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AG München, Endurteil v. 18.01.2024 – 213 C 15637/23
Titel:

Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten, Abtretungsvereinbarung, Vorläufige Vollstreckbarkeit, Vorgerichtliche Tätigkeit, Schreibgebühren, Sachverständigenhonorar, Kfz-Sachverständiger, Sachverständigenkosten, Aktivlegitimation, Verfahren nach billigem Ermessen, Honorarvereinbarung, Allgemeine Geschäftsbedingungen, Billiges Ermessen, Darlegungs- und Beweislast, Abgetretene Rechte, Erstattung, Klageabweisung, Kopierkosten, Mitgliedschaft, Abgetretene Forderung

Schlagworte:
Sachverständigenhonorar, Abtretung, Aktivlegitimation, Angemessenheit der Kosten, Beweislast, Nebenforderungen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 45496

Tenor

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 43,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.06.2023 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird auf 592,91 € festgesetzt.

Entscheidungsgründe

1
Gemäß § 495a ZPO bestimmt das Gericht das Verfahren nach billigem Ermessen. Innerhalb dieses Entscheidungsrahmens berücksichtigt das Gericht grundsätzlich den gesamten Akteninhalt.
I.
2
Die zulässige Klage ist nur zu einem geringen Teil begründet.
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1. Der Kläger ist aktiv legitimiert. Zweifel bestehen insoweit nicht mehr, nachdem im laufenden Verfahren eine durch den Kläger und den Zedenten unterzeichnete Abtretungsvereinbarung vom 21.11.2023 vorgelegt wurde.
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2. Ein über den seitens der Beklagten bezahlten Betrag hinausgehender Anspruch auf Erstattung von Sachverständigenkosten wurde nicht schlüssig dargelegt.
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a) Da der Kläger hier aus abgetretenem Recht des Unfallgeschädigten vorgeht, gelten für die abgetretene Forderung dieselben Grundsätze wie bei der Inanspruchnahme des Pflichtversicherers durch den Geschädigten: Es besteht keine Verpflichtung, einen möglichst preisgünstigen Sachverständigen ausfindig zu machen (Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 82. Auflage 2023, § 249 BGB, Rn. 58). Der Sachverständiger kann das Honorar frei vereinbaren oder nach billigem Ermessen bestimmen (Grüneberg, a. a. O.). Bei Routinegutachten kann das Honorar ohne Angabe des Zeitaufwands nach dem zutreffend ermittelten Schadensaufwand festgesetzt werden (Grüneberg, a. a. O.). Der Geschädigte hat die Angemessenheit des Honorars darzulegen, wobei insoweit auf seine Erkenntnis- und Einflussmöglichkeit abzustellen ist; bezahlt der Geschädigte oder sein Rechtsanwalt die Rechnung hat dies Indizwirkung, sodass der Schädiger die Höhe qualifiziert bestreiten muss (Grüneberg, a. a. O.).
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b) Für den vorliegenden Fall ergibt sich aus diesen in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen folgendes:
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aa) Das Vorliegen einer Honorarvereinbarung zwischen dem Geschädigten und dem Kläger wird einerseits durch den Kläger gar nicht behauptet, andererseits durch die Beklagte ausdrücklich bestritten, sodass davon auszugehen ist, dass das Grundhonorar nach der BVSK-Honorartabelle hier seitens des Klägers nicht aufgrund entsprechender Vereinbarung, sondern im Rahmen einer Vergütungsbestimmung nach billigem Ermessen abgerechnet wurde.
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bb) Eine Bezahlung der Rechnung des Klägers ist bislang lediglich teilweise, nach Maßgabe der eigenen Berechnung der Beklagten erfolgt, sodass auch die in der Rechtsprechung angenommene Indizwirkung hinsichtlich der Angemessenheit nicht eingetreten ist.
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cc) Während es für den Geschädigten im Rahmen seiner Darlegungs- und Beweislast zur Angemessenheit des Honorars in der Regel ausreicht, zunächst bloß die Rechnung des Sachverständigen vorzulegen, sofern sich keine weitergehenden Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten aufdrängen, ist dies anders zu beurteilen, wenn der Sachverständige selbst aus abgetretenem Recht vorgeht. Denn diesem stehen natürlich sämtliche Erkenntnis- und Einflussmöglichkeiten hinsichtlich der Entstehung seiner Rechnung zur Verfügung.
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Ein bestimmter Aufwand wird hier nicht dargelegt, da der Kläger darauf besteht, die Pauschale abrechnen zu können. Ebensowenig wird behauptet, dass es sich um ein Routinegutachten handele. Das Gutachten selbst wurde im Verfahren auch nicht vorgelegt, sodass das Gericht hierzu keine Erkenntnis haben kann. Letztlich lautet der Sachvortrag zunächst nur: „Das Grundhonorar wird bekanntermaßen nach der BVSK ermittelt.“ Dabei ist mittlerweile auch unstreitig, dass der Kläger gar kein Mitglied der BVSK ist. Deren Honorartabelle beruht aber auf einer Befragung der eigenen Mitglieder. Ausdrücklich stellt der BVSK klar, dass er keine Erhebungen zu Honoraren von Nichtmitgliedern durchführt.
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Der Kläger hat sich insoweit bemüht, zur Üblichkeit und Angemessenheit eines Honorars nach BVSK-Tabelle – auch für sich selbst, als Nichtmitglied – vorzutragen, als mitgeteilt wurde, dass der Kläger Diplom-Ingenieur sei, und eine Prüfungsbescheinigung vom 10.06.2011 als amtlich anerkannter Kfz-Sachverständiger nach § 5 KfSachvG vorgelegt wurde.
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Das Gericht geht davon aus, dass selbst wenn der Kläger gleich oder ähnlich qualifiziert sein sollte wie ein durchschnittlicher BVSK-Sachverständiger, trotzdem von der Tabelle kaum Rückschlüsse auf das übliche Honorar eines Nicht-BVSK-Sachverständigen gezogen werden können, unabhängig von dessen Qualifikation, da auch der Umstand der BVSK-Mitgliedschaft an sich wertbildend zu berücksichtigen ist. Zudem fehlt es eben auch gerade an den Anforderungen, die der BVSK stellt. Scheinbar ist der Kläger weder öffentlich bestellt und vereidigt, noch verfügt er sonst über eine durch den BVSK anerkannte Zertifizierung.
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Weitergehende Erkenntnismöglichkeiten für eine gerichtliche Schätzung des angemessenen Sachverständigenhonorars liegen nicht vor. Die Beklagte hat sich im Detail mit der Ermittlung des Aufwandes beschäftigt. Der Kläger bestreitet dies lediglich, trägt aber selbst nicht vor, da er auf der Pauschale nach der BVSK-Tabelle beharrt.
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Eine über den bereits bezahlten Betrag hinausgehende Forderung des Klägers ist letztlich anhand des Sachvortrags nicht ersichtlich.
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c) Lediglich bei den Nebenpositionen ergeben sich gewisse Änderungen. Deren Abrechnung hat die Beklagte in der Klageerwiderung im wesentlichen plausibel dargelegt.
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aa) Hinsichtlich der Fahrtkostenabrechnung hat der Kläger daraufhin behauptet, es handele sich um eine übliche Pauschalierung. Dem wäre allenfalls zu folgen, wenn eine solche Abrechnung zwischen dem Kläger und dem Zedenten so vereinbart gewesen wäre.
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bb) Ebensowenig hält das Gericht die Abrechnung der EDV- und Schreibgebühren über den erstatteten Betrag hinaus für gerechtfertigt.
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cc) Das Gericht folgt dem Vortrag der Beklagten jedoch nicht hinsichtlich der Foto- und Kopierkosten. Eine Relevanzprüfung der einzelnen Fotoaufnahmen für das Begutachtungsergebnis kommt nicht in Betracht, sofern es sich nicht tatsächlich um völlig sinnlose Fotos handelt. Des Weiteren geht das Gericht auch davon aus, dass für den Auftraggeber des Gutachtens entsprechende Ausfertigungen erstellt werden dürfen. Selbstständig steht es dem Versicherer, wenn er selbst eine Begutachtung in Auftrag gibt, frei, auf ein schriftliches Gutachten zu verzichten. Der Unfallgeschädigte ist dazu aber nicht verpflichtet. Der abgerechnete Betrag von 75,40 € (20,00 € + 40,00 € + 15,40 €), abzüglich des durch die Beklagte ermittelten Betrages von 32,00 €, somit 43,40 €, ist nachzuzahlen.
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3. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sind nicht zu erstatten. Zum Zeitpunkt der vorgerichtlichen Tätigkeit war der Kläger überhaupt nicht aktiv legitimiert. Im Hinblick auf die BGH-Entscheidungen vom 17.07.2018, Az. VI ZR 274/17, und vom 18.02.2020, Az. VI ZR 135/19, die hier Gegenstand der schriftsätzlichen Erörterung sind, ist von einer Unwirksamkeit der Abtretungsklausel in den allgemeine Geschäftsbedingungen des Klägers auszugehen, da er sich die Forderung einerseits erfüllungshalber abtreten lässt, andererseits sich aber trotzdem eine Geltendmachung gegenüber dem Zedenten vorbehält. Die Aktivlegitimation wurde somit erst durch die Abtretungsvereinbarung vom 21.11.2023 begründet. Demnach stand dem Kläger aber zum Zeitpunkt der vorgerichtlichen Tätigkeit auch kein Anspruch zu.
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4. Über den oben genannten Betrag von 43,40 € hinaus war die Klage abzuweisen.
II.
21
Hinsichtlich der Kosten beruht die Entscheidung auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.