Titel:
Einstweiliger Rechtsschutz gegen vorhabenbezogenen Bebauungsplan - Gefälligkeitsplanung
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2, Abs. 6
BauGB § 1 Abs. 3, Abs. 7, § 2 Abs. 3, Abs. 4 S. 1, § 12, § 13a
Leitsätze:
1. Führt die Änderung eines Bebauungsplans dazu, dass Nachbargrundstücke in anderer Weise oder baulich intensiver als bisher genutzt werden können, so gehören die Interessen der Nachbarn an der Beibehaltung der geltenden Festsetzungen grundsätzlich zum notwendigen Abwägungsmaterial. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rüge, eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte gem. § 2 Abs. 4 S. 1 BauGB durchgeführt werden müssen, kann die Antragsbefugnis nur unter der Voraussetzung begründen, dass sich der behauptete Verstoß auf eine materiell-rechtliche Position des Antragstellers ausgewirkt haben könnte. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Begriff der Innenentwicklung ist nicht legal definiert, sondern wird vom Gesetzgeber als städtebaulicher Terminus vorausgesetzt. Seine Interpretation unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine mit § 1 Abs. 3 S. 1 BauGB nicht vereinbare sog. „Gefälligkeitsplanung“ liegt vor, wenn die Bauleitplanung nicht oder jedenfalls nicht ausschlaggebend auf städtebaulichen Überlegungen beruht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz gegen vorhabenbezogenen Bebauungsplan, Antragsbefugnis benachbarter Grundstückseigentümer, Bebauungsplan der Innenentwicklung, Einwand unzulässiger Gefälligkeitsplanung, Recht auf gerechte Abwägung, Umweltverträglichkeitsprüfung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 4500
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gegen den am 25. August 2023 bekanntgemachten vorhabenbezogenen Bebauungsplan der Innenentwicklung mit integriertem Grünordnungsplan Nr. 9B „für den Bereich … …“ vom 5. Juli 2023 der Antragsgegnerin. Die Antragstellerin ist Miteigentümerin des dem Plangebiet östlich benachbarten Grundstücks …
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Das ca. 0,154 ha umfassende Plangebiet betrifft das Vorhabengrundstück des Beigeladenen als Vorhabenträger … … … …, das aus der Vereinigung der Grundstücke FlNrn. … und … zu einem Grundstück entstanden ist und auf dem der Vorhabenträger beabsichtigt, nach Abbruch des bestehenden Wohngebäudes … … sowie aller vorhandenen Nebengebäude ein zweigeschossiges Wohngebäude mit Tiefgarage zu errichten. Das hängige Plangebiet ist von überwiegend zweigeschossiger Wohnbebauung bzw. privaten Grünflächen umgeben. In Abänderung des bisher gültigen Bebauungsplans Nr. 9 (i.d.Bek. vom 14.7.2000), der ein allgemeines Wohngebiet (GRZ 0,25 und GFZ 0,5) festsetzte und gemäß dessen Zeichenerklärung auf dem Grundstück FlNr. … ein Baukörper mit einem Baufeld von ca. 200 m² zulässig gewesen wäre, weist der streitgegenständliche Bebauungsplan Nr. 9B ebenfalls ein allgemeines Wohngebiet aus, setzt u.a. offene Bauweise, zwei Vollgeschosse, Flachdach, eine Wandhöhe von maximal 7,86 m mit Über-/Unterschreitungsmöglichkeit von 10 cm bezogen auf die Erdgeschossfußbodenoberkante, Baugrenzen entsprechend der geplanten Nutzung, für die vorgesehene Wohnbebauung eine Grundflächenzahl von 0,25 (GRZ 1 für die Flächen innerhalb der ausgewiesenen Baugrenze) sowie eine weitere von 0,375 (GRZ 2 für Grundflächen inkl. sonstiger Anlagen wie Zufahrten, Zuwegungen, Stützmauern, Terrassen) und eine Geschossflächenzahl von 0,5 fest, wodurch sich bezogen auf die Grundstücksfläche von 1.537 m² innerhalb der Baugrenzen eine überbaubare Fläche von 385 m² und von 190 m² für sonstige Anlagen ergibt. Ausweislich der Begründung des Bebauungsplans sei wegen wesentlicher Überschreitung des im bisher rechtskräftigen Bebauungsplan Nr. 9 zulässigen Maßes der Nutzung eine Änderung des Bebauungsplans erforderlich; es werde mit der festgelegten GRZ 1 von 0,25 sowohl die Obergrenze gemäß BauNVO (GRZ 0,4) deutlich unterschritten als auch die im übrigen Plangebiet Nr. 9 festgelegte GRZ von 0,25 eingehalten; im Vergleich mit der bisher durch bestehende Gebäude, Terrassen, Zufahrten etc. versiegelten Fläche von ca. 610 m² werde durch die neuen Flächen von insgesamt 575 m² eine geringfügige Verringerung der versiegelten Flächen erzielt. Zur Absicherung des Geländes wurde für den nordwestlichen Bereich des Plangebietes eine Stützwand mit einer Höhe von max. 2,5 m ausgewiesen.
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Die Antragstellerin hat am 12. September 2023 den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO beantragt. Die Antragsbefugnis resultiere bereits aus einer möglichen Verletzung von Art. 3 Abs. 1 RL 2001/42/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Juni 2001 über die Prüfung der Umweltauswirkungen bestimmter Pläne und Programme (ABl. L197 S. 30, <SUP-Richtlinie>) wegen unterlassener Umweltprüfung und einem Eingriff in die Grundkonzeption des bisherigen Bebauungsplans. Die Antragstellerin rügt unter Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 18.7.2023 – 4 CN 3.22), die nach ihrer Auffassung auf das beschleunigte Verfahren nach § 13a BauGB übertragbar sei, das Unterlassen einer Umweltprüfung. Die Errichtung eines Gebäudes mit einer Grundfläche von annähernd 400 m², einer Abgrabung in einem geologisch sensiblen Hangbereich von fast 10 m, der Lage in einer städtebaulich hochsensiblen Ortsrandlage angrenzend an eine historische Kulturlandschaft und Eingriffen in das Schichtwassersystem könne zu erheblichen Umweltauswirkungen führen. Bei der Bauleitplanung handle es sich um eine reine Gefälligkeitsplanung für den Grundstückseigentümer, der auf dem vereinigten Grundstück ein überdimensioniert luxuriöses Anwesen errichten wolle; es fehle die Erforderlichkeit nach § 1 Abs. 3 BauGB. Es liege eine Abwägungsfehleinschätzung im Hinblick auf die Belange der Grundstückseigentümer im Geltungsbereich des Bebauungsplanes Nr. 9 vor. Der vorhabenbezogene Bebauungsplan löse ein einzelnes Baugrundstück aus dem Gesamtzusammenhang des gültigen Bebauungsplanes Nr. 9 heraus. Der Charakter des in einem historisch und naturräumlich sensiblen Gebiet liegenden Stadtteils werde dadurch grundlegend verändert. Die Ausgliederung des Baugrundstücks aus dem bestehenden Bebauungsplan Nr. 9 stelle sich als Präzedenzfall für die weitere Entwicklung im Berggebiet dar, weil dadurch die Begrenzungen für das Maß der baulichen Nutzung ausgehebelt würden. Die massive Bebauung auf dem Grundstück „Fl.Nr. …“ (wohl FlNr. …) greife in die Grundkonzeption des ursprünglichen Bebauungsplanes ein, der die Bebauung der Grundstücke im Wesentlichen auf den vorhandenen Bestand habe begrenzen wollen. Die Grundflächenzahl und die Geschossflächenzahl des geplanten Vorhabens könnten nur dadurch eingehalten werden, dass das Grundstück FlNr. … mit dem ursprünglichen Baugrundstück vereinigt und in die Berechnung einbezogen werde. Dadurch werde ein negativer Präzedenzfall geschaffen. Die Antragstellerin rügt ein Abwägungsdefizit im Hinblick auf die funktionale Bedeutung des Planungsgebiets für die Biodiversität und die Klimavorsorge für die Innenstadt. Das Gebiet stelle für die Innenstadt der Antragsgegnerin ein überaus wichtiges Kaltluftentstehungsgebiet dar, diese Frischluftschneise werde beeinträchtigt. Das Interesse eines Grundstückseigentümers, von einer Verschlechterung der lokalen klimaökologischen Funktionsabläufe, zum Beispiel einer Veränderung von Kaltluftströmen, verschont zu bleiben, stelle einen abwägungserheblichen Belang dar. Auch komme den privaten Gärten mit einem großenteils wertvollen Gehölzbestand eine wichtige ökologische Funktion zu; es werde eine weitere Nachverdichtung befürchtet. Die Antragstellerin rügt ein Abwägungsdefizit im Hinblick auf die Eingriffe in den Hangbereich und das Schichtenwasser. Für das Bauvorhaben müsse mehr als 9 m von dem Steilhang abgegraben werden, um die Bodenplatte herstellen zu können. Schon in dem Bestandsgebäude auf dem Baugrundstück seien Risse im Gebäude aufgetreten, was darauf hindeute, dass der gesamte Hangbereich rutschgefährdet sei. Mit diesen massiven Erdbewegungen greife das Bauvorhaben erheblich in wasserführende Schichten ein; es bestehe die Gefahr, dass im Untergrund von Nachbargrundstücken vermehrt Feuchtigkeit auftrete, oder dass im Gegenteil der unterirdische Wasserabfluss abgeschnitten oder umgelenkt werde. Dadurch könnten Fundamente von Gebäuden in der Nachbarschaft in Mitleidenschaft gezogen werden. Bei der Abwägung der für und gegen die vorläufige Außervollzugsetzung sprechenden Gründe im Rahmen der Entscheidung gemäß § 47 Abs. 6 VwGO sei zu berücksichtigen, dass die Planung ausschließlich dem privaten Interesse eines einzelnen Grundstückseigentümers diene.
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Die Antragstellerin beantragt,
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den vorhabenbezogenen Bebauungsplan Nr. 9B (Bereich … … … …) vorläufig außer Vollzug zu setzen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts zur Nichtvereinbarkeit des § 13b BauGB mit der europarechtlichen SUP-Richtlinie sei nicht auf das beschleunigte Verfahren nach § 13a BauGB (Bebauungsplan der Innenentwicklung) übertragbar. Der angegriffene Bebauungsplan Nr. 9B erfülle allein schon aufgrund der minimalen Größe seines Geltungsbereichs von ca. 1540 m2 und der nach Abriss des Bestands beabsichtigten Wiedernutzbarmachung der Flächen im Innenbereich die Kriterien eines Bebauungsplans der Innenentwicklung gemäß § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB uneingeschränkt. Mit der Überplanung werde lediglich eine Neudefinition der Baugrenzen und eine Erweiterung der überbaubaren Grundstücksflächen vorgenommen, um die planungsrechtlichen Voraussetzungen für ein konkretes Vorhaben zu schaffen, das allerdings hinsichtlich der Art der Nutzung (Allgemeines Wohngebiet), des Maßes der Nutzung (GRZ, GFZ, Geschossigkeit etc.) und der Bauweise (offene Bauweise, Gebäude mit max. zwei Wohneinheiten) bereits den Festsetzungen des überplanten Bebauungsplans Nr. 9 weiterhin entspreche. Die Durchführung eines Bebauungsplanänderungsverfahrens sei von der Gemeinde gemäß § 1 Abs. 3 BauGB zur Sicherung der städtebaulichen Entwicklung und Ordnung als notwendig erachtet worden, da eine Genehmigung des konkreten Vorhabens allein auf Grundlage des Bebauungsplans Nr. 9 wegen des hohen Befreiungserfordernisses als nicht möglich angesehen worden sei. Über das gewählte Verfahren eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans hätten erhöhte Anforderungen mit einer größeren Detaillierungsschärfe über den Vorhabenplan und den Durchführungsvertrag auf der planungsrechtlichen Ebene verankert werden können. Bei dem Bebauungsplanverfahren Nr. 9B handele es sich um die Überplanung eines bereits bestehenden mit Bebauungsplan festgesetzten Baurechts und einer bereits bestehenden genehmigten baulichen Anlage mit zahlreichen Erweiterungen. Insofern sei hinsichtlich der Eingriffsschwere grundsätzlich von einer eher marginalen Bedeutung für das Klima auszugehen. Das von der Antragstellerin zitierte Gutachten des Deutschen Wetterdienstes sei im Zuge des Flächennutzungsplanänderungs- und Bebauungsplanverfahrens Nr. 429 „Gewerbepark G. Straße“ erstellt worden, das ein 217 ha großes Plangebiet umfasst habe. Zum hier gegenständlichen, nur 0,15 ha großen Plangebiet des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 9B treffe dieses Gutachten keine Aussage. Neben der Verringerung der versiegelten Flächen sei zudem durch die konkrete Festlegung der Flächen im Freiflächengestaltungsplan eher von einer Verbesserung als von einer Verschlechterung der Kaltluftentstehung und des Kaltluftabflusses auszugehen. Durch ergänzend festgeschriebene und vertraglich vereinbarte Maßnahmen, wie versickerungsfähige Beläge, eine Dachbegrünung, eine Photovoltaikanlage sowie eine Rückhaltung und Nutzung des Niederschlagswassers über eine Zisterne werde den Erfordernissen des Klimaschutzes auf der planerischen Ebene besser Rechnung getragen als bei Erhalt des im Bebauungsplan Nr. 9 bestehenden Baurechts und des dem Bestandsschutz unterliegenden tatsächlichen Gebäudebestands. Durch die Übernahme der bisher schon geltenden maximalen GRZ- und GFZ-Werte von 0,25 und 0,5 in den neuen Bebauungsplan Nr. 9B könne keine Bevorzugung des Vorhabenträgers erkannt werden; mit dem Zurückbleiben hinter den Orientierungswerten für Obergrenzen von GRZ 0,4 und GFZ 1,2 des § 17 BauNVO für reine und allgemeine Wohngebiete werde dem Charakter eines „Villengebietes“ weiterhin Rechnung getragen. Auch eine Beeinträchtigung des Orts- und Landschaftsbildes, etwa durch eine übermäßige Höhenentwicklung liege nicht vor. Das zum konkreten Vorhaben erstellte geotechnische Gutachten habe keine erheblichen Umweltauswirkungen im Hinblick auf das Grundwasser oder wasserführende Schichten und die Belange des Bodenschutzes feststellen können. Für eine vorläufige Außervollzugsetzung des vorhabenbezogenen Bebauungsplans Nr. 9B sprechende Gründe seien zusätzlich auch deshalb nicht zu erkennen, weil ein für die Umsetzung des Vorhabens noch einzureichender Bauantrag bislang bei der Antragsgegnerin nicht eingetroffen sei.
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Der Beigeladene beantragt,
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den Antrag der Antragstellerin zu verwerfen.
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Der Antrag sei bereits nicht zulässig. Die Antragstellerin als Planbetroffene außerhalb des Plangebiets sei nicht antragsbefugt. Die Argumente der Antragstellerin betreffend die angebliche Veränderung der klimatischen Verhältnisse seien pauschal, und die vorgelegten Gutachten hätten keinen Bezug zum streitgegenständlichen Vorhaben; die gerügte Dimension und Höhe des Vorhabens lasse keine Beeinträchtigung der Antragstellerin erkennen. Im Hinblick auf die weiterhin eingehaltene GRZ (0,25) sowie die Verringerung der Versiegelung des Grundstücks des Beigeladenen sei eine Verletzung subjektiver Rechte nicht zu befürchten. Materiellrechtlich seien offensichtliche Abwägungsfehler nicht erkennbar, die eine Aussetzung des Bebauungsplans rechtfertigten. Die Antragsgegnerin habe gemäß § 13a BauGB auf eine Umweltprüfung verzichten dürfen.
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Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die vorgelegten Unterlagen und die beigezogenen Planakten der Antragsgegnerin verwiesen.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO hat keinen Erfolg. Er ist zwar zulässig (1.), aber nicht begründet (2.).
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1. Der Antrag ist zulässig; die Antragstellerin ist insbesondere antragsbefugt. Die Antragsbefugnis im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO entspricht der des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für das Normenkontrollverfahren (vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 9 NE 21.2048 – juris Rn. 15). Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren antragsbefugt, wer geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist eine Antragstellerin Eigentümerin oder Nutzerin von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des angegriffenen Bebauungsplans, kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen; sie kann sich darauf berufen, dass ihre abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. Drittschützenden Charakter hat das Abwägungsgebot aber nur hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind (BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – juris). Deshalb muss eine Antragstellerin, die in einem Normenkontrollantrag eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen will, einen eigenen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Dabei sind nur private Belange abwägungserheblich, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (BayVGH, U.v. 18.7.2017 – 9 N 15.1106 – juris Rn. 18). Die Antragsbefugnis ist nicht gegeben, wenn eine Rechtsverletzung offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausscheidet (BVerwG, B.v. 16.6.2020 – 4 BN 53.19 – juris Rn. 9). Führt die Änderung eines Bebauungsplans dazu, dass Nachbargrundstücke in anderer Weise oder baulich intensiverer als bisher genutzt werden können, so gehören die Interessen der Nachbarn an der Beibehaltung der geltenden Festsetzungen grundsätzlich zum notwendigen Abwägungsmaterial; Abweichendes ergibt sich bei nur geringfügigen Änderungen sowie bei solchen Änderungen, die sich nur unwesentlich auf das Nachbargrundstück auswirken können (BVerwG, B.v. 27.9.2021 – 4 BN 17.21 – juris Rn.9). Zwar gewährt das Baugesetzbuch keinen Anspruch auf Fortbestand eines Bebauungsplans und schließt auch Änderungen des Plans nicht aus. Die ortsrechtlichen Festsetzungen begründen aber regelmäßig ein schutzwürdiges Vertrauen darauf, dass Veränderungen, die sich für die Nachbarn nachteilig auswirken können, nur unter Berücksichtigung ihrer Interessen vorgenommen werden. Ein solches Interesse ist nicht nur dann gegeben, wenn der Bebauungsplan in seiner ursprünglichen Fassung ein subjektives öffentliches Recht begründet hat. Abwägungsrelevant ist vielmehr jedes mehr als geringfügige private Interesse am Fortbestehen des Bebauungsplans in seiner früheren Fassung, auch wenn es auf einer einen Nachbarn nur tatsächlich begünstigenden Festsetzung beruht. Ob diese Interessen Gegenstand der Abwägung waren und dabei hinreichend berücksichtigt worden sind, kann der Betroffene im Wege der Normenkontrolle überprüfen lassen (vgl. OVG NW, U.v. 29.9.2023 – 10 D 322/21.NE – juris Rn. 31).
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Ausgehend hiervon ist die Antragstellerin nach § 47 Abs. 2 VwGO antragsbefugt. Zwar folgt aus der gerügten unterlassenen Umweltprüfung nicht per se eine Betroffenheit in eigenen Belangen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. U.v. 20.12.2011 – 9 A 30.10 – juris Rn. 20) kann sich ein Einzelner nicht auf den Verfahrensfehler einer rechtswidrig unterbliebenen Umweltverträglichkeitsprüfung unabhängig von der Betroffenheit in eigenen Rechten berufen. Die Rüge, eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätte gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 BauGB durchgeführt werden müssen, kann die Antragsbefugnis daher nur unter der Voraussetzung begründen, dass sich der behauptete Verstoß auf eine materiell-rechtliche Position der Antragstellerin ausgewirkt haben könnte (vgl. BayVGH, B.v. 18.12.2023 – 2 N 21.859 – juris Rn. 22 m.w.N.). In Anbetracht des weiteren Vorbringens der Antragstellerin, die massive Bebauung und Nachverdichtung auf dem Vorhabengrundstück greife in die Grundkonzeption des ursprünglichen Bebauungsplans ein, erscheinen abwägungsrelevante Belange der benachbarten Antragstellerin zumindest nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen. Ausweislich der Begründung des streitgegenständlichen Bebauungsplans überschreitet das Vorhaben das im bisher rechtskräftigen Bebauungsplan Nr. 9 zulässige Maß der Nutzung wesentlich; nach den bisherigen Festsetzungen wäre auf dem Grundstück FlNr. … ein Baukörper einer geplanten Wohnbebauung mit 2-geschossiger Bauweise auf einem Baufeld von ca. 200 m² zulässig gewesen. Mit dem vorhabenbezogenen Bebauungsplan wird eine überbaubare Fläche von 385 m2 und von 190 m2 für sonstige Anlagen (GRZ 2 für Zuwegungen, Stützmauern, Terrassen) ermöglicht. Wenngleich die im Bebauungsplan festgesetzte GRZ 1 und die GFZ mit denjenigen des bisherigen Bebauungsplans übereinstimmen, ist von einer Intensivierung der baulichen Nutzung auf dem der Antragstellerin westlich benachbarten Grundstück auszugehen, die sich nicht als nur geringfügig oder unwesentlich darstellt. Die Antragsgegnerin hat auch die Belange der Antragstellerin ersichtlich für abwägungsrelevant erachtet, sie im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung individuell beteiligt und die geltend gemachten Einwendungen der Antragstellerin ausführlich abgewogen (vgl. Abwägungstabelle vom 9.11.2022, S. 32 ff. und vom 5.7.2023, S. 11 ff.).
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Dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung fehlt auch nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil sich die Antragstellerin gegen das Vorhaben des vorhabenbezogenen Bebauungsplans durch Eilrechtsschutz nach §§ 80, 123 VwGO zur Wehr setzen könnte. Angesichts des unterschiedlichen Streitgegenstands und Prüfungsumfangs der Verfahren kommt den Rechtsschutzmöglichkeiten nach § 80a Abs. 3 und § 123 VwGO nicht der Vorrang vor einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO zu; vielmehr können die Verfahren grundsätzlich nebeneinander in Anspruch genommen werden (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2018 – 1 NE 18.1123 – juris Rn. 10). Auch wurde eine Baugenehmigung, mit der eine vollständige Umsetzung der Festsetzungen des vorhabenbezogenen Bebauungsplans zu erwarten ist, so dass eine vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans ohne Anfechtung der erteilten Baugenehmigung keinen rechtlichen Vorteil brächte, nach den vorliegenden Unterlagen noch nicht erteilt (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 9 NE 19.2274 – juris Rn. 24; B.v. 10.8.2016 – 1 NE 16.1174 – juris Rn. 5).
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2. Der Antrag ist unbegründet. Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung ist nicht gemäß § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten.
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Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Wegen der weitreichenden Folgen, welche die Aussetzung des Vollzugs von Rechtsvorschriften hat, ist dabei in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu § 32 Abs. 1 BVerfGG ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. BVerfG, B.v. 5.7.1995 – 1 BvR 2226/94 – BVerfGE 93, 181-195). Eine Außervollzugsetzung ist nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen gerechtfertigt, die durch Umstände gekennzeichnet sind, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabweisbar erscheinen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 18.5.1998 – 4 VR 2.98 – NVwZ 1998, 1065). Prüfungsmaßstab im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO sind bei Bebauungsplänen zunächst die Erfolgsaussichten des in der Sache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes bereits absehen lassen (BVerwG, B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5/14 – juris Rn. 12).
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Durchgreifende formelle oder materielle Fehler des streitgegenständlichen Bebauungsplans lassen sich bei der gebotenen summarischen Prüfung nicht feststellen. Der Bebauungsplan wurde voraussichtlich zu Recht als Bebauungsplan der Innenentwicklung nach § 13a BauGB im beschleunigten Verfahren ohne Umweltprüfung erlassen (2.1.); er verstößt weder gegen den Erforderlichkeitsgrundsatz des § 1 Abs. 3 BauGB (2.2.) noch weist er rechtlich erhebliche, zur Unwirksamkeit führende Ermittlungsdefizite gemäß § 2 Abs. 3 BauGB oder Abwägungsfehler gemäß § 1 Abs. 7 BauGB auf (2.3.).
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2.1. Im streitgegenständlichen Bauleitplanverfahren konnte voraussichtlich nach § 13a Abs. 2 Nr. 1 BauGB in Verbindung mit § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB von einer Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB abgesehen werden.
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Die Antragstellerin macht geltend, unter Verweis auf die zu § 13b BauGB ergangene und als auf die vorliegende Fallkonstellation übertragbar erachtete Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 18.7.2023 – 4 CN 3.22) habe die Antragsgegnerin die Durchführung einer Umweltprüfung rechtswidrig unterlassen; das Vorhaben könne zu erheblichen Umweltauswirkungen führen. Diese Rüge führt nicht zu einem Verfahrensfehler des angegriffenen Bebauungsplans.
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Gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB kann ein Bebauungsplan für die Wiedernutzbarmachung von Flächen, die Nachverdichtung oder andere Maßnahmen der Innenentwicklung (Bebauungsplan der Innenentwicklung) im beschleunigten Verfahren aufgestellt werden. Dies gilt entsprechend für die Änderung und Ergänzung eines Bebauungsplans gemäß § 13a Abs. 4 BauGB. Der Begriff der Innenentwicklung ist dabei nicht legal definiert, sondern wird vom Gesetzgeber als städtebaulicher Terminus vorausgesetzt. Seine Interpretation unterliegt der vollen gerichtlichen Kontrolle (vgl. BVerwG, U.v. 25.6.2020 – 4 CN 5.18 – BVerwGE 169, 29 = juris Rn. 25 m.w.N.; BayVGH, B.v. 8.11.2022 – 9 NE 22.2048 – juris Rn. 25; B.v. 4.7.2017 – 2 NE 17.989 – juris Rn. 20). Der unbestimmte Rechtsbegriff der „anderen Maßnahme der Innenentwicklung“ dient nach der Konzeption des § 13a Abs. 1 Satz 1 BauGB als Auffangtatbestand; eine enge Auslegung dieses Begriffes dahingehend, dass „andere Maßnahmen der Innenentwicklung“ nach Ziel und Inhalt der Entwicklung der überplanten Fläche dienen, ist unionsrechtlich geboten (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2021 – 4 CN 6.19 – BVerwGE 173, 70-74 = juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 8.11.2022, a.a.O., juris Rn. 29). Mit § 13a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BauGB hat der nationale Gesetzgeber von der zweiten Variante des Art. 3 Abs. 5 Satz 1 SUP-Richtlinie Gebrauch gemacht und abstrakt-generell festgelegt, dass bestimmte Pläne ausnahmsweise im beschleunigten Verfahren und damit nach § 13a Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 13 Abs. 3 Satz 1 BauGB ohne Umweltprüfung nach § 2 Abs. 4 BauGB erlassen werden können (BT-Drs. 16/2496 S. 13). Eine solche abstrakte Regelung ist zulässig, weil es denkbar ist, dass eine besondere Art von Plan, die bestimmte qualitative Voraussetzungen erfüllt, a priori voraussichtlich keine erheblichen Umweltauswirkungen hat, da die Voraussetzungen gewährleisten, dass ein solcher Plan den einschlägigen Kriterien des Anhangs II der Richtlinie entspricht (vgl. BVerwG, BVerwG, U.v. 25.6.2020 – 4 CN 5.18 – BVerwGE 169, 29-39 = juris Rn. 30 m.w.N.; EuGH, U.v. 18.4.2013 – C-463/11 – juris Rn. 39).
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In Anbetracht der geringen Größe des Plangebiets und der planerischen Zielsetzung, nach Vereinigung der Grundstücke zu einem Vorhabengrundstück unter Neudefinition der Baugrenzen und Modifizierung der bebaubaren Grundstücksfläche bei ansonsten weitgehender Wahrung der bisherigen Festsetzungen die Verwirklichung eines konkreten Vorhabens zu ermöglichen, erscheint die Einordnung des Bebauungsplans als solcher der Innenentwicklung nicht zweifelhaft; insoweit wird eine bereits beplante Fläche innerhalb des Siedlungsbereichs in modifizierter Weise neu überplant.
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Dabei kann dahinstehen, ob im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 13b BauGB (U.v. 18.7.2023 – 4 CN 3.22 – juris Rn. 22) der Begriff „Innenentwicklung“ nach § 13a Abs. 1 BauGB europarechtskonform auch insoweit restriktiv auszulegen und auf Fälle zu begrenzen ist, in denen zusätzliche erhebliche Umweltauswirkungen von vornherein nicht zu erwarten sind (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 21.9.2023 – OVG 10 A 13.19 – juris Rn. 36 ff.; OVG Saarl, B.v. 25.1.2024 – 2 C 186/22 – juris Rn. 53). Unter Berücksichtigung dessen, dass der relativ kleine Planbereich aktuell schon überplant und bebaut ist, die überbaute Fläche gegenüber dem bisherigen Bebauungszustand sogar geringfügig reduziert wird, die Planung aus Sicht des Klimaschutzes hohe Effizienzstandards umsetzt und mit einer nachhaltigen Energie- und Wärmegewinnung eine bessere Wirkung auf das Klima erzeugt als der jetzige Bestand, dürften zusätzliche erhebliche Umweltauswirkungen von vornherein nicht zu erwarten sein.
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2.2. Entgegen der Rüge der Antragstellerin, es handle sich um eine reine Gefälligkeitsplanung zugunsten eines Grundstückseigentümers, der ein überdimensioniert luxuriöses Anwesen errichten wolle, ist vom Vorliegen einer positiven Planungskonzeption auszugehen.
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Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit dies für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was in diesem Sinne erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Ordnungsvorstellungen entspricht (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.2017 – 4 BN 2.17 – juris Rn. 3 m.w.N.; BayVGH, U.v. 30.7.2021 – 9 N 18.1995 – juris Rn. 18). Nicht erforderlich im Sinn des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB sind danach Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuchs nicht bestimmt sind. In dieser Auslegung setzt § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt. Eine mit § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB nicht vereinbare sog. „Gefälligkeitsplanung“ liegt vor, wenn die Bauleitplanung nicht oder jedenfalls nicht ausschlaggebend auf städtebaulichen Überlegungen beruht (vgl. Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 15. Auflage 2022, § 1 Rn. 127 m.w.N.), wenn eine Planung also lediglich dazu dient, private Interessen zu befriedigen (vgl. BVerwG, B.v. 30.12.2009 – 4 BN 13.09 – BauR 2010, 569 = juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 9 N 13.558 – juris Rn. 34 jeweils m.w.N.). Eine Planung, die durch hinreichende städtebauliche Gründe getragen und deshalb im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB erforderlich ist, kann auch privaten Interessen dienen und durch private Interessenträger angestoßen sein (vgl. BVerwG, B.v. 30.12.2009 a.a.O. juris Rn. 11, BayVGH, U.v. 28.4.2017 – 9 N 14.404 – juris Rn. 28).
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Nach diesen Maßgaben ist es grundsätzlich nicht zu beanstanden, wenn die Bauwünsche einzelner Grundstückseigentümer den Anlass für eine Bauleitplanung geben. Das Instrument eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans nach § 12 BauGB ist auf derartige Konstellationen gerade ausgelegt (vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 BN 15.99 – BayVBl 200, 23; BayVGH, B.v. 23.8.2018 – 1 NE 18.1123 – juris Rn. 13). Aus dem in der Begründung angeführten Planungsziel, wonach wegen Überschreitung des im bisher rechtskräftigen Bebauungsplan Nr. 9 zulässigen Maßes der Nutzung eine Änderung des Bebauungsplans erforderlich ist und durch die Wahl des Verfahrens eines vorhabenbezogenen Bebauungsplans die Antragsgegnerin stadtplanerisch und gestalterisch die Planungshoheit über das genannte Vorhaben wahrt, ergeben sich hinreichende städtebauliche Gründe für die Planung. Der Bebauungsplan ist an bodenrechtlich relevanten Ordnungskriterien ausgerichtet und verfolgt eine geordnete städtebauliche Entwicklung, selbst wenn er den privaten Wünschen des Vorhabenträgers entgegenkommt und dieser den Anstoß für die Planung gegeben hat.
28
2.3. Die Bauleitplanung lässt im summarischen Verfahren rechtlich erhebliche, zur Unwirksamkeit führende Ermittlungsdefizite gemäß § 2 Abs. 3 BauGB oder Abwägungsfehler gemäß § 1 Abs. 7 BauGB nicht erkennen.
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Bei der Aufstellung der Bauleitpläne sind die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB). § 2 Abs. 3 BauGB ergänzt dieses materiell-rechtliche Abwägungsgebot um die Verfahrensanforderung (vgl. § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB), dass die abwägungserheblichen Belange (Abwägungsmaterial) ermittelt und bewertet werden müssen. Zu ermitteln und zu bewerten sowie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen (vgl. BVerwG, B.v. 30.6.2014 – 4 BN 38.13 – BauR 2014, 1745 = juris Rn. 6 m.w.N.).
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a) Ermittlungs-, Bewertungs- oder Abwägungsdefizite im Hinblick auf Klimaschutzbelange und die von der Antragstellerin behauptete Beeinträchtigung der Kaltluftschneise sind nicht ersichtlich.
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Laut der fachlichen Stellungnahme des Umweltamts in der Behördenbeteiligung hat das Vorhaben aus Sicht des Klimaschutzes mit der Umsetzung eines hohen Effizienzhausstandards und einer nachhaltigen Energie- und Wärmegewinnung eine bessere Wirkung auf das Klima als der jetzige Bestand. Da sich das Haus in das Geländerelief in Teilen einfüge, dürfte es kein weiteres Hindernis für die stadtklimatischen Bedingungen darstellen. Nach dieser fachlichen Einschätzung wird eine Frischluftschneise durch die Lage des Hauses nicht eingeschränkt.
32
Gegenteiliges wird durch die Antragstellerin unter Verweis auf die Erkenntnisse des Gutachtens des Deutschen Wetterdienstes, die im Zusammenhang mit einem Bebauungsplanverfahren für einen Gewerbepark mit einem 217 ha großen Plangebiet erhoben wurden, lediglich behauptet. Die dort gewonnenen Erkenntnisse lassen sich auf den hier vorliegenden vorhabenbezogenen Bebauungsplan schon mangels Vergleichbarkeit der Größe des Plangebiets nicht übertragen.
33
b) Die Antragstellerin macht ohne Erfolg eine Abwägungsfehleinschätzung im Hinblick auf die Belange der Grundstückseigentümer, eine grundlegende Veränderung des Charakters des Stadtteils und eine „Aushebelung“ der Begrenzungen für das Maß der baulichen Nutzung geltend.
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Der Satzungsgeber muss ebenso wie der Gesetzgeber bei der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums die schutzwürdigen Interessen des Eigentümers und die Belange des Gemeinwohls in einen gerechten Ausgleich und ein ausgewogenes Verhältnis bringen. Insbesondere ist er an den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden (vgl. BVerfG, B.v. 19.12.2002 – 1 BvR 1402/01 – NVwZ 2003, 727). Es gibt kein allgemein und durchsetzungsfähig geschütztes Vertrauen in den Fortbestand einer bestimmten (Planung oder) Grundstückssituation jenseits des Anspruchs daraus, dass der Plangeber bei einer Um- oder Neuplanung im Rahmen des Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG Bestandsschutzinteressen angemessen berücksichtigt (vgl. OVG NW, B.v. 10.4.2015 – 2 B 177/15.NE – juris Rn. 36).
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Zu berücksichtigen ist, dass bei der Neuplanung sowohl die Art der baulichen Nutzung, die Geschossigkeit und auch die GRZ-Festsetzung den Festsetzungen des bisherigen Bebauungsplans entspricht; auf die „Einbettung“ des vorhabenbezogenen Bebauungsplans in den umgebenden Bebauungsplan hat die Plangeberin erkennbar Wert gelegt. Der streitgegenständliche Bebauungsplan dient der Anpassung der Baugrenzen an das neu zugeschnittene, vereinigte Grundstück. Die Höhenentwicklung des geplanten Vorhabens lässt keine Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen erkennen. Auch hat die Antragsgegnerin auf vergleichbar dimensionierte Vorhaben im Plangebiet des bisherigen Bebauungsplans Nr. 9 hingewiesen. Ebenso wenig wie ein Anspruch auf eine bestimmte Bauleitplanung oder eine Planänderung besteht (§ 1 Abs. 3 Satz 2, Abs. 8 BauGB), besteht ein Anspruch auf Planerhalt oder ein Plangewährleistungsanspruch (BVerwG, B.v. 12.9.1969 – IV B 113/69 – NJW 1970, 626; vgl. Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB 15. Aufl. 2022, § 1 Rn. 31). Die Antragstellerin kann den Erhalt bestehender Nachbarbebauung oder bestimmter planerischer Festsetzungen nicht beanspruchen. Im Hinblick auf die Abgestimmtheit der planerischen Festsetzungen mit den Festsetzungen des bisherigen und umgebenden Bebauungsplans sind etwaige abwägungsrelevante Eigentumsbelange der Antragstellerin als zutreffend erfasst und gewichtet anzusehen.
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c) Ein Abwägungsdefizit im Hinblick auf etwaige Eingriffe in den Hangbereich und das Schichtenwasser ist nicht ersichtlich.
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Die Antragstellerin rügt, das dem Bauherrn auferlegte geotechnische Gutachten vom 24. November 2021 befasse sich in Bezug auf das im Untergrund vorhandene bzw. sich nach ergiebigen Niederschlägen bildende Schichtenwasser ausschließlich mit dem notwendigen Schutz für das Baugrundstück selbst und blende mögliche Veränderungen des Wasserabflusses im Untergrund auf die Nachbargrundstücke und deren Gebäude durch Umlenkung des Wasserabflusses aus.
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Entgegen der von der Antragstellerin lediglich behaupteten möglichen Veränderungen durch die Gründung des zweifach unterkellerten Vorhabens ist ein Defizit hinsichtlich der Ermittlung, Bewertung und Abwägung der geologischen und wasserwirtschaftlichen Auswirkungen nicht ersichtlich. Die Baugrunduntersuchung (geotechnischer Bericht vom 21.11.2021) geht anhand der Planung, der Geländetopografie sowie den ermittelten Baugrund- und Grundwasserverhältnissen von der geotechnischen Kategorie GK2 (mittlerer Schwierigkeitsgrad) nach DIN 4020 (geotechnische Untersuchungen für bautechnische Zwecke) aus. Bei den Untersuchungen im August 2021 sei Grundwasser bis zur maximalen Endteufe von 7 m u.Gel. (295,26 müNN, entspricht -9,91 m von +0,00) auch in Form von Schichtenwasser oder Staunässe nicht angetroffen worden. Der anstehende Schluff/Ton sei sehr schwach wasserdurchlässig und wirke wasserstauend. Hierauf könne es je nach Niederschlagsintensität und Jahreszeit zu Andrang von temporärem Schichtenwasser oder Staunässe kommen. Freies Grundwasser werde erst in größeren Tiefen erwartet.
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Von der Antragsgegnerin wurden Einwendungen die Wasserökologie betreffend dahingehend abgewogen, dass im Rahmen der Begutachtung des Baugrunds Bohrungen bis in 9 m Tiefe durchgeführt wurden, ohne dass Grundwasser in Form von Schichtenwasser oder Staunässe festgestellt werden konnte. Ein Problem hinsichtlich wasserführender Schichten habe nicht festgestellt werden können. Durch das Bauvorhaben und die Konzentrierung auf einen Baukörper auf dem Grundstück trete keine Gefährdung des vorhandenen Geländes ein. Im Zuge der geplanten Maßnahmen werde eine geringfügige Verringerung der versiegelten Flächen auf ca. 575 m² und erzielt; negative Auswirkungen der versiegelten Flächen würden durch geeignete Bodenbeläge sowie ein begrüntes Flachdach weiter verringert. Diese Verringerungen sowie die neuen tiefbautechnischen Maßnahmen zur Nutzung der Oberflächenwässer führten insgesamt zu einer Verbesserung der Situation in diesem Bereich (vgl. Abwägungstabelle vom 5.7.2023, S. 43). Das im Rahmen der Behördenbeteiligung beteiligte Wasserwirtschaftsamt hat im Bauleitplanverfahren nicht Stellung genommen. Seitens des beteiligten Sachgebiets Entwässerung wurde darauf hingewiesen, dass ggf. tieferliegende Gebäudeteile, die unterhalb der Rückstauebene liegen (z.B. Tiefgarage/n, Kellerräume), vor Überflutung und Rückstau aus der öffentlichen Kanalisation geschützt werden müssten. Dies wurde dahingehend abgewogen, dass ein Hinweis zur Beachtung der Rückstauebene im Bebauungsplan bereits enthalten sei. Anhaltspunkte für Beeinträchtigungen benachbarter Fundamente durch veränderten Wasserabfluss wurden von keinem Träger öffentlicher Belange benannt.
40
Unter Berücksichtigung dieser eingeholten fachlichen Einschätzungen und im Hinblick auf die (geringfügige) Reduzierung der Versiegelung durch das Vorhaben, des Fehlens Grundwasser führender Schichten im zu gründenden Untergrund und der bloßen Möglichkeit von temporärem Schichtenwasser erscheint die Behandlung dieses Belangs nicht abwägungsdefizitär; es ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine erhebliche Beeinträchtigung des Wasserabflusses. Abgesehen davon dürften gewisse Veränderungen der Wasserverhältnisse durch ein benachbartes geplantes Vorhaben hinzunehmen sein (vgl. BayVGH, B.v. 29.11.2010 – 9 CS 10.2197 – juris Rn. 15).
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Da die summarische Prüfung ergibt, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten (vgl. BVerwG, B.v. 16.9.2015 – 4 VR 2/15 – juris Rn. 4). Abgesehen davon, dass der bloße Vollzug eines Bebauungsplans grundsätzlich keinen schweren Nachteil im Sinn des § 47 Abs. 6 VwGO darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 9 NE 15.377 – juris Rn. 26), steht mangels beantragter oder erteilter Baugenehmigung für das Vorhaben eine Verwirklichung des Bebauungsplans auch nicht unmittelbar bevor.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Da der Beigeladene sich am Verfahren beteiligt, einen eigenen Antrag gestellt hat und dadurch ein Kostenrisiko eingegangen ist, entspricht es der Billigkeit, dass die Antragstellerin dessen außergerichtliche Kosten erstattet (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG. Sie orientiert sich an Nummern 1.5 und 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
44
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).