiesen.
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3. Alle Kläger beantragten unter dem 27. Mai 2016 bei der Behörde die Aufhebung der Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen im Standort-Zwischenlager G2. vom 19. Dezember 2003 sowie aller darauffolgenden Änderungsgenehmigungen, hilfsweise die Aufhebung der 2. Änderungsgenehmigung vom 7. Januar 2014. Der Antrag wurde mit Bescheid des BfE vom 3. August 2017 abgelehnt. Die dagegen unter dem 30. August 2017 eingelegten Widersprüche wurden mit Bescheid des BfE vom 20. November 2017 zurückgewiesen.
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In ihrem Antrag vom 27. Mai 2016 beantragten die Kläger bei der Behörde auch die Vorlage eines Gutachtens der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (im Folgenden: GRS) gGmbH vom 2. März 2010 zu den Auswirkungen des gezielten Absturzes eines Passagierflugzeugs des Typs Airbus A380 auf ein Standort-Zwischenlager (im Folgenden: GRS-Gutachten 2010) sowie gegebenenfalls weiterer Gutachten zu diesem Thema. Mit Bescheiden des BfE vom 11. November 2016 und 5. Januar 2017 wurde ihnen u.a. – jeweils teilweise geschwärzt – ein Gutachten zu den Auswirkungen eines absichtlich herbeigeführten Absturzes eines Verkehrsflugzeuges auf die Standort-Zwischenlager Biblis und G2. des TÜV H. vom Mai 2003 (im Folgenden: TÜV-Gutachten 2003) und das GRS-Gutachten 2010 zum Absturz eines A380 herausgegeben.
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4. Die Kläger erhoben unter dem 30. August 2017, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, Klage zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit dem Ziel der Aufhebung der 2. Änderungsgenehmigung. Sie kündigten an, die Klage nach Akteneinsicht zu begründen.
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Mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2017, am 14. Dezember 2017 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen, erklärten die Kläger, sie erweiterten ihre Klage um den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 20. November 2017. Beantragt werde die Aufhebung der Ausgangsgenehmigung sowie aller folgenden Änderungsgenehmigungen, hilfsweise die Aufhebung der 2. Änderungsgenehmigung. Die Begründung werde nach Akteneinsicht erfolgen.
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Mit der Erstzustellung der Klage vom 7. September 2017 wurde der Beklagten aufgegeben, die einschlägigen Akten alsbald vorzulegen. Dieser Vorgang nahm wegen des Erfordernisses der Prüfung auf geheimhaltungsbedürftige Aktenbestandteile längere Zeit in Anspruch. So übermittelte die Beklagte mit Schreiben vom 23. Januar 2018 einen ersten Teil der Akten; mit Schreiben vom 31. Mai 2018 wurde dies nach weiterer Prüfung ergänzt. Geheimhaltungsbedürftige Aktenbestandteile waren zuvor entnommen worden. Mit gerichtlichem Schreiben vom 5. Juni 2018 wurden die Kläger gemäß § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO aufgefordert, binnen zwei Monaten die Tatsachen mitzuteilen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung in den Verwaltungsverfahren, die den streitgegenständlichen Behördenentscheidungen vorausgingen, sie sich beschwert fühlten.
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Nach Verlängerung der gesetzten Frist bis zum 22. August 2018 begründeten die Kläger ihre Klage mit Schriftsatz von diesem Tag, beim Verwaltungsgerichtshof am gleichen Tag eingegangen. Der Klagebegründung waren zwei fachliche Stellungnahmen beigefügt, nämlich eine „Stellungnahme zu Aspekten im Klageverfahren gegen das Standort-Zwischenlager in G2.“ der ... GmbH vom 20. August 2018 (Anlage K 4) sowie eine „Stellungnahme zu Flugzeugabsturz und Einwirkungen Dritter auf das Standort-Zwischenlager G2.“ der G. ... e.V. vom September 2004 (Anlage K 5). Zum gleichen Zeitpunkt legten die Kläger als Anlage K 8 einen Bericht des österreichischen Umweltbundesamtes „Grenzüberschreitende UVP gemäß Art. 7 UVP-RL zum Standortzwischenlager G2.“ vom Januar 2002 vor. Die Kläger ergänzten die Begründung mit weiteren Schriftsätzen. Die Klage des Klägers zu 4 gegen die 2. Änderungsgenehmigung wurde mit Schriftsatz vom 22. August 2018 zurückgenommen.
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Die Beklagte legte dem Gericht im Laufe des Verfahrens eine Vielzahl von Unterlagen (u.a. fachliche Gutachten, Stellungnahmen, untergesetzliche Regelungen und Rundschreiben, teilweise geschwärzt) vor, darunter – jeweils teilgeschwärzt – eine Stellungnahme des Länderausschusses für Atomkernenergie vom 3./4.Juli 2003 „Schutz kerntechnischer Anlagen gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter – rechtlicher Rahmen der Beurteilung des Szenarios terroristischer Flugzeugangriff durch die Exekutive“ (Anlage B 4), das TÜV-Gutachten 2003 (Anlage B 5) sowie das GRS-Gutachten 2010 (Anlage B 8) (Schriftsatz vom 28. September 2018). Mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2018 legte sie weitere von den Klägern genannte Unterlagen jeweils teilgeschwärzt vor, nämlich u.a. ein Gutachten zu den Auswirkungen eines gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturzes einer Boeing 787 „Dreamliner“ auf Zwischenlager der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH vom April 2013 (Anlage B 10), ein Gutachten zur Ermittlung der radiologischen Konsequenzen eines gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturzes auf das Standort-Zwischenlager G2. für den Antrag nach § 6 Atomgesetz der TÜV ... I. Service GmbH vom August 2013 (Anlage B 11) sowie ein Gutachten zur Ermittlung der radiologischen Folgen durch die Freisetzung radioaktiver Stoffe aufgrund eines gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturzes auf das Standort-Zwischenlager G2. für die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nach § 6 Atomgesetz hinsichtlich einer modifizierten Ausführungsform der Transport- und Lagerbehälter CASTOR V/52 sowie zusätzlicher Beladevarianten und Inventare der TÜV ... I1. Service GmbH vom Oktober 2015 (Anlage B 13). Mit Schriftsatz vom 30. Januar 2019 legte die Beklagte das Gutachten zur sicherheitstechnischen Beurteilung der Behälterbauart CASTOR V/52 bei der trockenen Zwischenlagerung des TÜV ... vom Dezember 2003 vor (Anlage B 31, im Folgenden: Behältergutachten). Mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2023 wurde eine neue, hinsichtlich der Schwärzungen von der Anlage B 8 abweichende Fassung des GRS-Gutachtens 2010 vorgelegt (Anlage B 51).
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Der Senat hat am 7. Dezember 2023 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.
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5. Die Kläger beantragen zuletzt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 3. August 2017 und des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2017 zu verpflichten, die Genehmigung vom 19. Dezember 2003 in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung aufzuheben,
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hilfsweise für die Kläger zu 1, zu 2, zu 3 und zu 5, die 2. Änderungsgenehmigung vom 7. Januar 2014 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2017 aufzuheben.
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5.1 Die Kläger trugen vor, die Klage sei im Hauptantrag zulässig. Dieser sei – unter Berücksichtigung der Beifügung des beim BfS gestellten Aufhebungsantrags vom 27. Mai 2016 – von Beginn an auf Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme oder zum Widerruf der Genehmigung vom 19. Dezember 2003 einschließlich aller Änderungsgenehmigungen gerichtet gewesen. Damit seien alle Änderungsgenehmigungen bis einschließlich der 4. Änderungsgenehmigung gemeint, die als letzte Änderungsgenehmigung vor Klageerhebung ergangen sei. Die Klagefrist sei mit Blick auf den Widerspruchsbescheid vom 20. November 2017 gewahrt. Es handele sich um eine wirksame nachträgliche objektive Klagehäufung. Der Klage stehe nicht die Rechtskraft der Urteile des Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Januar 2006 – 22 A 04.40016 – und vom 9. Januar 2006 – 22 A 04.40012 u.a. – entgegen, weil sich die Begründung des Begehrens der Kläger nicht vollständig auf Sachverhalte stütze, die bereits Gegenstand der Urteile des Verwaltungsgerichtshofs gewesen seien. Zudem habe sich die Sach- und Rechtslage, u.a. durch eine geänderte Rechtsprechung sowie den Erlass des Standortauswahlgesetzes, wesentlich geändert.
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5.2 Bezüglich der Begründetheit des Hauptantrags ist dem dem Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 beiliegenden Antrag der Kläger vom 27. Mai 2016 im Wesentlichen Folgendes zu entnehmen: Die Ausgangsgenehmigung sei nach § 17 Abs. 2 AtG zurückzunehmen, weil ihre Voraussetzungen bei der Erteilung nicht vorgelegen hätten. Die Kläger hätten einen Anspruch auf vollständige neue Prüfung, weil sich die Sach- und Rechtslage wesentlich geändert habe. Das Rechtsinstitut der Bestandskraft gelte im Atomrecht nur eingeschränkt. Das Rücknahmeermessen sei mit Blick auf das Recht der Kläger auf Leben und körperliche Unversehrtheit auf null reduziert. Jedenfalls sei die Genehmigung nach § 17 Abs. 5 AtG zu widerrufen, weil das Standort-Zwischenlager eine erhebliche Gefährdung für die Kläger darstelle. Nachträgliche Schutzanordnungen seien nicht geeignet, die Gefährdung vollständig zu beseitigen.
22
Das Szenario des zufälligen Absturzes eines bewaffneten schnell fliegenden Militärflugzeugs hätte bei Erteilung der Ausgangsgenehmigung analog zum Absturz eines unbewaffneten Militärflugzeugs als auslegungsüberschreitender Störfall betrachtet werden müssen.
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Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei das Szenario eines gezielten Absturzes eines Verkehrsflugzeugs dem Bereich der Schadensvorsorge zuzuordnen; die vom BfS vorgenommene Prüfung sei insoweit nicht ausreichend. Auch sei in der Genehmigung von unzutreffenden thermischen Lastannahmen beim Flugzeugabsturz ausgegangen worden. Dies betreffe eine Anwendung des sog. 80-Perzentils, die Annahmen bezüglich der Gesamtmenge an Kerosin, die bei einem Flugzeugabsturz in das Lagergebäude eintreten werde, sowie die Annahmen zum Brandverlauf.
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Zudem sei das Szenario des Absturzes eines Flugzeugs vom Typ A380 im Rahmen des Genehmigungsverfahrens nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Betrachtung im Rahmen der 2. Änderungsgenehmigung hebe das Ermittlungsdefizit nicht auf. Die Kläger kritisieren die Methodik des von der Beklagten eingeholten GRS-Gutachtens 2010 zum Absturz des A380.
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Darüber hinaus seien die Auswirkungen eines gezielten Angriffs mit handgetragenen panzerbrechenden Waffen auf das Standort-Zwischenlager unzutreffend bewertet worden. Es würden veraltete Beschussexperimente herangezogen, wobei die zum Genehmigungszeitpunkt auf dem Markt befindlichen Waffentypen nicht berücksichtigt worden seien. Zudem müsse von einem Eindringen mehrerer Täter sowie der Abgabe mehrerer Schüsse aus dieser Gruppe ausgegangen werden. Möglich sei auch die Öffnung der Gebäudewand.
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Die von der Behörde vorgenommene alleinige Berücksichtigung des Eingreifrichtwertes für die Evakuierung als Bewertungsmaßstab für die Strahlenbelastung der Bevölkerung sei nicht ausreichend. Zusätzlich müssten die Eingreifrichtwerte für die Umsiedlung sowie die Störfallplanungswerte herangezogen werden. Der Eingreifrichtwert für die Umsiedlung werde beim Absturz eines großen Verkehrsflugzeuges, bei zufälligem Absturz eines bewaffneten Militärflugzeuges und bei einem Angriff mit panzerbrechenden Waffen an sämtlichen Wohnorten der Kläger überschritten.
27
Es seien insgesamt nicht alle möglichen SEWD-Szenarien betrachtet worden.
28
In der Klagebegründung vom 22. August 2018 wiederholten und vertieften die Kläger ihren Vortrag aus dem Aufhebungsantrag vom 27. Mai 2016; darüber hinaus erhoben sie zwei weitere Rügen:
29
Die Ausgangsgenehmigung sei auch deshalb rechtswidrig, weil die Funktionsfähigkeit des Einschlusses der Brennelemente in den Transport- und Lagerbehältern nicht gewährleistet sei.
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Zudem sei der gezielte Absturz eines bewaffneten Militärflugzeugs nicht auszuschließen. Dabei könnten Behälter von Bomben zerstört werden und ein Dichtungsversagen eintreten.
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5.3 Zum Hilfsantrag führten die Kläger in dem an das BfS gerichteten Antrag vom 27. Mai 2016 und der Klagebegründung vom 22. August 2018 aus, die 2. Änderungsgenehmigung sei rechtswidrig, weil die Behörde die Mängel der Ausgangsgenehmigung im Hinblick auf den Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter zu Unrecht nicht in die Prüfung einbezogen und behoben habe. In ihren Schriftsätzen vom 28. Mai 2019 und 30. September 2019 trugen die Kläger weiter vor, sie wendeten sich auch gegen nachteilige Auswirkungen der neuen Maßnahmen für andere Szenarien wie z.B. den Flugzeugabsturz.
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5.4 Das klägerische Vorbringen sei im Übrigen nicht gemäß § 6 UmwRG präkludiert. Der Senat sei offensichtlich davon ausgegangen, dass die Kläger hinsichtlich der Klagebegründung im Sinne des § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO genügend entschuldigt gewesen seien. Die Klagebegründung sei innerhalb der vom Gericht nach § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO gesetzten Frist eingereicht worden. Die Akteneinsicht sei zur Begründung der Klage zwingend erforderlich gewesen; ohne diese wäre die Erstellung des Gutachtens (Anlage K 4) nicht möglich gewesen. Im Übrigen sei § 6 UmwRG unionsrechtswidrig; die Vorschrift verstoße gegen das Äquivalenz- und das Effektivitätsgebot.
33
5.5 Mit der Klagebegründung vom 22. August 2018 und mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2022 beantragten die Kläger zudem die Vorlage weiterer Unterlagen seitens der Beklagten. Die bislang nur teilweise vorgelegten Akten könnten nicht als Grundlage einer umfassenden Klagebegründung dienen.
34
6. Die Beklagte beantragt,
35
die Klage abzuweisen.
36
6.1 Die Klage sei im Hauptantrag unzulässig. In dem Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 könne mit Blick auf die anwaltliche Vertretung der Kläger kein Verpflichtungsantrag gesehen werden. Die erst am 22. August 2018 erhobene Verpflichtungsklage sei verfristet. Es handele sich nicht um eine Klageerweiterung, sondern um eine nicht sachdienliche Klageänderung. Gegenstand einer Verpflichtungsklage könne im Übrigen allenfalls die Aufhebung der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung sein, denn in den klägerischen Schriftsätzen fehle jeder Bezug zu den späteren Änderungsgenehmigungen. Die 3. bis 6. Änderungsgenehmigung seien von der Ausgangsgenehmigung und der 2. Änderungsgenehmigung materiell teilbar.
37
Die Verpflichtungsklage der Kläger zu 1, 2, 3 und 5 scheitere auch an der negativen Sachentscheidungsvoraussetzung der entgegenstehenden Rechtskraft der Urteile des Verwaltungsgerichtshofs vom 2. und 9. Januar 2006 (22 A 04.40016 und 22 A 04.40012 u.a.). Ein möglicher Anspruch der Kläger sei zudem verwirkt, da seit der Möglichkeit zur Geltendmachung bis zur Klageerhebung längere Zeit verstrichen sei und besondere Umstände hinzuträten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließen.
38
6.2 Der Hauptantrag sei auch unbegründet. Ein Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf der Ausgangsgenehmigung bestehe nicht. Selbst wenn man hinsichtlich der Urteile des Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 2006 nicht von entgegenstehender Rechtskraft ausgehe, stehe jedenfalls die Präjudizwirkung dieser Urteile den Ansprüchen entgegen. Der Senat habe im Jahr 2006 entschieden, dass die Voraussetzungen der Ausgangsgenehmigung im Zeitpunkt ihrer Erteilung vorgelegen hätten; dies sei vorgreiflich für den jetzt geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme. Auch für den Widerruf nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG komme es auf das Vorliegen der Voraussetzungen im Zeitpunkt der Erteilung der Ausgangsgenehmigung an, da die Sach- und Rechtslage im Wesentlichen unverändert sei. Für den Anspruch auf Widerruf nach § 17 Abs. 5 AtG bestehe ebenfalls eine gewisse Vorgreiflichkeit, da eine erhebliche Gefährdung nicht vorliegen könne, wenn der Vorsorgetatbestand des § 6 Abs. 2 AtG weiterhin erfüllt sei. Die Präjudizwirkung entfalle nicht wegen einer entscheidungserheblichen Änderung der Sach- oder Rechtslage, denn eine solche liege nicht vor. Auch in dem Inkrafttreten des 17. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes liege keine relevante Änderung der Rechtslage, denn es handele sich lediglich um eine Normierung der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung zu den Anforderungen an das integrierte Sicherungs- und Schutzkonzept zum Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter. Im Übrigen lägen die Voraussetzungen für einen Widerruf nach § 17 Abs. 5 AtG nicht vor.
39
Bezüglich des unbeabsichtigten Absturzes eines bewaffneten schnell fliegenden Militärflugzeugs liege kein Ermittlungsdefizit vor. Dieser sei dem Bereich des Restrisikos zuzuordnen und daher nicht drittschützend.
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Der gezielte Absturz eines Verkehrsflugzeugs sei von der Genehmigungsbehörde als ein die Lastannahmen überschreitendes Ereignis betrachtet worden, für das gleichwohl eine Schutzgewährleistung als erforderlich angesehen worden sei, allerdings unter Zugrundelegung realistischer anstelle konservativer Randbedingungen.
41
Hinsichtlich des Absturzes eines A380 sei durch das GRS-Gutachten 2010 belegt, dass die bisherigen Annahmen zum Flugzeugabsturz abdeckend seien; auch insoweit sei die Zugrundelegung realistischer Randbedingungen gerechtfertigt. Im Rahmen der Erteilung der 2. Änderungsgenehmigung sei geprüft worden, ob die Maßnahmen zur Nachrüstung zu einer größeren Freisetzung radioaktiver Stoffe infolge eines gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturzes führen würden; dies sei nicht der Fall.
42
Nach Umsetzung der mit der 2. Änderungsgenehmigung vorgesehenen zusätzlichen Schutzmaßnahmen sei nicht mehr davon auszugehen, dass Terroristen in das Lager eindringen könnten, um dort auf die Behälter einzuwirken, etwa durch Beschuss.
43
Die Heranziehung der Eingreifrichtwerte für die Umsiedlung entspreche nicht mehr dem Stand von Wissenschaft und Technik und inzwischen auch nicht mehr der Rechtslage.
44
Die Sicherheit der Behälter sei für die genehmigte Lagerdauer von 40 Jahren gegeben. Die Aufbringung eines Fügedeckels sei im Fall eines Dichtungsversagens des Primärdeckels ausreichend, was sich auch aus dem entsprechenden Behältergutachten des TÜV ... ergebe.
45
Der gezielte Absturz eines schnell fliegenden bewaffneten Militärflugzeugs sei dem Restrisiko zuzuordnen.
46
6.3 Der Hilfsantrag sei unzulässig, weil es den Klägern an der Klagebefugnis fehle.
47
6.4 Die Kläger seien im Übrigen mit ihrem Vorbringen gemäß § 6 UmwRG präkludiert. Entschuldigungsgründe nach § 6 UmwRG lägen nicht vor. Eine Ermittlung des Sachverhalts mit geringem Aufwand komme nur in Betracht, wenn die tatsächlichen Gesichtspunkte, unter denen der Kläger die Verwaltungsentscheidung angreife, derart auf der Hand lägen, dass es unter Berücksichtigung des klägerischen Rechtsschutzbegehrens eine unverhältnismäßige Förmelei wäre, sie nicht zu berücksichtigen.
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6.5 Die Vorlage weiterer Unterlagen werde abgelehnt. Jedenfalls teilweise handele es sich dabei um einen unzulässigen Versuch, Zugang zu Quellen zu erlangen. Im Übrigen könne die potentielle Nichterweislichkeit der tatsächlichen Sicherstellung des nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG geforderten Schutzes, etwa aufgrund berechtigter Geheimschutzinteressen, nicht zulasten der Beklagten gehen. Gerade die Geheimschutzverpflichtung solle laut der Gesetzesbegründung zum 17. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes nicht (mehr) dazu führen, dass eine zutreffende Genehmigungsentscheidung aufgehoben und damit der – auch im vorliegenden Verfahren zentrale – Bestandsschutz der Genehmigung ungerechtfertigterweise gefährdet würde (BT-Drs. 19/27659, S. 1).
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7. Zum Verfahren wurden zunächst die ursprünglichen Inhaberinnen der atomrechtlichen Aufbewahrungsgenehmigungen für das Standort-Zwischenlager G2. (K. ... GmbH, P. … GmbH [vormals E. ... GmbH] und R.. … AG) beigeladen. Durch § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Regelung des Übergangs der Finanzierungs- und Handlungspflichten für die Entsorgung radioaktiver Abfälle der Betreiber von Kernkraftwerken (Entsorgungsübergangsgesetz – EntsorgÜG, Art. 2 des Gesetzes zur Neuordnung der Verantwortung in der kerntechnischen Entsorgung vom 27.1.2017 [BGBl I S. 114]) gingen die Genehmigungen zum 1. Januar 2019 auf die BGZ Gesellschaft für Zwischenlagerung mbH (im Folgenden: BGZ) über, die erklärte, es handele sich um einen gesetzlichen Parteiwechsel auf Beigeladenenseite.
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Die Beigeladene beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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7.1 Sie trug im Wesentlichen – soweit nicht bereits durch die Beklagte ausgeführt – vor, der Hauptantrag sei unbegründet. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für das Verpflichtungsbegehren sei nicht nur beim Widerruf gemäß § 17 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 AtG der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, sondern auch bei der Rücknahme gemäß § 17 Abs. 2 AtG, weil die Ermessensausübung offensichtlich fehlerhaft wäre, wenn eine ggf. bei Erteilung fehlende Genehmigungsvoraussetzung inzwischen vorliege. Eine solche Heilung eines ursprünglichen Mangels könne eintreten, wenn die Anforderungen des Atomgesetzes oder des untergesetzlichen Regelwerks sich änderten oder wenn ein Mangel durch Ertüchtigungsmaßnahmen behoben werde. Bei einer Verpflichtungsklage sei noch stärker als bei einer Anfechtungsklage der Funktionsvorbehalt der Behörde anzuerkennen. Zudem verlagere sich hier zwar die Beweislast für das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen nicht vollständig auf die Kläger, doch müssten diese schlüssig und plausibel einen Sachverhalt darlegen, der geeignet sei, die Behörde zu einer „Wiederaufnahme“ zu veranlassen.
53
Entgegen der Auffassung der Kläger sei im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung der 2. Änderungsgenehmigung eine Prüfung nur insoweit verlangt und gestattet gewesen, als durch die Änderung die Genehmigungsfrage neu aufgeworfen worden sei.
54
Das GRS-Gutachten 2010 zum Absturz eines A380 auf Standort-Zwischenlager sei nicht dazu bestimmt gewesen, die Genehmigungsentscheidung von 2003 für das Standort-Zwischenlager G2. nachträglich zu unterstützen, weil die Genehmigung seit 2006 bestandskräftig sei. Vielmehr sei die Behörde insoweit der sich mittelbar aus § 17 AtG ergebenden Pflicht nachgekommen, sich auch nach Erteilung der Genehmigung bei Änderung der Sachlage vom weiteren Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen zu überzeugen. Dies erhöhe die Anforderungen an den klägerischen Vortrag.
55
7.2 Dem Hilfsantrag fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Die Kläger wollten letztlich eine Überprüfung der Ausgangsgenehmigung erreichen. Würde die 2. Änderungsgenehmigung aufgehoben, die Ausgangsgenehmigung jedoch bestehen bleiben, so wäre der von den Klägern geltend gemachten Beschwer nicht abgeholfen.
56
7.3 Das Begehren der Kläger nach der Vorlage von Unterlagen, die beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz oder beim BfE allgemein zu einem bestimmten Thema vorhanden seien, sei zu unspezifisch. Soweit die Vorlage von Unterlagen zur 2. Änderungsgenehmigung gefordert werde, sei diese im Grunde gar nicht das Ziel der Klage.
57
8. Die Vertreterin des öffentlichen Interesses stellte keinen Antrag, schloss sich aber den Ausführungen der Beklagten an.
58
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

59
Über die Klage konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden, da die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2023 ihr Einverständnis damit erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).
60
A.
Soweit der Kläger zu 4 seine Klage zurückgenommen hat, nämlich in Bezug auf den auf Aufhebung der 2. Änderungsgenehmigung gerichteten Hilfsantrag (s. hierzu unten D.), war das Verfahren gemäß § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen (vgl. zu den Folgen der Rücknahme eines Hilfsantrags BVerwG, U.v. 15.3.1988 – 1 C 25.84 – BVerwGE 79, 118 = juris Rn. 39).
61
B.
Der zum 1. Januar 2019 und damit im Laufe des gerichtlichen Verfahrens eingetretene Übergang der atomrechtlichen Aufbewahrungsgenehmigungen für das Standort-Zwischenlager G2. von den ursprünglich zum Verfahren beigeladenen Genehmigungsinhaberinnen auf die BGZ durch § 3 Abs. 1 EntsorgÜG hat keinen Einfluss auf das Verfahren. Es handelt sich insofern um einen gesetzlichen Parteiwechsel auf Beigeladenenseite (§ 173 VwGO i.V.m. §§ 239 ff. ZPO; s. zum gesetzlichen Parteiwechsel infolge Zuständigkeitsänderung etwa BVerwG, U.v. 14.6.2001 – 5 C 21.00 – BVerwGE 114, 326 = juris Rn. 12; U.v. 25.4.2002 – 5 C 23.01 – NVwZ-RR 2003, 124 = juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 29.3.2007 – 1 ZB 05.1957 – juris Rn. 7; U.v. 6.4.2001 – 12 B 00.2019 – VGH n.F. 54, 100 = juris Rn. 64; VGH BW, U.v. 8.3.1995 – 8 S 3345.94 – RdL 1995, 279 = juris Rn. 16; Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 91 Rn. 24). Besonderer Prozesserklärungen bedarf es hierzu nicht, sondern der Parteiwechsel war von Amts wegen zu berücksichtigen; es war lediglich das Rubrum zu ändern (BVerwG, U.v. 25.4.2002 – 5 C 23.01 – NVwZ-RR 2003, 124 = juris Rn. 7; BayVGH, B.v. 29.3.2007 – 1 ZB 05.1957 – juris Rn. 7; VGH BW, U.v. 8.3.1995 – 8 S 3345.94 – RdL 1995, 279 = juris Rn. 16).
62
C.
Die Klage bleibt im Hauptantrag ohne Erfolg.
63
I. Die Klage ist im Hauptantrag zulässig.
64
In der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2023 haben die Kläger im Hauptantrag die Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung beantragt.
65
1. Bereits der mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2017, bei Gericht am 14. Dezember 2017 eingegangen, gestellte Antrag war als Verpflichtungsantrag (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) auszulegen.
66
1.1 Nach § 88 VwGO darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden; das Gericht hat vielmehr das tatsächliche Rechtsschutzbegehren zu ermitteln. Maßgebend für den Umfang des Klagebegehrens ist das aus dem gesamten Parteivorbringen, insbesondere der Klagebegründung, zu entnehmende wirkliche Rechtsschutzziel (BVerwG, U.v. 3.7.1992 – 8 C 72.90 – NVwZ 1993, 62 = juris Rn. 19; B.v. 13.1.2012 – 9 B 56.11 – NVwZ 2012, 375 = juris Rn. 7). Neben dem Klageantrag und der Klagebegründung ist auch die Interessenlage des Klägers zu berücksichtigen, soweit sie sich aus dem Parteivortrag und sonstigen für das Gericht und den Beklagten erkennbaren Umständen ergibt (BVerwG, B.v. 13.1.2012 – 9 B 56.11 – NVwZ 2012, 375 = juris Rn. 8; B.v. 12.3.2012 – 9 B 7.12 – DÖD 2012, 190 = juris Rn. 5). Ist der Kläger bei der Fassung des Klageantrags anwaltlich vertreten worden, so kommt der Antragsformulierung zwar gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu. Selbst dann darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstigen Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (BVerwG, B.v. 13.1.2012 – 9 B 56.11 – NVwZ 2012, 375 = juris Rn. 7; B.v. 12.3.2012 – 9 B 7.12 – DÖD 2012, 190 = juris Rn. 6; s. unter dem Gesichtspunkt der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG auch BVerfG [Kammer], B.v. 23.10.2007 – 2 BvR 542/07 – NVwZ 2008, 417 = juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 24.7.2017 – 11 ZB 17.30821 – juris Rn. 7, 9).
67
1.2 Nach diesen Grundsätzen war der mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 gestellte Antrag trotz seines Wortlautes, der suggeriert, dass er auf Anfechtung gerichtet sei, als Verpflichtungsantrag auszulegen. Aus dem Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 geht hervor, dass nach dem Willen der Kläger die Klage um den Widerspruchsbescheid vom 20. November 2017 erweitert werden sollte, der sich auf den Antrag der Kläger bei der Beklagten vom 27. Mai 2016 bezog. Aus letzterem ergab sich, dass die Kläger die Aufhebung der Aufbewahrungsgenehmigung vom 19. Dezember 2003 „sowie aller darauf folgenden Änderungsgenehmigungen“ durch die zuständige Behörde erstrebten. Beide Unterlagen lagen dem Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 bei. Bezieht man diese in die Betrachtung mit ein, so muss das wirkliche Klageziel der Kläger dahin verstanden werden, dass sie ihren im Verwaltungsverfahren erfolglosen Antrag auf Aufhebung der Genehmigungen durch die Behörde nun gerichtlich weiterverfolgen und mithin Verpflichtungsklage erheben wollten. Darüber hinaus wäre eine Anfechtungsklage gegen die Genehmigung vom 19. Dezember 2003 wegen der Bestandskraft dieses Bescheids offensichtlich unzulässig, was unter Berücksichtigung der vorgenannten Umstände auch dagegen spricht, den Antrag aus dem Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 als Anfechtungsantrag auszulegen.
68
2. Die Kläger sind auch klagebefugt, § 42 Abs. 2 VwGO.
69
2.1 In der Rechtsprechung ist geklärt, dass die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 4 AtG, deren Fehlen bzw. Wegfall die Kläger behaupten, drittschützend sind, soweit der Grundsatz der Schadensvorsorge reicht (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 18 ff; U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 18 ff.; OVG SH, U.v. 19.6.2013 – 4 KS 3.08 – juris Rn. 104). Zwar können die Kläger vorliegend angesichts der Bestandskraft der Ausgangsgenehmigung nicht unmittelbar gegen diese vorgehen und sich daher nicht unmittelbar auf § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 4 AtG berufen; sie können vielmehr das Fehlen oder den Wegfall von drittschützenden Genehmigungsvoraussetzungen nur im Rahmen eines eventuellen Aufhebungsanspruchs nach § 17 AtG geltend machen. Auch insoweit geht die Rechtsprechung jedoch davon aus, dass Dritte einen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf einer atomrechtlichen Genehmigung haben können, den sie im Wege einer Verpflichtungsklage gerichtlich geltend machen können, jedenfalls soweit drittschützende Genehmigungsvoraussetzungen in Streit stehen (vgl. allgemein zu § 17 AtG BVerwG, U.v. 22.1.1997 – 11 C 7.95 – BVerwGE 104, 36 = juris Ls. 3; Rn. 22, 27; U.v. 21.8.1996 – 11 C 9.95 – BVerwGE 101, 347 = juris Rn. 40; OVG SH, U.v. 3.11.1999 – 4 K 26.95 – RdE 2000, 146 = juris Rn. 150 f.; zu § 17 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 AtG BayVGH, Gerichtsbescheid vom 11.4.2000 – 22 A 99.40013 u.a. – NVwZ 2000, 1192 = juris Rn. 11, 13; zu § 17 Abs. 5 AtG BVerwG, B.v. 5.4.1989 – 7 B 47.89 – NVwZ 1989, 1170 = juris Rn. 2; BayVGH, U.v. 28.7.2005 – 22 A 04.40061 – ZUR 2005, 540 = juris Rn. 18 f.; HessVGH, B.v. 28.6.1989 – 8 Q 2809.88 – NVwZ 1989, 1183 = juris Rn. 78; U.v. 25.3.1997 – 14 A 3083.89 – juris Rn. 144; zur Betriebseinstellung nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG BVerwG, U.v. 25.10.2000 – 11 C 1.00 – BVerwGE 112, 123 = juris Rn. 51 ff.; s. insgesamt auch Ewer in Hennenhöfer/Mann/Pelzer/Sellner, AtG/PÜ, 2021, § 17 AtG Rn. 54 ff.; Roller in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 17 AtG Rn. 61). Soweit es um den obligatorischen Widerruf nach § 17 Abs. 5 AtG geht, spricht dafür schon der Wortlaut, der Dritte ausdrücklich in Bezug nimmt (vgl. HessVGH, B.v. 28.6.1989 – 8 Q 2809.88 – NVwZ 1989, 1183 = juris Rn. 78; OVG SH, U.v. 3.11.1999 – 4 K 26.95 – RdE 2000, 146 = juris Rn. 150; Ewer in Hennenhöfer/Mann/Pelzer/Sellner, AtG/PÜ, 2021, § 17 AtG Rn. 57).
70
2.2 Für die Klagebefugnis genügt es, dass eine behauptete Rechtsverletzung nicht eindeutig und offensichtlich nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden kann (BVerwG, U.v. 17.12.2013 – 4 A 1.13 – BVerwGE 148, 353 = juris Rn. 18; U.v. 28.11.2007 – 6 C 42.06 – BVerwGE 130, 39 = juris Rn. 11 [zu Verpflichtungsklage]; VGH BW, U.v. 30.10.2014 – 10 S 3450.11 – ZUR 2015, 103 = juris Rn. 32). Zwar reicht es für die Zulässigkeit einer Klage auf Aufhebung einer atomrechtlichen Genehmigung nicht aus, dass ganz allgemein auf mögliche von solchen Anlagen ausgehende Risiken verwiesen wird (vgl. zu einer Klage auf Widerruf einer Genehmigung nach § 7 Abs. 1 AtG BVerwG, B.v. 5.4.1989 – 7 B 47.89 – NVwZ 1989, 1170 = juris Ls., wonach es nicht genügt, dass geltend gemacht wird, die Katastrophe von Tschernobyl habe offengelegt, dass das Risiko eines Kernschmelzunfalls beim Betrieb eines Reaktors [theoretisch] nicht auszuschließen sei). Vielmehr muss geltend gemacht werden, beim Betrieb der Anlage sei der (nach den Regeln der praktischen Vernunft) erforderliche Schutz nicht gewährleistet (s. BVerwG B.v. 5.4.1989 – 7 B 47.98 – NVwZ 1989, 1170 = juris Ls.). Selbst wenn der Vortrag der Kläger es teilweise an der erforderlichen Substantiierung fehlen lässt (vgl. dazu unten II.3.3, 3.4), kann nach ihrem Vortrag nicht von vornherein nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden, dass der nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 4 AtG erforderliche Schutz durch die Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung nicht hinreichend gewährleistet ist. Ob tatsächlich ein Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung besteht, ist im Rahmen der Begründetheit zu prüfen.
71
3. Der Klage auf Verpflichtung zur Aufhebung der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung fehlt auch nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Kläger die bis zur gerichtlichen Entscheidung ergangene 1. sowie 3. bis 6. Änderungsgenehmigung nicht in ihre Klage einbezogen haben.
72
3.1 Wären die in den nicht klagegegenständlichen Änderungsgenehmigungen geregelten Änderungen so wesentlich, dass die Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung ohne die nachfolgend geänderten Regelungsteile nicht mehr eigenständig aufrechtzuerhalten, von diesen also nach materiellem Recht nicht teilbar wäre, könnten von ihr ggf. keine Rechtswirkungen mehr ausgehen, so dass für die Klage in Bezug auf diesen Gegenstand kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestünde (vgl. zu einer solchen Konstellation BayVGH, U.v. 20.12.2019 – 9 B 12.940 – juris Rn. 20 ff.; nachfolgend BVerwG, B.v. 1.9.2020 – 4 B 12.20 – NVwZ-RR 2021,87 = juris Rn. 4 ff.; s. auch BVerwG, U.v. 18.3.2009 – 9 A 31.07 – UPR 2010, 28 = juris Rn. 23; B.v. 23.4.1998 – 4 B 40.98 – NVwZ 1998, 1179 = juris Rn. 9). Bildete demgegenüber die Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung auch ohne die übrigen Änderungen eine eigenständige Genehmigungsentscheidung, die unabhängig von der Entstehung eines einheitlichen Genehmigungstatbestands durch Hinzutreten der weiteren Änderungsgenehmigungen (vgl. insoweit zum Immissionsschutzrecht BayVGH, U.v. 13.5.2005 – 22 A 96.40091 – ZUR 2005, 542 = juris Rn. 46; Reidt/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, § 16 BImSchG Rn. 160 m.w.N.; zum Atomrecht s. Grigoleit/Mager, NuR 1997, 469/472) für sich Bestand haben könnte, also inhaltlich von den nachfolgenden Änderungsgenehmigungen teilbar wäre (vgl. zur parallelen Konstellation im Planfeststellungsrecht BVerwG, U.v. 18.3.2009 – 9 A 31.07 – UPR 2010, 28 = juris Rn. 24; B.v. 16.12.1992 – 7 B 180.92 – NVwZ 1993, 889 = juris Rn. 3), so könnte diese auch unabhängig von den übrigen Änderungsgenehmigungen zum Klagegegenstand gemacht werden.
73
3.2 Die 1. sowie 3. bis 6. Änderungsgenehmigung sind materiell von der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung teilbar, weil die Regelungsgegenstände jeweils klar voneinander abgrenzbar sind.
74
Mit der 1. Änderungsgenehmigung vom 2. Juni 2006 wurde die Genehmigung an die geänderten „Technischen Annahmebedingungen“ für die Transport- und Lagerbehälter angepasst, nach deren neuer Fassung für Behälter mit silberummantelten Metalldichtungen in der Primärdeckelbarriere und einer bestimmten Wärmeleistung die zulässige Restfeuchte im Behälterinnenraum maximal 5,9 g/m3 betragen darf (vorher gleichermaßen für silberummantelte und aluminiumummantelte Dichtungen 4,5 g/m3). Die 1. Änderungsgenehmigung ist insofern von der Ausgangsgenehmigung trennbar, als bei Wegfall der 1. Änderungsgenehmigung auch nach den ursprünglich geltenden Regeln verfahren werden könnte.
75
Mit der 3. Änderungsgenehmigung vom 27. Februar 2015 wurde die Aufrüstung der beiden Krananlagen und der Betrieb der aufgerüsteten Anlagen gestattet, mit denen die Castor-Behälter bewegt werden; die Krananlagen wurden insoweit an die erhöhten Anforderungen des kerntechnischen Regelwerks angepasst. Es handelt sich hierbei um einen im Verhältnis zu den übrigen Gegenständen der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung abgrenzbaren Gegenstand, zumal bei Wegfall der 3. Änderungsgenehmigung der Betrieb des Standort-Zwischenlagers auf dem mit der 2. Änderungsgenehmigung genehmigten Stand weiterhin möglich wäre.
76
Die 4. Änderungsgenehmigung vom 27. Oktober 2015 gestattete die Nutzung einer weiteren Art von Behältern der Bauart Castor V/52, und zwar in der 96er Ausführung. Zudem wurden für diese Ausführung zusätzliche Belade- und Abfertigungsvarianten genehmigt. Damit wurden die Möglichkeiten der Einlagerung im Standort-Zwischenlager erweitert, ohne dass die bisher nach der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung genehmigten Aufbewahrungsvarianten gegenstandslos würden; diese bestehen vielmehr weiter fort und könnten auch ohne die Erweiterung durch die 4. Änderungsgenehmigung Bestand haben.
77
Die 5. Änderungsgenehmigung vom 14. November 2017 hatte den Wechsel einer der drei damaligen Genehmigungsinhaberinnen zum Gegenstand und hat sich durch den gesetzlichen Übergang der Aufbewahrungsgenehmigungen auf die BGZ zum 1. Januar 2019 erledigt; auf die Teilbarkeit kommt es insoweit nicht mehr an.
78
Die 6. Änderungsgenehmigung vom 1. Oktober 2020 gestattete die Nutzung zusätzlicher Beladeinventare für die Behälter der Bauart Castor V/52 in der 96er Ausführung. Entsprechend der 4. Änderungsgenehmigung handelte es sich um eine abgrenzbare Erweiterung der Möglichkeiten der Einlagerung, die rückgängig gemacht werden könnte, ohne dass die nach der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung geregelte Zulässigkeit von Beladeinventaren in Frage gestellt würde.
79
3.3 Die Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung kann daher auch unabhängig von den weiteren Änderungsgenehmigungen für sich genommen Klagegegenstand sein.
80
4. Mit Klageerhebung am 14. Dezember 2017 haben die Kläger die Klagefrist nach § 74 VwGO gewahrt.
81
Die Klagefrist begann hier mit der Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2017 am 21. November 2017 zu laufen, der sich auf den Antrag der Kläger auf Aufhebung der Ausgangsgenehmigung vom 19. Dezember 2003 „sowie aller folgenden Änderungsgenehmigungen“ bei der Beklagten vom 27. Mai 2016 bezog (§ 74 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO). Gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO war ein Vorverfahren durchzuführen. Eine der Ausnahmen nach § 68 Abs. 1 Satz 2 VwGO war hier nicht einschlägig; insbesondere handelte es sich bei dem (früheren) BfE nicht um eine oberste Bundesbehörde im Sinne von § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO, sondern eine selbständige Bundesoberbehörde (s. § 1 des Gesetzes über die Errichtung eines Bundesamtes für kerntechnische Entsorgung vom 23.7.2013, BGBl I S. 2563). Auch liegt kein Fall von § 2a Abs. 2 AtG vor. Das Vorverfahren umfasst hier mit der Formulierung „sowie aller folgenden Änderungsgenehmigungen“ jedenfalls die nunmehr klagegegenständliche Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung. Die Frist für die Klageerhebung endete am 21. Dezember 2017 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB).
82
5. Der Zulässigkeit des klägerischen Hauptantrags steht weiterhin nicht die materielle Rechtskraft der Senatsurteile vom 2. Januar 2006 (22 A 04.40016) und vom 9. Januar 2006 (22 A 04.40012 u.a.) entgegen, mit denen die Anfechtungsklagen der (hiesigen) Kläger zu 1 bis 3 und zu 5 gegen die Ausgangsgenehmigung vom 19. Dezember 2003 abgewiesen wurden.
83
Die materielle Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung schließt zwar jede nochmalige Verhandlung und Entscheidung über denselben Streitgegenstand zwischen den Beteiligten aus (§ 121 Nr. 1 VwGO); die Rechtskraft schafft insoweit ein von Amts wegen zu beachtendes Prozesshindernis (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 = juris Rn. 20; U.v. 20.10.2016 – 7 C 27.15 – NVwZ 2017, 625 = juris Rn. 12 m.w.N.).
84
Ein solches steht der Klage des Klägers zu 4 von vornherein nicht entgegen, da dieser an den früheren Verfahren nicht beteiligt war. Auch für die Klage der übrigen Kläger besteht kein derartiges Prozesshindernis, da die nunmehr verfahrensgegenständliche Verpflichtungsklage nicht denselben Streitgegenstand besitzt wie die damaligen Anfechtungsklagen.
85
Der Streitgegenstand einer Klage wird durch den zugrunde liegenden Sachverhalt (Klagegrund) sowie den geltend gemachten prozessualen Anspruch (Klagebegehren) bestimmt (vgl. BVerwG, U.v. 10.5.1994 – 9 C 501.93 – BVerwGE 96, 24 = juris Rn. 9; U.v. 22.9.2016 – 2 C 17.15 – BVerwGE 156, 159 = juris Rn. 10; Clausing/Kimmel in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 121 VwGO Rn. 21). Der den im Jahr 2004 erhobenen Anfechtungsklagen zugrunde liegende Sachverhalt unterscheidet sich insoweit von dem jetzigen Verfahren, als damals nur die Ausgangsgenehmigung verfahrensgegenständlich war, es nun aber um die Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung geht. Auch die Klagebegehren unterscheiden sich: So wurde in den früheren Verfahren die gerichtliche Kassation der Ausgangsgenehmigung begehrt, nunmehr wird aber eine gerichtliche Verpflichtung zu einer (neuen) Behördenentscheidung verlangt. Dabei hängt die Aufhebung der Genehmigung durch das Gericht nur teilweise von denselben Voraussetzungen ab wie die behördliche Aufhebung. Im Rahmen der Anfechtungsklage hatte das Gericht zu prüfen, ob die angegriffene Genehmigung die Kläger in ihren Rechten verletzte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der nunmehr geltend gemachte Anspruch auf Rücknahme der Genehmigung nach § 17 Abs. 2 AtG setzt neben dem Fehlen von (drittschützenden) Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 AtG – grundsätzlich im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung (s.u. II.2.1.1, II.3., II.3.4.1.8.2, II.3.4.2.2, II.3.4.4.1) – voraus, dass das behördliche Rücknahmeermessen auf null reduziert ist; Gleiches gilt für einen Anspruch auf (fakultativen) Widerruf nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG. Der ebenfalls geltend gemachte Anspruch auf obligatorischen Widerruf nach § 17 Abs. 5 AtG bestünde nur, wenn die in dieser Norm genannten Voraussetzungen vorlägen, die sich zwar teils mit den Erteilungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 AtG überlappen mögen, damit aber nicht vollständig identisch sind (vgl. zur Annahme unterschiedlicher Streitgegenstände einer Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss und einer Verpflichtungsklage auf Rücknahme oder Widerruf desselben BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 = juris Rn. 20; U.v. 28.4.2016 – 4 A 2.15 – BVerwGE 155, 81 = juris Rn. 21).
86
6. Für eine von Beklagtenseite geltend gemachte Verwirkung des Anspruchs der Kläger auf Verpflichtung der Beklagten zur Aufhebung der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte. Voraussetzung hierfür wäre, dass die Kläger ihr Klagerecht längere Zeit nicht ausgeübt hätten (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzuträten, die die späte Ausübung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen ließen (Umstandsmoment; vgl. BVerfG, B.v. 26.1.1972 – 2 BvR 255/67 – BVerfGE 32, 305 = juris Rn. 23 f.; B.v. 27.12.2012 – 1 BvR 2862/11 u.a. – juris Rn. 3). Hier ist zu bedenken, dass Anträge auf Rücknahme oder Widerruf von Genehmigungen grundsätzlich jederzeit gestellt werden können; Ausgangspunkt für das neuerliche Vorgehen der Kläger gegen die Aufbewahrungsgenehmigungen war der Erlass der 2. Änderungsgenehmigung vom 7. Januar 2014, die aus Sicht der Kläger bestehende Mängel der Ausgangsgenehmigung nicht ausreichend in den Blick genommen hatte. Die gegen die 2. Änderungsgenehmigung von den Klägern eingelegten Widersprüche wurden – angesichts einer zunächst ausstehenden Begründung und des teils parallel laufenden auf Aufhebung der Ausgangsgenehmigung einschließlich der Änderungsgenehmigungen gerichteten Verwaltungsverfahrens – erst mit Bescheid vom 3. August 2017 verbeschieden; darauf bezogen wurde fristgerecht Klage erhoben, die später zum Hilfsantrag gemacht wurde. Auch ist zu berücksichtigen, dass das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 19. Juni 2013 (4 KS 3.08 – juris), auf das sich die Kläger maßgeblich berufen, erst mit der Zustellung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Januar 2015 (7 B 25.13 – ZUR 2015, 287 = juris) rechtskräftig wurde. Mit Blick auf die Stellung des Aufhebungsantrags bei der Behörde am 27. Mai 2016 und die an den diesbezüglichen Widerspruchsbescheid vom 20. November 2017 anschließende Klageerhebung im Dezember 2017 fehlt es somit bereits an dem für eine Verwirkung erforderlichen Zeitmoment.
87
7. Der Hauptantrag ist schließlich nicht deshalb unzulässig, weil er im Wege einer unzulässigen Klageänderung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden wäre. Die Kläger haben nach Eingang der Klage vom 30. August 2017 mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 eine weitere Klage mit neuem Streitgegenstand erhoben. Insoweit handelt es sich um eine sukzessive objektive Klagenhäufung gemäß § 44 VwGO. Diese wird von der Rechtsprechung zugleich als Klageänderung nach § 91 VwGO angesehen (vgl. BVerwG, B.v. 13.8.2004 – 7 B 68.04 – BeckRS 2004, 25046; OVG RhPf, B.v. 28.7.2016 – 2 A 10343.16 – juris Rn. 23 f.; BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 11 B 19.703 – juris Rn. 45; s. auch Sodan in ders./Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 44 Rn. 2, 6a). Eine solche Klageänderung wäre vor allem dann nicht sachdienlich i.S.v. § 91 VwGO, wenn die geänderte Klage als unzulässig abgewiesen werden müsste; eine wegen Bestandskraft entgegenstehender Bescheide unzulässige Klage kann nicht durch Anerkennung einer Klageänderung als sachdienlich wieder zulässig werden (BVerwG, U.v. 11.12.1990 – 6 C 33.88 – BayVBl 1991, 408 = juris Rn. 20). Der Verpflichtungsantrag ist nach den vorstehenden Überlegungen jedoch zulässig. Im Übrigen wäre selbst bei der Annahme einer mangelnden Sachdienlichkeit der Klagenhäufung nicht ersichtlich, warum der Verpflichtungsantrag der Kläger – jedenfalls bezogen auf die Ausgangsgenehmigung – nicht als separate Klage zulässig sein sollte.
88
Der Verpflichtungsantrag des Klägers zu 4 ist auch nicht deshalb unzulässig, weil der Kläger zu 4 – nach Änderung der Klage mit Schriftsatz vom 13. Dezember 2017 – den auf Anfechtung der 2. Änderungsgenehmigung gerichteten Hilfsantrag zurückgenommen hat und damit die Rechtshängigkeit dieses Antrags weggefallen ist. Der Verpflichtungsantrag steht selbstständig neben dem Anfechtungsantrag; seine Rechtshängigkeit hängt nicht von derjenigen des Anfechtungsantrags ab.
89
II. Die Klage ist im Hauptantrag unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung. Der Bescheid vom 3. August 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2017 verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
90
Die Kläger sind mit ihrem Vorbringen nur teilweise nach § 6 Satz 1 UmwRG innerprozessual präkludiert (1.). Dem Anspruch der Kläger auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung steht weder die präjudizielle Wirkung der Rechtskraft der Urteile des Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Januar 2006 (Az. 22 A 04.40016) und 9. Januar 2006 (Az. 22 A 04.40012 u.a.) noch die Bestandskraft der Ausgangsgenehmigung entgegen (2.). Die Kläger haben jedoch aus materiellen Gründen keinen Anspruch auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung (3.). Auch steht ihnen kein Anspruch auf Widerruf der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung zu (4.). Eine weitere Sachaufklärung durch das Gericht durch Anforderung weiterer bzw. ungeschwärzter Unterlagen bei der Beklagten war nicht veranlasst (5.).
91
1. Die Kläger sind mit ihrem Vorbringen teilweise nach § 6 UmwRG innerprozessual präkludiert.
92
1.1 § 6 UmwRG ist auf die vorliegende Fallkonstellation anwendbar.
93
1.1.1 § 6 UmwRG ist am 2. Juni 2017 und damit vor Klageerhebung in Kraft getreten (s. zur Anwendbarkeit in zeitlicher Hinsicht auch § 8 Abs. 2 Nr. 2 UmwRG).
94
1.1.2 Auch in persönlicher Hinsicht ist § 6 Satz 1 UmwRG anzuwenden. Nach dem Wortlaut gilt die Vorschrift sowohl für Personen wie auch für Vereinigungen i.S.v. § 4 Abs. 3 Satz 1 UmwRG. Auch die Rechtsprechung geht davon aus, dass § 6 UmwRG auf Individualkläger anwendbar ist (vgl. etwa BVerwG, B.v. 5.7.2023 – 9 B 7.23 – BayVBl 2023, 749 = juris Rn. 7 ff.; vorgehend BayVGH, U.v. 1.12.2022 – 8 A 21.40033 – juris Rn. 6, 31 ff.; OVG NW, U.v. 11.12.2023 – 22 D 65/23.AK – juris Rn. 74 ff.; VG Stuttgart, U.v. 25.1.2022 – 2 K 2277.19 – juris Rn. 53).
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1.1.3 Die Klage richtet sich gegen das Unterlassen einer Entscheidung i.S.v. § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG, so dass auch der sachliche Anwendungsbereich von § 6 UmwRG eröffnet ist. Die Ablehnung von Rücknahme und Widerruf der Ausgangsgenehmigung sowie aller darauf folgenden Änderungsgenehmigungen mit Bescheid vom 3. August 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. November 2017 unterfällt § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 i.V.m. Satz 2 UmwRG.
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1.1.3.1 Das verfahrensgegenständliche Standort-Zwischenlager stellt eine nach Nr. 11.3 der Anlage 1 zum UVPG UVPpflichtige Anlage dar (vgl. hierzu auch die Ausgangsgenehmigung, S. 56). Daher fällt die Ausgangsgenehmigung als entsprechende Zulassungsentscheidung nach § 2 Abs. 6 UVPG unter § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG. Dies gilt auch für die 2. Änderungsgenehmigung. Die UVP-Pflicht von Änderungsgenehmigungen war zum Zeitpunkt der Erteilung der 2. Änderungsgenehmigung in § 3e UVPG in der Fassung der Bekanntmachung vom 24. Februar 2010 (BGBl I S. 94), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25.7.2013 (BGBl I S. 2749, im Folgenden: UVPG 2013), geregelt. Nach § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG 2013 bestand die Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für die Änderung des Vorhabens, für das – wie hier – als solches bereits eine UVP-Pflicht bestand, wenn eine Vorprüfung des Einzelfalls i.S.d. § 3c Satz 1 und 3 UVPG 2013 ergab, dass die Änderung oder Erweiterung erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben konnte; dabei waren frühere Änderungen oder Erweiterungen einzubeziehen, für die nach der jeweils geltenden Fassung des Gesetzes keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt worden war. Im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung der 2. Änderungsgenehmigung ergab zwar eine solche Vorprüfung, dass weder durch die beantragte Erweiterung des baulichen Schutzes gegen SEWD allein noch bei Berücksichtigung aller früheren Änderungen der genehmigten Aufbewahrung im Standort-Zwischenlager G2. erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen zu besorgen waren (2. Änderungsgenehmigung, S. 11 f.). Zur Erfüllung des Tatbestandes des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG genügt jedoch die Vorprüfungspflicht (BVerwG, B.v. 29.6.2017 – 9 A 8.16 – UPR 2017, 518 = juris Rn. 5), die sich hier aus § 3e Abs. 1 Nr. 2 UVPG 2013 ergab.
97
1.1.3.2 Mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist davon auszugehen, dass auch die Rücknahme und der Widerruf einer Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG unter § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG zu fassen sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat – in Bezug auf die Klage eines Umweltverbands – damit argumentiert, dass der Begriff der Überwachungs- und Aufsichtsmaßnahmen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG weit auszulegen ist und sich als Umschreibung von Maßnahmen des Gesetzesvollzugs verstehen lässt, die im Zusammenhang mit einer Zulassungsentscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG stehen. Die nachträgliche Aufhebung der Zulassungsentscheidung stellt sich danach als stärkste Form einer Überwachung oder Aufsicht dar (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 = juris Rn. 17). Diese weite Auslegung wird dem Zweck der Norm gerecht, den gerichtlichen Rechtsschutz im Zusammenhang mit der Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften zu erweitern und Art. 9 Abs. 3 der Aarhus-Konvention vollständig im deutschen Recht umzusetzen. Es wäre nicht sachgerecht, den Umweltvereinigungen zwar die Befugnis zuzusprechen, den Erlass eines Planfeststellungsbeschlusses zum Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens zu machen, nicht aber den umgekehrten Akt seiner behördlichen Aufhebung (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 = juris Rn. 18).
98
1.1.3.3 Diese Erwägungen beziehen sich zwar auf die Klage eines Umweltverbandes, doch müssen sie aus Sicht des Senats auch für Individualkläger gelten. So wäre nach heutiger Rechtslage eine Anfechtungsklage gegen die Ausgangsgenehmigung und die 2. Änderungsgenehmigung durch Individualkläger unzweifelhaft von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG umfasst. Dass dies für eine Klage auf Verpflichtung zur Aufhebung der Ausgangsgenehmigung und der Änderungsgenehmigungen nicht gelten sollte, erschiene auch in diesem Zusammenhang nicht sachgerecht. Dem steht nicht entgegen, dass es in diesem Fall nicht darum geht, den Klägern Zugang zu einem gerichtlichen Überprüfungsverfahren zu eröffnen, der ihnen bei einer engeren Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG nicht zustünde; die Kläger könnten die Verletzung drittschützender Normen durch die Ablehnung einer behördlichen Aufhebungsentscheidung vielmehr auch unabhängig vom UmwRG im Verwaltungsprozess geltend machen. Weder der Wortlaut (anders als etwa in § 4 Abs. 3, Abs. 4 Satz 1 UmwRG) noch die Entstehungsgeschichte des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 UmwRG enthalten aber Anhaltspunkte dafür, dass die Norm im Fall von Individualklagen anders auszulegen wäre als bei Verbandsklagen. Der Gesetzgeber beabsichtigte mit dem Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz, einen Gleichlauf der Klagerechte von Umweltverbänden und Individualklägern zu erreichen (vgl. die Gesetzesbegründung zu § 4a UmwRG a.F., BT-Drs. 17/10957, S. 17/18).
99
Da sich der Rechtsbehelf der Kläger gegen die Ablehnung der begehrten Rücknahme oder des Widerrufs richtet, betrifft er ein Unterlassen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Nr. 6 UmwRG (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 = juris Rn. 19).
100
1.2 Die Einwände der Kläger gegen die Unionsrechtskonformität des § 6 UmwRG greifen nicht durch.
101
1.2.1 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich in seinen Urteilen vom 3. November 2020 (9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 = juris Rn. 18 ff.) und vom 7. Juli 2022 (9 A 1.21 u.a. – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 13 ff.) mit der Unionsrechtskonformität von Klagebegründungsfristen nach den fachgesetzlichen Regelungen (im Verfahren 9 A 7.19: § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG) sowie nach § 6 UmwRG befasst (s.a. BVerwG, B.v. 21.8.2023 – 9 B 11.23 – juris Rn. 4 zu § 17e Abs. 5 FStrG). Danach folgt eine Unionsrechtswidrigkeit der Klagebegründungsfrist entgegen dem klägerischen Vortrag nicht bereits aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. Oktober 2015 -
C-137/14, das zur prozessualen Präklusion keine Aussage trifft und auch sonst keine diesbezüglichen Anhaltspunkte für unionsrechtliche Bedenken enthält. Ziel des im dortigen Verfahren gegenständlichen Art. 11 UVP-RL ist es, rechtssuchenden Bürgern einen möglichst weitreichenden Zugang zu gerichtlicher Überprüfung zu gewähren und eine umfassende verfahrens- und materiell-rechtliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidungen zu ermöglichen. Eine Beschränkung der Art der Gründe, die vor Gericht geltend gemacht werden dürfen, etwa auf Einwände, die bereits im Verwaltungsverfahren vorgebracht wurden, ist hiermit unvereinbar (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 = juris Rn. 19 f. m.V.a. EuGH, U.v. 15.10.2015 – C-137/14 – NJW 2015, 3495 = juris Rn. 75 ff.; EuGH, U.v. 20.12.2017 – C-664/15 – NVwZ 2018, 225 = juris Rn. 88 ff. [großzügiger für den Anwendungsbereich von Art. 9 Abs. 3 Aarhus-Konvention]). Die Klagebegründungsfrist des § 6 UmwRG ist jedoch nicht als Sachurteilsvoraussetzung ausgestaltet, sondern als prozessuale Präklusionsvorschrift für Tatsachen und Beweisantritte (BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – BVerwGE 163, 380 = juris Rn. 15); der Umfang der gerichtlichen Überprüfung erfährt mithin keine inhaltliche, sondern allein eine zeitliche Beschränkung (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 = juris Rn. 21 zu § 18e Abs. 5 Satz 1 AEG).
102
1.2.2 Da die UVP-Richtlinie auch sonst keine einer Klagebegründungsfrist i.S.d. § 6 UmwRG entgegenstehenden Regelungen enthält, ist die Regelung derartiger Fristen grundsätzlich Sache der internen Rechtsordnung der Mitgliedstaaten. Allerdings dürfen deren Modalitäten nicht weniger günstig ausgestaltet sein als diejenigen entsprechender innerstaatlicher Rechtsbehelfe (Äquivalenzgrundsatz) und die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Effektivitätsgrundsatz) (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 = juris Rn. 22 m.V.a. EuGH, U.v. 14.12.1995 – C-312/93 – juris Rn. 12; U.v. 12.12.2002 – C-470/99 – NVwZ 2003, 844 = juris Rn. 71 f.; U.v. 12.5.2011 – C-115/09 – juris Rn. 43). Dass § 6 UmwRG den Äquivalenzgrundsatz verletzen würde, ist aus Sicht des Senats nicht ersichtlich. Angesichts des weiten Anwendungsbereichs des UmwRG nach dessen § 1 Abs. 1 und der weiten Definition der umweltbezogenen Rechtsvorschriften nach § 1 Abs. 4 UmwRG dürfte die Vorschrift gleichermaßen von unionsrechtlichem Umweltrecht wie nationalem Umweltrecht geprägte Entscheidungen umfassen (s. auch Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, § 6 UmwRG Rn. 14; kritisch Gärditz, EurUP 2018, 158/164; offen gelassen von BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 = juris Rn. 23; s. aber auch BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 u.a. – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 13 zu § 6 UmwRG). Auch mit Blick auf den Effektivitätsgrundsatz bestehen keine Zweifel an einer grundsätzlichen unionsrechtlichen Zulässigkeit von Klagebegründungsfristen. Die Obliegenheit, den Prozessstoff innerhalb eines bestimmten Zeitraums darzulegen, ist erforderlich, um in regelmäßig hochkomplexen Streitigkeiten in Bezug auf Zulassungsentscheidungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 UmwRG ein ordnungsgemäßes gerichtliches Verfahren zu ermöglichen, das eine ausreichende Befassung der Beteiligten und des Gerichts mit dem Prozessstoff sowie eine zeitnahe Entscheidung sicherstellt (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 = juris Rn. 24 f.). Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Klagebegründungsfrist so ausgestaltet ist, dass verspätet vorgebrachte Erklärungen und Beweismittel einzubeziehen sind, wenn der Kläger die Verspätung genügend entschuldigt oder eine Ermittlung des Sachverhalts mit geringem Aufwand auch ohne seine Mitwirkung möglich ist (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 = juris Rn. 28).
103
1.2.3 Die Klagebegründungsfrist ist entgegen dem Vorbringen der Kläger auch nicht deshalb mit dem europarechtlichen Grundsatz eines fairen Verfahrens und der Waffengleichheit unvereinbar, weil für die Klageerwiderung durch die Beklagtenseite keine entsprechende Frist vorgesehen ist. Die Verpflichtung, den Prozessstoff und damit den Umfang der gerichtlichen Überprüfung festzulegen, kann nur durch den Kläger erfüllt werden, der den Prozessstoff auch mit Wirkung für die anderen Beteiligten eingrenzt (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 = juris Rn. 30). Das Fehlen einer Frist für den Vortrag der Beklagtenseite sowie der Genehmigungsinhaberin rechtfertigt sich durch den Amtsermittlungsgrundsatz, der innerhalb der durch die Klagebegründung gezogenen prozessualen Grenzen grundsätzlich uneingeschränkt gilt. Das Gericht kann das Vorbringen des Klägers auch ohne Erwiderung der Gegenseite nicht unbesehen seiner Entscheidung zugrunde legen, sondern hat den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen. Eine Präklusion des Vorbringens der Beklagten und der Beigeladenen scheidet daher von vornherein aus (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 = juris Rn. 31). Dem entspricht es, dass der Gesetzgeber eine im Entwurf des Gesetzes zur Beschleunigung von verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Infrastrukturbereich (Gesetz vom 14.3.2023, BGBl I Nr. 71) vorgesehene Erwiderungsfrist für den Beklagten in § 6 UmwRG (BT-Drs. 20/5165, S. 9, 20) im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens gestrichen hat (BT-Drs. 20/5570, S. 10, 19).
104
1.3 Das Vorbringen der Kläger unterfällt nicht der innerprozessualen Präklusion nach § 6 UmwRG, soweit dieses bereits Gegenstand des bei der Behörde gestellten Aufhebungsantrags vom 27. Mai 2016 war. Dies betrifft im Wesentlichen die Rügen zum zufälligen Absturz eines schnell fliegenden bewaffneten Militärflugzeugs, zum gezielten Absturz eines Verkehrsflugzeugs einschließlich des Typs A380 sowie zum Angriff mit handgetragenen panzerbrechenden Waffen und gilt auch, soweit der im Aufhebungsantrag enthaltene Vortrag in späteren Schriftsätzen lediglich vertieft wurde. Offenbleiben kann, ob der über den Aufhebungsantrag und dessen Vertiefung hinausgehende Vortrag aus der Klagebegründung vom 22. August 2018 (im Wesentlichen: Rügen zur Behältersicherheit sowie zum gezielten Absturz eines schnell fliegenden bewaffneten Militärflugzeugs) der Präklusion unterfällt, da dieser nicht zum Erfolg der Klage führt. Mit über die Klagebegründung vom 22. August 2018 und deren Vertiefung hinausgehendem Vorbringen aus den späteren Schriftsätzen sind die Kläger präkludiert, es sei denn, dieses betrifft Unterlagen der Beklagten, die den Klägern erstmals im Klageverfahren nach Einreichung der Klagebegründung zugänglich gemacht wurden.
105
1.3.1 Gemäß § 6 Satz 1 UmwRG hat der Kläger innerhalb einer Frist von zehn Wochen ab Klageerhebung die zur Begründung seiner Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben. Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf dieser Frist vorgebracht werden, sind nur zuzulassen, wenn der Kläger die Verspätung genügend entschuldigt (§ 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Der gerichtlichen Prüfung sind damit (nur) diejenigen Einwände zugrunde zu legen, die von den Klägern unter Beachtung der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG substantiiert vorgebracht worden sind (vgl. zur Begrenzung der Reichweite der gerichtlichen Prüfung durch derartige Rechtsbehelfsbegründungsfristen, auch i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO: BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 = juris Rn. 14 ff. [zu § 18e Abs. 5 AEG]; U.v. 21.2.2023 – 4 A 2.22 – BVerwGE 178, 17 = juris Rn. 11 ff.; U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 u.a. – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 11 ff.; U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – BVerwGE 163, 380 = juris Rn. 11 ff.; BayVGH, U.v. 30.5.2023 – 22 A 21.40025 – juris Rn. 20 [zu § 18e Abs. 5 AEG]). Nach Ablauf der gesetzlich bestimmten Klagebegründungsfrist soll für das Gericht und die übrigen Beteiligten klar und unverwechselbar feststehen, unter welchen tatsächlichen Gesichtspunkten eine behördliche Entscheidung angegriffen wird (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 – juris Rn. 16; B.v. 5.7.2023 – 9 B 7.23 – BayVBl 2023, 749 = juris Rn. 7; U.v. 21.2.2023 – 4 A 2.22 – BVerwGE 178, 17 = juris Rn. 12; U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – BVerwGE 163, 380 = juris Rn. 14). Dies schließt einen späteren, lediglich vertiefenden Tatsachenvortrag nicht aus (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 7.19 – BVerwGE 170, 138 = juris Rn. 16; U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – BVerwGE 163, 380 = juris Rn. 14). Mit der Begründungspflicht einher geht die Pflicht des Klägerbevollmächtigten zur Sichtung und rechtlichen Einordnung der Tatsachen, auf die die Klage gestützt werden soll (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 – juris Rn. 17). Jedenfalls bei Anfechtungsklagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse muss sich der Kläger auch mit dem angefochtenen Bescheid auseinandersetzen; eine lediglich pauschale Bezugnahme auf im Planfeststellungsverfahren erhobene Einwände oder deren Wiederholung ohne Würdigung des Planfeststellungsbeschlusses genügt nicht (BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 – juris Rn. 17).
106
1.3.2 Da die Klage am 14. Dezember 2017 erhoben wurde, endete die Klagebegründungsfrist des § 6 Satz 1 UmwRG vorliegend mit Ablauf des 22. Februar 2018 (vgl. § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB).
107
Eine Verlängerung dieser Frist nach § 6 Satz 4 UmwRG war den Klägern nicht gewährt worden. Insbesondere ist weder in der gerichtlichen Verfügung vom 5. Juni 2018, mit der die Kläger gemäß § 87b VwGO aufgefordert wurden, Tatsachen anzugeben, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren sie sich beschwert fühlten, noch in der Verlängerung der in diesem Zusammenhang gesetzten Frist eine derartige Fristverlängerung zu sehen. Eine Fristverlängerung unter Bezugnahme auf § 6 Satz 4 UmwRG wurde weder von den Klägern beantragt noch vom Gericht gewährt. Zudem kommt eine solche Fristverlängerung zu einem Zeitpunkt, zu dem die Frist des § 6 Satz 1 UmwRG bereits abgelaufen ist, nicht mehr in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – BayVBl 2021, 556 = juris Rn. 22; U.v. 4.8.2022 – 22 A 20.40012 – juris Rn. 78 in Bezug auf § 29 Abs. 7 PBefG; s. auch BGH, B.v. 29.3.2017 – XII ZB 576.16 – NJW-RR 2017, 577 = juris Rn. 8).
108
1.3.3 Bis zum 22. Februar 2018 hatten die Kläger keine von ihnen als solche bezeichnete Klagebegründung eingereicht. Ihrer Klage vom 13. Dezember 2017 lagen ihr Antrag vom 27. Mai 2016 und der Widerspruchsbescheid vom 20. November 2017 bei.
109
Ob allein damit die Anforderungen an eine Klagebegründung nach § 6 Satz 1 UmwRG erfüllt wurden, lässt der Senat offen. Dagegen spricht, dass die Kläger in dem Schriftsatz eine Klagebegründung für einen späteren Zeitpunkt angekündigt hatten und somit die beigefügten Unterlagen wohl selbst nicht als Klagebegründung verstanden (s. hierzu auch BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – BayVBl 2021, 556 = juris Rn. 15; VG München, U.v. 6.5.2022 – M 2 K 20.3842 – juris Rn. 31). Demgegenüber ließ der beigefügte Antrag sowohl die tatsächlichen Gesichtspunkte, auf die die Kläger ihren Anspruch stützen wollen, sowie eine rechtliche Einordnung dazu erkennen. Durch den beigefügten zurückweisenden Widerspruchsbescheid wurde deutlich, aus welchen Gründen der Argumentation der Kläger nicht gefolgt wurde. Jedoch fehlte es der Klage vom 13. Dezember 2017 an der für Anfechtungsklagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse vom Bundesverwaltungsgericht geforderten Auseinandersetzung mit dem Inhalt des Planfeststellungsbeschlusses, soweit dieser die Einwendungen des Klägers zurückweist. Es spricht jedoch vieles dafür, auf eine Verpflichtungskonstellation wie die vorliegende, in der die Kläger die Aufhebung eines Verwaltungsaktes begehren, die sich aus der Rechtsprechung zu Drittanfechtungsklagen gegen Planfeststellungsbeschlüsse ergebenden Anforderungen an die Klagebegründung nach § 6 Satz 1 UmwRG nicht zu übertragen. Denn bei dem auf den Aufhebungsantrag der Kläger hin eingeleiteten Verwaltungsverfahren handelt es sich nicht um ein Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung einschließlich der Möglichkeit zur Akteneinsicht; auch ist daran nicht eine Vielzahl von Einwendern beteiligt, sondern nur die Behörde, ggf. der betroffene Genehmigungsinhaber und die Kläger selbst. Zudem handelt es sich weder bei der verfahrensgegenständlichen Ausgangsgenehmigung, der 2. Änderungsgenehmigung noch bei der Aufhebung derselben um eine planerische Abwägungsentscheidung, in der auf einzelne klägerische Einwände differenziert eingegangen werden könnte und daher auch eine entsprechend differenzierte Auseinandersetzung mit der Behördenentscheidung zu fordern wäre. Daher kann hier unter Umständen bereits die Vorlage des bei der Behörde gestellten Antrags, in dem Tatsachen und Beweismittel zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs benannt werden, zur Fixierung des Prozessstoffes genügen.
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1.3.4 Ungeachtet der vorstehenden Überlegungen war es nach Auffassung des Senats hier nach § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO mit geringem Aufwand möglich, den Sachverhalt auch ohne die Mitwirkung der Kläger zu ermitteln, soweit es um ihr Vorbringen aus dem Antrag bei der Behörde vom 27. Mai 2016 geht, so dass jedenfalls insoweit keine Präklusion eingetreten ist.
111
1.3.4.1 Die Vorschrift des § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO ist eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und betrifft den Fall, dass die gesetzlich normierte Mitwirkungspflicht des Klägers im Einzelfall ihre Bedeutung verliert, weil sich der Sachverhalt so einfach darstellt, dass er ohne nennenswerten Aufwand von Amts wegen ermittelt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 18.2.1998 – 11 A 6.97 – NVwZ-RR 1998, 592 = juris Rn. 25; B.v. 5.7.2023 – 9 B 7.23 – BayVBl 2023, 749 = juris Rn. 17).
112
Mit Blick auf den Begriff „Sachverhalt“ ist aus Sicht des Senats von Bedeutung, dass § 6 Satz 3 UmwRG lediglich die entsprechende Anwendung von § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO anordnet. Vor diesem Hintergrund dürfte damit nicht der gesamte Sachverhalt des Verfahrens, der für die Entscheidung über die Klage maßgeblich ist, gemeint sein. Angesichts des Zwecks des § 6 UmwRG, den Prozessstoff in angemessener Frist erkennbar und handhabbar zu machen, kann es lediglich darauf ankommen, ob das klägerische Begehren und damit der Prozessstoff leicht zu ermitteln ist (für eine Gleichsetzung von Sachverhalt und Prozessstoff in diesem Sinne auch BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – BayVBl 2021, 556 = juris Rn. 17; OVG NW, U.v. 10.6.2022 – 20 D 212/20.AK – juris Rn. 49 ff. m.w.N.; VG München, U.v. 6.5.2022 – M 2 K 20.3842 – juris Rn. 40). Wäre dies anders zu sehen, so schiede die Anwendung des § 6 Satz 3 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 3 VwGO bei Verfahren mit komplexen Sachverhalten, insbesondere technischen Großvorhaben, von vornherein aus. Eine Prüfung, ob die Anwendung der strengen Anforderungen des § 6 Satz 1 UmwRG ausnahmsweise unverhältnismäßig ist, muss aber auch hier möglich sein.
113
Nach der Rechtsprechung ist die Regelung eng auszulegen. Ihre Anwendung kommt nur in Betracht, wo die Klagebegründungsobliegenheit auch vor dem Hintergrund des Regelungszwecks einer frühzeitigen Fixierung des Prozessstoffs eine bloße Förmlichkeit darstellt und deshalb die strenge Rechtsfolge der Präklusion nicht rechtfertigt (BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – BayVBl 2021, 556 = juris Rn. 17; OVG NW, U.v. 12.1.2024 – 8 D 92/22.AK – ZNER 2024, 70 = juris Rn. 102 m.w.N.; U.v. 10.6.2022 – 20 D 212/20.AK – juris Rn. 49 f. m.w.N.). Wird im Gegensatz zum Regelungszweck durch das fristgerechte Klagevorbringen nicht hinreichend deutlich, unter welchen Gesichtspunkten der Kläger die behördliche Entscheidung angreift, ist keine Ausnahme von der Präklusion zu machen (vgl. OVG Hamburg, U.v. 29.11.2019 – 1 E 23.18 – juris Rn. 150; VGH BW, U.v. 5.10.2022 – 10 S 1485.21 – VBlBW 2023, 282 = juris Rn. 51; BayVGH, U.v. 1.12.2022 – 8 A 21.40033 – juris Rn. 50; OVG NW, B.v. 1.2.2022 – 11 A 2168/20 – NWVBl 2022, 263 = juris Rn. 64 f.). Der Hinweis eines Klägers darauf, er habe als Beteiligter im Planfeststellungsverfahren seine Einwendungen substantiiert und schlüssig vorgetragen, so dass sich diese aus den Verwaltungsvorgängen ergäben, genügt nicht, um einen geringen Ermittlungsaufwand für das Gericht darzulegen, denn zum einen wäre es in einem solchen Fall bei umfangreichen Akten für das Gericht nicht einfach, die Einwendungen eines Klägers herauszufinden, und zum anderen gäben diese Einwendungen keinen sicheren Aufschluss darüber, ob und inwieweit der Kläger an ihnen festhalten und welche Beanstandungen er gegen die konkret im Planfeststellungsbeschluss getroffene Entscheidung erheben will (BVerwG, B.v. 5.7.2023 – 9 B 7.23 – BayVBl 2023, 749 = juris Rn. 16 ff.; U.v. 18.2.1998 – 11 A 6.97 – NVwZ-RR 1998, 592 = juris Rn. 25; s. zur Anfechtungsklage gegen eine gebundene Genehmigung OVG NW, B.v. 7.9.2023 – 8 A 1424.22 – UPR 2024, 65 = juris Rn. 25).
114
1.3.4.2 Vorliegend ergibt sich aus dem mit Klageerhebung vorgelegten Antrag auf Aufhebung der Ausgangsgenehmigung einschließlich aller folgenden Änderungsgenehmigungen, auf welche tatsächlichen und rechtlichen Gründe die Kläger ihren geltend gemachten Anspruch stützen. Durch die Einführung des Antrags in das gerichtliche Verfahren wurde erkennbar, dass die Kläger an ihrer Argumentation aus dem Antrag auch im gerichtlichen Verfahren festhalten wollten, zumal die Behörde dem Begehren der Kläger mit der Ablehnung der Aufhebung der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung in keiner Weise nachgekommen war. Diesen Willen der Kläger bestätigt auch die später eingegangene Klagebegründung, die in größeren Teilen mit dem Aufhebungsantrag identisch ist. Auf diese Weise ist für das Gericht und die übrigen Beteiligten ohne Weiteres erkennbar geworden, welche Gesichtspunkte die Kläger ihrem geltend gemachten Anspruch im gerichtlichen Verfahren zugrunde legen wollten (vgl. auch Fellenberg/Schiller in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, § 6 UmwRG Rn. 86). Zur Feststellung des klägerischen Begehrens und damit des Prozessstoffs war insofern auch keine Sichtung von Verwaltungsakten durch das Gericht erforderlich (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 5.7.2023 – 9 B 7.23 – BayVBl 2023, 749 = juris Rn. 18). Die Beschwer der Kläger liegt in Bezug auf das Vorbringen aus dem Aufhebungsantrag damit derart auf der Hand, dass sich die Angabe von Klagegründen als bloße Förmlichkeit erwiese.
115
Soweit nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Planfeststellungsrecht möglicherweise die Vorlage eines (fundierten) Einwendungsschreibens mit Klageerhebung mangels Auseinandersetzung mit dem Planfeststellungsbeschluss zur Annahme eines geringen Ermittlungsaufwandes in diesem Sinne als nicht ausreichend angesehen würde (vgl. hierzu BVerwG, B.v. 5.7.2023 – 9 B 7.23 – BayVBl 2023, 749 = juris Rn. 17; s. zu Anfechtungsklagen gegen gebundene Genehmigungen OVG NW, B.v. 7.9.2023 – 8 A 1424.22 – UPR 2024, 65 = juris Rn. 25), ist zu bedenken, dass sich die vorliegende Klage auf Verpflichtung der Behörde zur Rücknahme bzw. zum Widerruf einer gebundenen atomrechtlichen Genehmigung von der Konstellation einer Drittanfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss deutlich unterscheidet. In dem zugrunde liegenden Verwaltungsverfahren wurde keine planerische Abwägungsentscheidung getroffen, die mit klägerischen Einwänden differenziert umgehen und diesen etwa auch teilweise Rechnung tragen kann, was eine entsprechend differenzierte Auseinandersetzung seitens der Kläger mit der Behördenentscheidung erfordern würde. Das auf Rücknahme/Widerruf gerichtete Verwaltungsverfahren wurde vielmehr auf den Antrag der Kläger hin eingeleitet, in dem sie ihr Begehren in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausführlich dargelegt haben. Nachdem die Aufhebung der verfahrensgegenständlichen Genehmigungen durch die Behörde abgelehnt worden war, verfolgten sie ihr Begehren gerichtlich weiter. Dabei lag angesichts der ablehnenden Entscheidung anders als im Planfeststellungsverfahren auf der Hand, dass die Kläger die gleichen Argumente vorbringen würden wie im Verwaltungsverfahren.
116
1.3.5 Es kann offen bleiben, ob die Verspätung der am 22. August 2018 eingegangenen Klagebegründung von den Klägern genügend entschuldigt wurde und deshalb von der Präklusion ausgenommen ist (§ 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
117
1.3.5.1 Eine genügende Entschuldigung ergibt sich nicht aus der von den Klägern begehrten und genommenen Einsicht in die Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Da der Gesetzgeber den Beginn der Klagebegründungsfrist nicht von einer vorherigen Kenntnis der Verwaltungsvorgänge abhängig gemacht hat, sondern die Norm eindeutig allein an den Zeitpunkt der Klageerhebung anknüpft (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2023 – 9 B 7.23 – BayVBl 2023, 749 = juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 30.5.2023 – 22 A 21.40025 – juris Rn. 25), ist der Umstand einer fehlenden oder nicht zeitnah gewährten Akteneinsicht für sich allein nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts – die sich allerdings auf Planfeststellungsbeschlüsse bezieht – nicht geeignet, eine verspätete Klagebegründung zu entschuldigen. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass potentielle Kläger in aller Regel die Möglichkeit hatten, sich in Ausübung ihrer Beteiligungsrechte schon während des Verwaltungsverfahrens mit dem Inhalt der geplanten Entscheidung vertraut zu machen und etwaige Bedenken in den Entscheidungsprozess einzubringen. Danach kann von einem Kläger erwartet werden, dass er innerhalb der Klagebegründungsfrist zumindest das vorträgt, was ihm auch ohne Einsicht in die Verwaltungsvorgänge auf der Grundlage seiner Beteiligung am Verwaltungsverfahren und der Behandlung seiner Einwendungen im Planfeststellungsbeschluss bekannt ist, und auf diese Weise den Prozessstoff in den Grundzügen fixiert (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2023 – 9 B 7.23 – BayVBl 2023, 749 = juris Rn. 8, 9).
118
Zwar unterscheidet sich die vorliegende Fallkonstellation von derjenigen des Planfeststellungsverfahrens. In dem auf Rücknahme bzw. Widerruf der Ausgangsgenehmigung sowie aller folgenden Änderungsgenehmigungen gerichteten Verwaltungsverfahren hatte eine Öffentlichkeitsbeteiligung, insbesondere eine Auslegung von Unterlagen, die mit dem entsprechenden im Rahmen von Planfeststellungsbeschlüssen vorgesehenen Verfahren vergleichbar wäre, nicht stattgefunden. Auch im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung der 2. Änderungsgenehmigung, die vom Aufhebungsantrag der Kläger umfasst ist, war keine Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt worden. Jedoch waren den Klägern parallel zu dem auf Rücknahme/Widerruf gerichteten Verwaltungsverfahren und vor Klageerhebung auf ihren Antrag hin die Stellungnahme des Länderausschusses für Atomkernenergie vom 3./4. Juli 2003, das TÜV-Gutachten 2003 sowie das GRS-Gutachten 2010, jeweils teilgeschwärzt, zur Verfügung gestellt worden. Obwohl den Klägern weitere Akten der Beklagten zum Verfahrensgegenstand bis zum Ablauf der Klagebegründungsfrist am 22. Februar 2018 nicht vorlagen, hätten sie bis zu diesem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt, in einer Klagebegründung die Gesichtspunkte vorzutragen, durch die sie sich beschwert fühlten, und sich dabei auch mit dem ablehnenden Bescheid vom 3. August 2017 und den ihnen zugänglich gemachten Gutachten auseinanderzusetzen.
119
Insoweit ist weiter zu berücksichtigen, dass die Kläger nicht substantiiert dargelegt haben, auf welche Aspekte, die ihnen erstmals durch die Akteneinsicht bekannt geworden wären, sie nicht vor Ablauf der Klagebegründungsfrist hätten eingehen können. Dazu wären sie aber verpflichtet gewesen (vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2022 – 4 A 13.20 – BVerwGE 176, 39 = juris Rn. 13; B.v. 5.7.2023 – 9 B 7.23 – BayVBl 2023, 749 = juris Rn. 11; OVG MV, U.v. 10.5.2023 – 5 K 448.21 OVG – NuR 2023, 760 = juris Rn. 54). Soweit sie vorgetragen haben, die Erstellung der der Klagebegründung beigefügten Anlage K 4 sei ihnen ohne die Akteneinsicht nicht möglich gewesen, lassen sie es an einer Darstellung vermissen, welche Aussagen in der Anlage K 4, die von ihren Bevollmächtigten auch entsprechend den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 u.a. – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 15) in der Klagebegründung hätten verarbeitet werden müssen, sie ohne die Akteneinsicht nicht hätten treffen können.
120
1.3.5.2 Offen bleiben kann, ob die verspätete Vorlage der Klagebegründung dadurch genügend entschuldigt ist, dass die Kläger angesichts des Verlaufs des gerichtlichen Verfahrens darauf vertrauen durften, dass eine Klagebegründung erst nach Gewährung von Akteneinsicht von ihnen verlangt werde und bei Einhaltung der nach § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO gesetzten und verlängerten Frist nicht als präkludiert angesehen werde.
121
So ist in der Rechtsprechung teilweise angenommen worden, dass verspätetes Vorbringen nach § 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 S. 1 Nr. 2 VwGO entschuldigt sein kann, wenn Kläger die ihnen gesetzte richterliche Frist zur Klagebegründung eingehalten haben, weil die Nichtberücksichtigung des innerhalb der gesetzten Frist eingegangenen Vorbringens gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens verstoßen und damit im Einzelfall höherrangigem Recht zuwiderlaufen würde (OVG RhPf, U.v. 27.5.2020 – 8 C 11446/19 – juris Rn. 32; OVG LSA, U.v. 9.12.2020 – 2 M 97.20 – NVwZ-RR 2021, 389 = juris Rn. 17; NdsOVG, B.v. 11.5.2020 – 12 LA 150.19 – ZUR 2020, 545 = juris Rn. 20; s.a. zum Erfordernis der Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes bei der Anwendung des § 6 UmwRG Fellenberg/Schiller, in: Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand September 2023, § 6 UmwRG Rn. 78).
122
Dem wird allerdings entgegengehalten, dass die Gerichte zu einer Belehrung über die Frist nach § 6 UmwRG nicht verpflichtet sind (BVerwG, U.v. 27.11.2018 – 9 A 8.17 – BVerwGE 163, 380 = juris Rn. 15; B.v. 14.6.2023 – 10 B 3.23 – juris Rn. 5) und dem Gericht hinsichtlich des Eintritts der Präklusion nach § 6 Satz 1 UmwRG kein Ermessen zusteht, sondern diese als zwingende Rechtsfolge eintritt (BayVGH, B.v. 16.3.2021 – 8 ZB 20.1873 – BayVBl 2021, 556 = juris Rn. 20; OVG MV, U.v. 10.5.2023 – 5 K 448.21 OVG – juris Rn. 57).
123
Auch bei Berücksichtigung des klägerischen Vortrags aus der Klagebegründung vom 22. August 2018 ist die Klage jedoch unbegründet, weil die über den Aufhebungsantrag vom 27. Mai 2016 hinausgehenden Gesichtspunkte der Klage in der Sache nicht zum Erfolg verhelfen (s.u. 3.3, 3.4).
124
Über die für die Klagebegründung gesetzte und verlängerte Frist, d.h. über den 22. August 2018, hinaus kann eine Entschuldigung nach § 6 Satz 2 UmwRG i.V.m. § 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO nicht angenommen werden; für einen weitergehenden Vertrauensschutz gibt es keine Grundlage. Anderes gilt nur, soweit das klägerische Vorbringen Unterlagen der Beklagten betrifft, die den Klägern erstmals im Klageverfahren nach Einreichung der Klagebegründung zugänglich gemacht wurden.
125
2. Dem Anspruch der Kläger zu 1 bis 3 und 5 auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung steht die präjudizielle Wirkung der Rechtskraft (§ 121 Nr. 1 VwGO) der Urteile des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Januar 2006 (Az. 22 A 04.40016) und 9. Januar 2006 (Az. 22 A 04.40012 u.a.) nicht entgegen, weil diese infolge einer entscheidungserheblichen wesentlichen Änderung der Sachlage entfallen ist. In Bezug auf den Anspruch des Klägers zu 4 kommt eine Rechtskraftbindung nicht in Betracht, weil dieser an den früheren Verfahren nicht beteiligt war (2.1). Auch die Bestandskraft der Ausgangsgenehmigung hindert den Anspruch der Kläger auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung nicht (2.2).
126
2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beschränkt sich die Bedeutung der Bindungswirkung einer rechtskräftigen Entscheidung nach § 121 Nr. 1 VwGO nicht auf nachfolgende Prozesse mit identischem Streitgegenstand. Auch bei unterschiedlichen Streitgegenständen tritt eine Bindung in den Fällen ein, in denen die rechtskräftige Zu- oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs für einen anderen prozessualen Anspruch, der zwischen denselben Beteiligten streitig ist, vorgreiflich ist. Ob dies der Fall ist, richtet sich nach dem Umfang der Rechtskraft der Entscheidung im Vorprozess, für den wiederum der seinerzeitige Streitgegenstand maßgeblich ist (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 = juris Rn. 37; U.v. 10.5.1994 – 9 C 501.93 – BVerwGE 96, 24 = juris Rn. 10 m.w.N.). Die Rechtskraft bezieht sich damit auf die sich im Entscheidungssatz des Urteils verkörpernde Schlussfolgerung aus Rechtsnorm und Lebenssachverhalt (vgl. BVerwG, B.v. 4.12.2018 – 6 B 56.18 – NVwZ-RR 2019, 443 = juris Rn. 14; U.v. 31.8.2011 – 8 C 15.10 – BVerwGE 140, 290 = juris Rn. 20; U.v. 10.5.1994 – 9 C 501.93 – BVerwGE 96, 24 = juris Rn. 10; BGH, U.v. 17.2.1983 – III ZR 184/81 – NJW 1983, 2032 = juris Rn. 14). Die aus dem früher festgestellten Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge, über die durch Urteil rechtskräftig entschieden worden ist, darf nicht erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht werden, sondern ist im Folgeprozess ohne erneute Sachprüfung zugrunde zu legen (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 = juris Rn. 37; U.v. 25.10.2012 – 2 C 41.11 – NVwZ-RR 2013, 320 = juris Rn. 24 m.w.N.).
127
Daraus wird gefolgert, dass die präjudizielle Wirkung der Rechtskraft des (Sach-)Urteils, mit dem die Anfechtungsklage gegen einen Planfeststellungsbeschluss abgewiesen worden ist, den Anspruch auf Rücknahme dieses Planfeststellungsbeschlusses nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG oder auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung hierüber hindert (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 = juris Rn. 36; U.v. 28.4.2016 – 4 A 2.15 – BVerwGE 155, 81 = juris Rn. 27; VGH BW, B.v. 13.8.2012 – 5 S 1200/12 – VBlBW 2013, 101 = juris Rn. 12; ebenso für Anfechtungsklage und spätere Klage auf Rücknahme einer Ausweisungsverfügung BVerwG, U.v. 22.10.2009 – 1 C 15.08 – BVerwGE 135, 121 = juris Rn. 16; U.v. 22.10.2009 – 1 C 26.08 – BVerwGE 135, 137 = juris Rn. 13). Denn maßgebend für die Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses als Voraussetzung für die Rücknahme nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist der Zeitpunkt seines Erlasses, auf den zugleich im Rahmen der Anfechtungsklage abgestellt wird (BVerwG, U.v. 28.4.2016 – 4 A 2.15 – BVerwGE 155, 81 = juris Rn. 27). Dabei ist die Rechtsprechung, nach der bei nachträglich rechtswidrig gewordenen Dauerverwaltungsakten die Rücknahme teils auf § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG gestützt wird, nicht anwendbar, weil für die planerische Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Plan maßgebend ist (BVerwG, U.v. 28.4.2016 – 4 A 2.15 – BVerwGE 155, 81 = juris Rn. 28).
128
2.1.1 In Bezug auf die Klage der Kläger zu 1 bis 3 und 5 lassen sich die genannten Grundsätze insoweit auf den vorliegenden Fall übertragen, als der Senat mit Urteilen vom 2. Januar 2006 und 9. Januar 2006 festgestellt hat, dass die atomrechtliche Aufbewahrungsgenehmigung vom 19. Dezember 2003 die Kläger zu 1 bis 3 und 5 des vorliegenden Verfahrens „nicht in ihren Rechten verletzt“ (BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 14; U.v. 9.1.2006 – 22 A 04.40012 u.a. – juris Rn. 15). Wäre im vorliegenden Verfahren allein die Ausgangsgenehmigung streitgegenständlich und könnte der Eintritt nachträglicher entscheidungserheblicher Änderungen der Sach- und Rechtslage ausgeschlossen werden, so stünde gemäß § 121 Nr. 1 VwGO rechtskräftig und mit Bindungswirkung für die Beteiligten der damaligen Verfahren und das Gericht fest, dass die Ausgangsgenehmigung im Zeitpunkt ihres Erlasses die Kläger zu 1 bis 3 und 5 nicht in ihren Rechten verletzte. Denn der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt für die Anfechtungsklage gegen die atomrechtliche Aufbewahrungsgenehmigung ist der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 19; s. auch BVerwG, U.v. 19.12.1985 – 7 C 65.82 – BVerwGE 72, 300 = juris Ls. 3 und Rn. 25 bzgl. einer atomrechtlichen Teilgenehmigung). Gleiches gilt grundsätzlich für den Anspruch auf Rücknahme der Genehmigung nach § 17 Abs. 2 AtG, der ausdrücklich auf das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen bei deren Erteilung abstellt (in diesem Sinne auch Roller in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 17 AtG Rn. 37; Ewer in Hennenhöfer/Mann/Pelzer/Sellner, AtG/PÜ, 2021, § 17 AtG Rn. 23). Deshalb ist hier die zu § 48 VwVfG ergangene Rechtsprechung, wonach eine Rücknahme auch bei erst nachträglich rechtswidrig gewordenen Verwaltungsakten erfolgen kann, nicht anwendbar (s. Ewer in Hennenhöfer/Mann/Pelzer/ Sellner, AtG/PÜ, 2021, § 17 AtG Rn. 22; i.E. auch Roller in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 17 AtG Rn. 37).
129
2.1.2 Der Entscheidungsausspruch der Senatsurteile vom 2. und 9. Januar 2006 ist für die vorliegende Klage der Kläger zu 1 bis 3 und 5 auf Verpflichtung zur Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung jedoch jedenfalls deshalb nicht vorgreiflich, weil sich der zugrunde liegende Sachverhalt im Vergleich zu den damaligen Urteilen in entscheidungserheblicher Weise geändert hat und dies die präjudizielle Wirkung der Rechtskraft der früheren Urteile insgesamt entfallen lässt.
130
2.1.2.1 Da die Rechtskraftwirkung auf die Schlussfolgerung aus Rechtsnorm und Lebenssachverhalt begrenzt ist (s.o. 2.1), kann die Bindungswirkung der rechtskräftigen Entscheidung grundsätzlich durch eine Änderung der Rechts- oder Sachlage überwunden werden, doch gilt dies jeweils nur, wenn die Änderung der Rechts- oder Sachlage entscheidungserheblich ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.9.2001 – 1 C 7.01 – BVerwGE 115, 118 = juris Rn. 11; U.v. 8.12.1992 – 1 C 12.92 – BVerwGE 91, 256 = juris Rn. 13; B.v. 3.11.1993 – 4 NB 33.93 – NVwZ-RR 1994, 236 = juris Rn. 3; Clausing/Kimmel in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 121 VwGO Rn. 71; Kilian/Hissnauer in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 121 Rn. 116, 118).
131
Dabei setzt eine entscheidungserhebliche Änderung der Sachlage voraus, dass nach dem für das rechtskräftige Urteil maßgeblichen Zeitpunkt neue für die Streitentscheidung erhebliche Tatsachen eingetreten sind, die sich so wesentlich von den früher maßgeblichen Umständen unterscheiden, dass auch unter Berücksichtigung des Zwecks der Rechtskraft eines Urteils eine erneute Sachentscheidung durch ein Gericht gerechtfertigt ist. Es muss mithin um die rechtliche Bewertung eines jedenfalls in wesentlichen Punkten neuen Sachverhalts gehen, zu dem das rechtskräftige Urteil – auch unter Berücksichtigung seiner Rechtsfrieden und Rechtssicherheit stiftenden Funktion – keine verbindlichen Aussagen mehr enthält (vgl. BVerwG, U.v. 18.9.2001 – 1 C 7.01 – BVerwGE 115, 118 = juris Rn. 11; Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 121 Rn. 46). Die Erheblichkeit der Änderung der Sachlage setzt demgegenüber nicht notwendig voraus, dass das Gericht, das die mögliche Rechtskraftbindung zu prüfen hat, auf der Grundlage des neuen Sachverhalts zu einem anderen Ergebnis kommt als das rechtskräftige Urteil (BVerwG, U.v. 18.9.2001 – 1 C 7.01 – BVerwGE 115, 118 = juris Rn. 13).
132
Eine entscheidungserhebliche Änderung der Rechtslage liegt etwa vor, wenn das neue Recht gegenüber der alten Rechtslage neue Voraussetzungen für einen Anspruch einführt, die bei der früheren Entscheidung nicht zu berücksichtigen waren (BVerwG, U.v. 3.2.1988 – 6 C 49.86 – BVerwGE 79, 33 = juris Ls., Rn. 10). Eine entscheidungserhebliche Änderung der Rechtslage ist auch für den Fall angenommen worden, dass das Änderungsgesetz die vorherige Rechtslage lediglich klärt oder bestätigt (BVerwG, B.v. 28.4.1972 – III B 126.71 – juris; Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 121 Rn. 48).
133
2.1.2.2 Vorliegend hat sich die dem geltend gemachten prozessualen Anspruch zugrunde liegende Sachlage dadurch wesentlich geändert, dass die für den Anspruch der Kläger entscheidungserhebliche 2. Änderungsgenehmigung erlassen und zudem von den Klägern zum Verfahrensgegenstand gemacht wurde. Gegenstand der Senatsurteile vom Januar 2006 war lediglich die (Anfechtungsklage gegen die) Ausgangsgenehmigung vom 19. Dezember 2003; Änderungsgenehmigungen waren bis zum Ergehen der Urteile nicht erteilt worden. Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist demgegenüber die Verpflichtungsklage auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung. Letztere dient der Erweiterung des Schutzes des Standort-Zwischenlagers vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter und wirkt sich insbesondere auf den Schutz vor Angriffen mit panzerbrechenden Waffen aus, den die Kläger damals wie heute als nicht ausreichend bemängeln (s. hierzu unten 3.4.4). Jedenfalls zu diesem Punkt enthalten die Senatsurteile vom Januar 2006, die die 2. Änderungsgenehmigung nicht berücksichtigen konnten, keine Aussage und können den Klägern daher nicht entgegengehalten werden.
134
Offenbleiben kann, ob im Inkrafttreten des § 44 Abs. 2 Satz 3 AtG am 1. September 2021, der für den geltend gemachten Anspruch zu berücksichtigen ist (s.u. 3.4.1.8.2), eine im Vergleich zum maßgeblichen Zeitpunkt der Urteile entscheidungserhebliche Änderung der Rechtslage zu sehen ist. Legt man die Interpretation der früheren untergesetzlichen Regelungen durch den Senat in seinen Urteilen vom Januar 2006 (BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 58; U.v. 9.1.2006 – 22 A 04.40012 u.a. – juris Rn. 60) zugrunde, so liegt in der gesetzlichen Normierung jedenfalls eine Klärung der Rechtslage.
135
2.1.2.3 Entgegen der Auffassung der Kläger liegt demgegenüber keine entscheidungserhebliche Änderung der Sachlage in dem Erlass des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz) vom 23. Juli 2013 (BGBl I S. 2553), dem aus Sicht der Kläger zu entnehmen ist, dass die Lagerung in dem Standort-Zwischenlager verlängert werden müsse. Aufgrund der Befristung der Ausgangsgenehmigung auf 40 Jahre ab dem Zeitpunkt der ersten Einlagerung (s. A. 5. der Genehmigung) ist eine Verlängerung der Lagerdauer hier nicht streitgegenständlich.
136
Ebenso wenig können die Kläger eine entscheidungserhebliche Änderung der Sachlage mit einer von ihnen angenommenen Änderung der Sicherheitslage begründen. Ihr Vortrag dazu genügt nicht den Anforderungen an die notwendige Substantiierung (Klagebegründung vom 22. August 2018, S. 16). Die erst mit Schriftsatz vom 28. Mai 2019 vorgelegten Anlagen K 11a bis K 11e, auf die der Schriftsatz selbst im Übrigen nicht näher eingeht, belegen keine entscheidungserhebliche Änderung der Sachlage im Hinblick auf terroristische Gefahrenpotenziale für Standort-Zwischenlager in Deutschland.
137
Schließlich liegt auch in einer Änderung der Rechtsprechung – die Kläger führen insoweit die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. April 2008 (7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris) und des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 19. Juni 2013 (4 KS 3.08 – juris) sowie den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 8. Januar 2015 (7 B 25.13 – ZUR 2015, 287 = juris) an – keine Änderung der Rechtslage, die zu einer Durchbrechung der Rechtskraft führen könnte (BVerwG, U.v. 18.9.2001 – 1 C 7.01 – BVerwGE 115, 118 = juris Rn. 13; Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 121 Rn. 49; Clausing/Kimmel in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand März 2023, § 121 VwGO Rn. 74 m.w.N.).
138
Auf die Frage, inwieweit der von den Klägern ins Spiel gebrachte § 51 Abs. 5 VwVfG zu einer Durchbrechung der Rechtskraft führen könnte (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 = juris Rn. 47; U.v. 22.10.2009 – 1 C 15.08 – BVerwGE 135, 121 = juris Rn. 24), kommt es vorliegend nicht an, wobei dessen Anwendbarkeit ohnehin fraglich ist, weil die Vorschrift durch die abschließende Spezialregelung des § 17 AtG verdrängt werden dürfte (so HessVGH, U.v. 25.3.1997 – 14 A 111.91 – NVwZ-RR 1998, 361 = juris Rn. 176). Auch der weitere Vortrag der Kläger zum Entfallen der Rechtskraft der früheren Urteile kann dahinstehen.
139
2.1.2.4 Die Entscheidungserheblichkeit der 2. Änderungsgenehmigung für den klägerischen Anspruch bewirkt, dass die präjudizielle Wirkung der Rechtskraft der früheren Senatsurteile insgesamt entfällt.
140
Zwar betrifft die 2. Änderungsgenehmigung inhaltlich nicht alle im vorliegenden Verfahren geltend gemachten klägerischen Rügen. Aus Sicht des Senats kommt es aber nicht in Betracht, eine präjudizielle Wirkung der Rechtskraft der früheren Senatsentscheidungen nur teilweise, nämlich nur insoweit anzunehmen, als die Änderung der Sachlage durch Erlass der 2. Änderungsgenehmigung für das im vorliegenden Verfahren geltend gemachte klägerische Vorbringen nicht entscheidungserheblich ist. Ändert sich die Sachlage in wesentlichen Punkten, so tritt eine Befreiung von der Rechtskraftbindung des früheren Urteils ein (BVerwG, U.v. 18.9.2001 – 1 C 7.01 – BVerwGE 115, 118 = juris Rn. 11), was sich auf die gesamte Rechtskraftbindung erstrecken muss. Ein anderes Ergebnis würde bedeuten, einzelne Begründungselemente der früheren Urteile als vorgreiflich und bindend anzusehen, andere aber nicht. Handelt es sich wie hier bei dem Streitgegenstand der früheren Anfechtungsklage, die eine mögliche Rechtsverletzung der Kläger durch die Ausgangsgenehmigung zum Gegenstand hatte, um einen sachlich unteilbaren Streitgegenstand, so kann die präjudizielle Wirkung der Rechtskraft, die sich aus dem Entscheidungssatz ergibt, nur insgesamt bestehen oder – im Fall einer entscheidungserheblichen Änderung der Sachlage – insgesamt wegfallen. Dafür spricht auch, dass Gegenstand der Rechtskraftwirkung grundsätzlich nicht die einzelnen tatsächlichen oder rechtlichen Feststellungen und Begründungselemente des Urteils sind, sondern die festgestellte Rechtsfolge (vgl. zum Planfeststellungsbeschluss BVerwG, U.v. 23.6.2020 – 9 A 22.19 – BVerwGE 168, 368 = juris Rn. 39; im Übrigen etwa BVerwG, U.v. 31.8.2011 – 8 C 15.10 – BVerwGE 140, 290 = juris Rn. 20 m.w.N.; U.v. 10.5.1994 – 9 C 501.93 – BVerwGE 96, 24 = juris Rn. 10).
141
2.1.3 Die Senatsentscheidungen von 2006 haben erst recht keine Auswirkung auf den Anspruch des Klägers zu 4 auf Verpflichtung zur Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung.
142
Eine aus § 121 Nr. 1 VwGO hergeleitete präjudizielle Wirkung der Rechtskraft der früheren Urteile könnte nur inter partes bestehen; der Kläger zu 4 war jedoch an den damaligen Verfahren nicht beteiligt. Nachdem gegenüber den übrigen Klägern die präjudizielle Wirkung der Rechtskraft durch die entscheidungserhebliche Änderung der Sachlage ohnehin entfällt, kommt es auf die Frage einer „Präjudizialität im weiteren Sinne“, die auch den Kläger zu 4 erfassen könnte, wie von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vertreten, nicht mehr an.
143
2.2 Auch unabhängig davon folgt aus der Bestandskraft der Ausgangsgenehmigung gegenüber den Klägern nicht, dass diese einen Anspruch auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung nach § 17 Abs. 2 AtG nicht geltend machen könnten.
144
2.2.1 Entgegen der von der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung vertretenen Auffassung kann die Behörde bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 AtG (oder § 17 Abs. 3 oder 5 AtG) auch auf Antrag von Drittbetroffenen verpflichtet sein, die Bestandskraft atomrechtlicher Genehmigungen durch deren Rücknahme (oder Widerruf) zu durchbrechen. Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte ergibt sich, dass die im aufsichtlichen Verfahren nach § 17 AtG vorgesehenen Instrumente auch Drittbetroffenen eröffnet sind, jedenfalls soweit ein Fehlen drittschützender Genehmigungsvoraussetzungen geltend gemacht wird (vgl. BVerwG, U.v. 22.1.1997 – 11 C 7.95 – BVerwGE 104, 36 = juris Ls. 3; Rn. 22, 27; U.v. 21.8.1996 – 11 C 9.95 – BVerwGE 101, 347 = juris Rn. 40; OVG SH, U.v. 3.11.1999 – 4 K 26.95 – RdE 2000, 146 = juris Rn. 150 f.; zu § 17 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 5 AtG BayVGH, Gerichtsbescheid vom 11.4.2000 – 22 A 99.40013 u.a. – NVwZ 2000, 1192 = juris Rn. 11, 13; zu § 17 Abs. 5 AtG BVerwG, B.v. 5.4.1989 – 7 B 47.89 – NVwZ 1989, 1170 = juris Rn. 2; BayVGH, U.v. 28.7.2005 – 22 A 04.40061 – ZUR 2005, 540 = juris Rn. 18 f.; HessVGH, B.v. 28.6.1989 – 8 Q 2809.88 – NVwZ 1989, 1183 = juris Rn. 78; U.v. 25.3.1997 – 14 A 3083.89 – juris Rn. 144; zur Betriebseinstellung nach § 19 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 AtG BVerwG, U.v. 25.10.2000 – 11 C 1.00 – BVerwGE 112, 123 = juris Rn. 51 ff.; s. insgesamt auch Ewer in Hennenhöfer/Mann/Pelzer/Sellner, AtG/PÜ, 2021, § 17 AtG Rn. 54 ff.; Roller in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 17 AtG Rn. 61). Für die Annahme, dass Drittbetroffene – anders als im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht – keinen Anspruch auf Rücknahme oder Widerruf atomrechtlicher Genehmigungen haben könnten, findet sich mithin in der Rechtsprechung kein Anhaltspunkt.
145
2.2.2 Darüber hinaus ist aus Sicht des Senats nicht ersichtlich, dass die Bestandskraft der Ausgangsgenehmigung gegenüber den Klägern aus allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Erwägungen heraus ihrem aus § 17 Abs. 2 AtG abzuleitenden möglichen Anspruch auf Rücknahme entgegenstünde oder diesen von besonderen Voraussetzungen abhängig machen würde. Soweit die Rechtsprechung – bei Anwendung des § 51 VwVfG – ein der Prüfung eines Rücknahmeanspruchs vorgeschaltetes Verfahren zur Feststellung eines Anspruchs auf Wiederaufgreifen des Verfahrens gefordert hat, ging es um Konstellationen, in denen die gegenüber einem Beteiligten eines früheren gerichtlichen Verfahrens bestehende Rechtskraft zu überwinden war (BVerwG, U.v. 22.10.2009 – 1 C 15.08 – BVerwGE 135, 121 = juris Rn. 24; U.v. 22.10.2009 – 1 C 26.08 – BVerwGE 135, 137 = juris Rn. 14; U.v. 7.9.1999 – 1 C 6.99 – NVwZ 2000, 204 = juris Rn. 17), an der es hier nach den vorstehenden Ausführungen fehlt. Darüber hinaus enthält das Atomgesetz keine dem § 51 VwVfG entsprechende Regelung. Bei § 17 AtG dürfte es sich um eine abschließende Regelung handeln, die die Anwendbarkeit von § 51 VwVfG ausschließt (s.o. 2.1.2.3).
146
3. Die Kläger haben jedoch aus materiellen Gründen keinen Anspruch auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung.
147
Gemäß § 17 Abs. 2 AtG können Genehmigungen nach dem Atomgesetz (vgl. § 17 Abs. 1 AtG) zurückgenommen werden, wenn eine ihrer Voraussetzungen bei der Erteilung nicht vorgelegen hat. Die verfahrensgegenständlichen Genehmigungen stützen sich auf § 6 AtG (3.1). Die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 AtG erfordern Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung sowie Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter, soweit nicht die Genehmigungsbehörde einzelne Szenarien dem Restrisiko zuordnen darf; dabei obliegt es der Genehmigungsbehörde im Rahmen des Funktionsvorbehalts, das Maß der erforderlichen Schadensvorsorge zu bestimmen (3.2). Bei Erteilung der Ausgangsgenehmigung – unter Einbeziehung der 2. Änderungsgenehmigung sowie sonstiger nachträglicher Änderungen der Rechts- oder Sachlage, die sich zugunsten der Anlagenbetreiberin auswirken – lagen die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 2 (3.3) und Nr. 4 AtG (3.4) vor, soweit die Kläger dies in Zweifel gezogen haben, so dass schon der Tatbestand des § 17 Abs. 2 AtG nicht erfüllt ist. Auf die Frage einer Ermessensreduzierung auf Null kommt es daher nicht an.
148
3.1 Rechtsgrundlage für die verfahrensgegenständliche Ausgangsgenehmigung für das Standort-Zwischenlager G2. ist § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 AtG. Es handelt sich um die Aufbewahrung von bestrahlten Kernbrennstoffen innerhalb des abgeschlossenen Geländes einer Anlage zur Spaltung von Kernbrennstoffen. Gemäß § 6 Abs. 3 Satz 2 AtG gelten für diesen Fall die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AtG entsprechend. Das Bedürfnis für die Zwischenlagerung besteht dabei kraft Gesetzes, da die Verweisung auf die Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 1 bis 4 AtG beschränkt ist (BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 9). Die Verpflichtung nach § 9a Abs. 2 Satz 3 AtG traf ursprünglich die drei Betreiberinnen des K. ... Mit Wirkung vom 1. Januar 2019 ist diese Verpflichtung auf die Beigeladene übergegangen (s.o. B.). Die 2. Änderungsgenehmigung stützt sich auf § 6 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 2 AtG.
149
3.2 Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG setzt die Erteilung der Genehmigung zur Aufbewahrung von Kernbrennstoffen voraus, dass die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung der Kernbrennstoffe getroffen ist. § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG verlangt darüber hinaus, dass der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet ist.
150
Dabei umfasst § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG den Schutz vor Gefahren durch die Aufbewahrung von Kernbrennstoffen, also vor dem von der Aufbewahrung selbst ausgehenden Risiko (Sicherheit), Nr. 4 demgegenüber den Schutz vor Einwirkungen Dritter (Sicherung, vgl. auch die Überschrift zum Fünften Abschnitt des Atomgesetzes, §§ 41 ff. AtG). § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG betrifft Risiken, die durch den Zustand oder den Betrieb der Anlage an sich hervorgerufen werden können, § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG dagegen schützt vor gezielten, willensgetragenen Aktivitäten, durch die eine Störung der Anlage, insbesondere ihres Betriebs, und Auswirkungen auf den Funktionsablauf erreicht werden sollen (vgl. Vorwerk in Hennenhöfer/Mann/Pelzer/Sellner, AtG/PÜ, 2021, § 7 Rn. 56; Leidinger in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 7 Rn. 206 jeweils zu den Parallelvorschriften in § 7 AtG).
151
3.2.1 Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu der erforderlichen Vorsorge gegen Schäden im Rahmen von § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG, dem § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG auch hinsichtlich des anzulegenden Maßstabs entspricht (BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 19), ist dieses Tatbestandsmerkmal dahin auszulegen, dass auch solche Schadensmöglichkeiten in Betracht gezogen werden müssen, die sich nur deshalb nicht ausschließen lassen, weil nach dem derzeitigen Wissensstand bestimmte Ursachenzusammenhänge weder bejaht noch verneint werden können und daher insoweit nur ein Gefahrenverdacht oder ein „Besorgnispotenzial“ besteht. Vorsorge bedeutet des Weiteren, dass bei der Beurteilung von Schadenswahrscheinlichkeiten nicht allein auf das vorhandene ingenieurmäßige Erfahrungswissen zurückgegriffen werden darf, sondern Schutzmaßnahmen auch anhand „bloß theoretischer“ Überlegungen und Berechnungen in Betracht gezogen werden müssen, um Risiken aufgrund noch bestehender Unsicherheiten oder Wissenslücken hinreichend zuverlässig auszuschließen. Gefahren und Risiken müssen danach praktisch ausgeschlossen sein; das insoweit erforderliche Urteil hat sich am „Stand von Wissenschaft und Technik“ zu orientieren. Unsicherheiten bei der Risikoermittlung und Risikobewertung ist nach Maßgabe des sich daraus ergebenden Besorgnispotenzials durch hinreichend konservative Annahmen Rechnung zu tragen (vgl. BVerwG, U.v. 19.12.1985 – 7 C 65.82 – BVerwGE 72, 300 = juris Rn. 37; U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 26).
152
Diese Rechtsprechung zur Vorsorge gegen Schäden im Bereich der Anlagensicherheit hat das Bundesverwaltungsgericht schon früh auf den Bereich der Sicherung der Anlagen gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG übertragen, dem § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG entspricht. Danach ist das Gefährdungspotenzial, um dessen uneingeschränkte Beherrschung es dem Gesetzgeber in § 7 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 5 AtG geht, ein und dasselbe; der erforderliche Schutz nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG ist danach ebenfalls ein vorsorgender Schutz und das Maß des Erforderlichen auch hier nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu bestimmen (BVerwG, U.v. 19.1.1989 – 7 C 31.87 – BVerwGE 81, 185 = juris Rn. 20 f.; vgl. zu § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 21).
153
Soweit in diesem Sinne das Erfordernis der Schadensvorsorge bzw. des Schutzes vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter reicht, entfalten die Regelungen Drittschutz u.a. zugunsten von Nachbarn der jeweiligen Anlage (s.o. I.2.1).
154
3.2.2 Die Schadensvorsorge bzw. der vorsorgende Schutz im vorstehend beschriebenen Sinne schließen jedoch die Hinnahme eines nach den Maßstäben praktischer Vernunft nicht mehr in Rechnung zu stellenden Restrisikos ein, gegen das Vorsorge nicht mehr getroffen werden muss (BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 19, 24; U.v. 21.1.2021 – 7 C 4.19 – BVerwGE 171, 128 = juris Rn. 29). Soweit die Genehmigungsbehörde im Rahmen ihrer Entscheidung die nach dem Stand von Wissenschaft und Technik dem einzelnen gegenüber erforderliche Vorsorge gegen Schäden als getroffen ansehen darf, hat es auch mit dem Drittschutz sein Bewenden. Insbesondere gibt es keinen Anspruch eines Dritten auf weitergehende Minimierung der Strahlenexposition (BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 20; U.v. 19.12.1985 – 7 C 65.82 – BVerwGE 72, 300 = juris Rn. 40; U.v. 22.1.1997 – 11 C 7.95 – BVerwGE 104, 36 = juris Rn. 51).
155
Die Frage, welche Vorsorge nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlich ist und welches Restrisiko demgegenüber Drittbetroffenen noch zugemutet werden darf, lässt sich weder unmittelbar aus § 7 Abs. 2 Nr. 3 bzw. § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG noch aus den Vorschriften zum Schutz vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter nach § 7 Abs. 2 Nr. 5 bzw. § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG beantworten. Hierzu bedarf es vielmehr einer Konkretisierung durch untergesetzliche Vorschriften.
156
3.2.2.1 Im Bereich der Schadensvorsorge nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG, die vor dem von der kerntechnischen Anlage selbst ausgehenden Risiko schützen soll, lässt sich die Eintrittswahrscheinlichkeit der aufgrund deterministischer und probabilistischer Erwägungen zu unterstellenden Störfälle in nachvollziehbarer Weise berechnen und überprüfen. Von wesentlicher Bedeutung für die Konkretisierung der erforderlichen Vorsorge und die Abgrenzung vom zumutbaren Restrisiko sind vorliegend die im Zeitpunkt der Erteilung der Ausgangsgenehmigung geltenden Sicherheitstechnischen Leitlinien für die trockene Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente in Behältern der Reaktor-Sicherheitskommission vom 8. April 2002 (BAnz. Nr. 1 vom 3.1.2003, S. 11), die durch die Leitlinien für die trockene Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und Wärme entwickelnder radioaktiver Abfälle in Behältern der Entsorgungskommission zunächst vom 10. Juni 2013 (BAnz. AT vom 22.1.2014, B3 S. 2), später durch eine gleich betitelte Fassung von 7. September 2023 (im Internet abrufbar unter www.entsorgungskommission.de/de/beratungsergebnisse) ersetzt wurden. In der Genehmigungspraxis insbesondere für Kernkraftwerke, aber vergleichend auch für Standort-Zwischenlager wurden darüber hinaus im Zeitpunkt der Erteilung der Ausgangsgenehmigung die Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke vom 21. Oktober 1977 (BAnz. Nr. 206 vom 3.11.1977) sowie die Leitlinien zur Beurteilung der Auslegung von Kernkraftwerken mit Druckwasserreaktoren gegen Störfälle im Sinne des § 28 Abs. 3 der Strahlenschutzverordnung – Störfall-Leitlinien – vom 18. Oktober 1983 (BAnz. Nr. 245a vom 31.12.1983) zugrunde gelegt, die später durch die Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke vom 22. November 2012 (BAnz. AT vom 24.1.2013, B3), Neufassung vom 3. März 2015 (BAnz. AT vom 30.3.2015, B2), ersetzt wurden.
157
Diesen Leitlinien liegt jeweils ein vierstufiges, deterministische und probabilistische Elemente enthaltendes Sicherheitskonzept zugrunde. Die ersten beiden Sicherheitsebenen umfassen die Störfallverhinderung im Normalbetrieb der Anlage und bei Betriebsstörungen. Der Sicherheitsebene 3 ist die Beherrschung von Auslegungsstörfällen zugeordnet. Die Sicherheitsebene 4 dient der Risikominimierung von auslegungsüberschreitenden Unfällen und ist ihrerseits in drei weitere Ebenen unterteilt. Der Sicherheitsebene 4a unterfällt die Beherrschung spezieller, sehr seltener Ereignisse, zu denen zivilisationsbedingte Einwirkungen wie ein Flugzeugabsturz gerechnet werden.
158
3.2.2.2 Das Bundesverwaltungsgericht hatte in seiner früheren Rechtsprechung zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG auslegungsüberschreitende Ereignisse dem Restrisikobereich zugeordnet (BVerwG, U.v. 22.1.1997 – 11 C 7.95 – BVerwGE 104, 36 = juris Rn. 36 ff.). Mit dem Urteil zum Standort-Zwischenlager Brunsbüttel vom 10. April 2008 (7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris) hat es – bezogen auf einen gezielten Flugzeugabsturz nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG – diese Auffassung jedoch aufgegeben. Es hat aus dem Konzept der gestaffelten Sicherheitsebenen und einem vom für die Bundesaufsicht zuständigen (damaligen) Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit herausgegebenen Rundschreiben hergeleitet, dass auch gegen auslegungsüberschreitende Ereignisse Vorsorgemaßnahmen verlangt werden könnten, nachdem Maßnahmen der Sicherheitsebene 4 grundsätzlich zu der nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderlichen Schadensvorsorge im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG gehörten. Dabei erfolge die Abgrenzung des durch Vorsorge verminderten Risikos vom sogenannten Restrisiko, gegen dessen Verwirklichung keine behördlichen Maßnahmen erforderlich seien, in den jeweiligen Verwaltungsverfahren, d.h. im Einzelfall (BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 30; s. auch das Rundschreiben des BMU vom 15.7.2003 RS I 3 – 10100/0 „Schadensvorsorge außerhalb der Auslegungsstörfälle“, RS-Handbuch 3-79). In Bezug auf einen dem Bereich der Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter zuzuordnenden gezielten Flugzeugabsturz bezieht sich das Gericht auf eine Stellungnahme des Länderausschusses für Atomkernenergie – Hauptausschuss – vom 3./4. Juli 2003, wonach insoweit eine gewisse Parallele zur Sicherheitsebene 4 bestehe, die die Annahme rechtfertigen solle, dass sich der erforderliche Schutz auf Maßnahmen beschränke, die unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Strahlenexposition im Einzelfall minimierten bzw. begrenzten (BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 29; s. auch die im Verfahren von der Beklagten als Anlage B 4 geschwärzt vorgelegte Stellungnahme des Länderausschusses für Atomkernenergie – Hauptausschuss – vom 3./4.7.2003).
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An der Auffassung, dass das Szenario „gezielter Flugzeugabsturz“ dem Bereich der Schadensvorsorge zuzuordnen ist, hat das Gericht auch in späteren Entscheidungen festgehalten (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 20; U.v. 21.1.2021 – 7 C 4.19 – BVerwGE 171, 128 = juris Rn. 29) und das Erfordernis einer Einzelfallentscheidung zur Abgrenzung des durch Vorsorge verminderbaren Risikos vom zumutbaren Restrisiko nochmals hervorgehoben. Danach ist es nicht ausgeschlossen, bei Fallgestaltungen, die sich durch ein besonders geringes Risikopotenzial von den Szenarien eines gezielten Flugzeugabsturzes auf ein noch im Leistungsbetrieb befindliches Reaktorgebäude oder ein Standort-Zwischenlager unterscheiden, zu einer abweichenden Einschätzung zu kommen. Das Bundesverwaltungsgericht hat bei der Überprüfung der Zuordnung eines Szenarios zum Restrisiko (hier: gezielter Absturz eines Flugzeugs auf die Pufferlagerflächen eines stillgelegten Kernkraftwerks) nicht nur auf das geringere Schadenspotenzial, sondern insbesondere auch auf die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses abgestellt (hier: außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegend) (BVerwG, U.v. 21.1.2021 – 7 C 4.19 – BVerwGE 171, 128 = juris Rn. 30).
160
3.2.2.3 Im Bereich des Schutzes vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter wird anders als im Bereich der Anlagensicherheit das Risiko des Schadenseintritts durch vorsätzliches und unbefugtes Handeln Dritter gesetzt, auf dessen Eintrittswahrscheinlichkeit der Genehmigungsinhaber keinen Einfluss hat. Ihm ist daher das Risiko des Eintritts von Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter nicht alleinig zuzurechnen, dennoch leistet er durch den Betrieb der kerntechnischen Anlage einen Beitrag zu dem Risiko. § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG normiert daher eine die Aufgabenwahrnehmung der staatlichen Sicherheitsbehörden ergänzende Verpflichtung des Betreibers zu eigenen Schutzmaßnahmen (Vorwerk in Hennenhöfer/Mann/Pelzer/Sellner, AtG/PÜ, 2021, § 7 Rn. 61 zur Parallelregelung in § 7 AtG; Begründung zum 17. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes, BT-Drs. 19/27659, S. 9). Der erforderliche Schutz wird durch aufeinander abgestimmte Maßnahmen des Anlagenbetreibers und der staatlichen Sicherheitskräfte nach einem integrierten Sicherungs- und Schutzkonzept gewährleistet (BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 27). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts obliegt es insoweit dem Anlagenbetreiber, den Schutz der Anlage durch baulich-technische wie auch durch organisatorische Maßnahmen bis zum Eintreffen der Polizei zu gewährleisten (sog. Verzugszeit) (BVerwG, U.v. 19.1.1989 – 7 C 31.87 – BVerwGE 81, 185 = juris Rn. 14; nunmehr auch § 43 Abs. 1 Satz 2 AtG). Das integrierte Sicherungs- und Schutzkonzept wurde ursprünglich in den als VSnfD eingestuften SEWD-Richtlinien festgelegt (für Zwischenlager s. zunächst die Richtlinie zur Sicherung von Zwischenlagern für bestrahlte Brennelemente aus Leichtwasserreaktoren an Kernkraftwerksstandorten in Transport- und Lagerbehältern gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter, Stand: 24.10.2001; später ersetzt durch die Richtlinie zur Sicherung von Zwischenlagern gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter, Stand: 10.5.2012, mit Bekanntmachung in GMBl 2013, S. 379). Inzwischen ist es auch in § 41 AtG normiert (vgl. dazu die Begründung zum 17. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes, BT-Drs. 19/27659, S. 13).
161
Da der Eintritt des Risikos im Bereich der Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter maßgeblich vom Willen Dritter und deren krimineller Energie abhängt, ist die Abschätzung dieses Risikos schwieriger als im Bereich der Anlagensicherheit, insbesondere kann hier nicht ohne Weiteres von bestimmten Eintrittswahrscheinlichkeiten ausgegangen werden. Daher werden die Annahmen dazu, welche Störmaßnahmen oder sonstigen Einwirkungen Dritter zu unterstellen sind, vom für die kerntechnische Sicherheit zuständigen Bundesministerium im Benehmen mit dem Arbeitskreis II (Innere Sicherheit) der Innenministerkonferenz und unter Beteiligung der zuständigen atomrechtlichen Genehmigungs- und Aufsichtsbehörden festgelegt; dabei wird die Erkenntnislage der Sicherheitsbehörden des Bundes und der Länder berücksichtigt. Die danach zu unterstellenden Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter werden in den sogenannten Lastannahmen (nach Angaben der Beklagten: im Zeitpunkt der Erteilung der Ausgangsgenehmigung „Lastannahmen zur Auslegung kerntechnischer Anlagen und Einrichtungen gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter“) festgelegt (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 52; Begründung zum 17. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes, BT-Drs. 19/27659, S. 16 sowie zwischenzeitlich § 44 Abs. 1 AtG), die als VSvertraulich eingestuft und nicht veröffentlicht sind. Nach Angaben der Beklagten (Klageerwiderung vom 30.1.2019, S. 38 und Schriftsatz vom 20.10.2023, S. 33) enthalten die Lastannahmen eine Beschreibung der zu unterstellenden möglichen Tatmuster und Vorgehensweisen, Art und Anzahl von Waffen, Tätern und Hilfsmitteln sowie möglicher Kombinationen. Sie werden turnusmäßig alle drei Jahre und ebenfalls anlassbezogen einer Überprüfung unterzogen und der jeweiligen Gefährdungslage angepasst.
162
Soweit bestimmte Szenarien von den Lastannahmen erfasst sind, ist ein vorsorgender Schutz in der Weise zu gewährleisten, dass Risiken praktisch ausgeschlossen sein müssen (s. schon oben 3.2.1). Die Schutzgewährleistung endet wie im Bereich der Schadensvorsorge an dem Punkt, an dem das Restrisiko beginnt (BVerwG, U.v. 19.1.1989 – 7 C 31.87 – BVerwGE 81, 185 = juris Rn. 20). Soweit mögliche Schadensszenarien nicht in den Lastannahmen enthalten sind, sind sie jedoch nicht zwingend dem Restrisiko zuzuordnen, sondern die Abgrenzung des durch Vorsorge verminderbaren Risikos vom Restrisiko erfolgt im Einzelfall (s.o. 3.2.2.2).
163
3.2.3 Ob die in diesem Sinne erforderliche Vorsorge gegen Schäden getroffen und der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter gewährleistet ist, kann der Verwaltungsgerichtshof jedoch nur eingeschränkt überprüfen.
164
3.2.3.1 Diese Prüfung obliegt in erster Linie der Genehmigungsbehörde. Die Rechtsprechung hat aus der Normstruktur des hier einschlägigen § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 4 AtG (wie auch des § 7 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 5 AtG) abgeleitet, dass die Genehmigungsbehörde die Verantwortung für die Risikoermittlung und -bewertung trägt. Dabei steht ihr ein Einschätzungsspielraum zu, der gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar ist. Es kann nicht Aufgabe der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein, die der Exekutive zugewiesene Wertung wissenschaftlicher Streitfragen einschließlich der daraus folgenden Risikoabschätzung durch eine eigene Bewertung zu ersetzen. Nach der Rechtsprechung gilt dies sowohl für den Bereich der Anlagensicherung (vgl. zu § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG BVerwG, U.v. 19.12.1985 – 7 C 65.82 – BVerwGE 72, 300 = juris Rn. 37 f.) als auch denjenigen der Anlagensicherheit (s. zu § 7 Abs. 2 Nr. 5 AtG BVerwG, U.v. 19.1.1989 – 7 C 31.87 – BVerwGE 81, 185 = juris Rn. 21; zu § 6 Abs. 2 Nr. 4 BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 25; U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 19). Die Gerichte sind danach darauf beschränkt zu überprüfen, ob die der behördlichen Beurteilung zugrunde liegende Risikoermittlung und - bewertung auf einer ausreichenden Datenbasis beruht und dem Stand von Wissenschaft und Technik im Zeitpunkt der Behördenentscheidung Rechnung trägt. Sind die Ermittlungen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik ausreichend und hat sie die Behörde ihren Bewertungen zugrunde gelegt, so muss sich das Gericht bei der Prüfung, ob diese Bewertung hinreichend vorsichtig sind, wegen des Funktionsvorbehalts auf eine Willkürkontrolle beschränken (vgl. BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 25; U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 20). Auch die Auswahl der in die Lastannahmen aufzunehmenden SEWD-Szenarien unterliegt danach dem Funktionsvorbehalt der Exekutive und ist gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar (BVerwG, U.v. 19.1.1989 – 7 C 31.87 – BVerwGE 81, 185 = juris Rn. 20 f.; BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 53; Begründung zum 17. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes, BT-Drs. 19/27659, S. 16 f.). Dies gilt auch, soweit die Genehmigungsbehörde zur Abgrenzung des durch Vorsorge verminderbaren Risikos vom zumutbaren Restrisiko eine Einzelfallentscheidung zu treffen hat (BVerwG, U.v. 21.1.2021 – 7 C 4.19 – BVerwGE 171, 128 = juris Rn. 29).
165
3.2.3.2 Der Funktionsvorbehalt der Exekutive in diesem Sinne bedingt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts keine Änderung des gesetzlichen Beweismaßes der vollen richterlichen Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 VwGO) (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 36 ff.). In diesem Rahmen hat das Gericht die aus § 6 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 AtG unter Beachtung des Funktionsvorbehalts abzuleitende gerichtliche Aufklärungs- und Amtsermittlungspflicht zu erfüllen (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 21, 41 ff.).
166
Die Beweislast für das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 AtG obliegt – jedenfalls im Rahmen von Drittanfechtungsklagen gegen die Erteilung von Aufbewahrungsgenehmigungen nach § 6 AtG – der Behörde (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 37; B.v. 23.11.1988 – 7 B 145.88 u.a. – NVwZ 1989, 670 = juris Rn. 6). Der Funktionsvorbehalt der Exekutive im Atomrecht hat keine Beweislastumkehr in dem Sinne zur Folge, dass die Kläger nachweisen müssten, dass die der Genehmigungserteilung zugrunde liegenden behördlichen Annahmen nicht dem Stand von Wissenschaft und Technik entsprechen. Das Gericht darf daher in diesen Fällen nicht von einer vollen Überzeugung ausgehen, wenn eine Beweisaufnahme veranlasst ist, weil die der verfahrensgegenständlichen Genehmigung zugrunde liegenden Annahmen und Bewertungen der Behörde im Hinblick auf den Stand von Wissenschaft und Technik als widerlegbar erscheinen (vgl. zu Drittanfechtungsklagen gegen atomrechtliche Genehmigungen BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 21, 37; U.v. 22.10.1987 – 7 C 4.85 – BVerwGE 78, 177 = juris Rn. 14; B.v. 23.11.1988 – 7 B 145.88 u.a. – NVwZ 1989, 670 = juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 91).
167
Im Zusammenhang damit hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass die Gerichte bei der Prüfung, ob die Annahmen und Bewertungen der Behörde im Hinblick auf den Stand von Wissenschaft und Technik als widerlegbar erscheinen, keine überzogenen Anforderungen an die Substantiierung von Einwendungen der Kläger stellen und so die gerichtliche Überprüfung der atomrechtlichen Genehmigung nicht auf eine Plausibilitätskontrolle reduzieren dürfen (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 44). Von den Parteien darf kein Vortrag erwartet werden, den sie mangels Kenntnis der Entscheidungsgrundlage nicht liefern können; die Substantiierungspflicht kann demnach angesichts des Erfordernisses einer fairen Verfahrensgestaltung und des Gebotes des effektiven Rechtsschutzes nicht weitergehen, als sie von den Betroffenen nach dem jeweiligen Kenntnisstand erfüllt werden kann (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 42). Dies wird insbesondere dann relevant, wenn die Behörde die (ungeschwärzte) Vorlage von Unterlagen aus Geheimhaltungsgründen verweigert und dadurch die Überprüfbarkeit ihrer Annahmen für die Kläger erschwert wird. Der Senat geht dabei davon aus, dass, soweit die Kläger eine hinreichende Schadensvorsorge oder Schutzgewährleistung nach § 6 Abs. 2 Nr. 2/Nr. 4 AtG in Frage stellen und die insoweit – unter Berücksichtigung des Funktionsvorbehalts – relevanten Gesichtspunkte sich nicht ohne Weiteres anhand der von der Genehmigungsbehörde vorgelegten Unterlagen klären lassen, zunächst schriftliche oder in der mündlichen Verhandlung mündliche Nachfragen bei der Behörde zu stellen und deren Auskünfte in der mündlichen Verhandlung zu erörtern sind, um den Sachverhalt weiter aufzuklären (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 21 f.; B.v. 24.8.2006 – 7 B 38.06 – NVwZ 2007, 88 = juris Rn. 10; U.v. 22.10.1987 – 7 C 4.85 – BVerwGE 78, 177 = juris Rn. 14; BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 91). Sind die daraufhin abgegebenen Äußerungen der Behörde in sich schlüssig, nachvollziehbar begründet und ggf. durch weitere fachliche Stellungnahmen belegt, so genügt ein bloßes unsubstantiiertes Bestreiten oder die bloße Berufung auf eine fehlende Überprüfbarkeit seitens der Kläger nicht, um die Annahmen der Behörde als widerlegbar erscheinen zu lassen und die Notwendigkeit einer weiteren gerichtlichen Sachaufklärung, sei es in Form eines Verfahrens nach § 99 Abs. 2 VwGO, zu begründen (BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 91; s. auch Vorwerk in Hennenhöfer/Mann/Pelzer/Sellner, AtG/PÜ, 2021, § 7 AtG Rn. 67). Dabei ist es Aufgabe des Gerichts, in Bezug auf jedes einzelne klägerische Vorbringen zu prüfen, ob unter Anwendung der vorgenannten Grundsätze weiterer Aufklärungsbedarf besteht oder die Entscheidungserheblichkeit nicht vorgelegter Aktenbestandteile verneint werden kann (s. auch BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 41, 44).
168
Soweit die Beigeladene und die Beklagte die Auffassung vertreten haben, im Rahmen der Verpflichtungsklage auf Rücknahme/Widerruf der atomrechtlichen Aufbewahrungsgenehmigung komme es zwar nicht zu einer Verlagerung der Beweislast auf die Kläger, doch müssten diese schlüssig und plausibel einen Sachverhalt darlegen, der geeignet sei, die Behörde zu einer „Wiederaufnahme“ zu veranlassen, d.h. die Kläger müssten selbst Annahmen und Bewertungen in plausibler und substantiierter Form aufstellen, die bei ihrem Vorliegen die Voraussetzungen für eine Rücknahme oder einen Widerruf erfüllen würden, lässt der Senat offen, ob das vorliegende Verfahren Anlass gibt, die sich aus der bisherigen Rechtsprechung ergebenden Anforderungen an die Darlegungslast der Kläger zu modifizieren. Darauf kommt es vorliegend nicht an, weil der Senat die oben dargelegten Anforderungen zum Maßstab seiner gerichtlichen Aufklärung gemacht hat.
169
3.2.3.3 Für den Bereich der Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter ist der Funktionsvorbehalt der Exekutive mit dem 17. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes vom 10. August 2021 (BGBl I S. 3528, in Kraft getreten am 1.9.2021) in § 44 Abs. 3 AtG normiert worden. Danach ist der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter u.a. nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG gegeben, wenn der Schutz der kerntechnischen Anlage nach der Bewertung der Genehmigungs- oder Aufsichtsbehörde durch die in der Genehmigung festgelegten Maßnahmen gegen die nach § 44 Abs. 1 AtG in den Lastannahmen zu unterstellenden Störmaßnahmen oder sonstigen Einwirkungen Dritter sichergestellt ist.
170
Der Senat lässt offen, ob die Vorschrift die gerichtliche Kontrolle hinsichtlich der Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG über die von der Rechtsprechung zum Funktionsvorbehalt der Exekutive herausgearbeiteten Grundsätze hinaus beschränkt. Dies kann dahinstehen, denn auch bei Anwendung der bisherigen Maßstäbe zum Funktionsvorbehalt bei der Prüfung der Gewährleistung des erforderlichen Schutzes besteht kein Anspruch der Kläger auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung (s.u. 3.4).
171
3.2.3.3.1 Die Regelung könnte nach ihrem Wortlaut und ihrer Entstehungsgeschichte dahin zu verstehen sein, dass sie bezüglich der in den Lastannahmen enthaltenen Szenarien eine gerichtliche Kontrolle über die von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Grundsätze hinaus darauf reduzieren will, ob eine Bewertung der Genehmigungs- oder Aufsichtsbehörde vorliegt, nach der der erforderliche Schutz gegen SEWD-Ereignisse durch die in der Genehmigung festgelegten Maßnahmen sichergestellt ist, und dieser Schutz damit durch die behördliche Bewertung fingiert wird (so Leidinger in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 44 AtG Rn. 35, 46; s. auch zur Wortlautauslegung Mann/Marquard, NVwZ 2023, 369/372). Denn es war Ziel des Gesetzgebers, angesichts der Geheimhaltungsbedürftigkeit von SEWDrelevanten Informationen einen – auch bei rechtmäßiger Verweigerung der Aktenvorlage möglicherweise eintretenden – Beweisnotstand zulasten der Behörden in gerichtlichen Verfahren zu vermeiden (BT-Drs. 19/27659, S. 2, 11; Mann/Marquard, NVwZ 2023, 369/372; Leidinger in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 44 AtG Rn. 33).
172
Mit Blick auf die nicht in den Lastannahmen enthaltenen SEWD-Szenarien legt der Wortlaut des § 44 Abs. 3 AtG nahe, dass eine gerichtliche Kontrolle gänzlich ausgeschlossen werden soll, weil die Vorschrift auf eine Bewertung der Genehmigungsbehörde (nur) zu den in den Lastannahmen enthaltenen Ereignissen abstellt (vgl. zu diesem Aspekt Wollenteit, Wortbeitrag zur Öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines 17. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes im Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit des Deutschen Bundestages am 5.5.2021, Protokoll-Nr. 19/110, S. 20).
173
3.2.3.3.2 Ungeachtet dessen entspricht das von der Rechtsprechung zum Funktionsvorbehalt der Exekutive herausgearbeitete Mindestmaß gerichtlicher Kontrolldichte einem verfassungsrechtlichen Gebot unter dem Gesichtspunkt eines effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 149 = juris Rn. 42; Däuper, Wortbeitrag zur Öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines 17. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes, a.a.O., S. 6, 22; ders., Stellungnahme zum Gesetzentwurf, Ausschussdrucksache 19(16)564-F, S. 3; Wollenteit, Wortbeitrag zur Öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines 17. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes, a.a.O., S. 20; Mann/Marquard, NVwZ 2023, 369 ff./374). Bei einer Auslegung der Vorschrift im o.g. Sinne (s. 3.2.3.3.1) würde der gesamte grundrechtsrelevante SEWD-Schutz bei Aufbewahrungsgenehmigungen nach § 6 AtG – und den weiteren in § 44 Abs. 3 AtG genannten Bereichen – aus der gerichtlichen Überprüfung ausgeklammert (Mann/Marquard, NVwZ 2023, 369/374); auf die unter 3.2.3.2 erörterten Fragen der Beweislastverteilung und des Umfangs der gerichtlichen Aufklärungspflicht käme es insoweit gar nicht mehr an. Es erscheint zweifelhaft, ob eine solch weitreichende Beschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte durch einen hinreichend gewichtigen, am Grundsatz eines wirksamen Rechtsschutzes ausgerichteten Sachgrund gerechtfertigt werden kann (vgl. zum Maßstab BVerfG, B.v. 31.5.2011 – 1 BvR 857/07 – BVerfGE 129, 1 = juris Rn. 73 ff., 75; s. auch Mann/Marquard, NVwZ 2023, 369/374). Vielmehr könnte eine verfassungskonforme Auslegung dahin geboten sein, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Maßstäbe zum Funktionsvorbehalt auch weiterhin Anwendung finden müssen (in diesem Sinne Mann/Marquard, NVwZ 2023, 369/373 ff.; Däuper, Wortbeitrag zur Öffentlichen Anhörung zum Entwurf eines 17. Gesetzes zur Änderung des Atomgesetzes, a.a.O., S. 22; a.A. Leidinger in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 44 AtG Rn. 45).
174
Sollte § 44 Abs. 3 AtG in einem die gerichtliche Kontrolle im Hinblick auf SEWD-Szenarien gegenüber den bisher geltenden Grundsätzen einschränkenden Sinne zu verstehen sein, könnte die Regelung im vorliegenden Verfahren wohl keine Anwendung finden, da sie erst am 1. September 2021 und damit während des laufenden gerichtlichen Verfahrens in Kraft trat. Ihre Anwendung wäre daher wohl mit den rechtsstaatlichen Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes nicht vereinbar, weil das die Änderung verfügende Gesetz die Verschlechterung der Verfahrensposition der Kläger nicht hinreichend deutlich ausspricht (vgl. hierzu BVerfG, B.v. 7.7.1992 – 2 BvR 1631/90 – BVerfGE 87, 48 = juris Rn. 43, 46; BVerfG [Kammer], B.v. 17.3.2005 – 1 BvR 308/05 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 20.4.2021 – 22 A 21.40004 – juris Rn. 14, 18). Auch dies kann aber offenbleiben.
175
3.3 Die Kläger haben keinen Anspruch auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung, soweit ihr Vortrag die erforderliche Vorsorge gegen Schäden durch die Aufbewahrung der Kernbrennstoffe nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG betrifft.
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3.3.1 In Bezug auf das Risiko des zufälligen Absturzes eines schnell fliegenden bewaffneten Militärflugzeugs ist die durch die Ausgangsgenehmigung getroffene Schadensvorsorge unter Zugrundelegung des klägerischen Vorbringens nicht zu beanstanden; auf die 2. Änderungsgenehmigung kommt es insoweit nicht an.
177
Die Kläger meinen, dieses Ereignis hätte bei Erteilung der Genehmigung als auslegungsüberschreitender Störfall betrachtet werden müssen. Im Gegensatz zu früheren Jahren flögen Militärflugzeuge der Bundeswehr zwischenzeitlich mit voller Bewaffnung über das Gebiet der Bundesrepublik, und zwar mit Luft-Boden-Waffen an Bord (s. Anlagen K 4 und K 5).
178
Die Beklagte durfte demgegenüber von Rechts wegen das Risiko des zufälligen Absturzes einer schnell fliegenden bewaffneten Militärmaschine auf Grundlage ihrer Ermittlungen und Bewertungen dem unentrinnbaren Restrisiko zuordnen, so dass Schadensvorsorge von den Klägern insoweit nicht verlangt werden kann.
179
3.3.1.1 Ob unbeabsichtigte Flugzeugabstürze unter § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG fallen (so BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 31; U.v. 12.1.2006 – 22 A 03.40048 – juris Rn. 40; VGH BW, U.v. 30.10.2014 – 10 S 3450.11 – ZUR 2015, 103 = juris Rn. 83 ff., 101; Näser in Theobald/Kühling, Energierecht, Stand August 2023, § 6 AtG Rn. 203, 204) oder dem Bereich der Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter zuzuordnen sind (so BVerwG, U.v. 19.1.1989 – 7 C 31.87 – BVerwGE 81, 185 = juris Rn. 20; BayVGH, U.v. 20.12.2018 – 22 A 17.40004 – juris Rn. 115 ff., 120; Leidinger in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 7 AtG Rn. 207), ist umstritten. Das untergesetzliche Regelwerk geht von der Zuordnung zum Bereich der Schadensvorsorge aus (vgl. Ziffer 2.9 der Sicherheitstechnischen Leitlinien für die trockene Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente in Behältern der Reaktor-Sicherheitskommission vom 8.4.2002, die zivilisatorisch bedingte Einwirkungen wie den Flugzeugabsturz erfassen, Einwirkungen von außen durch beabsichtigtes Eingreifen Dritter aber nicht behandeln; entsprechend auch die Nachfolgeregelungen: Ziffer 9.2.2 der Leitlinien für die trockene Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und Wärme entwickelnder radioaktiver Abfälle in Behältern der Entsorgungskommission vom 10.6.2013 sowie Ziffer 9.2 der Leitlinien für die trockene Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und Wärme entwickelnder radioaktiver Abfälle in Behältern der Entsorgungskommission vom 7.9.2023; vgl. auch die Sicherheitsanforderungen an Kernkraftwerke in der Fassung vom 3.3.2015, die nach ihrer Präambel für den Bereich des § 7 Abs. 2 Nr. 3 AtG gelten, Anforderungen an die Anlagensicherung aber nicht enthalten und in Anlage 1 unter „übergreifende Einwirkungen von außen sowie Notstandsfälle“ auch Flugzeugabstürze erfassen; s. auch BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 29 zur Sicherheitsebene 4a innerhalb der Schadensvorsorge). Vor diesem Hintergrund ordnet der Senat das Szenario eines unbeabsichtigten Flugzeugabsturzes unter § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG ein (s.a. Vorwerk in Hennenhöfer/Mann/Pelzer/Sellner, AtG/PÜ, 2021, § 7 AtG Rn. 57).
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3.3.1.2 Die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, wonach bei den (auslegungsüberschreitenden) Ereignissen der Sicherheitsebene 4 die Abgrenzung des durch Vorsorge verminderbaren Risikos vom sogenannten Restrisiko im Einzelfall zu erfolgen habe (BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 30; U.v. 21.1.2021 – 7 C 4.19 – BVerwGE 171, 128 = juris Rn. 29, hierzu i.E. oben 3.2.2.2), betreffen jeweils das Szenario eines gezielten Flugzeugabsturzes, also den Bereich der Störmaßnahmen oder sonstigen Einwirkungen Dritter (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG). Der Senat geht allerdings davon aus, dass die genannte Aussage auch oder erst recht für den Bereich der Anlagensicherheit (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG) gelten muss.
181
3.3.1.2.1 Das Konzept der gestaffelten Sicherheitsebenen, das auf Ebene 4 auslegungsüberschreitende Ereignisse behandelt und mit dem das Bundesverwaltungsgericht hier argumentiert, bezieht sich gerade auf den Bereich der Anlagensicherheit. Das Bundesverwaltungsgericht formuliert selbst, dass nach dem Stand von Wissenschaft und Technik erforderliche Sicherheitsmaßnahmen nicht außerhalb des Tatbestands der Schadensvorsorge liegen könnten (BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 32; s. auch Rn. 33 mit Bezug auf § 6 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 AtG). Diese betrifft auch das vom Bundesverwaltungsgericht in Bezug genommene Rundschreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 15. Juli 2003 RS I 3 – 10100/0 „Schadensvorsorge außerhalb der Auslegungsstörfälle“, RS-Handbuch 3-79, das ebenfalls eine solche Einzelfallentscheidung verlangt (vgl. zur Anwendung der genannten Rechtsprechung auch im Bereich der Anlagensicherheit BayVGH, U.v. 20.12.2018 – 22 A 17.40004 – juris Rn. 117; VGH BW, U.v. 30.10.2014 – 10 S 3450.11 – ZUR 2015, 103 = juris Rn. 104; Näser in Theobald/Kühling, Energierecht, Stand August 2023, § 6 AtG Rn. 178).
182
3.3.1.2.2 Aus Sicht des Senats sprechen die überwiegenden Gesichtspunkte dafür, dass die aus dem Vorstehenden folgenden Anforderungen zur Einzelfallentscheidung bei der Abgrenzung von Schadensvorsorge und Restrisiko schon bei Erteilung der Ausgangsgenehmigung zu beachten waren und daher auch für den auf diesen Zeitpunkt abstellenden Anspruch auf Rücknahme nach § 17 Abs. 2 AtG relevant sind, obwohl die Ausgangsgenehmigung aus dem Jahr 2003 stammt und die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Schadensvorsorge bei auslegungsüberschreitenden Ereignissen erst später erging. Es handelt sich hier nicht um den Fall einer nachträglichen Änderung der Sach- oder Rechtslage; insbesondere stellt eine bloße Änderung der Rechtsprechung nach allgemeinen Grundsätzen keine Änderung der Rechtslage dar, sondern wirkt als aktuellste Rechtserkenntnis auf den früheren Erlass eines Verwaltungsakts zurück (vgl. BVerwG, B.v. 1.7.2013 – 8 B 7.13 – juris Rn. 6 m.w.N.; B.v. 20.7.2016 – 8 B 10.16 – NVwZ 2017, 363 = juris Rn. 9; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 44 Rn. 33; § 51 Rn. 105 f.).
183
Dafür dass die Genehmigungsbehörde bei Erteilung der Ausgangsgenehmigung im Wege einer Einzelfallentscheidung festhalten musste, ob der auslegungsüberschreitende Fall des zufälligen Absturzes eines bewaffneten Militärflugzeugs der Schadensvorsorge oder dem Restrisiko zuzuordnen war, spricht auch, dass das vom Bundesverwaltungsgericht in Bezug genommene Rundschreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit vom 15. Juli 2003 vor Erteilung der Ausgangsgenehmigung veröffentlicht wurde, ebenso wie die Sicherheitstechnischen Leitlinien für die trockene Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente in Behältern der Reaktor-Sicherheitskommission vom 8. April 2002 und die Sicherheitskriterien für Kernkraftwerke vom 21. Oktober 1977, denen das Konzept der gestaffelten Sicherheitsebenen schon zum Genehmigungszeitpunkt zu entnehmen war (s.o. 3.2.2.1, 3.2.2.2). Wäre bei Erteilung der Genehmigung gegen zu diesem Zeitpunkt geltende normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften verstoßen worden, so würde dies für eine Rechtswidrigkeit der Genehmigung im Zeitpunkt ihrer Erteilung sprechen (in diesem Sinne Roller in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 17 AtG Rn. 38). Auch eine Nichtbeachtung sonstiger untergesetzlicher Richtlinien könnte dazu führen, dass der Stand von Wissenschaft und Technik nicht eingehalten war, was ebenfalls zur Rechtswidrigkeit im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung führen könnte (vgl. Roller in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 17 AtG Rn. 38).
184
3.3.1.2.3 Die vorgenannten Fragen können im Ergebnis offen bleiben, da die Beklagte das Risiko des Absturzes einer schnell fliegenden bewaffneten Militärmaschine auch nach den Maßstäben der nunmehrigen Rechtsprechung dem Restrisiko zuordnen durfte.
185
3.3.1.2.3.1 In der Ausgangsgenehmigung wurde das Risiko des Absturzes einer schnell fliegenden Militärmaschine als auslegungsüberschreitendes Ereignis untersucht (Ziffer 2.2.12.3 der Ausgangsgenehmigung, S. 120 ff.) und hierfür eine Eintrittshäufigkeit von deutlich unter 10-6/a angenommen. Es wird ausgeführt, dass im Fall eines Absturzes einer schnell fliegenden Militärmaschine auf das Lagergebäude die sich durch eine erhöhte Leckagerate eines Behälters ergebende Dosis und die Organdosiswerte deutlich unter 1 mSv lägen. Auf eine Bewaffnung der Militärflugzeuge und ihre möglichen Auswirkungen beim Absturz auf das Lagergebäude wird in der Genehmigung nicht speziell eingegangen. Die Vertreter der Beklagten haben mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2023 (S. 18, 19) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof (vgl. Niederschrift S. 6) ausgeführt, die Eintrittswahrscheinlichkeit des Absturzes eines bewaffneten Militärflugzeugs sei so gering, dass dieses Ereignis dem Restrisiko zugeordnet worden sei. Die Eintrittswahrscheinlichkeit sei noch geringer als diejenige für den zufälligen Absturz einer unbewaffneten schnell fliegenden Militärmaschine. Die Vertreter der Beklagten haben insoweit auf eine Stellungnahme des Bundesministeriums der Verteidigung vom 19. Juni 2023 (Anlage B 48) sowie eine Stellungnahme der GRS vom Oktober 2023 (Anlage B 49) verwiesen. Nach der Stellungnahme des Bundesministeriums der Verteidigung findet der überwiegende Teil der Flugbewegungen von schnell fliegenden Militärmaschinen im deutschen Luftraum ohne Bewaffnung statt. In der Umgebung kerntechnischer Anlagen im Allgemeinen und des Standorts G2. im Besonderen fänden in der Regel keine Flüge mit Bewaffnung statt. Übungen mit Luft-Boden-Waffen beschränkten sich in Deutschland grundsätzlich auf wenige Areale, die nicht in der Umgebung des Standortes G2. lägen. In der Stellungnahme der GRS wird ausgeführt, bei Übungsflügen mit Bewaffnung werde zumeist Übungsmunition verwendet, die keine Explosivstoffe enthalte. Angesichts des geringen Anteils der Flüge von mit einsatzfähiger Munition bestückten Kampfflugzeugen an der Gesamtzahl der Flüge von Kampfflugzeugen in Deutschland sei die Absturzwahrscheinlichkeit eines Kampfflugzeugs mit einem Luft-Luft-Lenkflugkörper zusätzlich deutlich reduziert.
186
Aus diesen Aussagen ist zu schließen, dass Kampfflugzeuge bei Übungsflügen im deutschen Luftraum – sofern diese überhaupt mit einsatzfähiger Munition durchgeführt werden – in aller Regel lediglich mit Luft-Luft-Lenkflugkörpern bestückt sind. Dabei handelt es sich um Raketen, die in der Luft abgefeuert werden, um Ziele in der Luft zu treffen. Nach den Angaben in der GRS ist bei den aktuell von Kampfflugzeugen der Bundeswehr verwendeten Luft-Luft-Lenkflugkörpern von einer maximalen Sprengstoffmasse von etwa 7 kg auszugehen (Stellungnahme S. 2, 5 f.). Für die Verwendung von Luft-Boden-Waffen, wie sie in den von den Klägern vorgelegten Gutachten genannt werden (Anlage K 5 S. 22: Bomben vom Typ BLU-109 mit 250 kg Sprengstoff, von denen ein Tornado max. 8 tragen könne; Bomben vom Typ BLU-116 mit noch höherer Durchschlagskraft sowie Brandbomben; Bezugnahme auf den Typ BLU-116 in der Anlage K 4 S. 61 f.), bei militärischen Übungsflügen in der Umgebung des Standortes G2. gibt es daher keinerlei Anhaltspunkte. Zudem ist bezüglich der Wahrscheinlichkeit eines solchen Ereignisses zu berücksichtigen, dass über dem Zwischenlager eine Flugverbotszone besteht, von deren Beachtung auszugehen ist, sofern nicht terroristische Einwirkungen inmitten stehen (s. hierzu unten 3.4.1, 3.4.2). Dass wegen der Möglichkeit, dass Übungen mit Luft-Boden-Waffen in speziell dafür vorgesehenen Arealen durchgeführt werden können, die nach Aussage des Bundesministeriums der Verteidigung grundsätzlich nur dort stattfinden, die Wahrscheinlichkeit des zufälligen Absturzes eines mit solchen Waffen bestückten schnell fliegenden Militärflugzeugs über dem Standort-Zwischenlager signifikant, d.h. in einem für die vorliegende Beurteilung relevanten Ausmaß, erhöht würde, haben die Kläger weder dargelegt noch ist dies ersichtlich. Auf die weiteren Erwägungen in der Stellungnahme der GRS zu den Auswirkungen des Absturzes eines schnell fliegenden bewaffneten Militärflugzeugs auf das Standort-Zwischenlager, d.h. zu den Möglichkeiten zur Vermeidung der Detonation von Luft-Luft-Lenkflugkörpern durch das Erfordernis einer Freigabe durch den Piloten, zur wahrscheinlichen Zerstörung der Waffen beim Aufprall vor Eindringen in die Lagerhalle sowie zum Ausschluss des Verlustes der Behälterintegrität selbst bei Detonation eines Luft-Luft-Lenkflugkörpers nach Eindringen in die Lagerhalle kommt es daher nicht mehr an.
187
3.3.1.2.3.2 Keine Rolle spielt dabei aus Sicht des Senats, dass die Erwägungen der Beklagten zur Zuordnung des von den Klägern geltend gemachten Szenarios zum Restrisiko, wie sie im gerichtlichen Verfahren vorgetragen wurden, sich so der Ausgangsgenehmigung nicht entnehmen lassen und wohl auch sonst nicht aktenkundig geworden sind. Denn eine atomrechtliche Genehmigung ist – auch unter Berücksichtigung des Funktionsvorbehalts der Exekutive – nicht schon deswegen aufzuheben, weil die von der Genehmigungsbehörde im Rahmen ihrer Sicherheitsbeurteilung angestellten Überlegungen nicht (in vollem Umfang) aktenkundig geworden sind. Vielmehr genügt es, wenn sich – wie hier – aufgrund einer gerichtlichen Anhörung der Behörde nachvollziehen lässt, welche Fragen die behördliche Sicherheitsbeurteilung in den Blick genommen und wie sie sie beantwortet hat (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 22). Das muss aus Sicht des Senats auch gelten, soweit bei auslegungsüberschreitenden Ereignissen wie dem Flugzeugabsturz für die Abgrenzung des durch Vorsorge verminderbaren Risikos vom Restrisiko eine Einzelfallentscheidung durch die Behörde zu treffen ist.
188
3.3.1.3 Angesichts der vorstehenden Ausführungen kann dahinstehen, inwieweit die erst mit der Klagebegründung vom 22. August 2018 vorgelegten Anlagen K 4 und K 5 unter dem Gesichtspunkt des § 6 UmwRG überhaupt zu berücksichtigen sind (s.o. 1.3.5.2). Weiterhin kann außer Betracht bleiben, dass weder der Aufhebungsantrag vom 27. Mai 2016 noch die Klagebegründung vom 22. August 2018 konkrete Angaben zu den – für das Schadenspotential bei einem Absturz entscheidenden – Waffentypen machen, von deren Verwendung bei militärischen Übungsflügen die Kläger ausweislich der Anlagen K 4 und K 5 ausgehen, auf die jedoch in den genannten Schriftsätzen allenfalls pauschal verwiesen wird. Es bestehen insofern erhebliche Bedenken gegen eine hinreichende Substantiierung des Vortrags unter dem Gesichtspunkt des § 67 Abs. 4 VwGO. Nach ständiger Rechtsprechung ist eine pauschale Bezugnahme auf beigefügte Stellungnahmen Dritter mit dem Zweck des Vertretungszwangs, eine geordnete und konzentrierte Verfahrensführung der Beteiligten zu gewährleisten, nicht vereinbar. Dies gilt auch für die Ausführungen von Sachverständigen. Denn Parteigutachten können das Klagevorbringen nicht ersetzen, sondern nur zu seiner Substantiierung dienen. Der Prozessbevollmächtigte muss eine eigene Prüfung, Sichtung und Durchdringung der Ausführungen des Gutachters vornehmen. Dafür genügt ein einfacher Verweis auf beigefügte Stellungnahmen, deren stichwortartige Zusammenfassung oder wörtliche Wiedergabe nicht (BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 u.a. – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 15 m.w.N.).
189
3.3.1.4 Schließlich besteht angesichts der Zuordnung des zufälligen Absturzes eines schnell fliegenden bewaffneten Militärflugzeugs zum Restrisiko auch kein weiterer Aufklärungsbedarf dazu, welche Auswirkungen ein solcher Absturz hätte, weil Schadensvorsorge insoweit nicht zu treffen war. Entgegen dem klägerischen Antrag aus der Klagebegründung vom 22. August 2018 musste der Senat daher bei der Beklagten keine Unterlagen zu dieser Frage anfordern (vgl. hierzu auch BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 90).
190
3.3.2 Auch in Bezug auf das klägerische Vorbringen zur Sicherheit der Transport- und Lagerbehälter aus der Klagebegründung vom 22. August 2018 und späteren Schriftsätzen waren die Anforderungen des § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG im Zeitpunkt der Erteilung der Ausgangsgenehmigung erfüllt; auf die 2. Änderungsgenehmigung, die den Schutz vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter betrifft, kommt es insoweit nicht an.
191
3.3.2.1 Die Kläger sind der Auffassung, dass seit dem Erlass des Gesetzes zur Suche und Auswahl eines Standortes für ein Endlager für Wärme entwickelnde radioaktive Abfälle (Standortauswahlgesetz) vom 23. Juli 2013 (BGBl I S. 2553) feststehe, dass in absehbarer Zeit kein Endlager zur Verfügung stehen und die Aufbewahrung in dem Zwischenlager daher werde verlängert werden müssen; es sei jedoch insbesondere bei Erteilung der 2. Änderungsgenehmigung vom 7. Januar 2014 nicht untersucht worden, ob die Behälter für eine derartige längere Zwischenlagerung geeignet seien. Entsprechende Nachweise müssten aber vor Beendigung der jetzigen Genehmigungsdauer geführt werden. Aus der längeren Lagerdauer ergebe sich auch die Notwendigkeit der Nachrüstung einer heißen Zelle am Standort G2. zur Kontrolle des spezifikationsgerechten Zustandes von Behälterkomponenten und bestrahlten Brennelementen.
192
Dieser Einwand der Kläger begründet für sich keinen Mangel der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung, weil die streitgegenständliche Ausgangsgenehmigung auf 40 Jahre ab dem Zeitpunkt der ersten Einlagerung befristet ist (s. A. 5. der Genehmigung); eine darüber hinausgehende Zwischenlagerung ist hier nicht verfahrensgegenständlich (s.o. 2.1.2.3). Sollten die Kläger sich durch eine Verlängerung der Zwischenlagerung aufgrund einer neuen Genehmigungsentscheidung in ihren Rechten verletzt sehen, müssten sie dagegen den Rechtsweg beschreiten. Insbesondere spielt es für die Rechtmäßigkeit der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung keine Rolle, ob rechtzeitig vor Ablauf der in der Ausgangsgenehmigung vorgesehenen Frist eventuell notwendige Maßnahmen zur Verlängerung der Lagerdauer getroffen werden, einschließlich der eventuellen Einrichtung einer heißen Zelle.
193
3.3.2.2 Darüber hinaus meinen die Kläger wohl – im Wesentlichen unter wörtlicher Wiedergabe der Anlage K 4 (s. hierzu unten 3.3.2.2.3) –, dass das in der Ausgangsgenehmigung für die Behälter vorgesehene Reparaturkonzept schon innerhalb der genehmigten Lagerdauer von 40 Jahren den Anforderungen an die erforderliche Schadensvorsorge nicht genüge.
194
3.3.2.2.1 Die im Standort-Zwischenlager nach der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung einlagerbaren Transport- und Lagerbehälter verfügen über ein sogenanntes Doppeldeckeldichtsystem mit einem Primärdeckel und einem Sekundärdeckel. Nach der Ausgangsgenehmigung (S. 21) werden sowohl der innere Primärdeckel als auch der äußere Sekundärdeckel gegen den Behälterkörper mit Metalldichtringen abgedichtet. Sowohl der Behälterinnenraum als auch der als Sperrraum bezeichnete Zwischenraum zwischen den beiden Deckeln ist mit Helium befüllt, wobei der Innendruck des Sperrraums höher ist als der Behälterinnendruck. Die Druckbeaufschlagung ermöglicht eine Kontrolle der Dichtheit der Primärdeckelbarriere. Ebenso können Undichtigkeiten der Sekundärdeckelbarriere festgestellt werden. Die Standard-Helium-Leckagerate jeder der beiden Dichtbarrieren des Doppeldeckeldichtsystems beträgt höchstens 10-8 Pa . m³/s.
195
Für den Fall des Versagens der Primärdeckeldichtung sind nach der Ausgangsgenehmigung (S. 39 f.) zwei alternative Reparaturkonzepte vorgesehen, und zwar zum einen das Verbringen des betroffenen Transport- und Lagerbehälters in das Reaktorgebäude B oder C des Kernkraftwerks G2. II, wo die Primärdeckeldichtung ausgetauscht werden kann. Zum anderen kann ein Fügedeckel aufgeschweißt werden mit der Folge, dass zwischen dem Sekundärdeckel und dem Fügedeckel ein Ersatzsperrraum entsteht, der wiederum mit Helium befüllt werden kann, so dass eine Dichtheitsprüfung möglich ist. Nach der Ausgangsgenehmigung steht ein Fügedeckel für die Standort-Zwischenlager Lingen, G2. und Biblis zur Verfügung; für die Beschaffung eines weiteren Fügedeckels ist ein Zeitraum von bis zu fünf Monaten vorgesehen.
196
3.3.2.2.2 Die Kläger halten das Reparaturkonzept für unzureichend, weil es am Standort G2. nach der Stilllegung der Blöcke B und C des Kernkraftwerks an einer Anlage fehle, in der der Primärdeckel ausgetauscht werden könne. Es bestehe daher die Notwendigkeit, zum Austausch des Primärdeckels eine heiße Zelle einzurichten; eine solche existiere in der Bundesrepublik Deutschland nicht.
197
Trotz der zwischenzeitlich erfolgten Stilllegung des Kernkraftwerks G2. II ist der Austausch einer Primärdeckeldichtung nach Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 20. Oktober 2023 (S. 34) derzeit dort noch möglich, weil der Rückbau des K. ... noch nicht weit genug fortgeschritten ist, doch wird die Möglichkeit bei weiterem Fortschritt des Rückbaus entfallen. Ob eine zum Austausch der Primärdeckeldichtung geeignete heiße Zelle in Deutschland existiert, in die ein defekter Behälter transportiert werden könnte, ist zwischen den Beteiligten umstritten.
198
Darauf kommt es jedoch nicht an, weil die Beklagte im Rahmen des oben dargelegten Maßstabs davon ausgehen durfte, dass das Reparaturkonzept mittels Fügedeckel den Anforderungen an die erforderliche Schadensvorsorge genügt.
199
3.3.2.2.2.1 Dafür sprechen zunächst die Sicherheitstechnischen Leitlinien für die trockene Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente in Behältern der Reaktor-Sicherheitskommission vom 8. April 2002, die in Ziffer 2.1.2 neben Anforderungen an die Behälter auch Anforderungen an das Reparaturkonzept enthalten. Danach muss dieses sicherstellen, dass die Anforderungen des Zwei-Barrieren-Konzepts mit der spezifizierten Dichtheit wieder erreicht werden. Weiter heißt es dort, dass im Reparaturfall eine metallische Dichtung durch eine Schweißnaht ersetzt werden kann. Die Nachfolgeregelung, die Sicherheitstechnischen Leitlinien für die trockene Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und Wärme entwickelnder radioaktiver Abfälle in Behältern der Entsorgungskommission vom 10. Juni 2013, führt in Ziffer 2.2 noch etwas detaillierter aus, dass für den Reparaturfall am Primärdeckel alternativ zur Verbringung des Behälters in eine heiße Zelle einer kerntechnischen Anlage ein zusätzlicher mittels Schweißnaht gedichteter Deckel vorgesehen werden könne, der über der intakten Sekundärdeckelbarriere angebracht werde und so das Zwei-Barrieren-Konzept im Zwischenlager wiederherstelle. Beiden Leitlinien ist nicht zu entnehmen, dass zwingend zwei Reparaturkonzepte nebeneinander durchführbar sein müssen; vielmehr gehen die Leitlinien davon aus, dass die Anforderung der Wiederherstellung des Zwei-Barrieren-Konzepts durch die Anbringung eines Fügedeckels erfüllt werden kann.
200
3.3.2.2.2.2 Auch das der Ausgangsgenehmigung zugrunde liegende und im gerichtlichen Verfahren von der Beklagten ungeschwärzt vorgelegte Behältergutachten des TÜV ... geht davon aus, dass das Reparaturkonzept mit Fügedeckel ein geeignetes Konzept ist, um bei Funktionsstörungen des Primärdeckeldichtsystems das Doppelbarrierenprinzip wiederherzustellen (S. 86). Das Gutachten beschreibt auf S. 87 im Einzelnen das Verfahren der Verschweißung von Fügedeckel und Behältergrundkörper sowie dessen Eignung. Insoweit ist entgegen der Auffassung der Kläger nicht ersichtlich, dass nach einer Reparatur mit Fügedeckel die Anforderungen an die Dichtheit des Behälters (s. hierzu insbesondere die in der Genehmigung vorgesehene Standard-Helium-Leckagerate) nicht mehr erfüllt wären oder ein aufgebrachter Fügedeckel die Störfallwahrscheinlichkeit erhöhe. Die Kläger setzen sich insoweit auch nicht substantiiert mit dem genannten Gutachten auseinander, das ihnen mit der Klageerwiderung vom 30. Januar 2019 (ungeschwärzt) übersandt wurde. Vielmehr behaupten sie im Wesentlichen nur unter Berufung auf eine nicht beigefügte Untersuchung der Bundesanstalt für Materialprüfung von 1982, dass die Schweißnaht zwischen Fügedeckel und Behälterkörper nicht die notwendige Störfallsicherheit besitze, ohne dies näher zu erläutern.
201
3.3.2.2.2.3 Die Kläger bemängeln weiter, dass nur ein gemeinsamer Fügedeckel für drei Standort-Zwischenlager existiere und eine unverzügliche Reparatur bei einem zweiten Defekt deshalb nicht möglich sei. Ein zweiter Fügedeckel müsse auch deshalb vorgehalten werden, weil bei einem Defekt in G2. der Fügedeckel erst aus Lingen angefordert werden müsse, so dass mehrere Tage lang ein Deckel fehlen würde. Weiter meinen sie, dass eine Reparatur eines Behälters nicht mehr möglich sei, wenn nach Aufbringen eines Fügedeckels auch eine Dichtung des Sekundärdeckels undicht werde. Auch sei ein Transport eines Behälters mit Fügedeckel nicht möglich, weil es keine dafür geeigneten Stoßdämpfer gebe.
202
Auch insoweit setzen die Kläger sich mit dem Behältergutachten nicht ausreichend auseinander. Dieses bestätigt, dass zur Beschaffung eines neuen Fügedeckels eine Frist von fünf Monaten realistisch sei. Die Frist sei zudem tolerabel, da bei den Behältern ein systematisches Versagen der Dichtbarrieren ausgeschlossen werden könne und konservativ nur der Funktionsverlust einer Dichtung eines einzelnen Behälters im Verlauf des Lagerbetriebes zu unterstellen sei (S. 88 des Gutachtens). Daher sei auch das gemeinsame Vorhalten eines Fügedeckels für die drei Zwischenlager ausreichend. Die Kläger unterstellen hingegen in ihrem Vortrag, dass während der genehmigten Lagerdauer von 40 Jahren mit einem mehrfachen Dichtungsversagen gerechnet werden müsse. Soweit sich ihre Aussagen auf eine längere Lagerdauer beziehen sollten, wären sie für das vorliegende Verfahren irrelevant. Nicht verfahrensgegenständlich ist auch die Frage, wie ein mit einem Fügedeckel versehener Transport- und Lagerbehälter in ein Endlager abtransportiert werden könnte.
203
3.3.2.2.2.4 Im Übrigen geht auch die bisherige Rechtsprechung davon aus, dass das Reparaturkonzept mit Fügedeckel unabhängig von der Existenz einer heißen Zelle zum Austausch der Primärdeckeldichtung fachlich geeignet ist, um bei einem unterstellten Verlust der Dichtheit des Primärdeckeldichtsystems das Doppelbarrierenprinzip wiederherzustellen (vgl. BayVGH, U.v. 20.12.2018 – 22 A 17.40004 – juris Rn. 197; OVG SH, U.v. 31.1.2007 – 4 KS 2.04 – juris Rn. 148; OVG NW, U.v. 30.10.1996 – 21 D 2/89.AK – RdE 1997, 222 = juris Rn. 211).
204
3.3.2.2.3 Wie schon oben ausgeführt (1.3.5.2), kann offenbleiben, ob die klägerischen Rügen zur Behältersicherheit, die erstmals in der Klagebegründung vom 22. August 2018 vorgebracht wurden, der innerprozessualen Präklusion nach § 6 UmwRG unterliegen; im vorangehenden Abschnitt wurde auch Vortrag aus dem Schriftsatz vom 28. Mai 2019 berücksichtigt, der – bezogen auf die Klagebegründung vom 22. August 2018 – wohl nur eine Vertiefung darstellt.
205
Ungeachtet dessen bestehen bezüglich der Rügen zur Behältersicherheit erhebliche Bedenken hinsichtlich der Beachtung der Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO (s. zu den Anforderungen oben 3.3.1.3). Bezüglich der Auswirkungen des Standortauswahlgesetzes auf die Lagerdauer haben die Kläger in ihrer Klagebegründung vom 22. August 2018 im Wesentlichen das Kapitel 8.2 der Anlage K 4 wörtlich wiedergegeben und dies nur um knappe eigene Ausführungen ergänzt. Hinsichtlich des Reparaturkonzepts für die Transport- und Lagerbehälter haben sie im gleichen Schriftsatz auf Kapitel 8.1 der Anlage K 4 verwiesen, ohne sich im Einzelnen mit dessen Inhalten zu befassen und sie rechtlich einzuordnen; auch der Vortrag zur Behältersicherheit im Schriftsatz vom 28. Mai 2019 besteht zum großen Teil aus einer wörtlichen Wiedergabe des Kapitels 8.1 der Anlage K 4. Dies kann mit Blick auf die oben stehenden Ausführungen jedoch dahinstehen.
206
3.4 Ein Anspruch auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung besteht auch nicht im Hinblick auf den erforderlichen Schutz gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG, soweit die Kläger diesen thematisiert haben.
207
3.4.1 Entgegen dem Vorbringen der Kläger, soweit es berücksichtigungsfähig ist, ist der erforderliche Schutz gegen das Szenario des gezielten Absturzes eines Verkehrsflugzeuges durch die Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung hinreichend gewährleistet (s. zum Typ A380 unten 3.4.2).
208
Gezielte Flugzeugabstürze sind auch dann, wenn sie einen terroristischen Hintergrund haben, von § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG erfasst (vgl. zur Einbeziehung terroristischer Aktivitäten die Begründung zum 17. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes, BT-Drs. 19/27659, S. 9; ebenso BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 16 f.; U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 18 ff.; Vorwerk in Hennenhöfer/Mann/Pelzer/Sellner, AtG/PÜ, 2021, § 7 AtG Rn. 58).
209
3.4.1.1 Die Kläger meinen, aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Zuordnung des gezielten Flugzeugabsturzes zum Bereich des vorsorgenden Schutzes gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter folge, dass der Verwaltungsgerichtshof diesen in seinen Urteilen vom Januar 2006 zu Unrecht dem Restrisiko zugeordnet und das BfS bei Erteilung der Genehmigung einen latent niedrigeren Maßstab angelegt habe, weil es den gezielten Flugzeugabsturz bei Erteilung der Ausgangsgenehmigung nur unvollständig als SEWD-Ereignis geprüft und nur überobligatorisch in die Betrachtung einbezogen habe.
210
Für die Frage, ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 2 AtG in Bezug auf die Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung vorliegen, kommt es entgegen der Ansicht der Kläger nicht darauf an, wie der Verwaltungsgerichtshof in den Urteilen von 2006 den gezielten Flugzeugabsturz eingeordnet hat. Maßgeblich sind insoweit allein die betroffenen Genehmigungen. Der Ausgangsgenehmigung ist zu entnehmen, dass dieses Szenario zwar als außerhalb des Wahrscheinlichen liegend angesehen, aber dennoch nicht dem Restrisiko zugeordnet wurde. Dort wird ausgeführt, das Ereignis gehöre nicht zu den im Rahmen der SEWD-Richtlinie zu berücksichtigenden Ereignissen, so dass das Schutzziel der Richtlinie nicht verbindlich sei. Doch hätten die Prüfungen des BfS ergeben, dass auch das Schutzziel dieser Richtlinie erfüllt sei. Selbst bei Zugrundelegung konservativer Annahmen betrage die effektive Dosis im Fall eines gezielten Flugzeugabsturzes weniger als 10 mSv und die Organdosis für die Schilddrüse weniger als 17 mSv; es komme mithin nicht zu einer Freisetzung von Radionukliden, bei der die Richtwerte zur Einleitung von einschneidenden Katastrophenschutzmaßnahmen (z. B. Evakuierung) erreicht würden (S. 131 der Ausgangsgenehmigung). Die Beklagte hat ergänzend in der Klageerwiderung ausgeführt (Schriftsatz vom 30.1.2019, S. 58; s. auch Schriftsatz vom 20.10.2023, S. 25 f.), der gezielte Flugzeugabsturz sei nicht dem Restrisiko zugeordnet, jedoch als ein die Lastannahmen überschreitendes Ereignis angesehen worden, für das gleichwohl im vorliegenden Einzelfall eine Schutzgewährleistung noch als erforderlich angesehen worden sei. In der 2. Änderungsgenehmigung wird ausgeführt, der erforderliche Schutz gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter sei auch im Hinblick auf die Auswirkungen eines gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturzes gewährleistet (S. 20).
211
Diese Vorgehensweise der Beklagten entspricht der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, wonach die Konstellation eines gezielten Flugzeugabsturzes auf ein Standort-Zwischenlager als ein die Lastannahmen überschreitendes Ereignis nicht ohne Weiteres dem Restrisiko zugeordnet werden kann, sondern insoweit eine Einzelfallentscheidung zur Abgrenzung des durch Vorsorge verminderbaren Risikos vom Restrisiko zu treffen ist (BVerwG, U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 30; U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 20; U.v. 21.1.2021 – 7 C 4.19 – BVerwGE 171, 128 = juris Rn. 29; s.o. 3.2.2.2).
212
Der Vortrag der Kläger gibt – auch mit Blick auf den Funktionsvorbehalt der Exekutive – auch keinen Anlass, die Einordnung des Szenarios eines gezielten Flugzeugabsturzes als lastannahmenüberschreitend in Frage zu stellen. Insbesondere die Ausführungen im Schriftsatz vom 28. Mai 2019 zur Wahrscheinlichkeit eines Flugzeugabsturzes unter Berücksichtigung von Luftsicherheitsmaßnahmen führen hierzu nicht weiter. Die dortigen Verweise auf die Anlagen K 12 und K 13 genügen nicht den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO; die genannten Gutachten beziehen sich zudem nicht auf Standort-Zwischenlager, sondern auf Atomkraftwerke, ohne dass aus dem Schriftsatz deutlich würde, dass und aus welchen Gründen die Aussagen auf Standort-Zwischenlager übertragbar wären.
213
3.4.1.2 Soweit die Kläger der Auffassung sind, es sei bei der Prüfung der Auswirkungen eines gezielten Flugzeugabsturzes nicht mit hinreichend konservativen Annahmen gearbeitet worden, hat die Beklagte dem erwidert, dass aufgrund der extrem geringen Wahrscheinlichkeit des Ereigniseintritts im Bereich der lastannahmenüberschreitenden Ereignisse die Begrenzung auf schadensminimierende Maßnahmen sachlich gerechtfertigt sei und ein geringerer Maßstab hinsichtlich der Anforderungen an die Nachweisführung gelte. Es müssten insofern nicht die gleichen konservativen oder abdeckenden Annahmen wie bei einem von den Lastannahmen erfassten Szenario angesetzt werden, sondern es könne mit realistischen Randbedingungen gearbeitet werden. Dies entspreche dem Stand von Wissenschaft und Technik und dem im nationalen wie internationalen Regelwerk etablierten risikobasierten Prüfansatz, der etwa der Ziffer 9.2 der Leitlinien für die trockene Zwischenlagerung bestrahlter Brennelemente und Wärme entwickelnder radioaktiver Abfälle in Behältern der Entsorgungskommission sowie weiteren ähnlichen Leitlinien zugrunde liege.
214
Für das vorliegende Verfahren kann dahinstehen, inwieweit der Beklagten insoweit zu folgen ist. Auch bei Zugrundelegung des vom Bundesverwaltungsgericht für den Bereich der Schadensvorsorge und den des vorsorgenden Schutzes gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter entwickelten Maßstabs, wonach zum Ausgleich von Unsicherheiten bei der Risikoermittlung und -bewertung konservative Randbedingungen anzulegen sind (BVerwG, U.v. 19.12.1985 – 7 C 65.82 – BVerwGE 72, 300 = juris Rn. 37; U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 149 = juris Rn. 26; kritisch hierzu für den Bereich der Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter das Rundschreiben des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit vom 27.11.2014 [RS I 1 – 13143/19, vorgelegt als Anlage B 29], S. 12), ist der erforderliche Schutz für den Fall eines gezielten Flugzeugabsturzes, soweit dies von den Klägern in Frage gestellt wurde, hinreichend gewährleistet (dazu sogleich 3.4.1.3 ff.).
215
3.4.1.3 Die Kläger haben bereits in ihrem Aufhebungsantrag vom 27. Mai 2016 vorgetragen, in der Genehmigung sei hinsichtlich der Menge des durch Aufprall eines Flugzeuges in das Lager eingetragenen Kerosins mit dem sogenannten 80-Perzentil gerechnet worden, was der gebotenen Konservativität widerspreche. Sie beziehen sich dabei auf ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 19. Juni 2013 (4 KS 3.08 – juris) zum Standort-Zwischenlager Brunsbüttel, wonach die Anwendung des 80-Perzentils im dort zugrunde liegenden Genehmigungsverfahren zu einem Ermittlungs- und Bewertungsdefizit geführt habe.
216
Die Beklagte hat demgegenüber vorgetragen (Schriftsatz vom 30.1.2019, S. 66 f.) und auch in der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2023 bestätigt (Niederschrift S. 10), dass in dem TÜV-Gutachten 2003 das 80-Perzentil nicht verwendet worden sei; der Unterschied in der Anwendung dieses Perzentils ergebe sich aus der unterschiedlichen Bauweise der Zwischenlager Brunsbüttel (Typ STEAG) und G2. (Typ WTI). Insbesondere hinsichtlich des Szenarios mit dem größtmöglichen Brandlasteintrag in das Lagergebäude gebe es aufgrund der voneinander abweichenden baulichen Ausführungen nach den beiden Konzepten grundlegende Unterschiede. Daher würden bei Lagern nach dem STEAG-Konzept aufgrund des wesentlichen Einflusses der Treffergenauigkeit auf den Kerosineintrag probabilistische Betrachtungen (80-Perzentil) durchgeführt, was bei Lagern nach dem WTI-Konzept nicht der Fall sei. Soweit die Kläger ausführen, die von der Beklagten vorgelegte geschwärzte Fassung des TÜV-Gutachtens 2003 lasse keine andere Schlussfolgerung zu, als dass auch hier mit dem 80-Perzentil operiert worden sei, handelt es sich um eine nicht weiter begründete Behauptung. Dem Gutachten in der vorgelegten Form lassen sich keine Anhaltspunkte für eine Zugrundelegung des Perzentils entnehmen, so dass – auch angesichts der klaren und nachvollziehbar begründeten Aussage der Beklagten hierzu – kein Anlass für weitere Ermittlungen bestand, denn die Aussagen der Beklagten erscheinen durch den Vortrag der Kläger nicht als widerlegbar (vgl. zu diesem Maßstab oben 3.2.3.2).
217
3.4.1.4 Die Kläger erwähnen in ihrem Aufhebungsantrag und in der Klagebegründung sehr knapp und ohne nähere Begründung, durch den Aufprall des mechanisch steifen Fahrgestells eines Flugzeugs auf Behälter komme es bereits zum Versagen der Dichtheit einiger Behälter. In der von ihnen mit der Klagebegründung vom 22. August 2018 vorgelegten Anlage K 5 führen sie dazu weiter aus (S. 11 f.), machen aber nur Zweifel bezüglich einer nicht abdeckenden Betrachtung der Auswirkungen der mechanischen Belastung der Behälter beim Flugzeugabsturz in dem TÜV-Gutachten 2003 geltend.
218
Da die Aussagen aus der Anlage K 5 in den klägerischen Schriftsätzen mit Ausnahme der oben wiedergegebenen Behauptung zum Dichtungsversagen nicht aufgegriffen werden, sind diese hier schon deshalb nicht zu beachten, weil die Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO nicht eingehalten sind (s. dazu oben 3.3.1.3). Im Übrigen legt das TÜV-Gutachten 2003 auf S. 95 ff. nachvollziehbar dar, dass sowohl beim Aufprall eines Dachbinders auf Behälter sowie beim seitlichen Anprall von Wrackteilen oder Bauwerkstrümmern die mechanische Integrität des Behälters erhalten bleibt und es höchstens zu einer Leckagerate von 3,4 . 10-2 Pa . m3/s kommt. Es ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass das von den Klägern angeführte Szenario von diesen Ausführungen nicht abgedeckt wäre.
219
3.4.1.5 Die Kläger bringen vor, die Annahmen des TÜV-Gutachtens 2003 bezüglich der Gesamtmenge an Kerosin, die bei einem Flugzeugabsturz (Boeing 747) in das Lagergebäude eintreten werde (90 m³), seien nicht hinreichend konservativ; es sei vielmehr mit einem Eintrag von 150 m³ Kerosin in den Lagerbereich zu rechnen. In dem klägerischen Gutachten Anlage K 5 wird zusätzlich ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass nur ein geringer Teil der Gesamtkerosinmenge außerhalb des Lagergebäudes verbrenne. Wie groß diese Menge sei, könne mangels umfangreicher Statistik solcher Vorgänge nicht eindeutig bestimmt werden. Beispielhaft werde für ein vollgetankt gestartetes Verkehrsflugzeug vom Typ Boeing 747, dessen maximale Kerosinmenge bei 217 m³ liege, ein Eintrag von etwa 150 m³ Kerosin in den Lagerbereich unterstellt.
220
In dem TÜV-Gutachten 2003 wird auf S. 26 f. das Brandszenario außerhalb des Lagergebäudes sowie auf S. 28 f. und S. 84 f. der Brandlasteintrag in das Gebäude beschrieben. Danach ist beim Aufprall eines großen Passagierflugzeugs auf ein Zwischenlagergebäude vom WTI-Typ davon auszugehen, dass ein Teil der an Bord der Maschine befindlichen Brandlasten aus Kerosin und weiteren Stoffen außerhalb des Gebäudes verbleibt. Beim Aufprall würden die Flügeltanks zerbersten und das seitlich wegspritzende Kerosin zerstäubt. Parallel dazu komme es zu einer raschen Verbrennung des Treibstoffs in Form eines Feuerballs, der aufgrund kurzer Dauer nicht zu relevanten Schädigungen am Gebäude führen würde und auch keine Wirkungen auf die im Lager befindlichen Behälter hätte. Es werde aufgrund einer Abschätzung von einem bestimmten Feuerball- und einem bestimmten Lachenanteil von an der Außenwand abgelenktem Kerosin ausgegangen, wobei die Größe der Anteile wegen der teilweisen Schwärzung des Gutachtens nicht erkennbar ist. Daraus ergebe sich ein in das Lager eindringender Kerosinanteil von ca. 55%, von dem jedoch mindestens 10% nach einer rapiden Druckerhöhung durch die Entzündung des Treibstoff-Luftgemisches auch im Lagergebäude wieder nach außen gedrückt würden. Dies hätten Analysen der Anschläge auf das World Trade Center am 11. September 2001 ergeben, wonach 10 – 30% der eingedrungenen Kerosinmenge wieder nach außen träten. Daraus folge eine maximal in das Lager eindringende Kerosinmenge von ca. 90 m³ (S. 85 des Gutachtens).
221
Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ergänzt, dass dem Gutachten neben realistischen Annahmen auch konservative und abdeckende Annahmen zugrunde gelegt worden seien, was im konkreten Fall aufgrund der Kombination aus den verschiedenen Parametern zu einem konservativen Ergebnis geführt habe. Insbesondere sei die Annahme, dass nach Entzündung des in das Lager eingedrungenen Kerosins 10% davon wieder herausgedrückt würden, konservativ, da nach den Auswertungen der Ereignisse vom 11. September 2001 sogar 10 – 30% wieder herausgedrückt würden (s. Niederschrift, S. 10).
222
Vor diesem Hintergrund wird die im einzelnen begründete Annahme der Beklagten, dass nach Abzug des außerhalb des Lagers zerstäubten bzw. verbrannten und des wieder herausgedrückten Kerosins etwa 90 m³ Kerosin in das Lager eindringen würden, durch die bloße Aussage der Kläger, die außerhalb des Lagers abbrennende Kerosinmenge könne mangels Statistik nicht eindeutig bestimmt werden, nicht in einer Weise in Frage gestellt, dass sie als widerlegbar erschiene (ähnlich BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 69 ff.), ganz abgesehen davon, dass die Kläger sich mit dem Effekt des Austritts von Kerosin durch Druckaufbau nach Entzündung nicht auseinandergesetzt haben. Insbesondere wird aus dem Vortrag nicht deutlich, warum die Annahmen der Beklagten nicht zutreffen und dem aus § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG abzuleitenden Schutzstandard nicht genügen sollten, denn die Kläger begründen ihre Annahme, wonach von 150 m³ eindringenden Kerosins auszugehen sei, nicht näher. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass, soweit die Rechtsprechung im Bereich des vorsorgenden Schutzes gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter verlangt, dass Unsicherheiten bei der Risikoermittlung und -bewertung nach Maßgabe des sich daraus ergebenden Besorgnispotenzials durch hinreichend konservative Annahmen Rechnung zu tragen ist, dies nicht bedeuten kann, dass die zuständige Genehmigungsbehörde jeweils verpflichtet wäre, vom größtmöglichen denkbaren Schadenspotenzial auszugehen (vgl. auch BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 66). Im Übrigen ist ein abstraktes Verlangen der Kläger nach Verwendung konservativer Randbedingungen bei der Beurteilung des Brandszenarios nach einem gezielten Flugzeugabsturz für sich genommen zu unsubstantiiert, um dem Gericht Anlass für eine Prüfung zu geben, ob in Bezug auf bestimmte für das Szenario relevante Gesichtspunkte seitens der Beklagten nicht mit hinreichend konservativen Annahmen gearbeitet worden wäre.
223
3.4.1.6 Die Kläger sind weiter der Auffassung, dass die in das Lager eingetretene Menge von 150 m³ Kerosin für den zu erwartenden Brand vollständig zur Verfügung stehe. Die vorhandenen Drainageeinrichtungen würden zerstört oder verstopft. Es komme zu einer Branddauer von ca. 5,5 Stunden, einer Flammenhöhe von 10 m und einer Temperatur von ca. 1000 °C und dadurch zu einem vollständigen Dichtungsversagen bei mindestens 20 Behältern. Die kritischen Versagenstemperaturen für die Dichtungen würden überschritten.
224
Nach dem TÜV-Gutachten 2003 ist demgegenüber anzunehmen, dass der größte Teil des eingedrungenen Kerosins durch die Öffnungen aus dem Gebäude nach außen abfließen kann (Gutachten S. 85). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung ergänzt (Niederschrift S. 10), dass das Gutachten bei der Trümmerverteilung von der Entstehung von sowohl Großtrümmern als auch Kleintrümmern ausgehe und zwischen diesen Freiräume verblieben, durch die das Kerosin abfließen könne. Man sei von einem Freiraumanteil von 33% ausgegangen. Dabei handele es sich um eine konservative Annahme, denn es müsse (realistisch) mit überwiegend größeren Trümmerteilen gerechnet werden, so dass der Freiraumanteil deutlich höher liege.
225
Der Brandverlauf wird im Gutachten auf S. 85 ff. beschrieben. Auf S. 86 heißt es, es sei konservativ eine Verteilung des Kerosins auf acht Lüftungssegmente und ein bestimmtes Trümmerszenario verwendet worden, bei dem die höchsten Temperaturen zu erwarten seien. Dabei wird nach den Ausführungen auf S. 38 zugrunde gelegt, dass sich das Kerosin auf einer Fläche von 50% der Bruttofläche des Lagers verteilen kann; dies sei eine konservative Annahme. Auch hinsichtlich der Brandtemperaturen seien konservative Bedingungen (hohe Energiefreisetzung) angesetzt worden (S. 86); in der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ausgeführt, es sei ein optimal ventilierter Brand unterstellt worden, bei dem eine Abbrandrate von 5 mm/min erreicht werde (Niederschrift S. 10). Nach dem Gutachten (S. 88) wird bei dem Brand innerhalb weniger Minuten eine Maximaltemperatur von ca. 1060 °C erreicht. Anschließend komme es zu einem raschen Abfall der Temperatur, bis nach ca. 23 Minuten bei einer Simulation, die von einem zusätzlichen Brand des in den Behältern enthaltenen Polyethylens ausgehe, ein zweites Temperaturmaximum um 700 °C entstehe, bevor der Verlauf endgültig abklinge. Zu einem Dichtungsversagen der Behälter komme es dabei nicht. Es wird zwar unterstellt, dass der Sekundärdeckel seine Dichtwirkung verliert, doch die Dichtfunktion des Primärdeckels bleibe erhalten. Die beim Brand auftretende Temperatur an den Primärdeckelschrauben liege bei 210 °C; die für die Dichtringe zulässigen Maximaltemperaturen (Aluminium: 380 °C, Silber: 500 °C) würden nicht erreicht (Gutachten S. 110).
226
Mit ihrer – wohl so zu verstehenden – Behauptung, die Ablaufeinrichtungen im Standort-Zwischenlager würden durch Trümmerteile derart verstopft, dass sie mehr oder minder vollständig ihrer Wirkung beraubt würden, können die Kläger die differenzierten Angaben der Beklagten zur Trümmerverteilung und zur verbleibenden Kapazität der Abflussöffnungen nicht substantiiert in Zweifel ziehen; sie erscheinen dadurch nicht widerlegbar. Auch insoweit ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte nicht mit konservativen Annahmen gearbeitet hätte. Soweit die Kläger von einem Brandverlauf von 5,5 Stunden mit über lange Zeit extrem hoher Temperatur ausgehen, behaupten sie das in ihren Schriftsätzen nur, ohne es zu begründen. Dem liegt wohl die Annahme zugrunde, dass eine verbrennende Kerosinmenge von 150 m³ zur Verfügung steht. Insoweit liegt auf der Hand, dass die Kläger zu einer längeren Branddauer kommen als das TÜV-Gutachten 2003. Die Annahmen der Beklagten zur verbrennenden Kerosinmenge und zum Brandverlauf erscheinen dadurch nicht widerlegbar (vgl. zum Ganzen auch BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 69 ff.). Die weiteren Ausführungen zum Brandszenario in der Anlage K 5 (etwa zur Verteilung des Kerosins im Lager sowie zur Abbrandrate) bleiben hier außer Betracht, weil der Vortrag insoweit den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO nicht genügt.
227
3.4.1.7 Soweit die Kläger in ihren Schriftsätzen vom 28. Mai 2019 und 30. September 2019 schließlich behaupten, durch die mit der 2. Änderungsgenehmigung umgesetzten Maßnahmen, insbesondere die zusätzlichen Mauern, würde (möglicherweise) das Ablaufen des Kerosins erschwert, sind sie mit diesem Vortrag gemäß § 6 UmwRG innerprozessual präkludiert, denn es handelt sich um eine neue tatsächliche Behauptung, die nicht lediglich als Vertiefung des Vortrags zum Brandverlauf auf Grundlage der baulichen Maßgaben der Ausgangsgenehmigung angesehen werden kann. Zusätzlich ist der in den Schriftsätzen der Kläger selbst enthaltene Vortrag äußerst knapp gehalten; im Wesentlichen ergeben sich die Aussagen hierzu aus der wörtlich wiedergegebenen Anlage K 4, Kapitel 5.2. Damit wird den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO nicht Genüge getan.
228
3.4.1.8 Ein Anspruch der Kläger auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung ergibt sich auch nicht aus der an ihren Grundstücken infolge eines Flugzeugabsturzes zu erwartenden Strahlenbelastung. Der maßgebliche Richtwert einer effektiven Folgedosis von 100 mSv bis zum 70. Lebensjahr als Summe von Inhalation und sieben Tagen äußerer Bestrahlung (§ 44 Abs. 2 Satz 3 AtG) wird weder nach dem klägerischen Vortrag selbst noch nach dem TÜV-Gutachten 2003 überschritten.
229
3.4.1.8.1 Maßgeblicher Richtwert für die Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG ist nach heutiger Rechtslage allein der Wert nach § 44 Abs. 2 Satz 3 AtG.
230
Seit Inkrafttreten der 17. Änderung des Atomgesetzes am 1. September 2021 (BGBl I S. 3528) ist in § 44 Abs. 2 Satz 3 AtG für den Bereich der Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter gesetzlich bestimmt, dass für den nach § 44 Abs. 2 Satz 1 AtG festzulegenden Schutz kerntechnischer Anlagen gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter eine effektive Folgedosis von 100 mSv bis zum 70. Lebensjahr als Summe von Inhalation und sieben Tagen äußerer Bestrahlung als Richtwert zugrunde zu legen ist (s. hierzu auch die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 19/27659, S. 17 sowie Leidinger in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 44 AtG Rn. 24).
231
Der Gesetzgeber hat damit eine Entwicklung der Radiologischen Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei unfallbedingten Freisetzungen von Radionukliden der Strahlenschutzkommission aufgegriffen, die in der zum Zeitpunkt der Genehmigungserteilung geltenden Fassung vom 17./18. Dezember 1998 (RSK-Handbuch Nr. 3.15, S. 37 ff.) außer den auf einen Zeitraum von sieben Tagen abstellenden Eingreifrichtwerten für die Evakuierung zusätzlich auch Eingreifrichtwerte für die Umsiedlung (100 mSv bezogen auf eine Strahlenexposition über ein Jahr) kannten (ebenso die Fassung der Radiologischen Grundlagen vom 13.5.2008, veröffentlicht in Berichte der Strahlenschutzkommission des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Heft 61 2009.). Die Radiologischen Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei Ereignissen mit Freisetzungen von Radionukliden in der Fassung vom 13./14. Februar 2014 (BAnz. AT vom 18.11.2014) sehen demgegenüber Eingreifrichtwerte für die Umsiedlung nicht mehr vor, weil die Entscheidung über die Schutzmaßnahmen „temporäre Umsiedlung“ und „langfristige Umsiedlung“ erst dann fundiert getroffen werden könne, wenn die durch den nuklearen Unfall verursachte radiologische Lage erfasst sei. Über diese weitreichenden Maßnahmen werde erst zu einem späteren Zeitpunkt mit geringerer Eilbedürftigkeit entschieden (vgl. hierzu auch BayVGH, U.v. 20.12.2018 – 22 A 17.40004 – juris Rn. 143). Dem entspricht es, dass nach der Berechnungsgrundlage zur Ermittlung der Strahlenexposition infolge von Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter (SEWD) auf kerntechnische Anlagen und Einrichtungen (SEWD-Berechnungsgrundlage) vom 28. Oktober 2014 (GMBl S. 1315), die Strahlenexposition nicht mehr als 100 mSv effektive Folgedosis bis zum 70. Lebensjahr als Summe von Inhalation sieben Tagen äußerer Bestrahlung betragen darf.
232
3.4.1.8.2 Der Richtwert nach § 44 Abs. 2 Satz 3 AtG ist auf den vorliegend geltend gemachten Anspruch auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung anzuwenden, obwohl die Regelung weder im Zeitpunkt der Erteilung der Ausgangsgenehmigung noch derjenigen der 2. Änderungsgenehmigung bereits in Kraft getreten war.
233
Selbst wenn im Zeitpunkt der Erteilung der Ausgangsgenehmigung nach den damals gültigen Radiologischen Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei unfallbedingten Freisetzungen von Radionukliden in der Fassung vom 17./18. Dezember 1998 neben den Evakuierungsrichtwerten auch die Eingreifrichtwerte für die Umsiedlung beachtlich gewesen wären, hätte sich nach der beschriebenen Rechtsentwicklung zwischenzeitlich – wohl auf Grundlage einer Änderung des Standes von Wissenschaft und Technik – die Rechtslage geändert, indem mit der 17. Änderung des Atomgesetzes der nunmehrige Richtwert für die Strahlenbelastung gesetzlich normiert wurde. Diese nach Erlass der Ausgangsgenehmigung in Kraft getretene gesetzliche Regelung ist nach Auffassung des Senats im Rahmen des Rücknahmeanspruchs zu beachten, obwohl § 17 Abs. 2 AtG darauf abstellt, ob die Genehmigungsvoraussetzungen im Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung vorgelegen haben. Der Senat sieht hier eine Parallele zum Immissionsschutzrecht sowie zum Baurecht. Insoweit sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts Änderungen zugunsten des Anlagenbetreibers, die nach Bescheiderlass eingetreten sind, bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Genehmigung im Rahmen von Drittanfechtungsklagen zu berücksichtigen, obwohl auch insoweit grundsätzlich der Zeitpunkt der Genehmigungserteilung der maßgebliche Beurteilungszeitpunkt ist (vgl. zum Immissionsschutzrecht BVerwG, B.v. 28.7.2022 – 7 B 15.21 – NVwZ 2022, 1634 = juris Rn. 12; U.v. 26.9.2019 – 7 C 5.18 – BVerwGE 166, 321 = juris Rn. 43; zum Baurecht B.v. 23.4.1998 – 4 B 40.98 – NVwZ 1998, 1179 = juris Rn. 3). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass es mit dem Grundsatz der Baufreiheit nicht vereinbar wäre, eine zur Zeit des Erlasses rechtswidrige Bau- oder immissionsschutzrechtliche Genehmigung aufzuheben, die sogleich nach der Aufhebung wieder erteilt werden müsste (BVerwG, B.v. 23.4.1998 – 4 B 40.98 – NVwZ 1998, 1179 = juris Rn. 3). Auch zum Atomrecht hat das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden, dass eine Durchbrechung des Abstellens auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung bei der gerichtlichen Prüfung gerechtfertigt ist, wenn ein zwischenzeitlich fortgeschrittener Stand von Wissenschaft und Technik ein vordem mögliches Risiko nachträglich entfallen lässt (BVerwG, U.v. 19.12.1985 – 7 C 65.82 – BVerwGE 72, 300 = juris Rn. 26). Diese Überlegung muss gleichermaßen für die Konstellation gelten, dass ein Drittbetroffener nach Bestandskraft der Genehmigung einen Rücknahmeanspruch geltend macht. Aus Sicht des Senats kommt es auch angesichts der gesetzlichen Verpflichtung der Beigeladenen nach § 9a Abs. 2 Satz 3 AtG i.V.m. § 2 EntsorgÜG zum Betrieb des Standort-Zwischenlagers nicht in Betracht, die Beklagte zur Rücknahme einer Genehmigung zu verpflichten, die unmittelbar nach der Rücknahme wieder erteilt werden müsste.
234
Aus diesem Grund kann dahinstehen, welcher Richtwert bei Erteilung der Ausgangsgenehmigung und der 2. Änderungsgenehmigung zur Gewährleistung des erforderlichen Schutzes gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter zugrunde zu legen war (vgl. zur Rechtslage im Zeitpunkt der Erteilung der Ausgangsgenehmigung BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 58, wonach die Eingreifrichtwerte für die Umsiedlung nach den Radiologischen Grundlagen für Entscheidungen über Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung bei unfallbedingten Freisetzungen von Radionukliden vom 17./18.12.1998 angesichts einer vorrangigen Dekontamination durch Bodenaustausch nicht angewendet werden mussten; nachgehend BVerwG, B.v. 24.8.2006 – 7 B 38.06 – NVwZ 2007, 88 = juris Rn. 20, 25; a.A. OVG SH, U.v. 19.6.2013 – 4 KS 3.08 – juris Rn. 167 ff. u.a. unter Verweis auf das Fehlen eigenständiger untergesetzlicher Regelungen über den Schutz vor SEWD; VGH BW, U.v. 30.10.2014 – 10 S 3450.11 – ZUR 2015, 103 = juris Rn. 111).
235
Auch besteht in diesem Punkt kein weiterer Aufklärungsbedarf, zumal es sich um eine Rechtsfrage handelt, so dass entgegen dem Antrag der Kläger in der Klagebegründung vom 22. August 2018 bei der Beklagten keine Unterlagen zur Frage der Bewertung der Strahlenbelastung bei Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter angefordert werden mussten.
236
3.4.1.8.3 Nach dem Vortrag der Kläger zu der an ihren Grundstücken eintretenden Strahlenbelastung beim Absturz eines Flugzeugs vom Typ A380 in der Anlage K 4 (S. 34) – also einem Ereignis, das nach Auffassung der Kläger stärkere Auswirkungen auf das Zwischenlager und seine Umgebung hätte als der in dem TÜV-Gutachten 2003 untersuchte Flugzeugabsturz – ist in einer Entfernung vom Standort-Zwischenlager von zwischen 4 und 11 km über einen Zeitraum von sieben Tagen mit einer Strahlenbelastung von 4,5 – 35 mSv zu rechnen. Der Richtwert von 100 mSv bezogen auf den Zeitraum von 7 Tagen wird damit eingehalten. Ungeachtet dessen, dass die den klägerischen Annahmen zugrunde liegende Berechnung hier nicht im Einzelnen nachvollzogen werden kann, scheidet eine Rechtsverletzung damit bereits nach dem klägerischen Vortrag auch im Fall des Absturzes eines Verkehrsflugzeugs der im TÜV-Gutachten 2003 untersuchten Typen von vornherein aus. Gleiches gilt nach dem TÜV-Gutachten 2003, wonach unter Zugrundelegung der dort angenommenen mechanischen und thermischen Auswirkungen infolge eines Flugzeugabsturzes, die durch den Vortrag der Kläger nicht als widerlegbar erscheinen (s.o. 3.4.1.3, 3.4.1.4, 3.4.1.5, 3.4.1.6), in einer Entfernung von etwa 500 m vom Standort-Zwischenlager mit einer Strahlenbelastung zu rechnen ist, die weit unterhalb der Evakuierungsrichtwerte liegt (effektive Dosis von 0,02 mSv, Schilddrüsendosis von 0,012 mSv jeweils bezogen auf den Zeitraum von sieben Tagen, S. 127 ff. des Gutachtens).
237
3.4.1.8.4 Auf den Vortrag der Kläger, wonach der (frühere) Eingreifrichtwert für die Umsiedlung im Falle eines Flugzeugabsturzes sehr deutlich überschritten würde und hier auch anzuwenden sei, weil die Umsiedlung als schwerer Eingriff in das persönliche Leben zu werten sei, kommt es daher nicht an.
238
3.4.1.8.5 Auch soweit die Kläger meinen, im Falle eines Flugzeugabsturzes seien die Störfallplanungswerte der Strahlenschutzverordnung (effektive Dosis von 50 mSv, s. § 49 Abs. 1 StrlSchV vom 20. Juli 2001 [BGBl I S. 1714, im Folgenden: StrlSchV 2001]/§ 104 Abs. 1 Satz 1 StrlSchV vom 29. November 2018 [BGBl I S. 2034, 2036; 2021 I S. 5261, zuletzt geändert durch Verordnung vom 10. Januar 2024, BGBl I Nr. 8, im Folgenden: StrlSchV 2018]), die hier deutlich überschritten würden, zu berücksichtigen, trifft dies nicht zu. Die Störfallplanungswerte sind im Bereich der Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter nicht anwendbar, denn es handelt sich dabei nicht um Störfälle im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 28 StrlSchV 2001 sowie des § 1 Abs. 18 StrlSchV 2018; dies entspricht gefestigter Rechtsprechung (BVerwG, B.v. 24.8.2006 – 7 B 38.06 – NVwZ 2007, 88 = juris Rn. 19; U.v. 10.4.2008 – 7 C 39.07 – BVerwGE 131, 129 = juris Rn. 26).
239
3.4.2 Soweit das klägerische Vorbringen, wonach der gezielte Absturz eines Verkehrsflugzeugs vom Typ A380 durch die Ausgangsgenehmigung und die 2. Änderungsgenehmigung nicht ausreichend betrachtet worden sei, berücksichtigungsfähig ist, ist der nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG erforderliche Schutz durch die Genehmigungen gewährleistet.
240
3.4.2.1 Die Kläger sind der Auffassung, es sei bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Ausgangsgenehmigung absehbar gewesen, dass der Flugzeugtyp A380 innerhalb des Genehmigungszeitraumes in Dienst gestellt werden würde, so dass auch dieses Ereignis hätte betrachtet werden müssen, um den Anforderungen des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG zu genügen. Dies kann jedoch dahinstehen, selbst wenn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts dieser Flugzeugtyp bei der Prüfung jedenfalls nicht deshalb ausgeblendet werden durfte, weil er im Zeitpunkt der Genehmigungserteilung noch nicht in Dienst gestellt worden war (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 28); ob in diesem Zeitpunkt ausreichende Kenntnisse über die Konstruktionsdaten bestanden, die Anlass zu einer entsprechenden Prüfung gegeben hätten (was die Beklagte verneint), kann offenbleiben (bejahend OVG SH, U.v. 19.6.2013 – 4 KS 3.08 – juris Rn. 125 ff.).
241
3.4.2.2 Denn selbst wenn die Ausgangsgenehmigung im Zeitpunkt ihrer Erteilung an dem behaupteten Ermittlungsdefizit gelitten hätte, wäre dieses zwischenzeitlich durch nachträgliche Ermittlungen der Beklagten ausgeräumt worden.
242
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann ein der Genehmigungsbehörde möglicherweise anzulastendes Ermittlungsdefizit dadurch behoben werden, dass diese in der Zwischenzeit entsprechenden Verdachtsmomenten nachgegangen ist, die sich dabei nicht bestätigt haben. So kann ein zwischenzeitlich fortgeschrittener Erkenntnisstand ein vordem für möglich erachtetes Risiko nachträglich entfallen lassen, weil dann feststeht, dass Drittbetroffenen der erforderliche Schutz auch bereits im Genehmigungszeitpunkt gewährt worden ist (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 35; U.v. 19.12.1985 – 7 C 65.82 – BVerwGE 72, 300 = juris Rn. 26; U.v. 21.8.1996 – 11 C 9.95 – BVerwGE 101, 347 = juris Rn. 49; OVG SH, U.v. 19.6.2013 – 4 KS 3.08 – juris Rn. 133).
243
Nach den Ausführungen der Beklagten wurde mangels ausreichender Kenntnis der Konstruktionsdaten des A380 im Genehmigungszeitpunkt im Jahr 2008 die GRS mit der Prüfung potentieller Auswirkungen eines gezielten Absturzes dieses Flugzeugtyps auf Standort-Zwischenlager verschiedener Bauweisen beauftragt. In dem daraufhin erstellten Gutachten (GRS-Gutachten 2010, in teilgeschwärzter Fassung zunächst als Anlage B 8, später in anderer, ebenfalls teilgeschwärzter Fassung als Anlage B 51 vorgelegt) wird untersucht, inwieweit die bisherigen Untersuchungen und Vorkehrungen in Bezug auf kleinere Flugzeuge auch mit Blick auf den A380 abdeckend sind. Entgegen dem klägerischen Vortrag ist der erforderliche Schutz insoweit gewährleistet.
244
3.4.2.2.1 Die Kläger meinen, das im GRS-Gutachten 2010 praktizierte einfache „Weiterrechnen“ der radioaktiven Belastungen verbiete sich methodisch wegen des „cliff edge-Effektes“, also eines durch geringfügige Änderung von einzelnen Parametern sprunghaft ansteigenden Wertes bei der Berechnung der Auswirkungen des Absturzes. Sie beziehen sich dabei auf eine Aussage des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein in seinem Urteil zum Standort-Zwischenlager Brunsbüttel vom 19. Juni 2013 (4 KS 3.08 – juris Rn. 132), das dort das genannte „Weiterrechnen“ radiologischer Belastungen moniert hatte. Allerdings betrifft die Aussage des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein nicht das GRS-Gutachten 2010, sondern eine Aussage der Beklagten im dortigen Verfahren, sie sei zum Genehmigungszeitpunkt – auch ohne entsprechende Begutachtung – davon ausgegangen, eine erhebliche Freisetzung, d.h. eine Überschreitung des Evakuierungsrichtwerts, sei auch beim Absturz eines A380 nicht zu erwarten gewesen. In Bezug auf das GRS-Gutachten 2010 ist nicht ersichtlich, dass eine solche Vorgehensweise angewandt worden wäre, so dass die Kritik der Kläger ins Leere geht.
245
3.4.2.2.2 Die Kläger kritisieren – wiederum unter Berufung auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 19. Juni 2013 (4 KS 3.08 – juris Rn. 135 ff.) – weiter die Methodik des GRS-Gutachtens 2010. Der TÜV habe in seinem Gutachten von 2003 eine konkrete Berechnung der möglichen Auswirkungen anhand verschiedener Flugzeugtypen vorgenommen, doch die Methode der GRS einer doppelten generischen Übertragung (bezüglich Lager- und Flugzeugtypen) sei deutlich unsicherer und nicht hinreichend konservativ. Auch sei nicht klar, ob die nach dem GRS-Gutachten 2010 als die Unsicherheiten ausgleichend dargestellten konservativen Annahmen sämtliche für das mechanische und thermische Geschehen relevanten Faktoren beträfen. Die von der Beklagten in dem Ablehnungsbescheid vom 3. August 2017 ins Feld geführte „Stapelung“ von Konservativitäten führe nicht zwangsläufig zu einem konservativen Ergebnis.
246
3.4.2.2.2.1 Die Beklagte hat auf Nachfrage des Gerichts in ihrem Schreiben vom 20. Oktober 2023 (S. 30 f.) erläutert, in dem Gutachten seien bei der generischen Betrachtung für die in Deutschland realisierten Bauweisen von Zwischenlagern (WTI und STEAG) jeweils die Zwischenlager betrachtet worden, bei denen die mechanischen bzw. thermischen Auswirkungen erwartungsgemäß die Auswirkungen an den übrigen Standorten abdeckten. Hinsichtlich der auf die WTI-Lager einwirkenden mechanischen Lasten sei ein Referenzstandort (Referenzlager A) ausgewählt worden; hinsichtlich der thermischen Auswirkungen auf diesen Lagertyp seien zwei Referenzlager dieser Bauweise (Referenzlager A und B) betrachtet worden. Für das Standort-Zwischenlager G2. könne eine Kombination aus den Bewertungen der für das Referenzlager A ermittelten mechanischen Lasten und der für das Referenzlager B ermittelten thermischen Lasten als abdeckend beurteilt werden. Da die Referenzlager aufgrund der erwartbaren schwerwiegenderen Lasten ausgewählt worden seien, seien für die übrigen Zwischenlager nach der WTI-Bauweise höhere Kombinationen von mechanischen und thermischen Lasten angenommen worden, als es in der Realität zu erwarten sei. Die generische Betrachtung sei daher im vorliegenden Fall keine unsichere Betrachtungsweise, sondern die ermittelten Ergebnisse lägen über den realistischerweise zu erwartenden Auswirkungen. Aus der mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2023 vorgelegten Fassung des GRS-Gutachtens 2010 (Anlage B 51) geht im Gegensatz zu der ursprünglich vorgelegten Fassung (Anlage B 8) hervor, dass in dem Gutachten unter Zugrundelegung eines Referenzstandorts auch Zwischenlager vom Typ WTI untersucht wurden (S. 43 ff.), selbst wenn dieser Abschnitt in weiten Teilen geschwärzt ist.
247
Aus Sicht des Gerichts hat die Beklagte damit die Vorgehensweise der Übertragung der Untersuchungsergebnisse von einem oder zwei Referenzlagern des Typs WTI auf das streitgegenständliche Zwischenlager nachvollziehbar erläutert. Konservativitäten wurden danach jeweils nur in Bezug auf einen Lagertyp kombiniert, jedoch nicht die Eigenschaften von WTI- und STEAG-Lagern gemeinsam betrachtet, wie die Kläger meinten. Soweit die Kläger dem in ihrem Schriftsatz vom 20. November 2023 (S. 17) entgegenhalten, sie könnten diese Angaben nicht überprüfen, genügt dies allein nicht, um die Aussagen der Beklagten als widerlegbar erscheinen zu lassen mit der Folge, dass eine weitere Sachaufklärung geboten wäre (zum Maßstab s.o. 3.2.3.2). Zwar darf von den Klägern kein Vortrag erwartet werden, den sie mangels Kenntnis der Entscheidungsgrundlage nicht liefern können (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 7 C 1.11 – BVerwGE 142, 159 = juris Rn. 42), so dass vorliegend klägerischer Vortrag zu dem Gutachten nur in begrenztem Umfang verlangt werden kann. Vorliegend hat die Beklagte die Vorgehensweise des Gutachtens, soweit sie dieses aus Gründen der Geheimhaltung nicht offenlegen konnte, auf Nachfrage des Gerichts aber nachvollziehbar und schlüssig erläutert; diese Aussagen entsprechen dem Gutachten, soweit es im Verfahren vorgelegt wurde. Nach den oben (3.2.3.2) dargelegten Grundsätzen genügt daher ein bloßes Bestreiten des Klägers nicht, um die Notwendigkeit einer weiteren gerichtlichen Sachaufklärung zu begründen; vielmehr wäre von den Klägern eine weitergehende Auseinandersetzung mit dem Beklagtenvortrag zu verlangen gewesen. Dies gilt insbesondere auch, soweit die Kläger meinen, der Anlage B 51 sei nicht zu entnehmen, ob die Aussage zutreffe, dass die mechanischen bzw. thermischen Auswirkungen eines Absturzes eines Flugzeugs vom Typ A380 auf die gewählten Referenzlager die Auswirkungen an den übrigen Standorten abdeckten, und soweit sie bezweifeln, dass die in dem Gutachten zum Ausgleich von Unsicherheiten zugrunde gelegten konservativen Annahmen sämtliche für das mechanische und thermische Geschehen relevanten Faktoren betreffen. Denn die Kläger haben mit ihrem Vorbringen dem Gericht keine Beurteilung ermöglicht, ob der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagten widerlegbar erscheint.
248
3.4.2.2.2.2 Soweit es um den Vergleich der Auswirkungen des Absturzes von Flugzeugtypen, die in dem TÜV-Gutachten 2003 betrachtet wurden, und des Flugzeugtyps A380 geht, hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof (Niederschrift S. 10 f.) erläutert, dass in dem GRS-Gutachten 2010 die mechanischen Einwirkungen eines Absturzes eines A380 neu berechnet worden seien und in einem Vergleich mit den Ergebnissen aus dem TÜV-Gutachten 2003 festgestellt worden sei, dass hierbei kein ungünstigeres Ergebnis entstehe. Bezüglich der thermischen Einwirkungen sei die eindringende Kerosinmenge mit der gleichen Methodik wie im TÜV-Gutachten 2003 bestimmt und die Branddauer berechnet worden, mit dem Ergebnis, dass diese nicht ungünstiger sei als nach dem TÜV-Gutachten 2003. In der als Anlage B 51 vorgelegten teilgeschwärzten Fassung des GRS-Gutachtens 2010 werden auf S. 5 ff. die Untersuchungsmethoden hinsichtlich der mechanischen und der thermischen Einwirkungen beschrieben.
249
Angesichts dieser Erläuterungen ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte bei der Übertragung der Untersuchungsergebnisse des Absturzes eines Verkehrsflugzeuges, wie es dem TÜV-Gutachten 2003 zugrunde liegt, auf den Absturz eines Flugzeugs vom Typ A380 den Anforderungen an die Risikoermittlung nicht genügt hätte; offensichtlich wurden die mechanischen und thermischen Einwirkungen auf Zwischenlager vom Typ WTI in wesentlichen Teilen neu berechnet. Auf den Vortrag der Beklagten, dass der Flugzeugabsturz als ein die Lastannahmen überschreitendes Ereignis anzusehen und in diesem Bereich abgesenkte Anforderungen an die Nachweisführung (realistische anstelle von konservativen Randbedingungen) gerechtfertigt seien, kommt es daher aus Sicht des Senats nicht an.
250
3.4.2.2.3 Soweit die Kläger kritisieren, dass in dem GRS-Gutachten 2010 auf S. 20 von einer gegenüber der Vollbetankung um 5% reduzierten Kerosinmenge ausgegangen werde, begründet dies aus Sicht des Gerichts ebenfalls keinen Mangel bei der Risikoermittlung. Denn es erscheint kaum denkbar, dass ein Flugzeug, das zunächst an einem Flughafen, auch wenn er nahe dem Zwischenlager läge, starten und einige Kilometer fliegen muss, mit einem zu 100% gefüllten Tank über dem Zwischenlager zum Absturz gebracht würde. Insoweit kann von der Beklagten nicht unter Hinweis auf das Erfordernis einer konservativen Betrachtungsweise verlangt werden, jeweils vom größtmöglichen Schadenspotenzial auszugehen, das außerhalb realistischer Annahmen liegt; vielmehr handelt es sich bei der Zugrundelegung einer gegenüber der Vollbetankung um 5% reduzierten Kerosinmenge bereits um eine konservative Annahme.
251
3.4.2.2.4 Weitere Einwände der Kläger, die sich auf Aussagen des GRS-Gutachtens 2010 auf S. 36 (Brandtemperatur im Zwischenlager) sowie auf S. 40 (Untersuchungen bezüglich der Behälterdichtungen) beziehen, betreffen nach der zwischenzeitlich vorgelegten Anlage B 51 nicht die Zwischenlager des WTI-Typs, sondern des STEAG-Typs. Die Kritik der Kläger geht insoweit ins Leere. Daher kommt es auch auf die von den Klägern mit der Klagebegründung vom 22. August 2018 vorgelegte Anlage K 8 und deren Annahmen zum Brandverlauf nicht an, ganz abgesehen davon, dass der pauschale Verweis auf diese Anlage in der Klagebegründung den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO nicht genügt.
252
3.4.2.2.5 Entgegen der Auffassung der Kläger bedurfte es hinsichtlich der nachträglichen Ermittlungen der Beklagten in Form der Einholung des GRS-Gutachtens 2010 keiner Verlautbarung durch Bescheid mit ergänzender Wirkung für die Genehmigungslage.
253
Zwar hat das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der nachträglichen Ausräumung von Ermittlungsdefiziten durch nach Genehmigungserteilung durchgeführte Prüfungen darauf abgestellt, ob das Ergebnis der ergänzenden Ermittlungen durch einen Bescheid verlautbart worden war. In der – soweit ersichtlich – ersten auf das Atomrecht bezogenen Entscheidung hierzu war das Ergebnis dieser Ermittlungen durch die Behörde in einem Bescheid verlautbart worden, der einen Widerruf der Betriebsgenehmigung ablehnte, was aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts offenbar ausreichte (vgl. BVerwG, U.v. 21.8.1996 – 11 C 9.95 – BVerwGE 101, 347 = juris Rn. 49). In einer weiteren Entscheidung formuliert das Gericht, die Genehmigungsbehörde könne die Aufhebung der Genehmigung wegen eines Ermittlungs- und Bewertungsdefizit dadurch vermeiden, indem sie das Ergebnis ihrer ergänzenden Ermittlungen durch einen entsprechenden Bescheid verlautbare (U.v. 14.1.1998 – 11 C 11.96 – BVerwGE 106, 115 = juris Rn. 81). Dass es sich um einen die Genehmigungslage ergänzenden Bescheid handeln müsse, ist dem nicht zu entnehmen. Das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein geht über die vorgenannten Entscheidungen hinaus, indem es in seinem Urteil vom 19. Juni 2013 (4 KS 3.08 – juris Rn. 133) eine Bescheidung mit ergänzender Wirkung für die Genehmigungslage verlangt, weil nur dadurch die Entscheidung hinsichtlich der überprüften Risiken deutlich und den Beteiligten die Wahrnehmung prozessualer Handlungsmöglichkeiten eröffnet werde.
254
Aus Sicht des Senats reicht es aus, dass die Beklagte in ihrem an die Kläger gerichteten Ablehnungsbescheid vom 3. August 2017 ihre nachträglichen Ermittlungen zu den Auswirkungen des Absturzes eines A380 erläutert hat. Dort wird ausgeführt (S. 16), dass ein mögliches zum Zeitpunkt der Genehmigung bestehendes Ermittlungs- und Bewertungsdefizit durch die ergänzende Betrachtung des A380 durch die Begutachtung durch die GRS behoben worden sei, und die Methodik des Gutachtens erläutert. Weiterhin werden Ausführungen zu den Ermittlungen zu den Auswirkungen des Absturzes eines Airbus A380 im Rahmen des Verfahrens zur Erteilung der 2. Änderungsgenehmigung gemacht (S. 15). Die Erläuterung der nachträglichen Ermittlungen in dem Bescheid, mit dem Rücknahme und Widerruf der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung abgelehnt wurden, entspricht der Vorgehensweise in dem Verfahren, das der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. August 1996 (11 C 9.95 – BVerwGE 101, 347 = juris) zugrunde lag. Den Klägern wurde dadurch auch die Möglichkeit eröffnet, sich im Rahmen einer Klage auf Verpflichtung zu Rücknahme oder Widerruf der Ausgangsgenehmigung mit den nachträglichen Ermittlungen auseinanderzusetzen, wie sie es auch getan haben.
255
3.4.2.2.6 Soweit dem Klägervortrag weiterhin zu entnehmen ist, dass die durch die 2. Änderungsgenehmigung umgesetzten Maßnahmen, insbesondere die zusätzlichen Mauern, sich im Falle des Absturzes eines A380 kontraproduktiv auswirken würden (Schriftsätze vom 28.5.2019 und 30.9.2019), gelten die Ausführungen unter 3.4.1.7.
256
3.4.2.2.7 Schließlich scheitert ein Anspruch der Kläger auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung, soweit es um den Schutz für den Fall des gezielten Absturzes eines Flugzeugs vom Typ A380 geht, auch daran, dass die Kläger selbst für diesen Fall hinsichtlich der radiologischen Auswirkungen von einer 7-Tage-Dosis von zwischen 4,5 und 35 mSv ausgehen (Anlage K 4 S. 34), so dass der maßgebliche Richtwert von 100 mSv eingehalten ist (s. hierzu oben 3.4.1.8).
257
3.4.3 Soweit die Kläger erstmals in der Klagebegründung vom 22. August 2018 vortragen, das verfahrensgegenständliche Standort-Zwischenlager sei nicht ausreichend gegen den gezielten Absturz eines schnell fliegenden bewaffneten Militärflugzeugs geschützt, führt dies nicht zum Erfolg ihrer Klage.
258
Ungeachtet der Frage einer möglichen innerprozessualen Präklusion (s.o. 1.3.5.2) genügt der in der Klagebegründung (S. 33) enthaltene Vortrag, der sich auf ein wörtliches Zitat aus der Anlage K 4 beschränkt, nicht den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO (s. hierzu oben 3.3.1.3) und kann daher nicht berücksichtigt werden. Der Vortrag in dem Schriftsatz vom 28. Mai 2019 (S. 41 f.) unterliegt jedenfalls der innerprozessualen Präklusion. Insoweit kann keine Vertiefung angenommen werden, da es an einem Vorbringen fehlt, das – entsprechend den Anforderungen des § 67 Abs. 4 VwGO – innerhalb der Klagebegründungsfrist bei Gericht eingegangen und damit einer Vertiefung überhaupt zugänglich wäre. Darüber hinaus verweist auch der Schriftsatz vom 28. Mai 2019 in wesentlichen Punkten auf die Anlage K 4, ohne sich mit den dort enthaltenen Aussagen im Einzelnen zu befassen. In der Sache ist im Übrigen unter Zugrundelegung der Ausführungen des Bundesministeriums der Verteidigung im Schreiben vom 19. Juni 2023 (von der Beklagten vorgelegt als Anlage B 48), das sich mit dem Zugang zu militärischen Luftfahrzeugen sowie der ärztlichen Betreuung von militärischen Luftfahrzeugführern – auch im Unterschied zu zivilen Luftfahrzeugführern, auf die die Kläger verweisen – beschäftigt, nicht ersichtlich, aus welchen Gründen die Beklagte dieses Ereignis nicht dem Restrisiko hätte zuordnen dürfen.
259
3.4.4 Weiterhin wird durch die Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung der nach § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG erforderliche Schutz insoweit gewährleistet, als die Kläger das Szenario eines Angriffs mit panzerbrechenden Waffen thematisieren.
260
3.4.4.1 Diesbezüglich ist neben der Ausgangsgenehmigung maßgeblich auf die 2. Änderungsgenehmigung abzustellen.
261
Die 2. Änderungsgenehmigung wurde nach den Ausführungen der Beklagten insbesondere im Schriftsatz vom 20. Oktober 2023 sowie nach der Gutachtlichen Stellungnahme der GRS vom September 2023 zur Erweiterung der Anlagensicherung für das Standort-Zwischenlager G2. (vorgelegt als Anlage B 50) beantragt und erteilt, nachdem sich in den Jahren nach Erteilung der Ausgangsgenehmigung die Erkenntnislage zu den Auswirkungen bestimmter Angriffsszenarien im Nahbereich der in den Zwischenlagern eingelagerten Behälter derart geändert hatte, dass die Sicherungsmaßnahmen für die Zwischenlager optimiert werden mussten. Im untergesetzlichen Regelwerk fand dies seinen Niederschlag in einer Anpassung der SEWD-Richtlinie, die in der Fassung vom 24. Oktober 2001 noch vorgesehen hatte, dass die durch das Lagergebäude bestehende Barriere das unberechtigte Eindringen in dieses lediglich zu erschweren, nicht aber – jedenfalls innerhalb einer bestimmten Zeit – auszuschließen hatte. Infolge der Änderung der Erkenntnislage nach Erteilung der Ausgangsgenehmigung wurde die SEWD-Richtlinie Zwischenlager (Stand: 10.5.2012, teilgeschwärzt vorgelegt als Anlage B 15) erlassen, nach der zur Einhaltung des Schutzziels der Verhinderung der Freisetzung einer erheblichen Menge radioaktiver Stoffe (Ziffer 2.1 1. Sp.str. der SEWD-Richtlinie Zwischenlager 2012) der Betreiber des Zwischenlagers nunmehr das Eindringen einer mit Hilfsmitteln nach den Lastannahmen ausgestatteten Tätergruppe in das Lagergebäude innerhalb der Verzugszeit und somit die Möglichkeit von Einwirkungen auf die Transport- und Lagerbehälter von innerhalb des Lagergebäudes zu verhindern hat (Ziffer 4 1. Sp.str. der SEWD-Richtlinie Zwischenlager 2012; Gutachtliche Stellungnahme der GRS vom September 2023, S. 4 ff.). Ebenso ist nach Ziffer 4 2. Sp.str. der SEWD-Richtlinie Zwischenlager 2012 zu verhindern, dass mit Hilfsmitteln der Lastannahmen von außerhalb des Lagergebäudes auf Lagerbehälter mit der Folge einer erheblichen Freisetzung eingewirkt werden kann. Nach Angaben der Beklagten wurde mit der 2. Änderungsgenehmigung ein dementsprechendes Sicherungskonzept genehmigt.
262
Aufgrund der dargelegten Entscheidungserheblichkeit der 2. Änderungsgenehmigung für das Szenario eines Angriffs mit panzerbrechenden Waffen ist diese insoweit bei der Prüfung des Rücknahmeanspruchs der Kläger zu berücksichtigen. Dies gälte selbst dann, wenn die Kläger die 2. Änderungsgenehmigung nicht in ihre Klage einbezogen hätten, weil nachträglich eingetretene Umstände, die sich zugunsten des Anlagenbetreibers auswirken, trotz des Bezugs des § 17 Abs. 2 AtG auf den Zeitpunkt der Genehmigungserteilung im Rahmen der Prüfung des Rücknahmeanspruchs zu berücksichtigen wären (s.o. 3.4.1.8.2).
263
Daher kann offenbleiben, ob die Genehmigungsvoraussetzungen bezüglich des Schutzes vor Angriffen mit panzerbrechenden Waffen bereits im Zeitpunkt der Erteilung der Ausgangsgenehmigung vorgelegen haben; darauf kommt es entgegen der Auffassung der Kläger nicht an.
264
3.4.4.2 In der Ausgangsgenehmigung wird auf das Szenario einer Einwirkung mit panzerbrechenden Waffen nicht ausdrücklich eingegangen, sondern nur der Schutz gegen Sabotageakte und sonstige unbefugte Einwirkungen erwähnt und dazu auf ein gesondertes Schreiben des BfS zur Anlagensicherung vom 19. Dezember 2003 verwiesen (Ausgangsgenehmigung S. 130). Nach den Ausführungen der Beklagten in der Klageerwiderung (Schriftsatz vom 30.1.3019, S. 75) sowie im Schriftsatz vom 20. Oktober 2023 (S. 31 ff.) war das Szenario einer Einwirkung mit panzerbrechenden Waffen Gegenstand der zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung geltenden „Lastannahmen zur Auslegung kerntechnischer Anlagen und Einrichtungen gegen Störmaßnahmen oder sonstige Einwirkungen Dritter“ und wurde somit nicht dem Bereich des Restrisikos zugeordnet. Im Rahmen des Verfahrens der Erteilung der 2. Änderungsgenehmigung wurden nach den weiteren Angaben der Beklagten zwecks Ausschlusses einer Verletzung des Schutzziels der SEWD-Richtlinie (s.o. 3.4.4.1) die potentiellen radiologischen Auswirkungen einer Einwirkung mit panzerbrechenden Waffen geprüft. Der 2. Änderungsgenehmigung selbst ist dazu lediglich zu entnehmen, dass das Zwischenlager durch zusätzliche Stahlbetonwände an den Längsseiten und Austausch bzw. Einbau von Tor und Türen erweitert sowie eine neue Personenvereinzelungsanlage errichtet werden sollen (2. Änderungsgenehmigung S. 8); welchen Hintergrund diese Maßnahmen haben, wird nicht erkennbar, sondern dazu auf den als VSvertraulich eingestuften Anlagensicherungsbericht verwiesen.
265
Nach den Ausführungen der Beklagten wurde im Änderungsgenehmigungsverfahren festgestellt, dass eine Einwirkung von außerhalb des Lagergebäudes entsprechend der gemäß den Lastannahmen unter Berücksichtigung u.a. der baulichen Struktur des Zwischenlagers und der Behälterkonstruktion zu unterstellenden Vorgehensweise mit panzerbrechenden Waffen nicht zu einer erheblichen Freisetzung radioaktiver Stoffe führen kann (Schriftsatz der Beklagten vom 20.10.2023, S. 33; Gutachtliche Stellungnahme der GRS vom September 2023, S. 10), wobei offenbar davon ausgegangen wird, dass bestimmte Hilfsmittel nach den Lastannahmen in der Lage sind, die die Lagerbehälter schützenden Baustrukturen vollständig zu durchdringen (Gutachtliche Stellungnahme der GRS vom September 2023, S. 10). Hinsichtlich der nach den als VSvertraulich eingestuften Lastannahmen zu unterstellenden Hilfsmittel ist von einer regelmäßigen Evaluation sowohl zyklisch als auch anlassbezogen auszugehen (vgl. hierzu die Gesetzesbegründung zur Einfügung des § 44 Abs. 1 AtG in das Atomgesetz, BT-Drs. 19/27659, S. 16). Weiterhin wurde nach den Angaben der Beklagten festgestellt, dass ein Eindringen von Tätern in das Zwischenlager und damit eine Einwirkung auf die Behälter von innen angesichts der Baustrukturen und der Öffnungsverschlüsse (Türen, Tore, Gitter) des Zwischenlagers ausgeschlossen werden kann; dies gilt auch, soweit es darum geht, ob Täter mithilfe der nach den Lastannahmen zu unterstellenden Hilfsmittel innerhalb der Verzugszeit durchstiegsfähige Öffnungen in das Lagergebäude schaffen können (Schriftsatz der Beklagten vom 20.10.2023, S. 33). Nach der Gutachtlichen Stellungnahme der GRS vom September 2023, S. 10, gehen die hinsichtlich der erforderlichen Widerstandsfähigkeit der Baustrukturen angesetzten Szenarien weit über die in der DIN EN 1627/DIN 21 für einbruchshemmende Bauteile definierten Angriffe und Widerstandsklassen hinaus, so dass die Widerstandsfähigkeit durch spezifische reale Versuche zu belegen sei. Hierfür lägen abdeckende experimentelle Nachweise in Zusammenarbeit mit militärischen Institutionen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweiz vor.
266
Soweit die Kläger in ihrem Schriftsatz vom 20. November 2023, S. 18, die fehlende Überprüfbarkeit dieser Aussagen sowie die fehlende Angabe von Waffentypen bemängeln, genügt dies allein aus Sicht des Senats nicht, um die Angaben der Beklagten auch unter Berücksichtigung dessen, dass die Beweislast für das Vorliegen der Genehmigungsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 Nr. 4 AtG der Behörde obliegt, als widerlegbar erscheinen zu lassen (vgl. zum Maßstab oben 3.2.3.2 und 3.4.2.2.2.1); hierzu wäre vielmehr eine weitergehende Substantiierung notwendig gewesen, die den Klägern auch ohne Kenntnis weiterer Unterlagen der Beklagten möglich gewesen wäre. So haben die Kläger nicht vorgetragen, welche Waffentypen, die bei einem Angriff von außerhalb des Lagergebäudes geeignet wären, die Baustrukturen des Zwischenlagers zu durchdringen, aus ihrer Sicht in die Betrachtung hätten einbezogen werden müssen. Auch zu Waffentypen, mit denen gegebenenfalls das Herstellen einer durchstiegsfähigen Öffnung der Lagerwand möglich wäre, äußern sich die Kläger nicht konkret; ihre Ausführungen hierzu in der Anlage K 4, sofern diese unter dem Gesichtspunkt des § 6 UmwRG und des § 67 Abs. 4 VwGO überhaupt berücksichtigungsfähig sind, bleiben unsubstantiiert (Anlage K 4 S. 40: Für die Öffnung der Gebäudewand stehe ein weites Spektrum von Waffen zur Verfügung; die Ausführungen in der Anlage K 4 S. 37 f. beziehen sich demgegenüber auf den unmittelbaren Beschuss von Behältern). Auch die Behauptung der Kläger, es sei auch mittels der Sprengung eines Mauerteils durch Absturz eines mit Sprengstoff beladenen unbemannten Flugkörpers möglich, die Mauer zu öffnen, wird nicht näher begründet. Dass grundsätzlich von der Beklagten Hilfsmittel in die Lastannahmen und damit in die Betrachtung einbezogen wurden, die in der Lage sind, die Baustrukturen des Zwischenlagers vollständig zu durchdringen, ergibt sich aus der Gutachtlichen Stellungnahme der GRS vom September 2023 (S. 10). In der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin der Beklagten zudem erklärt, in den Lastannahmen seien diesbezüglich alle potentiellen Transportmittel, auch des Verkehrsträgers Luft, berücksichtigt worden (Niederschrift S. 11 f.). Dem kaum substantiierten klägerischen Vortrag stehen damit schriftliche und mündliche Äußerungen der Beklagten aus dem gerichtlichen Verfahren gegenüber, die zwar aus Geheimhaltungsgründen keine Detailangaben zu den unterstellten Tatmitteln und entsprechenden Schutzvorkehrungen enthalten, aber in sich schlüssig sind und die zudem durch die Gutachtliche Stellungnahme der GRS vom September 2023 – also durch eine von der Beklagten unabhängige sachverständige Stelle – bestätigt werden.
267
Die Kläger meinen schließlich, es bestehe kein hinreichender Schutz gegen Innentäter. Hierzu wird in der Gutachtlichen Stellungnahme der GRS vom September 2023, S. 12, ausgeführt, dass die in dem als VSvertraulich eingestuften Sicherungsbericht für das Standort-Zwischenlager G2. beschriebenen baulichen, sonstigen technischen, personellen und organisatorischen Maßnahmen den Regelwerksanforderungen entsprächen und geeignet seien, schutzzielgefährdende Handlungen von zutrittsberechtigten Personen sowie relevante Unterstützungshandlungen solcher Personen bei einem Angriff von außen zu verhindern oder ausreichend zu erschweren. Obwohl diese Aussage allgemein gehalten ist, erscheint sie aus Sicht des Senats durch den unsubstantiierten Klägervortrag, der sich in einer bloßen Behauptung erschöpft, nicht widerlegbar.
268
3.4.4.3 Soweit die Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein vom 19. Juni 2013 (4 KS 3.08 – juris Rn. 182 ff.) monieren, dass hinsichtlich der Auswirkungen des unmittelbaren Beschusses der Transport- und Lagerbehälter auf veraltete Beschussexperimente ohne Berücksichtigung moderner Waffentypen zurückgegriffen sowie das Eindringen mehrerer Täter in die Lagerhalle und die Abgabe mehrerer Schüsse aus der Gruppe nicht betrachtet worden seien, kommt es darauf nicht mehr an. Die Annahme der Beklagten, dass infolge der Umsetzung der durch die 2. Änderungsgenehmigung vorgesehenen Maßnahmen ausgeschlossen werden kann, dass Angreifer innerhalb der Verzugszeit in das Lagergebäude eindringen, um dort auf die Lagerbehälter einzuwirken, oder von außerhalb des Lagergebäudes so auf die Lagerbehälter einwirken, dass es zu einer erheblichen Freisetzung radioaktiver Stoffe kommt, ist durch die Kläger nicht in der Weise erschüttert worden, dass sie als widerlegbar erschiene (s.o. 3.2.3.2). Von der Möglichkeit eines unmittelbaren Beschusses der Behälter ist daher jedenfalls nach Umsetzung der 2. Änderungsgenehmigung nicht (mehr) auszugehen, so dass dahinstehen kann, welche Waffentypen und Handlungsweisen die Beklagte möglicherweise bei der Prüfung des Szenarios des Angriffs mit panzerbrechenden Waffen im Rahmen der Erteilung der Ausgangsgenehmigung zugrunde hätte legen müssen.
269
3.4.4.4 Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen scheitert ein Anspruch der Kläger auf Rücknahme der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung unter dem Gesichtspunkt des hinreichenden Schutzes gegen einen Angriff mit panzerbrechenden Waffen schließlich daran, dass nach dem klägerischen Vortrag durch dieses Szenario keine Strahlenbelastung an den Wohnorten der Kläger eintreten würde, die den Richtwert von 100 mSv für eine effektive Folgedosis bis zum 70. Lebensjahr als Summe von Inhalation und sieben Tagen äußerer Bestrahlung (§ 44 Abs. 2 Satz 3 AtG; s. zur Maßgeblichkeit dieses Richtwerts oben 3.4.1.8.1, 3.4.1.8.2) überschreiten würde. Nach den Angaben in der Anlage K 4 (S. 45) würde bei einem Doppelbeschuss eines Castor V/52 ohne Zirkaloy-Brand in einer Entfernung von zwischen 4 und 11 km vom Zwischenlager eine 7-Tage-Dosis von zwischen 45 mSv und 3 mSv auftreten; sofern es zu einem Zirkaloy-Brand käme, läge die 7-Tage-Dosis nach Angaben der Anlage K 4 in der genannten Entfernung zwischen 60 mSv und 4 mSv. Das Gutachten geht selbst davon aus, dass der Eingreifrichtwert für die Evakuierung eingehalten werde (S. 46).
270
3.4.5 Die Kläger machen darüber hinaus geltend, es seien insgesamt nicht alle möglichen Szenarien für sonstige Einwirkungen Dritter berücksichtigt worden. Diesem Vortrag fehlt es jedoch an der notwendigen Konkretisierung, so dass die Klage insofern keinen Erfolg haben kann. Soweit im Schriftsatz vom 28. Mai 2019 (S. 50) ausgeführt wird, dass Sprengstoffattacken nicht auszuschließen seien, bleibt dieser Vortrag weiter unkonkret und unterliegt zudem der innerprozessualen Präklusion. Es handelt sich nicht um eine zulässige Vertiefung früheren Vorbringens, da innerhalb der Frist des § 6 Satz 1 UmwRG auch unter Berücksichtigung des § 6 Satz 3 UmwRG und von eventuellen Entschuldigungsgründen nach § 6 Satz 2 UmwRG (s.o. 1.3.5.2) ein hinreichend substantiierter Klagevortrag, der einer Vertiefung zugänglich wäre, nicht vorlag.
271
4. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Widerruf der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung, und zwar weder nach § 17 Abs. 5 AtG (4.1) noch nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG (4.2).
272
4.1 Nach § 17 Abs. 5 AtG sind Genehmigungen nach dem Atomgesetz zu widerrufen, wenn dies wegen einer erheblichen Gefährdung der Beschäftigten, Dritter oder der Allgemeinheit erforderlich ist und nicht durch nachträgliche Auflagen in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen werden kann.
273
Eine erhebliche Gefährdung Dritter – hier der Kläger – liegt im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (s. HessVGH, U.v. 25.3.1997 – 14 A 3083.89 – juris Rn. 152) nicht vor.
274
Der Begriff der erheblichen Gefährdung i.S.d. § 17 Abs. 5 AtG ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Zum Teil wird angenommen, der dem § 7 Abs. 2 Nr. 3 und § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG zugrunde liegende Begriff der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge sei auf den Bereich der staatlichen Aufsicht nach § 17 und § 19 AtG zu übertragen. Die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 2 bzw. § 6 Abs. 2 AtG stünden in einem Systemzusammenhang mit den aufsichtlichen Vorschriften, denn die Schadensvorsorge ende nicht mit der Genehmigungserteilung, sondern setze sich im Rahmen der Aufsicht über den Anlagenbetrieb fort, die ebenfalls dem Zweck des Atomgesetzes diene, Leben und Gesundheit vor den Gefahren der Kernenergie und der schädlichen Wirkung ionisierender Strahlen zu schützen (so OVG SH, U.v. 3.11.1999 – 4 K 26.95 – RdE 2000, 146 = juris Rn. 156; s. auch U.v. 27.5.1994 – 4 K 7.92 – juris Rn. 81 ff. zum Begriff der Gefahr in § 19 Abs. 3 Satz 1 AtG). Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass bei einer Gleichsetzung der Schadensvorsorge nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG mit den Eingriffsvoraussetzungen des § 17 Abs. 5 AtG das Stufenverhältnis, das nach der gesetzlichen Regelung zwischen dem fakultativen und dem obligatorischen Widerruf nach § 17 AtG besteht, seinen Sinn verlöre (so HessVGH, B.v. 28.6.1989 – 8 Q 2809.88 – NVwZ 1989, 1183 = juris Rn. 85; U.v. 25.3.1997 – 14 A 3083.89 – juris Rn. 155 ff.). So können nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG Genehmigungen nach dem Atomgesetz widerrufen werden, wenn eine ihrer Voraussetzungen später weggefallen ist und nicht in angemessener Zeit Abhilfe geschaffen wird. Die Vorschrift zum fakultativen Widerruf stellt damit auf den Wegfall einer Genehmigungsvoraussetzung ab, was hier § 6 Abs. 2 Nr. 2 oder Nr. 4 AtG betreffen und sich an dem Maßstab der bestmöglichen Gefahrenabwehr und Risikovorsorge orientieren würde. In diesem Fall steht der Widerruf der Genehmigung jedoch im Ermessen der Behörde. Soweit § 17 Abs. 5 AtG die Behörde zum Widerruf der Genehmigung verpflichtet, muss die Regelung nach Auffassung des Senats aus systematischen Gründen strengere Voraussetzungen haben als § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG. Vor diesem Hintergrund wird unter der erheblichen Gefährdung zum Teil eine Gefahr im polizeirechtlichen Sinne verstanden (so wohl HessVGH, U.v. 25.3.1997 – 14 A 3083.89 – juris Rn. 159 ff.). Teilweise wird auch eine differenzierende Betrachtung gefordert, wonach ein über den polizeirechtlichen Gefahrenbegriff hinausreichender Teilbereich der Schadensvorsorge des § 7 Abs. 2 Nr. 3 bzw. § 6 Abs. 2 Nr. 2 AtG unter § 17 Abs. 5 AtG zu fassen sei, für den ein bloßes Besorgnispotenzial nicht ausreiche, sondern ein Bezug zum aktuell erforderlichen Schadensvorsorgestandard herzustellen sei (so Roller in Frenz, Atomrecht, 2. Aufl. 2024, § 17 AtG Rn. 56).
275
Vorliegend bestünde selbst dann kein Anspruch auf Widerruf der Ausgangsgenehmigung in der Fassung der 2. Änderungsgenehmigung, wenn die weitergehende Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Schleswig-Holstein zugrunde zu legen wäre, nach der der Maßstab der Schadensvorsorge im Rahmen des § 17 Abs. 5 AtG vollumfänglich zu berücksichtigen ist. Aus den obigen Ausführungen (3.3, 3.4) ergibt sich, dass die Genehmigungsvoraussetzungen nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 und 4 AtG, soweit ihr Vorliegen von den Klägern in Frage gestellt wurde, bei Erteilung der Ausgangsgenehmigung – unter Einbeziehung der 2. Änderungsgenehmigung sowie sonstiger nachträglicher Änderungen der Rechts- oder Sachlage, die sich zugunsten der Anlagenbetreiberin auswirken – vorlagen. Die Kläger haben keine darüber hinausgehenden Umstände vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass eine der genannten Genehmigungsvoraussetzungen bis zur gerichtlichen Entscheidung weggefallen wäre. Einen solchen Umstand stellt insbesondere auch nicht der Erlass des Standortauswahlgesetzes dar, aus dem aus Sicht der Kläger folgt, dass die verfahrensgegenständliche Aufbewahrungsgenehmigung über den vorgesehenen Zeitraum hinaus verlängert werden muss. Denn über eine solche Verlängerung müsste durch einen separaten Verwaltungsakt entschieden werden, den es bisher nicht gibt und über den hier daher nicht zu befinden ist.
276
4.2 Nach den vorstehenden Ausführungen haben die Kläger ebenso wenig einen Anspruch auf Widerruf nach § 17 Abs. 3 Nr. 2 AtG, dessen Tatbestand mangels Wegfalls einer Genehmigungsvoraussetzung nicht vorliegt. Offenbleiben kann daher, ob die erstmals im klägerischen Schriftsatz vom 28. Mai 2019 erwähnte Rechtsgrundlage hier unter dem Gesichtspunkt des § 6 UmwRG überhaupt zu berücksichtigen war.
277
5. Eine weitere Sachaufklärung ist mangels Entscheidungserheblichkeit nicht geboten (zum Umfang der sich aus § 6 Abs. 2 Nr. 2 und Nr. 4 AtG unter Berücksichtigung des Funktionsvorbehalts der Exekutive ergebenden gerichtlichen Aufklärungspflicht s.o. 3.2.3.2). Der Verwaltungsgerichtshof brauchte daher entgegen dem Antrag der Kläger aus der Klagebegründung vom 22. August 2018 und ihrem Schriftsatz vom 15. Dezember 2022 die dort im Einzelnen benannten Unterlagen und Gutachten, die von der Beklagten im Lauf des gerichtlichen Verfahrens sämtlich in geschwärzter Fassung vorgelegt wurden, bei der Beklagten nicht in ungeschwärzter Fassung anzufordern; ebenso wenig mussten weitere, in der Klagebegründung nur thematisch bezeichnete Unterlagen angefordert werden (§ 99 Abs. 1 VwGO).
278
So bestand kein Anlass dazu, die Beklagte dazu aufzufordern, die Stellungnahme des Länderausschusses für Atomkernenergie vom 3./4. Juli 2003 ungeschwärzt vorzulegen. Die Kläger mutmaßen insoweit nur, dass entscheidende Passagen ab S. 6 geschwärzt worden seien und dort die Lastannahmen für gutachterliche Betrachtungen, auf deren Kenntnis sie Anspruch hätten, vorgeschlagen würden. Diese Annahme der Kläger wird jedoch durch nichts belegt; das von der Beklagten vorgelegte Dokument erweckt vielmehr den Eindruck, als ob es nicht mehr als 6 Seiten habe. Die bloße Denkmöglichkeit, dass sich in geheim gehaltenen Unterlagen Anzeichen für eine Rechtsbeeinträchtigung der Kläger finden lassen könnten, genügt jedoch nicht zur Annahme der Entscheidungserheblichkeit der Unterlagen (vgl. BayVGH, U.v. 2.1.2006 – 22 A 04.40016 – ZUR 2006, 427 = juris Rn. 91), zumal die Kläger nicht darlegen, zur Aufklärung welcher konkreten Umstände, die für den von ihnen geltend gemachten Anspruch relevant wären, eine ungeschwärzte Vorlage der Stellungnahme erforderlich wäre.
279
Aus den Ausführungen unter 3.4.1.3, 3.4.1.5, 3.4.1.6 und 3.4.2.2.2 ergibt sich, dass eine ungeschwärzte Vorlage des TÜV-Gutachtens 2003 sowie des GRS-Gutachtens 2010 nicht erforderlich ist, weil der klägerische Vortrag insoweit keinen weiteren Aufklärungsbedarf verursacht.
280
Die Entscheidungserheblichkeit ist auch zu verneinen im Hinblick auf eine ungeschwärzte Vorlage des Gutachtens zu den Auswirkungen eines gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturzes einer Boeing 787 „Dreamliner“ auf Zwischenlager der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) gGmbH vom April 2013 (teilgeschwärzte Fassung vorgelegt als Anlage B 9), des Gutachtens zur Ermittlung der radiologischen Konsequenzen eines gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturzes auf das Standort-Zwischenlager G2. für den Antrag nach § 6 Atomgesetz hinsichtlich der Erweiterung des baulichen Schutzes gegen Einwirkungen Dritter der TÜV ... I1. Service GmbH vom August 2013 (teilgeschwärzte Fassung vorgelegt als Anlage B 11) sowie des Gutachtens zur Ermittlung der radiologischen Folgen durch die Freisetzung radioaktiver Stoffe aufgrund eines gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturzes auf das Standort-Zwischenlager G2. für die Durchführung eines Genehmigungsverfahrens nach § 6 Atomgesetz hinsichtlich einer modifizierten Ausführungsform der Transport- und Lagerbehälter CASTOR V/52 sowie zusätzlicher Beladevarianten und Inventare der TÜV ... I1. Service GmbH vom Oktober 2015 (teilgeschwärzte Version vorgelegt als Anlage B 13). Der klägerische Vortrag befasst sich nicht mit dem Szenario eines Absturzes eines Flugzeugs vom Typ Boeing 787 „Dreamliner“ auf das verfahrensgegenständliche Standort-Zwischenlager. Das Gutachten des TÜV ... vom August 2013, das sich mit den Auswirkungen der mit der 2. Änderungsgenehmigung vorgesehenen Erweiterung des baulichen Schutzes des Standort-Zwischenlagers für den Fall eines gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturzes beschäftigt, haben die Kläger nach dessen Vorlage in teilgeschwärzter Form (Anlage B 11) in ihrem Vortrag nicht aufgegriffen. Das letztgenannte Gutachten (Anlage B 13) steht offenbar im Zusammenhang mit der Erteilung der 4. Änderungsgenehmigung, die hier nicht verfahrensgegenständlich ist; die Kläger sind auf das Gutachten nach dessen Vorlage in teilgeschwärzter Form auch nicht eingegangen.
281
Soweit die Kläger die Vorlage von Unterlagen zur Thematik „zufälliger Absturz eines bewaffneten schnell fliegenden Militärflugzeuges“ sowie „Umsiedlungsrichtwerte“ verlangt haben, wird auf die Ausführungen unter 3.3.1.4 und 3.4.1.8.2 verwiesen.
282
Hinsichtlich der konkret benannten Unterlagen zur 2. Änderungsgenehmigung, deren Vorlage die Kläger begehrt hatten und die die Beklagte mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2018 teilgeschwärzt vorgelegt hat (Richtlinie zur Sicherung von Zwischenlagern gegen SEWD [Anlage B 15] mit Erläuterungen zu den Schwärzungen [Anlage B 16]; Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Sicherung von Zwischenlagern, RS I 6 – 13151-6/22 [Anlage B 17] mit Erläuterungen zu den Schwärzungen [Anlage B 18]; Wissenschaftlichtechnische Ingenieurberatung GmbH, Standort-Zwischenlager Biblis, Emsland und G2., Erweiterung der Anlagensicherung, Kurzbeschreibung [Anlage B 19] mit Erläuterungen zu den Schwärzungen [Anlage B 20]; Wissenschaftlichtechnische Ingenieurberatung GmbH, Standort-Zwischenlager G2., Erweiterung der Anlagensicherung ZL.8, Basisbericht [Anlage B 21] mit Erläuterungen zu den Schwärzungen [Anlage B 22]; K. ... GmbH, Einrichtungen für das Brennelemente-Zwischenlager ZL.8 am Standort G2., Ableiten von Flüssigkeiten im Lagerbereich [Anlage B 23] mit Erläuterungen zu den Schwärzungen [Anlage B 24]; Gutachten zur Erweiterung der Anlagensicherung für das Standort-Zwischenlager G2. der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit (GRS) mbH [Anlage B 25] mit Erläuterungen zu den Schwärzungen [Anlage B 26]), fehlt es nach Vorlage der Unterlagen an weiterem klägerischem Vortrag, so dass weiterer Aufklärungsbedarf nicht besteht.
283
D.
Auch der von den Klägern zu 1 bis 3 und 5 gestellte Hilfsantrag bleibt ohne Erfolg.
284
In der mündlichen Verhandlung vom 7. Dezember 2023 haben die Kläger zu 1 bis 3 und 5 hilfsweise beantragt, die 2. Änderungsgenehmigung vom 7. Januar 2014 in der Form des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2017 aufzuheben. Dieser Antrag ist unzulässig.
285
1. Der Antrag ist ungeachtet der zwischenzeitlichen Umformulierung durch die Klagebegründung vom 22. August 2018 als Anfechtungsklage gegen die 2. Änderungsgenehmigung in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2017 auszulegen. Der Antrag war nach seinem Wortlaut in dem klageerhebenden Schriftsatz vom 30. August 2017 auf Aufhebung der 2. Änderungsgenehmigung gerichtet; dem entspricht die Formulierung im Schriftsatz vom 13. Dezember 2017, mit dem die Klage erweitert und der ursprüngliche Hauptantrag zum Hilfsantrag gemacht wurde. Soweit die Kläger zu 1 bis 3 und 5 in der Klagebegründung vom 22. August 2018 angekündigt haben, in der mündlichen Verhandlung hilfsweise zu beantragen, die Beklagte zu verpflichten, die 2. Änderungsgenehmigung in Form des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2017 aufzuheben, liegt darin offensichtlich ein Versehen. Für einen Willen der Kläger, ihre Klage im Hilfsantrag auf eine Verpflichtungsklage umzustellen und durch einen eventuellen Wegfall der Anfechtungsklage die 2. Änderungsgenehmigung möglicherweise bestandskräftig werden zu lassen, ist nichts ersichtlich.
286
2. Den Klägern fehlt es jedoch am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis, soweit sie in ihrem Aufhebungsantrag vom 27. Mai 2016 und der Klagebegründung vom 22. August 2018 ausführen, die 2. Änderungsgenehmigung verletze sie in ihren Rechten, da die Behörde bei deren Erteilung trotz erkennbarer Fehler der Ausgangsgenehmigung nicht nochmals den gesamten Bereich des Schutzes gegen Störmaßnahmen und sonstige Einwirkungen Dritter in den Blick genommen und Mängel der Ausgangsentscheidung behoben habe.
287
Inwieweit dieser Vortrag der innerprozessualen Präklusion nach § 6 UmwRG unterliegt, kann offenbleiben (s. hierzu noch unten 3.1). Jedenfalls fehlt es den Klägern für dieses Klageziel im Rahmen der Anfechtungsklage gegen die 2. Änderungsgenehmigung am Rechtsschutzbedürfnis. Die Klage ist auf Aufhebung der 2. Änderungsgenehmigung gerichtet. Hätte die Klage Erfolg, so fiele die 2. Änderungsgenehmigung weg, ohne dass sich an der Ausgangsgenehmigung etwas ändern würde. Schon deshalb können die Kläger mit ihrem Hilfsantrag nicht erreichen, dass eine Überprüfung der Ausgangsgenehmigung im Hinblick auf einen hinreichenden Schutz vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter vorgenommen wird.
288
Darüber hinaus könnten die Kläger das Ziel einer Vollüberprüfung der Ausgangsgenehmigung im Hinblick auf den Schutz vor Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter mit dem Hilfsantrag auch deshalb nicht erreichen, weil eine solche Vollüberprüfung nicht vom Prüfungsumfang der 2. Änderungsgenehmigung umfasst ist und die Kläger daher mit diesem Begehren ausgeschlossen sind. Es ist nicht Sinn des für die wesentliche Änderung nach § 6 Abs. 1 Satz 2 AtG geltenden Genehmigungsvorbehalts, jeweils – ohne sachliches Erfordernis – den gesamten bei der erstmaligen Errichtung und Inbetriebnahme einer Anlage anfallenden Prüfungsaufwand erneut auszulösen. Bei einem Änderungsvorhaben bezieht sich die Prüfung der Genehmigungsvoraussetzungen zum einen auf die zu ändernden Anlagenteile oder betrieblichen Verfahrensschritte, zum anderen auf diejenigen Anlagenteile und Verfahrensschritte der genehmigten Anlage, auf die sich die Änderung auswirkt; insoweit entfällt auch die Bindungswirkung der Ausgangsgenehmigung (vgl. BVerwG, U.v. 21.8.1996 – 11 C 9.95 – BVerwGE 101, 347 = juris Rn. 34 zur Änderungsgenehmigung nach § 7 AtG). Darüber hinaus jedoch – soweit sich die Änderung nicht auf die genehmigte Anlage und ihren Betrieb auswirkt – bleibt die Bindungswirkung der (bestandskräftigen) Ausgangsgenehmigung bestehen mit der Folge, dass Drittbetroffene, die eine Änderungsgenehmigung anfechten, mit Einwendungen ausgeschlossen sind, die sich thematisch allein gegen die Ausgangsgenehmigung richten (vgl. BVerwG, U.v. 21.8.1996 – 11 C 9.95 – BVerwGE 101, 347 = juris Rn. 40 zur Änderungsgenehmigung nach § 7 AtG; s. auch BVerwG, U.v. 22.1.1997 – 11 C 7.95 – BVerwGE 104, 36 = juris Rn. 22 zur atomrechtlichen Teilgenehmigung sowie VGH BW, U.v. 30.10.2014 – 10 S 3450.11 – ZUR 2015, 103 = juris Rn. 109; BayVGH, U.v. 20.12.2018 – 22 A 17.40004 – juris Rn. 105 ff. jeweils zur Stilllegungsgenehmigung für ein Kernkraftwerk).
289
Eine Überprüfung sämtlicher Einwände der Kläger, die sie in ihrem Hauptantrag gegen die Ausgangsgenehmigung im Zusammenhang mit Störmaßnahmen und sonstigen Einwirkungen Dritter vorgebracht haben, kann deshalb im Rahmen des Hilfsantrags von vornherein nicht erfolgen. Dahinstehen kann, wie weit der Prüfungsumfang der 2. Änderungsgenehmigung hier im Einzelnen zu ziehen war, weil die Kläger sich dazu nicht geäußert haben. Auch nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2018 diverse Gutachten und Unterlagen vorgelegt hatte, die Rückschlüsse auf den Prüfungsumfang der 2. Änderungsgenehmigung zuließen (etwa ein Gutachten zur Ermittlung der radiologischen Konsequenzen eines gezielt herbeigeführten Flugzeugabsturzes auf das Standort-Zwischenlager G2. für den Antrag nach § 6 Atomgesetz der TÜV ... I. Service GmbH vom August 2013 [Anlage B 11], eine Kurzbeschreibung der Erweiterung der Anlagensicherung für die Standort-Zwischenlager Biblis, Emsland und G2. vom März 2011 der Wissenschaftlich-Technischen Ingenieurberatung GmbH [Anlage B 19], einen Basisbericht der Kernkraftwerk G2.  GmbH zur Erweiterung der Anlagensicherung des Standort-Zwischenlagers G2. vom März 2013 [Anlage B 21] sowie ein Gutachten zur Erweiterung der Anlagensicherung für das Standort-Zwischenlager G2. der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit mbH vom November 2013 [Anlage B 25]), haben die Kläger ihren Hilfsantrag insoweit nicht präzisiert. Ebenso wenig haben sie dies getan, nachdem die Beklagte mit Schriftsatz vom 20. Oktober 2023 zu den Hintergründen der 2. Änderungsgenehmigung näher ausgeführt und hierzu die Gutachtliche Stellungnahme zur Erweiterung der Anlagensicherung für das Standort-Zwischenlager G2. der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit gGmbH vom September 2023 (Anlage B 50) vorgelegt hatte.
290
3. Die Zulässigkeit des Hilfsantrags ergibt sich auch nicht daraus, dass die Kläger mit Schriftsätzen vom 28. Mai 2019 und 30. September 2019 vortrugen, die mit der 2. Änderungsgenehmigung umgesetzten Maßnahmen verletzten sie in ihren Rechten, da die neuen Mauern für Szenarien wie den Flugzeugabsturz hinsichtlich des Ablaufs von Kerosin kontraproduktiv sein könnten, zusätzliche Mauern an den Stirnseiten fehlten und die 2. Änderungsgenehmigung ausweislich des Kapitels 5.2.1 der Anlage K 4 Mängel im Hinblick auf die Personenzugänge, den Durchfahrtschutz sowie bezüglich Wärmeabfuhr und Brand habe. Es wären sogar die Rückwirkungen auf andere als SEWD-Szenarien zu prüfen gewesen.
291
Mit diesem Vorbringen können sie weder die nach § 42 Abs. 2 VwGO erforderliche Klagebefugnis noch ein Rechtsschutzbedürfnis für die Klage begründen, weil sie insoweit der innerprozessualen Präklusion nach § 6 UmwRG unterliegen.
292
3.1 § 6 UmwRG ist auf den Hilfsantrag anwendbar (s. zur Anwendbarkeit in zeitlicher und persönlicher Hinsicht oben C.II.1.1.1 und 1.1.2, zur Unionsrechtskonformität oben C.II.1.2). Bei der 2. Änderungsgenehmigung handelt es sich um eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a UmwRG (s.o. C.II.1.1.3). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann § 6 UmwRG auch im Rahmen der Zulässigkeit einer Klage eine Rolle spielen, jedenfalls soweit einzelne Zulässigkeitsvoraussetzungen einen bestimmten Sachvortrag verlangen (s. zur Prüfung der Klagebefugnis einer Gemeinde im Rahmen einer Klage nach § 18e AEG BVerwG, U.v. 23.11.2022 – 7 A 9.21 – UPR 2023, 220 = juris Rn. 13 ff., 17 f.).
293
3.2 Stellt man für den Beginn der Klagebegründungsfrist nach § 6 Satz 1 UmwRG auf den Zeitpunkt der Erhebung der Anfechtungsklage als Hauptantrag am 30. August 2017 ab, so wäre sie bereits am 7. November 2017 abgelaufen (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB). Innerhalb dieser Frist haben die Kläger lediglich – mit Klageerhebung – den den Widerspruch der Kläger zu 1 bis 3 und 5 gegen die 2. Änderungsgenehmigung zurückweisenden Widerspruchsbescheid des BfE vom 3. August 2017 vorgelegt. Stellt man demgegenüber für den Fristbeginn auf die Erweiterung der Klage und die Umstellung des ursprünglichen Hauptantrags auf einen Hilfsantrag am 14. Dezember 2017 ab, so wäre die Klagebegründungsfrist bis zum 22. Februar 2018 gelaufen (s.o. C.II.1.3.2). Das klägerische Vorbringen zu einer eventuellen belastenden Wirkung der 2. Änderungsgenehmigung aufgrund von Mängeln der genehmigten Maßnahmen ist nicht nur weit außerhalb dieser Frist, sondern auch weit nach Ablauf der vom Gericht zur Klagebegründung nach § 87b Abs. 1 Satz 1 VwGO gesetzten Frist – soweit diese hier relevant sein sollte (s.o. C.II.1.3.5.2) – bei Gericht eingegangen. Da es sich nicht lediglich um eine Vertiefung oder Konkretisierung früheren Vorbringens handelt, sondern um neue tatsächliche Gesichtspunkte, unter denen die Kläger die 2. Änderungsgenehmigung angreifen wollen, unterliegt dieses Vorbringen der Präklusion nach § 6 Satz 1 UmwRG. Dem steht auch nicht entgegen, dass sich bereits die mit der Klagebegründung vom 22. August 2018 vorgelegte Anlage K 4 in Kapitel 5.2 mit der 2. Änderungsgenehmigung und möglichen Mängeln befasst. Insoweit hätte es § 67 Abs. 4 VwGO erfordert, dass die Bevollmächtigten der Kläger diesen Gesichtspunkt in ihren Schriftsätzen ausdrücklich aufgreifen und eine eigene Prüfung, Sichtung und Durchdringung der Ausführungen erkennen lassen (BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 u.a. – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 15). Dies ist in der Klagebegründung vom 22. August 2018 jedoch nicht erfolgt; der pauschale Verweis darauf, dass der Inhalt der Anlage K 4 vollumfänglich zum Gegenstand des Vortrags gemacht werde (S. 2 der Klagebegründung), genügt gerade nicht.
294
E. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 2, § 154 Abs. 1 i.V.m. § 159 Satz 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Es entspricht der Billigkeit i.S.d. § 162 Abs. 3 VwGO, auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen den unterlegenen Klägern aufzuerlegen, da die Beigeladene einen Klageabweisungsantrag gestellt und sich damit selbst einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO).
295
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
296
Die Revision war nicht zuzulassen, da ein Zulassungsgrund i.S.v. § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt.