Inhalt

VGH München, Beschluss v. 06.03.2024 – 19 ZB 23.942
Titel:

Annahme eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses

Normenkette:
AufenthG § 53 Abs. 1
Leitsätze:
1. Als präventive ordnungsrechtliche Maßnahme bezweckt die Ausweisung keine unzulässige Doppelbestrafung eines Ausländers, sondern dient u.a. der Abwehr und Vorbeugung von Gefährdungen und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Wohlverhalten bzw. die positive Führung im noch laufenden Maßregelvollzug bietet (noch) keinen hinreichenden Anlass dafür, von der Annahme eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses abzusehen, da der Fortbestand des Ausweisungsinteresses allein anhand generalpräventiver Erwägungen zu ermitteln ist (BVerwG BeckRS 2019, 16744; VGH München BeckRS 2024, 2081). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung aus generalpräventiven Gründen, Faktischer Inländer, Gefahrenprognose, Interessenabwägung, Nicht öffentlich bekannt gewordene Straftat, Doppelbestrafung, Nicht auszuschließende erheblich verminderte Schuldfähigkeit, Fortbestand des Ausweisungsinteresses, Bewährung im Maßregelvollzug, Faires Verfahren, faktischer Inländer, nicht öffentlich bekannt gewordene Straftat, erheblich verminderte Schuldfähigkeit, faires Verfahren
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 17.04.2023 – RO 9 K 22.1336
Fundstelle:
BeckRS 2024, 6203

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Antragsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

1
Mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der 1996 geborene Kläger, ein kosovarischer Staatsangehöriger, der mit Urteil des Landgerichts Regensburg (rechtskräftig seit dem 15.12.2021) wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Beleidigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und vier Monaten verurteilt worden ist, seine in erster Instanz erfolglose Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 1. April 2022 in der Fassung vom 17./20. April 2023 weiter. Mit diesem Bescheid wurde er aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen, ein auf fünf Jahre befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen und ihm die Abschiebung aus der Haft in den Kosovo angekündigt bzw. im Fall der Entlassung und nicht fristgerechter Ausreise angedroht.
2
Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet, weil sich aus dem der rechtlichen Überprüfung durch den Senat allein unterliegenden Vorbringen im Zulassungsverfahren weder die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO noch besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ergeben und auch der in der Sache gerügte Verfahrensmangel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht vorliegt.
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1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestünden dann, wenn der Kläger im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung des Erstgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten infrage gestellt hätte (BVerfG, B.v. 8.5.2019 – 2 BvR 657/19 – juris Rn. 33). Dies ist jedoch nicht der Fall.
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1.1 Der Kläger bezweifelt die grundsätzliche Eignung seiner Ausweisung, relevante generalpräventive Wirkungen zu entfalten. Die Vergewaltigung sei in der Öffentlichkeit nicht bekannt geworden. Es habe keine Medienberichterstattung gegeben, überdies sei zumindest teilweise die Öffentlichkeit bei der Verhandlung ausgeschlossen worden.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich hieraus nicht.
6
Generalpräventive Gesichtspunkte können auch nach dem seit dem 1. Januar 2016 geltenden Ausweisungsrecht ein Ausweisungsinteresse begründen (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris). Dabei kommt es bei der Prüfung, ob der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, darauf an, dass die Ausweisung eine angemessene generalpräventive Wirkung erwarten lässt. Die Ausweisung muss insoweit geeignet sein, auf andere Ausländer verhaltenssteuernd einzuwirken. Dies ist der Fall, wenn damit gerechnet werden kann, dass sich andere Ausländer mit Rücksicht auf eine kontinuierliche Ausweisungspraxis ordnungsgemäß verhalten. Behörden und Gerichte dürfen davon ausgehen, dass eine aus Anlass einer strafgerichtlichen Verurteilung verfügte Ausweisung zur Verwirklichung dieses Zwecks geeignet ist. Erforderlich ist, dass es Ausländer gibt, die sich in einer mit dem Betroffenen vergleichbaren Situation befinden und sich durch dessen Ausweisung von gleichen oder ähnlichen strafbaren Handlungen abhalten lassen. Selbst wenn bei einem straffälligen Ausländer keine (Wiederholungs-)Gefahr besteht, kann von seinem Aufenthalt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehen, wenn im Fall des Unterbleibens einer ausländerrechtlichen Reaktion auf sein Fehlverhalten andere Ausländer nicht davon abgehalten werden, vergleichbare Delikte zu begehen (BVerwG, U.v. 12.7.2018 a.a.O. Rn. 16).
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Eine kontinuierliche Verwaltungspraxis, die auf strafrechtliche Verurteilungen (wie hier) wegen Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (Vergewaltigung) aufenthaltsrechtlich mit der Ausweisung reagiert, ist also grundsätzlich geeignet, andere Ausländer von vergleichbaren schweren Straftaten abzuhalten und trägt zur generalpräventiven Wirkung von Ausweisungen bei (Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 14. Aufl. 2022, § 53 AufenthG Rn. 61). Anknüpfungspunkt der generalpräventiven Ausweisung ist also die kontinuierliche Ausweisungspraxis, die abschreckende Wirkung entfalten und dadurch verhaltenssteuernd wirken soll. Vor diesem Hintergrund ist es nicht entscheidend, ob die Straftat als solche in der Öffentlichkeit – etwa durch Medienberichte – bekannt geworden ist.
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1.2 Der Kläger weist darauf hin, dass der Sachverständige im strafrechtlichen Verfahren die medizinischen Voraussetzungen einer erheblich verminderten Schuldfähigkeit gemäß § 21 StGB aufgrund Intoxikation mit Alkohol und Betäubungsmitteln nicht habe ausschließen können. Er schlussfolgert, damit wiege seine Straftat nicht mehr hinreichend schwer, um eine Ausweisung rechtfertigen zu können.
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Dieser Einwand greift nicht durch. Auf der Grundlage der Feststellungen des Landgerichts Regensburg war die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Klägers zur Tatzeit weder erheblich vermindert noch aufgehoben, sodass sich aus der Tat sehr wohl ein generalpräventives Ausweisungsinteresse ableiten lässt (vgl. OVG Bremen, B.v. 6.7.2023 – 2 LA 318/22 – juris Rn. 23).
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1.3 Als präventive ordnungsrechtliche Maßnahme bezweckt die Ausweisung keine unzulässige Doppelbestrafung eines Ausländers, sondern dient u.a. der Abwehr und Vorbeugung von Gefährdungen und Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (Fleuß in BeckOK Ausländerrecht, Stand: Okt. 2023, § 53 AufenthG Rn. 1 m.w.N.). Der Kläger kann daher nicht damit gehört werden, dass die Generalprävention bereits durch das Urteil des Landgerichts Regensburg erfüllt sei, sodass die Ausweisung eine zusätzliche Bestrafung darstelle.
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1.4 Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass allein das Wohlverhalten bzw. die positive Führung des Klägers im noch laufenden Maßregelvollzug (noch) keinen hinreichenden Anlass dafür biete, von der Annahme eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses abzusehen, zumal das Ziel des Maßregelvollzugs und die abgeurteilten Taten nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang gesehen werden könnten.
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Der Kläger rügt, das Ziel des Maßregelvollzugs und die abgeurteilten Taten seien sehr wohl in einem unmittelbaren Zusammenhang zu sehen. Damit vermag er die Annahme des Verwaltungsgerichts, allein das Wohlverhalten bzw. die positive Führung im noch laufenden Maßregelvollzug biete (noch) keinen hinreichenden Anlass dafür, von der Annahme eines generalpräventiven Ausweisungsinteresses abzusehen, nicht ernstlich in Frage zu ziehen. Im Übrigen ist der Fortbestand des Ausweisungsinteresses allein anhand generalpräventiver Erwägungen zu ermitteln (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 6.2.2024 – 19 ZB 23.2132 – juris Rn. 14). Damit kommt es auf das vom Kläger angeführte Wohlverhalten im laufenden Maßregelvollzug (Lockerungsstufe D1) nicht entscheidend an (OVG LSA, B.v. 11.12.2023 – 2 L 82/22.Z – juris Rn. 26), zumal nicht ansatzweise von einer vollständigen Resozialisierung ausgegangen werden kann.
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1.5 Der Kläger macht geltend, dass er sich seit 1997 im Bundesgebiet aufhalte und verwurzelt sei, weshalb die Ausweisung einen nicht gerechtfertigten Eingriff in sein nach Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Privatleben darstelle. Hierzu ist festzustellen, dass selbst eine Einstufung des Klägers als „faktischer Inländer“ nicht unter allen Umständen dazu führen würde, dass die Ausweisung rechtswidrig wäre (vgl. dazu BVerwG, U.v. 16.11.2023 – 1 32.22 – juris Rn. 16 ff.). Denn auch die Ausweisung einer Person, die aufgrund ihrer Verwurzelung in Deutschland und der damit korrespondierenden Entwurzelung im Heimatland als faktischer Inländer behandelt werden muss, ist nicht von vornherein unzulässig. Vielmehr ist der besonderen Härte, die mit einer solchen Ausweisung einhergeht, durch eine auf den konkreten Einzelfall bezogene individuelle Gefahrenprognose unter Berücksichtigung aktueller Tatsachen, die die Gefahr entfallen lassen oder nicht unerheblich vermindern können, sowie im Rahmen der Interessenabwägung durch eine besonders sorgfältige Prüfung und Erfassung der individuellen Lebensumstände des Ausländers, seiner Verwurzelung in Deutschland einerseits und seiner Entwurzelung im Herkunftsland andererseits, Rechnung zu tragen (BVerwG, U.v. 16.11.2023 a.a.O. Rn. 17 m.w.N.).
14
Diesen Maßstäben wird die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts gerecht. Das Verwaltungsgericht hat berücksichtigt, dass der Kläger mit einem Jahr zusammen mit seinen Eltern und seinen Geschwistern in das Bundesgebiet einreiste, die mittlere Reife erwarb, aber keine abgeschlossene Berufsausbildung hat, über albanische Sprachkenntnisse verfügt und dass zwei seiner Brüder im Besitz der deutschen Staatsangehörigkeit sind. Es ist davon ausgegangen, dass das Maß der Verwurzelung des Klägers im Bundesgebiet einer Ausweisung nicht entgegensteht. Es sei nicht ersichtlich, dass die streitgegenständliche Ausweisung mit Art. 6 GG unvereinbar wäre (siehe UA Bl. 29). Es sei auch nicht ersichtlich, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung des Klägers entgegenstehen würde. Der Kläger habe zwar bereits seit seinem Kleinkindalter im Bundesgebiet gelebt. Er sei in der Bundesrepublik Deutschland auch nur zweimal strafrechtlich in Erscheinung getreten. Es sei jedoch das Ausmaß der vom Landgericht Regensburg abgeurteilten Tat zu berücksichtigen. Der Kläger habe dem Opfer erhebliche Verletzungen zugefügt. Sein Verhalten sei als besonders schwerer Fall eines Eingriffs in die sexuelle Selbstbestimmung des Opfers zu werten. Der Kläger sei sich bei seinen Handlungen auch bewusst gewesen, welche Konsequenzen diese für das Opfer haben würden. Im Rahmen des Strafverfahrens habe der Kläger auch sein Geständnis widerrufen, die Angaben des Opfers bestritten und die Verantwortung für die Eskalation des Geschehens dem Opfer zugeschrieben. Er habe dadurch gezeigt, dass er im Strafverfahren letztlich nicht dazu bereit gewesen sei, den Unrechtsgehalt seines Verhaltens zu akzeptieren. Das Verwaltungsgericht ist auch davon ausgegangen, dass es dem Kläger möglich sein werde, im Kosovo seinen Lebensunterhalt zu sichern. Der Kläger verfüge zwar über keine abgeschlossene Schulausbildung. Er habe jedoch einen mittleren Schulabschluss und habe auch in der Vergangenheit hier in Deutschland gezeigt, dass er in der Lage sei, in verschiedenen Bereichen einer Tätigkeit nachzugehen und dadurch seinen Lebensunterhalt zu sichern. Warum ihm dies nicht auch im Kosovo möglich sein sollte, sei für das Verwaltungsgericht nicht ersichtlich. Der Kläger habe selbst angegeben, Albanisch zu sprechen. Eine Verständigung im Kosovo sei ihm daher möglich. Es sei auch davon auszugehen, dass ihm dort seine deutschen und englischen Sprachkenntnisse zum Vorteil gereichen würden. Es mag zwar sei, dass der Kläger keine verwandtschaftlichen und freundschaftlichen Beziehungen im Kosovo habe. Als junger Mann sei ihm aber zuzumuten, sich dort eine Existenz aufzubauen. Da der Kläger auch hier in Deutschland von seinen Familienangehörigen finanziell unterstützt worden sei, sei davon auszugehen, dass sie ihn auch bei einer Rückkehr in den Kosovo finanziell unterstützen werden. Im Übrigen sei auch nicht ersichtlich, dass sonstige wirtschaftliche und soziale Beziehungen des Klägers im Bundesgebiet einer Rückkehr in den Kosovo entgegenstehen würden.
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Der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe bei der (nach § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG erforderlichen) Interessenabwägung nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Kläger „als in verstärktem Maße“ als faktischer Inländer gelte. Er betont, dass er keine Bindungen zum Kosovo habe, sondern in der Bundesrepublik aufgewachsen und dort verwurzelt sei. Damit legt er keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils dar, zumal er den zur Ausweisung führenden strafrechtlichen Vorwurf nahezu gänzlich ausblendet und ausschließlich auf seine Verwurzelung in der Bundesrepublik Deutschland abstellt. Mit dem Einwand, er habe im Strafverfahren nur auf nicht gänzlich verständlich anwaltlichen Rat gehört und einen Täter-Opfer-Ausgleich gesucht (siehe hierzu aber Bl. 38 des Strafurteils: Voraussetzungen eines Täter-Opfer-Ausgleichs sind nicht gegeben) setzt er sich nicht hinreichend mit dem erheblichen Ausweisungsinteresse auseinander. Die Würdigung insbesondere der familiären und sonstigen Bindungen des Klägers auch mit Blick auf Art. 6 GG und Art. 8 EMRK ist nicht zu beanstanden. Angesichts der abgeurteilten schweren Straftat des Klägers und dem daneben bestehenden generalpräventiven Ausweisungsinteresse teilt der Senat die Einschätzung des Erstgerichts, das Ausweisungsinteresse überwiege das Bleibeinteresse des Klägers. Hierbei hat der Senat auch berücksichtigt, dass der Kläger aus Mitrovica stammt, wo es im September letzten Jahres zwischen Kosovaren und Serben zu Konflikten kam. Der Kläger kann sich jedoch auch in einem anderen (sicheren) Landesteil, z.B. im Süden, niederlassen. Im Übrigen sind in die Abwägung nach § 53 Abs. 1 AufenthG nur solche zielstaatsbezogenen Umstände einzubeziehen, die nicht der Prüfung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in einem Asylverfahren vorbehalten sind (BVerwG, U.v. 26.2.2019 – 1 C 30.17 – juris Rn. 22; U.v. 16.2.2022 – 1 C 6.21 – juris Rn. 34).
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1.6 Der Senat hat auch die weiteren Argumente des Klägers, die er in der Zulassungsbegründung vom 19. Juni 2023 vorgebracht hat, erwogen. Er hat sie jedoch ebenfalls nicht für geeignet gehalten, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung aufzuzeigen, ohne dass es insoweit im vorliegenden Beschluss einer ausdrücklichen Auseinandersetzung bedurft hätte.
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2. Hinsichtlich des geltend gemachten Zulassungsgrundes der besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten der Rechtsache (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) enthält die Begründung des Zulassungsantrages keinerlei Ausführungen.
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3. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
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3.1 Mit der Rüge, das Verwaltungsgericht habe sich nicht dem in der Klageschrift gestellten Beweisantrag („Insoweit kann auch der weitere Behandler Herr P. entsprechende Angaben machen, dass die Behandlung des Klägers erhebliche Fortschritte macht.“) auseinandergesetzt, wird der Sache nach ein Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geltend gemacht. Die Rüge greift aber schon deswegen nicht durch, weil eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht grundsätzlich nicht geltend gemacht werden kann, wenn der anwaltlich vertretene Kläger es – wie hier – unterlassen hat, in der mündlichen Verhandlung entsprechende Beweisanträge zu stellen. Mit der Aufklärungsrüge können Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten, vor allem unterbliebene Beweisanträge, nicht kompensiert werden (BayVGH juris Rn. 20 m.w.N.). Eine weitere Sachaufklärung war auch deshalb nicht erforderlich, weil es bei der Ermittlung des Fortbestands des Ausweisungsinteresses auf die Bewährung des Klägers im Maßregelvollzug nicht entscheidend ankommt (siehe 1.4).
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3.2 Der Kläger meint, er sei in seinem Anspruch auf ein faires Verfahren verletzt, weil das Verwaltungsgericht den Beklagten in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hatte, dass in der Abschiebungsandrohung kein Zielstaat benannt worden war und so dem Beklagten die Möglichkeit gegeben wurde, den Bescheid insoweit zu ergänzen.
Der richterliche Hinweis auf die fehlende Zielstaatsbestimmung in der Abschiebungsandrohung erfolgte in Wahrnehmung der richterlichen Hinweispflicht gemäß § 86 Abs. 3 VwGO und führt auch unter Beachtung des Gebots der prozessualen Waffengleichheit nicht zu einer einseitigen Bevorzugung des Beklagten. Im Übrigen hat die Landesanwaltschaft zutreffend darauf hingewiesen, dass selbst eine rechtswidrige Abschiebungsandrohung keine Auswirkungen auf den Ausgang des Klageverfahrens betreffend die Ausweisungsverfügung gehabt hätte, da die Aufhebung der Abschiebungsandrohung die Rechtmäßigkeit der Ausweisung unberührt lässt (BVerwG, U.v. 16.2.2022 – 1 C 6.21 – juris Rn. 40).
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 und 3, § 52 GKG.
22
Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar. Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nach § 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO rechtskräftig.