Inhalt

VG Regensburg, Urteil v. 29.10.2024 – RO 8 K 24.1571
Titel:

Fahrerlaubnisakte, Wiedererteilung der Fahrerlaubnis, Entzug der Fahrerlaubnis, Fahrerlaubnisbehörde, Beschränkung der Fahrerlaubnis, Fahrerlaubnis unter Auflage, Fahrerlaubnisentziehung, Entziehung der Fahrerlaubnis, Fahrerlaubnis-Verordnung, Führen von Kraftfahrzeugen, Verwaltungsgerichte, Fahrprobe, Ablieferung des Führerscheins, Gutachtenanordnung, Nichtvorlage eines Gutachtens, Beibringung eines Gutachtens, Medizinisch-psychologisches Gutachten, Gutachtenanforderung, Gutachtenerstellung, Gutachtenvorlage

Schlagworte:
Fahrerlaubnisentziehung, Fahreignung, Gutachtensanordnung, Zwangsgeldandrohung, Fahrprobe, Rechtsschutzbedürfnis, Führerscheinabgabe
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 14.05.2025 – 11 ZB 24.2006
Fundstelle:
BeckRS 2024, 45974

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis durch das Landratsamt … (LRA).
2
Der 1937 geborene Kläger war zuletzt Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L.
3
Nach einer Mitteilung der Polizeiinspektion (PI) W … vom 19.04.2013 an den Beklagten befuhr der Kläger vor einem Zeugen mit seinem Pkw am 19.04.2013 die Staatsstraße … mit Schlangenlinien und blieb auch öfters kurze Zeit am Straßenrand stehen. Der Kläger wurde einer Polizeikontrolle unterzogen und wirkte auf die kontrollierenden Polizeibeamten „etwas verwirrt und zittrig“. Auf Frage bezüglich des Geburtsdatums des Klägers habe dieser keine Antwort gegeben. Die Polizeibeamten seien nicht in der Lage, die Fahreignung zu beurteilen.
4
Mit Schreiben vom 25.04.2013 forderte das LRA den Kläger zur Beibringung eines Eignungsgutachtens eines Amtsarztes zum Führen von Kraftfahrzeugen auf. Nach dem seitens des Klägers darauf hin beigebrachten Gutachten des Gesundheitsamtes des LRA … vom 23.05.2013 konnten keine Erkrankungen festgestellt werden, die nach Anlage 4 FeV die Fahreignung in Frage stellen. Dies gelte vorbehaltlich einer noch durchzuführenden, augenärztlichen Untersuchung. Daraufhin forderte der Beklagte den Kläger zur Beibringung eines augenärztlichen Gutachtens hinsichtlich der Klassen A und C1E auf. Der Kläger brachte einen Sehtest der Augenärztin Dr. B … vom 12.07.2013 bei, nachdem der Kläger mit einem Visus von 0,25 auf dem rechten und 0,4 auf dem linken Auge die Sehtestanforderungen zur Fahrzeugführung nicht erfüllt. Der Kläger verzichtete darauf hin am 15.07.2013 insgesamt auf seine Fahrerlaubnis aller Klassen.
5
Der Beklagte erteilte dem Kläger am 20.01.2014 auf Antrag eine Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L und händigte ihm einen entsprechenden Führerschein aus. Im Rahmen der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis wurde seitens des Klägers ein augenärztliches Gutachten der Augenärzte Dr. R … und Dr. F … vom 19.12.2013 beigebracht, nach dem das Sehvermögen für die beantragte Fahrerlaubnis unter Einhaltung einer augenärztlichen Nachuntersuchung nach 3 Jahren zur Kontrolle der Sehkraft ausreichend sei. Die augenärztliche Nachuntersuchung nach 3 Jahren wurde bei Wiedererteilung der Fahrerlaubnis als Auflage angeordnet.
6
In Bezug auf die angeordneten augenärztlichen Nachuntersuchungen übersandte der Kläger dem Beklagten das „Zeugnis über die augenärztliche Untersuchung des Sehvermögens“ vom 28.11.2016 der Augenärztin Dr. R … Ausweislich des Zeugnisses erreicht der Kläger die Anforderungen an die Sehkraft nach der FeV ohne Sehhilfe. Es sei jedoch eine Kontrolle nach 2 Jahren erforderlich.
7
Entsprechend des augenärztlichen Gutachtens vom 28.11.2016 forderte der Beklagte den Kläger am 23.11.2018 zur Beibringung eines augenfachärztlichen Gutachtens auf. Daraufhin brachte der Kläger das augenärztliche Gutachten/Zeugnis vom 04.12.2018 der Augenärztin Dr. R … bei, nach dem das Sehvermögen für die bestehende Fahrerlaubnis ausreichend ist, wenn die Beschränkung eingehalten wird, dass der Kläger nicht schneller als 80 km/h fährt. Im Folgenden wurde die Fahrerlaubnis des Klägers am 05.12.2018 durch den Beklagten entsprechend beschränkt.
8
Nach polizeilicher Mitteilung der PI C … vom 27.03.2019 an den Beklagten wurde die Polizei am 27.03.2019 von einer Zeugin über eine unsichere Fahrweise des Klägers benachrichtigt. Eine Streifenbesatzung fuhr daraufhin hinter dem Kläger und beobachtete ihn beim Fahren seines Pkw in verkehrsbehindernder, langsamer Weise sowie beim Fahren von Schlangenlinien. Auch reagierte der Kläger nicht auf das mehrfache und eindeutige Anhaltesignal der Streifenbesatzung und war mit der Situation sichtlich überfordert. Die Fahrweise des Klägers könne mit Bezug auf dessen fortgeschrittenes Alter als bedenklich betrachtet werden, da ihm auch elementare körperliche Maßnahmen zur Umsicht und Rücksicht nicht mehr möglich seien, wie z.B. ein Schulterblick. Es werde seitens der Polizei daher die Prüfung der Kraftfahreignung angeregt.
9
Mit Mitteilung vom 21.01.2023 informierte die PI R2 … den Beklagten darüber, dass während einer polizeilichen Nachfahrt des Klägers am 20.01.2023 beobachtet wurde, wie der Kläger stetig, selbst auf gerader Strecke, über die Mittellinie und danach äußerst weit nach rechts (Schlangenlinien) fuhr. Auch bei Kurven kam der Kläger immer wieder über die Mittellinie. Eine gerade und ruhige Fahrt war nicht zu erkennen. Es wird ausgeführt, dass der Kläger stetig nach links und rechts lenkte, um offenbar die Spur zu halten. Es habe gewirkt, als hätten die Vorderreifen gewackelt, was nicht so gewesen sei. Der Kläger wurde von der Polizei angehalten. Er konnte daraufhin seinen Führerschein nicht finden. Den Fahrzeugschein habe der Kläger bereits in der Hand gehabt, habe diesen als solchen jedoch nicht identifizieren können und ihn wieder weggelegt. Auf Vorhalt der unsicheren Fahrweise habe sich der Kläger sehr uneinsichtig gezeigt und habe der Polizei unterstellt, sie würden dies nur erfinden. Der Kläger habe ausgeführt, dass er täglich mehrere Unfälle haben würde, wenn er so unsicher fahren würde. Unfallschäden konnten am Pkw des Klägers festgestellt werden. Aus polizeilicher Sicht sei der Kläger nicht mehr in der Lage, jederzeit – selbst bei wenig Verkehr und guten Straßenverhältnissen – sicher ein Fahrzeug zu führen.
10
Der Beklagte informierte mit Schreiben vom 27.01.2023 den Kläger über die Mitteilung der PI R2 … vom 21.01.2023 und wurde zur Vorsprache beim Beklagten sowie zur Beibringung eines augenärztlichen Gutachtens aufgefordert. Der Kläger brachte daraufhin die „Bescheinigung über die ärztliche Untersuchung (Anlage 6 Nr. 2.2 der Fahrerlaubnis-Verordnung)“ vom 07.02.2023 bei, nach der er eine zentrale Tagessehschärfe auf dem rechten Auge ohne Korrektur von 0,5 und auf dem linken von 0,6 aufweist, die seitens des Beklagten mit der Bemerkung „Für uns aktuell i.O.“ versehen wurde.
11
Am 16.03.2023 ging beim Beklagten eine anonyme Beschwerde, datiert auf den 14.03.2023, über einen „ältere[n] Herr[n]“ hinsichtlich seiner Fahrweise ein, der mit dem Pkw (Kennz. …) öfters unterwegs sei. Man habe bereits zwei Mal die Polizei angerufen, welche gemeint habe, dass man sich an die „Führerscheinzulassungsstelle“ wenden solle. Der Verfasser des Schreibens habe bereits des Öfteren abbremsen müssen, da der Herr in sehr kurvenreichen Strecken auf der Gegenfahrbahn gefahren sei und dann das Lenkrad verrissen habe. Er sei auch schon vor dem Verfasser gefahren, immer auf der Gegenfahrbahn und wenn einer gekommen sei, habe er das Lenkrad wieder herumgerissen und sei fast im Graben gelandet. Der Herr fahre auch Schlangenlinien, sodass ein Überholen unmöglich sei.
12
Mit Schreiben vom 17.03.2023 forderte der Beklagte den Kläger zur Beibringung medizinischer Unterlagen zur Prüfung der Fahreignung auf, woraufhin der Kläger ausweislich eines Aktenvermerks des Beklagten persönlich am 23.03.2023 bei der Fahrerlaubnisbehörde erschien und ein ärztliches Attest der Ärzte … vom 23.03.2023 sowie einen Medikamentenplan vorlegte, ausweislich dessen beim Kläger u.a die Krankheiten „Hypertensive Herzkrankheit I 11.90“ und „Arterielle Hypertonie I 10.90“ bekannt seien. Nach dem Aktenvermerk habe beklagtenseitig kein fahreignungsausschließender Zustand unmittelbar durch das Attest bzw. den Medikamentenplan erkannt werden können. Der Kläger habe seine Fahreignung selbst als gut eingeschätzt und habe auf seine jahrzehntelange, unfallfreie Erfahrung hingewiesen. Die Behauptungen des anonymen Anzeigenerstatters seien haltlos. Der Kläger wolle keinesfalls auf seine Fahrerlaubnis verzichten. Es sei schwierig festzustellen, ob der Kläger tatsächlich alle Informationen aufgenommen und verstanden habe. Vielfach habe er nur halb verlegen gelächelt. Dem Kläger sei mitgeteilt worden, dass er seine Fahrfertigkeiten im Rahmen einer Fahrprobe beweisen müsse und hierzu aufgefordert werden würde.
13
Mit Schreiben vom 29.03.2023 ordnete der Beklagte ein Gutachten (Eignungsklärung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Rahmen einer verkehrspsychologischen Fahrverhaltensbeobachtung) eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr über die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen an, welche mit Schreiben des Beklagten vom 30.10.2023 – zugestellt am 02.11.2023 – aufgehoben und durch die Anordnung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr, gestützt auf § 46 Abs. 4 FeV, zu folgender Fragestellung ersetzt wurde:
„Kann Herr … trotz der bekannt gewordenen Fahrauffälligkeiten ein Kraftfahrzeug der Gruppe I (Klassen AM, B und L) noch sicher führen? (Klärung Fahrbefähigung im Rahmen einer Fahrprobe)“.
14
Für die Gutachtensbeibringung wurde eine Frist bis zum 30.12.2023 gesetzt. Im Schreiben vom 30.10.2023 befand sich ebenfalls der Hinweis, dass von einer Nichteignung ausgegangen werde, sollte die Untersuchung verweigert werden oder das Gutachten nicht innerhalb der Frist vorgelegt werden. Ebenfalls wurde darauf hingewiesen, dass die Feststellung der Nichteignung zum Entzug der Fahrerlaubnis führe. Die Gutachtensaufforderung wurde damit begründet, dass nach dem Schreiben der PI R2 … vom 21.01.2023 verschiedene Fahrauffälligkeiten festgestellt worden seien, 2019 eine ähnliche Meldung über fehlendes Fahrkönnen bereits ergangen sei und aus polizeilicher Sicht keine Fähigkeit mehr zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges bestehe. Ferner seien im Rahmen des am 16.03.2024 beim Beklagten eingegangenen, anonymen Schreibens eines anderen Verkehrsteilnehmers ebenfalls Fahreignungszweifel geschildert worden. Anhaltspunkte, dass die Fahrauffälligkeiten mit einer bestimmten Erkrankung in Verbindung stehen könnten, hätten sich nicht ergeben, sodass von Mängeln an der Fahrbefähigung ausgegangen werden müsse. Da bei nicht bestehenden Fähigkeiten zum Führen von Kraftfahrzeugen die Fahrerlaubnis zu entziehen sei, sei das Gutachten beizubringen.
15
Der Kläger erklärte sich mit einer Begutachtung durch den TÜV Süd einverstanden. Ein Gutachten wurde infolgedessen nicht beigebracht.
16
Mit Schreiben vom 08.01.2024 hörte der Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an.
17
Mit Bescheid vom 18.01.2024, dem Kläger zugestellt am 20.01.2024, entzog das LRA dem Kläger die Fahrerlaubnis aller Klassen (Ziff. 1). Der Kläger wurde verpflichtet, seinen Führerschein beim LRA abzugeben (Ziff. 2). In Ziff. 3 wurde die sofortige Vollziehung der Ziff. 1 und 2 des Bescheids angeordnet. Für den Fall, dass der Kläger der Verpflichtung aus Ziff. 2 binnen sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids nicht nachkomme, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Ziff. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen der Vortrag aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Insbesondere wurde ausgeführt, dass die Behörde zu Recht gemäß § 46 Abs. 4 FeV die Beibringung eines Gutachtens anordnen durfte, da aufgrund des in den polizeilichen Mitteilungen vom 27.03.2019 und 21.01.2023 geschilderten Fahrverhaltens des Klägers ausreichende Anhaltspunkte für das Fehlen erforderlicher praktischer Fahrfertigkeiten des Klägers bestünden. Dies rechtfertige die Abklärung der Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Die Anordnung einer Fahrprobe sei ermessensfehlerfrei, insbesondere habe es nicht nahegelegen, dass die vorliegend medikamentös behandelten Erkrankungen für sich Fahrauffälligkeiten auslösten und auch die Polizeibeamten vor Ort keinen schlechten Gesundheitszustand festgestellt hätten. Ein milderes Mittel als eine Fahrprobe habe nicht zur Verfügung gestanden, zumal ein verkehrsmedizinisches Gutachten stärker in die Persönlichkeitsrechte des Klägers eingegriffen und einen höheren finanziellen Aufwand bedeutet hätte und trotzdem eine Fahrprobe voraussichtlich unausweichlich gewesen wäre. Dies auch deshalb, weil nicht anzunehmen sei, dass sich die Fahrauffälligkeiten alleine auf eine schlechte gesundheitliche Verfassung bzw. eine bestimmte Erkrankung zurückführen ließen. Die Notwendigkeit der Abgabepflicht des Führerscheins bestehe zur Verhinderung der Täuschung bei eventuellen Polizeikontrollen, da Registerabfragen beim Kraftfahrt-Bundesamt anlässlich allgemeiner Verkehrskontrollen nur in seltenen Einzelfällen erfolgten.
18
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24.01.2024 ließ der Kläger hiergegen Widerspruch einlegen und Aussetzung der sofortigen Vollziehung der Ziffern 1 und 2 des Bescheides vom 18.01.2024 beantragen. Begründet wurde dies damit, dass der Bescheid des Beklagten vom 18.01.2024 rechtswidrig sei und den Kläger in seinen Rechten verletze. Der Kläger habe seine Mitwirkungspflichten stets erfüllt. Er sei den Aufforderungen des Beklagten stets nachgekommen und habe die angeforderten Unterlagen vorgelegt. Auch der Anordnung zur Absolvierung einer Fahrprobe habe der Kläger nachkommen wollen. Aufgrund der Weihnachtszeit sowie des anstehenden Jahreswechsels seien die Fahrschulen in seiner Umgebung nicht erreichbar. Der Kläger wolle jedoch weiterhin der Aufforderung nachkommen, sodass nicht von einer Weigerung der Erfüllung der Anordnung ausgegangen werden könne. Die Entzugsvoraussetzungen lägen nicht vor. Der Kläger sei auf seine Fahrerlaubnis zwingend angewiesen, da er ohne sie seinen Alltag nicht meistern könne. Insbesondere seien Arzttermine nicht an die Fahrpläne des ÖPNV anpassbar und er habe keine Familie, die ihn unterstützen könne. Der Bescheid sei auch unverhältnismäßig.
19
Mit Schreiben vom 25.01.2024 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass nicht abgeholfen werden könne, der eingelegte Widerspruch keine aufschiebende Wirkung habe und weiterhin auf die fristgemäße Ablieferung des Führerscheins bestanden werde, da die Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Es hätte dem Kläger oblegen, eine etwaige notwendige Fristverlängerung zur Absolvierung der Fahrprobe zu beantragen und zu begründen. Es habe genügend Zeit bestanden, sich sowohl mit der Fahrschule als auch mit dem TÜV in Verbindung zu setzen.
20
Nach einem Aktenvermerk des Beklagten vom 25.01.2024 über ein Telefonat mit „A …“ von der Fahrschule P … vom 24.01.2024 sei der Kläger vor kurzem in der Fahrschule gewesen und habe eine „Probefahrt“ gemacht. Der Kläger sei nicht einmal ansatzweise fähig, ein Fahrzeug zu führen. Der Kläger habe gemeint, dass diese Fahrt ausreiche bzgl. seines Führerscheins, was „A …“ ihm gegenüber verneint und auf die zu absolvierende Fahrprobe hingewiesen habe. Dies habe der Kläger „nicht so ganz gecheckt“.
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Der Kläger ließ seinen Führerschein über seinen Bevollmächtigten am 02.02.2024 beim Beklagten abgeben.
22
Mit Schreiben vom 08.02.2024 legte der Beklagte die Fahrerlaubnisakte der Regierung der Oberpfalz zur Entscheidung vor.
23
Mit Widerspruchsbescheid der Regierung der Oberpfalz vom 01.07.2024, dem Klägerbevollmächtigten zugestellt am 04.07.2024, wurde der Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Begründet wurde dies insbesondere damit, dass der Beklagte zu Recht von der fehlenden Kraftfahrbefähigung des Klägers ausgegangen sei. Das Gutachten sei zu Recht angeordnet worden, deshalb sei bei Weigerung bzw. nicht fristgerechter Beibringung des Gutachtens richtigerweise nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung geschlossen worden. Durch die aktenkundigen, wiederholten Auffälligkeiten in der Fahrweise des Klägers bestünden begründete Zweifel an der Befähigung des Klägers zum sicheren Führen eines Kraftfahrzeuges und rechtfertigten die Anordnung der Fahrprobe. Der BayVGH sehe die isolierte Anordnung einer Fahrprobe als zulässig an. Die gesetzte Frist von 8 Wochen zur Beibringung sei ausreichend lang.
24
Mit Schriftsatz vom 04.07.2024, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ der Kläger gegen den Bescheid des Beklagten vom 18.01.2024 in Form des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2024 Klage erheben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz nachsuchen (Az. RO 8 S 24.1570). Der Kläger vertieft seine bereits im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Argumente. Er werde durch den streitgegenständlichen Bescheid in seinen Rechten verletzt, da dieser rechtswidrig sei. Ihm sei zu Unrecht die Fahrerlaubnis entzogen worden. Der Kläger sei auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Termine seien auf die Busfahrzeiten nicht anpassbar, Taxifahrten könne er sich wirtschaftlich und finanziell nicht leisten. Es werde zu Unrecht außen vor gelassen, dass der Kläger im Rahmen der Fahreignungsüberprüfung stets mitgewirkt habe. Er habe innerhalb der gesetzten Frist keinen Prüfer für die Fahrprobe beauftragen können. Es werde nicht begründet, weshalb der Kläger die Verkehrssicherheit der Allgemeinheit massiv gefährden würde. Der Bescheid verletze auch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Mit einer Beschränkung der Fahrerlaubnis auf einen Umkreis von 50km um den Wohnsitz des Klägers würde sich dieser einverstanden erklären, da er so wenigstens seinen Alltag erledigen könne.
25
Der Kläger beantragt,
der Bescheid des Beklagten vom 18.01.2024, zugestellt am 20.01.2024, Az. …, in Form des Widerspruchsbescheides der Regierung der Oberpfalz vom 01.07.2024, Az. …, zugestellt am 04.07.2024 wird aufgehoben.
26
Der Beklagte wird dazu verurteilt, den vom Kläger am 01.02.2024 abgelieferten Führerschein unverzüglich wieder herauszugeben und für den Fall, dass der Führerschein unbrauchbar gemacht wurde, einen neuen Führerschein der Klassen AM, B und L auszustellen.
27
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
28
Die zulässige Klage sei unbegründet, da der Bescheid vom 18.01.2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01.07.2024 rechtmäßig sei und zur Abwendung akuter Gefahren ein unverzügliches Handeln des Beklagten erforderlich gewesen sei. Die Fahrprobe sei ermessensfehlerfrei angeordnet worden. Insbesondere sei erkannt worden, dass ein Ermessen bestehe und dass es nicht naheliegend sei, dass die vorliegend medikamentös behandelten Erkrankungen ursächlich für die Fahrauffälligkeiten gewesen seien. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei gewahrt. Ein milderes Mittel, wie etwa die klägerseitig vorgebrachte Beschränkung der Fahrerlaubnis auf einen Umkreis von 50km um den Wohnsitz, sei nicht möglich, da sich die Fahrauffälligkeiten gerade im engeren Umfeld um den Wohnsitz ereignet hätten und auf jeden Fall für eine derartige Entscheidung der Belassung der Fahrerlaubnis unter Auflagen, das angeforderte Befähigungsgutachten essentiell wichtig gewesen wäre. Der Kläger sei nicht mehr in der Lage, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen, weshalb das von ihm ausgehende Gefahrenpotenzial weit über dem Durchschnitt aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liege.
29
Mit Beschluss vom 05.08.2024 hat das Verwaltungsgericht Regensburg den Antrag des Klägers im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes abgelehnt.
30
Mit Schreiben vom 18.09.2024 hat das Gericht die Beteiligten um Mitteilung gebeten, ob in der Sache Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündlichen Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) besteht. Mit Schreiben vom 19.09.2024 bzw. vom 24.09.2024 haben der Beklagte bzw. der Kläger sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
31
Zur Ergänzung der Sachverhaltswiedergabe wird auf den vorgelegten Behördenakt sowie die Gerichtsakten (RO 8 S 24.1570 und RO 8 K 24.1571) verwiesen.

Entscheidungsgründe

32
Das Gericht entscheidet ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO).
33
Die Klage ist hinsichtlich der Ziffer 4 des Bescheids vom 18.01.2024 unzulässig, im Übrigen ist die Klage zulässig aber unbegründet, da der angegriffene Bescheid rechtmäßig und der Kläger dadurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
34
Die Klage ist hinsichtlich der Ziffer 4 des Bescheids vom 18.01.2024 unzulässig. Die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 4 dieses Bescheides betrifft den Fall, dass der Kläger seinen Führerschein nicht rechtzeitig abgibt. Der Kläger hat ausweislich der vorgelegten Behördenakte (vgl. Seite 111) seinen Führerschein jedoch bereits bei der Behörde abgegeben. Durch die Erfüllung der Verpflichtung hat sich die Androhung des Zwangsgeldes erledigt (vgl. BayVGH, B.v. 23.08.2023 – 11 CS 23.980 – juris Rn. 12). Nachdem auch sonst nicht ersichtlich ist, dass der Beklagte insoweit weiterhin Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen möchte, fehlt es dem Kläger für eine Klage hinsichtlich Ziffer 4 des streitgegenständlichen Bescheids am erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis.
35
Im Übrigen ist die Klage zulässig, bleibt aber in der Sache ohne Erfolg.
I.
36
Rechtsgrundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV. Danach hat die Fahrerlaubnisbehörde jemandem, der sich als ungeeignet oder nicht befähigt zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen.
37
Nach § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf die Nichteignung des Betroffenen schließen, wenn sich dieser weigert, sich untersuchen zu lassen, oder wenn er das geforderte Gutachten nicht fristgerecht beibringt. Voraussetzung ist allerdings, dass die Untersuchungsanordnung der Fahrerlaubnisbehörde rechtmäßig, insbesondere anlassbezogen und verhältnismäßig ist und die Weigerung ohne hinreichenden Grund erfolgt ist (vgl. BayVGH, B.v. 11.02.2008 – 11 C 08.1030; B.v. 08.10.2009 – 11 CS 09.1891). Die Gutachtensanordnung muss hinreichend bestimmt und aus sich heraus verständlich sein. Denn nur unter diesen Voraussetzungen kann das Verhalten des Pflichtigen dahingehend gewertet werden, dass er vorwerfbar die Benutzung eines Beweismittels vereitelt hat und deswegen die zu beweisende Tatsache – hier seine Nichteignung – nach dem Rechtsgedanken der §§ 427, 444 und 446 ZPO als erwiesen angesehen werden kann (OVG NW, B.v. 10.07.2002 – 19 E 808/01 – juris Rn. 6). An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung sind strenge Maßstäbe anzulegen, weil die Gutachtensanordnung mangels Verwaltungsaktqualität nicht isoliert mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann. Der Betroffene trägt das Risiko, dass ihm bei einer Weigerung gegebenenfalls die Fahrerlaubnis entzogen wird. Daher kann auf die strikte Einhaltung der vom Verordnungsgeber für die Rechtmäßigkeit einer solchen Anordnung aufgestellten formalen Voraussetzungen nicht verzichtet werden (vgl. BayVGH, B.v. 27.11.2012 – 11 ZB 12.1596 – juris Rn. 10, BayVGH, B.v. 15.05.2008 – 11 CS 08.616 – juris Rn. 50).
38
Für die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung stellen § 46 Abs. 4 Satz 3 FeV, § 11 Abs. 6 Satz 1 und 2 FeV in formeller Hinsicht konkrete Voraussetzungen auf. Hiernach legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Zudem teilt die Behörde dem Betroffenen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung bzw. Maßnahme zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat und teilt ihm mit, dass er die zu übersendenden Unterlagen einsehen kann. Die Begutachtungsanordnung muss im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein. Für den Betroffenen muss ausgehend von der für die jeweilige Fallgestaltung in Betracht kommenden Ermächtigungsnorm in der Fahrerlaubnis-Verordnung erkennbar sein, was der Anlass für die angeordnete Untersuchung ist und ob die in ihr verlautbarten Gründe die behördlichen Bedenken an der Kraftfahreignung zu rechtfertigen vermögen (vgl. BVerwG, U.v. 05.07.2001 – 3 C 13.01 – juris Rn. 24 ff.; OVG NW, B.v. 07.02.2013 – 16 E 1257/12 – juris Rn. 4; VGH BW, B.v. 30.06.2011 – 10 S 2785/10 – juris Rn. 4 ff.).
39
Diese Vorgaben hat der Beklagte bei der Anordnung über die Beibringung eines Gutachtens über eine Fahrprobe vom 30.10.2023 beachtet. Das LRA hat für den Kläger deutlich erkennbar dargestellt, dass es aufgrund der Auffälligkeiten des Klägers im Straßenverkehr, die im Rahmen der polizeilichen Mitteilungen vom 21.01.2023 und ähnlicher Mitteilung vom 27.03.2019 bekannt wurden, sowie des Schreibens des anonymen Verkehrsteilnehmers vom 14.03.2023 Zweifel an der Fahreignung habe. Da keine Anhaltspunkte erhoben werden konnten, dass die Fahrauffälligkeiten mit einer bestimmten, bestehenden Erkrankung in Verbindung stehen, sei von Mängeln an der Fahrbefähigung auszugehen. Diesen Zweifeln an der Fahrbefähigung sei durch die Beibringung eines Gutachtens über eine Fahrprobe zu begegnen und eine Klärung der Fahrbefähigung sei insoweit herbeizuführen. Die Gutachtensanordnung ist insoweit aus sich heraus verständlich. Die sodann in der Gutachtensanordnung formulierte Fragestellung im Hinblick auf die Kraftfahrbefähigung des Klägers hat das LRA unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles festgelegt. Auf die Kostentragungspflicht des Klägers für die Gutachtenerstellung wurde entsprechend § 11 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 1 FeV hingewiesen, zudem enthielt die Gutachtensanordnung auch einen Hinweis auf die Rechtsfolge bei Nichtvorlage eines Gutachtens innerhalb der gesetzten Frist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV. Auch begegnet die in der Gutachtensanordnung vom 30.10.2023 gesetzte Frist von zwei Monaten (bis 30.12.2023) keinen Bedenken. Insoweit geht die Rechtsprechung mit Blick auf Fahreignungsgutachten davon aus, dass – abhängig vom Einzelfall – in der Regel bereits zwei Monate für die Vorlage des Gutachtens ausreichen. Dient die Vorlage des Gutachtens der Klärung der Frage, ob der Fahrerlaubnisinhaber seine Fahrbefähigung verloren hat, ist die Beibringungsfrist nach der Zeitspanne zu bemessen, die von einem amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfer für den Kraftfahrzeugverkehr zur Erstattung des Gutachtens voraussichtlich benötigt wird. Den Zweifeln an der Befähigung ist in diesem Fall so zeitnah wie möglich nachzugehen, da insofern die Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer in Frage steht (BayVGH, B.v. 11.02.2019 – 11 CS 18.1808 – juris Rn. 26). Grundsätzlich reicht nach ständiger Rechtsprechung des BayVGH in Bezug auf Gutachten hinsichtlich der Fahreignung hierfür eine Frist von zwei Monaten aus (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2020 – 11 CS 20.1780 – beck-online Rn. 30; B.v. 07.09.2020 – 11 CS 20.1418 – juris Rn. 21 m.w.N.). In Bezug auf Gutachten zur Klärung von Zweifeln an der Befähigung zum Führen von Kraftfahrzeugen kann unter Berücksichtigung des Schutzzwecks, der Abwendung möglicher erheblicher Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer nichts anderes gelten (vgl. zur Angemessenheit einer 2-Monats-Frist zur Beibringung eines Gutachtens über eine Fahrprobe VG Bayreuth, B.v. 30.04.2020 – B 1 S 20.348 – beck-online Rn. 24). Durchschlagende Gründe, weshalb die Gutachtensbeibringung binnen der gesetzten Frist nicht habe möglich sein sollen, sind nicht ersichtlich. Insbesondere ist dem Beklagten zuzustimmen, dass der Kläger bei zeitlich absehbarer Möglichkeit zur Absolvierung der Fahrprobe nach Fristablauf eine entsprechende Fristverlängerung beim Beklagten hätte beantragen können. Die gesetzte Frist zur Gutachtensvorlage stellt keine Ausschlussfrist dar, sodass weitere Entwicklungen bis zum Abschluss des Behördenverfahrens somit hätten berücksichtigt werden müssen (vgl. BayVGH, B.v. 03.11.2020 – 11 CS 20.1469 – beck-online Rn. 35). D.h., der Kläger hätte auch die Möglichkeit gehabt, seine Mitwirkungshandlung im Widerspruchsverfahren nachzuholen und somit seine Befähigungszweifel bei der Entscheidung über den Widerspruch auszuräumen (BayVGH, B.v. 03.11.2020 – 11 CS 20.1469 – beck-online), was er nicht getan hat. Zusammenfassend ist die geltend gemachte, unzureichend kurze Frist zur Beibringung des Gutachtens über eine Fahrprobe nur behauptet, ohne dies tiefer zu belegen und nachvollziehbar darzulegen.
40
Die Gutachtensanordnung ist auch materiell rechtmäßig. Sie durfte bei dem vorliegenden Sachverhalt auf § 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 Satz 1 StVG, § 46 Abs. 4 Satz 2 FeV gestützt werden. Nach diesen Vorschriften kann die handelnde Behörde (Ermessen) die Beibringung eines Gutachtens über eine Fahrprobe anordnen, wenn Zweifel an der Befähigung des Adressaten zum Führen von Kraftfahrzeugen bestehen (vgl. BayVGH, B.v. 12.08.2021 – 11 ZB 21.1571 – beck-online; BayVGH, B.v. 19.10.2010 – 11 ZB 10.55 – beck-online; VG Regensburg, B.v. 11.01.2016 – RN 8 S 15.1978 – nicht veröffentlicht). Die „isolierte“ Anordnung eines Gutachtens über eine Fahrprobe ist zulässig (BayVGH, B.v. 03.04.2007 – 11 C 07.331 – juris Rn. 16; VGH BW, B.v. 27.07.1990 – 10 S 1428/90 – juris 6 f.; VG Regensburg, B.v. 11.01.2016 – RN 8 S 15.1978 – nicht veröffentlicht). Diese Voraussetzungen sind bei dem vorliegenden Sachverhalt erfüllt. Anhaltspunkte für Tatsachen, die einen Mangel der Fahrbefähigung als naheliegend erscheinen lassen, können sich aus Amtsermittlung der Behörde, aus Mitteilungen anderer Behörden oder von dritter Seite ergeben (vgl. zu Fahreignungsmängeln Dronkovic in BeckOK Straßenverkehrsrecht, Stand 15.07.2023, § 11 FeV Rn. 10). Der Beklagte durfte nach den Mitteilungen der PI R2 … vom 27.03.2019 und 21.01.2023 sowie der Mitteilung des anonymen Verkehrsteilnehmers vom 14.03.2023 von Hinweisen hinsichtlich Zweifeln an der Befähigung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen. Aus den Mitteilungen gehen wiederholte, schwere Fahrfehler, insbesondere durch das Fahren auf der Gegenfahrbahn, unkontrollierte Lenkbewegungen, Fahren von Schlangenlinien, verkehrsbehindernde, langsame Fahrweise, Nichtreaktion auf polizeiliche Anhaltesignale und ein verwirrter Allgemeinzustand hervor, die Zweifel an der Befähigung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen. Statt der Anordnung eines Gutachtens hinsichtlich einer Fahrprobe war es nicht erforderlich, ein ärztliches oder medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen, da die Fahrprobe im Vergleich zu den genannten, denkbaren Alternativen, nur geringfügig in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Betroffenen eingreift und in optimaler Weise dem Grundsatz Rechnung trägt, dass die Maßnahme zu treffen ist, die für den Fahrerlaubnisinhaber den geringstmöglichen Eingriff bedeutet und die Prüfung auf den engen Ausschnitt der für die Fahrtauglichkeit maßgeblichen Faktoren begrenzt (VGH BW, B.v. 27.07.1990 – 10 S 1428/90 – juris Rn. 7). Dabei ist insbesondere auch die wirtschaftliche Situation des Betroffenen zu berücksichtigen, wonach Alternativmaßnahmen zur Fahrprobe deutlich kostenintensiver sind und eine erhebliche Belastung für den Kläger darstellen würden (BayVGH, B.v. 03.04.2007 – 11 C 07.331 – juris Rn. 16). All dies wurde mit Blick auf die Notwendigkeit von Maßnahmen zur Erreichung des verfolgten Ziels bei der Auswahl der Fahrprobe ermessensfehlerfrei berücksichtigt (vgl. BayVGH, B.v. 03.04.2007 – 11 C 07.331 – juris Rn. 16). Dies auch deshalb, weil allgemein anerkannt ist, dass ältere Fahrerlaubnisinhaber mit langer Fahrpraxis psycho-physische Leistungsminderungen bis zu einem gewissen Grad durch Erfahrung und gewohnheitsmäßig geprägte Bedienungshandlungen ausgleichen können (vgl. BVerwG, U.v. 17.09.1987 – 7 C 79/86 – juris Rn. 12)
41
Liegen die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 2 Abs. 8 Satz 1 StVG, 46 Abs. 4 Satz 2 FeV vor, kann der Beklagte ein Gutachten über eine Fahrprobe anordnen, da er regelmäßig nicht in der Lage ist, die den Befähigungszweifeln zugrundeliegenden Tatsachen fachlich zu würdigen (vgl. im Grundsatz Hahn/Kalus in MüKo StVR, 1. Aufl. 2016, § 11 FeV Rn. 9 ff. m.w.N.). Insoweit ist die Entscheidung des Beklagten zur Gutachtensanforderung nicht zu beanstanden.
42
Da die Gutachtensanforderung rechtmäßig war, durfte die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 Alt. 2 FeV auf die mangelnde Fahreignung des Klägers schließen, nachdem das angeforderte Gutachten bis zum angegebenen Termin nicht vorgelegt wurde und die Gutachtensanordnung einen Hinweis auf die Rechtsfolge bei Nichtvorlage des Gutachtens innerhalb der gesetzten Frist gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV enthielt.
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Ist auf mangelnde Fahreignung zu schließen, ist die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV zwingend vorgeschrieben. Wirtschaftliche oder sonstige persönliche Nachteile in Folge des Verlustes der Fahrerlaubnis haben keine Bedeutung gegenüber dem öffentlichen Interesse, wenn dieses die Entziehung erfordert. Raum für eine Ermessensbetätigung besteht auch nicht deshalb, weil § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV davon spricht, dass die Behörde bei unterbliebener Vorlage eines Fahreignungsgutachtens auf die Nichteignung des Betroffenen schließen „darf“. Diese Formulierung bringt zum Ausdruck, dass aus der Weigerung, sich einer zu Recht angeordneten Begutachtung zu unterziehen oder ihr Ergebnis der Behörde vorzulegen, nur dann hergeleitet werden darf, dass der Betroffene einen Eignungsmangel verbergen will, wenn für die Nichtbeibringung des angeforderten Gutachtens kein ausreichender Grund besteht. Liegen solche Hintergründe nicht vor, hat die Fahrerlaubnisbehörde demgegenüber der sich aus § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV ergebenden Wertung Rechnung zu tragen, d.h. sie hat davon auszugehen, dass der Betroffene fahrungeeignet ist und hieraus die vorgeschriebenen Folgerungen zu ziehen (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 28.10.2010 – 11 CS 10.1930 – juris Rn. 24; B.v. 27.09.2013 – 11 CS 13.1399 – juris Rn. 15; B.v. 28.12.2020 – 11 CS 20.2067 – juris Rn. 20). Gründe, die den Kläger daran gehindert haben, das verlangte Fahreignungsgutachten rechtzeitig beizubringen, greifen – wie bereits im Hinblick auf die gesetzte Frist zur Beibringung des Gutachtens ausgeführt – nicht durch. Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass dem Beklagten zustimmend, die klägerseitig vorgeschlagene Begrenzung der Fahrerlaubnis auf einen Umkreis von 50 km um den Wohnort des Klägers keine Alternative zur Fahrerlaubnisentziehung darstellt, da die gezeigten Fahrauffälligkeiten zum einen gerade in der Wohnortumgebung des Klägers festgestellt wurden und zum anderen als generelle, wohnortunabhängige Auffälligkeiten erscheinen, die die grundsätzliche Fahrbefähigung betreffen.
II.
44
Auch die Anordnung zur Ablieferung des Führerscheins in Ziffer 2 des Bescheids vom 18.01.2024 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
45
Die Ermächtigungsgrundlage für die Anordnung ist in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG i.V.m. § 47 Abs. 1 Satz 1 FeV zu finden. Ist die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtmäßig, ist auch die darauf aufbauende Anordnung, den zugehörenden Führerschein abzugeben, nicht zu beanstanden. Denn nach § 3 Abs. 2 Satz 1 StVG erlischt mit der Entziehung die Fahrerlaubnis. Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG ist nach der Entziehung der Fahrerlaubnis der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern.
III.
46
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 ff. ZPO