Titel:
Keine Prozesskostenhilfe für mutwillige Fortsetzungsfeststellungsklage
Normenketten:
AufenthG § 12a Abs. 5 Nr. 2 lit. c
ZustAVO § 5 Abs. 10
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4, § 166 Abs. 1
ZPO §§ 114 ff.
NRWZustAVO § 5 Abs. 10
BayVwVfG Art. 43 Abs. 2 Alt. 5
Leitsatz:
Kosten für die Prozessbevollmächtigte selbst begründen kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Fortsetzungsfeststellungsklage, Aufhebung der Wohnsitzverpflichtung, Zustimmungsanfrage an die falsche Behörde (landesweit einheitliche Zuständigkeit in Nordrhein-Westfalen), Wohnsitzverpflichtung, Wohnsitzauflage, Fortsetzungsfeststellungsinteresse
Fundstelle:
BeckRS 2024, 43180
Tenor
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Frau Rechtsanwältin,, wird abgelehnt.
Gründe
1
Die Klägerin begehrt die nachträgliche Feststellung, dass ein Bescheid der Beklagten rechtswidrig gewesen sei und hierfür Prozesskostenhilfe.
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Die am ... 2002 geborene Klägerin ist ukrainische Staatsangehörige und reiste am 22. Oktober 2019 in die B. D. ein und stellte am 6. November 2019 einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) wurde das Asylverfahren wegen Untertauchens nach § 33 AsylG eingestellt. Nach eigenen Angaben reiste sie am 26. Dezember 2019 aus der B. aus.
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Die Klägerin wurde nach ihrer Wiedereinreise dem Landkreis G. zugewiesen und erhielt eine Aufenthaltserlaubnis nach § 24 AufenthG. Dort lebte die Klägerin zunächst in einer Wohngemeinschaft zusammen mit ihrem Lebensgefährten, dessen Eltern und ihrer Mutter.
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Zusammen mit den Eltern ihres Lebensgefährten hat die Klägerin bei der Beklagten am 25. Januar 2024 einen Antrag auf Zuzug nach, Kreis W., N.-W., gestellt. Dort lebten zwischenzeitlich bereits ihr Lebensgefährte und ihre Mutter.
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Mit Bescheid vom 6. März 2024 hob das Landratsamt ... – nach Anfrage auf Zustimmung vom 30. Januar 2024 an den Kreis W., auf welche bis zu diesem Zeitpunkt keine Antwort erfolgte – die Wohnsitzverpflichtung auf den Landkreis G. auf. Rechtsgrundlage sei § 12a Abs. 5 i.V.m. § 72 Abs. 3 AufenthG.
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Mit E-Mail vom 7. März 2024 teilte die Bezirksregierung ... mit, dass für die Zustimmung zum Zuzug nach N.-W. seit dem 1. April 2021 landesweit einheitlich die Bezirksregierung ... zuständig sei, § 5 Abs. 10 ZustAVO. Der Kreis W. habe die Anfrage am 19. Februar 2024 weitergeleitet. Dem Zuzug werde nicht zugestimmt, es würden keine rechtfertigenden Gründe für eine Aufhebung der Wohnsitzverpflichtung vorliegen. Der Aufhebungsbescheid vom 6. März 2024 sei rechtswidrig und zurückzunehmen, weil die Zustimmungsanfrage an die falsche Stelle geschickt worden sei und die „Verschweigensfrist“ erst am 18. März 2024 ablaufe.
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Mit Schriftsatz vom 5. April 2024 ließ die Klägerin Klage erheben und beantragte durch ihre Bevollmächtigte zunächst, die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 6. März 2024 für die Klägerin einen formal und materiell rechtlich wirksamen Bescheid zu erlassen, mit dem die Wohnsitzverpflichtung für den Landkreis G. aufgehoben wird.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, der Klägerin sei als Heranwachsender aus humanitären Gründen der Zuzug zu ihrer Familie zu gewähren. Das Landratsamt ... habe rechtsfehlerhaft die Zustimmung zum Zuzug nach N.-W., nachdem die Klägerin den Antrag auf Aufhebung der Wohnsitzauflage gestellt hatte, nicht bei der zuständigen Bezirksregierung, sondern beim Kreis W. eingereicht. Eine Zustimmung der zuständigen Behörde sei gemäß Mitteilung der Bezirksregierung ... vom 7. März 2024 an die Sachbearbeiterin der Beklagten nicht erteilt worden. Der Bescheid sei daher rechtswidrig und aufzuheben.
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Zwischenzeitlich teilte der Beklagte mit, dass mit der Bezirksregierung ... und dem Kreis W. eine außergerichtliche Lösung erzielt werden konnte.
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Mit Schreiben vom 21. Mai 2024 beantragte
die Bevollmächtigte der Klägerin:
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Es wird gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO festgestellt, dass der Bescheid der Beklagten vom 6. März 2024 rechtswidrig war.
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Inzwischen sei die Zusage zum Zuzug der Klägerin nach N.-W. erteilt worden, sodass der angefochtene Bescheid nachträglich rechtmäßig geworden sei. Die Klage habe sich daher während des Prozesses in der Hauptsache erledigt, sodass § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO analog greife. Es handele sich um eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Die Klägerin beabsichtige, die ihr wegen der rechtswidrigen Bescheidserteilung entstandenen Schäden durch den bereits erfolgten Umzug nach Nordrhein-Westfalen, ohne die Möglichkeit der Wohnungsanmietung und Beantragung von Sozialleistungen dort, als Schadensersatzansprüche geltend zu machen. Sie habe ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass der Bescheid bis zur nachträglichen Genehmigung rechtswidrig gewesen sei.
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Mit E-Mail vom 11. Juni 2024 meldete sich ein weiterer Bevollmächtigter, wohl ein Bekannter der Klägerin (zur Vereinfachung im Folgenden: „Bekannter der Klägerin“), unter Vorlage einer Vollmacht und fügte ein Schreiben an die Bevollmächtigte bei, deren Vorgehen er kritisierte. Er teilte mit, das Mandat mit der Bevollmächtigten sei niedergelegt worden und das Klageverfahren solle eingestellt werden. Die Bevollmächtigte habe die Familie nicht auf die Möglichkeit der Gewährung von Prozesskostenhilfe hingewiesen. Es sei zudem nie der Wunsch der Familie gewesen zu klagen, das habe diese ausdrücklich geäußert. Es sei seit bereits fast vier Wochen bekannt, dass die Bezirksregierung ... eingelenkt habe. Es sei kein bzw. kein großer Schaden entstanden, weil alles noch in der Schwebe gewesen sei und die Familie früher oder später von der Kommune – auch rückwirkend – Gelder beziehen werde, in der sie auch wohnhaft sei. Auch normale Umzugs- und Mietkosten, die sowieso entstanden wären, könnten nicht eingeklagt werden, da die Familie sowieso nach ... wollte. Der einzige entstandene Schaden seien Reisekosten bzw. die verspäteten Auszahlungen durch das Jobcenter. Es habe sich lediglich alles etwas verzögert. Der Fall sei für die Familie erledigt.
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Mit Schreiben vom 15. Juli 2024 beantragte
die Bevollmächtigte die Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Unterzeichnerin.
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Auf die richterlichen Fragen zur Mandatsniederlegung wurde seitens des Bekannten der Klägerin oder der Klägerin persönlich nicht geantwortet. Die Bevollmächtigte teilte mit Schreiben vom 17. Oktober 2024 mit, dass eine Mandatsbeendigung nicht erfolgt sei. Als Schaden seien in jedem Fall die Kosten der Prozessbevollmächtigten entstanden. Das Gericht werde um Bescheidung gebeten.
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Der Beklagte hat keinen Antrag gestellt.
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Es wurde ausgeführt, dass aufgrund der außergerichtlichen Lösung bereits das Rechtsschutzbedürfnis der erhobenen Klage und damit deren Zulässigkeit fraglich sei. Bei der im Bescheid vom 6. März 2024 verfügten Aufhebung der Wohnsitzauflage nach § 12a Abs. 5 Nr. 2 Buchst. c AufenthG und der außergerichtlichen Lösung habe es sich um eine reine Kulanzlösung gehandelt. Gründe für die Aufhebung der Wohnsitzauflage nach § 12a Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 AufenthG würden nicht vorliegen. Auch eine die Aufhebung der Wohnsitzauflage begründende Härte sei zu verneinen. Die Klägerin habe im Landkreis G. in einer fünfköpfigen Wohngemeinschaft in einer Privatwohnung gelebt. Der Wohngemeinschaft habe auch ihr Lebensgefährte und dessen Eltern sowie die Mutter der Klägerin angehört. Die Mutter sei zum 21. Februar 2024 nach ... verzogen. Der Lebensgefährte der Klägerin sei zum 5. März 2024 nach ... verzogen und dessen Eltern zum 1. April 2024. Die Klägerin sei am 1. April 2024 ebenfalls nach ... verzogen, wobei der Behörde ein Mietvertrag für die fünfköpfige Wohngemeinschaft ab dem 1. März 2024 übermittelt worden sei. Allein das bestehen sozialer Beziehungen würde keine Härte nach § 12a Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 AufenthG begründen. Es handele sich ausschließlich um volljährige Personen, es hätten Integrationsmaßnahmen und Besuchsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden. Im Verwaltungsverfahren sei in Übereinstimmung mit § 72 Abs. 3a AufenthG die Ausländerbehörde des Kreises Warendorf beteiligt worden, da diese für den geplanten Zuzugsort ... zuständig sei. Dabei sei bereits fraglich, ob nicht die Fiktion nach § 72 Abs. 3a Satz 3 AufenthG eingetreten sei, auch wenn nicht die aufgrund einer Sonderregelung in N.-W. zuständige Bezirksregierung ... beteiligt worden sei (§ 5 Abs. 20 ZustAVO i.V.m. § 8 Abs. 2 AWoV). Etwaige Schäden, welche der Klägerin durch die vorzeitige Kündigung der Wohnung in ... (wohl zum 29. Februar 2024) entstanden seien, würden im alleinigen Verantwortungsbereich der Klägerin liegen. Dies gelte auch für den Abschluss des neuen Mietvertrages ab dem 1. März 2024. Die Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt lediglich einen Antrag auf Aufhebung der Wohnsitzauflage gestellt, eine Entscheidung über den Antrag sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht getroffen gewesen.
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Auf mehrmalige Nachfragen des Gerichts, ob – unter Hinweis auf die vorläufige Einschätzung der Erfolgsaussichten der Klage – eine prozessbeendende Erklärung gewünscht sei, reagierte die Klägerbevollmächtigte, die auch telefonisch trotz zahlreicher Versuche nicht zu erreichen war, nicht.
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Im Übrigen wird auf die Behördensowie die Gerichtsakte verwiesen.
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Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren ist nicht erfolgreich, weil die Fortsetzungsfeststellungsklage im maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife keine hinreichenden Erfolgsaussichten hatte.
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Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2003 – 1 BvR 1998/02 – NJW 2003, 2976). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 26). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Verfahren ohne Vertretungszwang immer geboten, wenn es in einem Rechtsstreit um nicht einfach zu überschauende Tat- und Rechtsfragen geht (Happ a.a.O., Rn. 38).
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Zwar darf die Gewährung von Prozesskostenhilfe davon abhängig gemacht werden, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig erscheint. Die Prüfung der Erfolgsaussichten darf jedoch nicht dazu dienen, die Rechtsverteidigung selbst in das summarische Verfahren der Prozesskostenhilfe zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, B.v. 30.10.2023 – 1 BvR 687/22 – juris, Rn. 19).
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1. Der Klage fehlt die hinreichende Aussicht auf Erfolg, weil diese sich bereits mit großer – und für die Versagung von Prozesskostenhilfe erforderlicher – Wahrscheinlichkeit mangels Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig erweist.
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Soweit ein Verwaltungsakt rechtswidrig und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt auf, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung besteht, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO (analog). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung ist jener, auf den die Feststellung begehrt wird. Das ist hier der Zeitpunkt unmittelbar vor der Zustimmung der Bezirksregierung A.
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Durch die – wenn auch spätere – tatsächliche Zustimmung der Bezirksregierung ... hat sich der streitgegenständliche Bescheid nach Art. 43 Abs. 2 Alt. 5 BayVwVfG auf andere Weise erledigt. Die Klägerin hat die von ihr im Ergebnis begehrte Aufhebung der Wohnsitzverpflichtung für den Landkreis G. – über den „Umweg“ der Aufhebung des Bescheides vom 6. März 2024, der zwar die gewünschte Wohnsitzverpflichtung aufhebt, allerdings das Zustimmungserfordernis der zuständigen Behörde (landesweit einheitliche Zuständigkeit der Bezirksregierung ... nach § 5 Abs. 10 ZustAVO) nicht gewahrt hat – durch die zwischenzeitlich erfolgte Einigung und das Entgegenkommen der Behörden erreicht. Gründe für die Aufhebung der Wohnsitzauflage nach § 12a Abs. 5 Satz 1 AufenthG sind nicht ersichtlich (vgl. sogleich), sodass von einer reinen Kulanzlösung auszugehen ist und die Klage zu keinem Zeitpunkt begründet gewesen wäre.
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Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse der Klägerin am Ausspruch der Rechtswidrigkeit für die Vergangenheit ist vorliegend nicht ersichtlich. Ein solches liegt bei Verpflichtungsbegehren vor, wenn mit der Feststellung der Rechtswidrigkeit eine Verbesserung der Rechtsposition im Hinblick auf das Interesse verbunden ist, das hinter der erstrebten (und nun nicht mehr zu erreichenden) Leistung steht (BVerwG, U.v. 26.3.1981 – 3 C 134/79 – DVBl 1981, 975). In der Rechtsprechung haben sich im Wesentlichen vier Hauptfallgruppen herausgebildet, bei deren Vorliegen regelmäßig ein berechtigtes Feststellungsinteresse zu bejahen ist: die Fälle der Wiederholungsgefahr, die Fälle einer fortdauernden grundrechtsrelevanten Beeinträchtigung, die Vorbereitung eines Amtshaftungs- oder Entschädigungsprozesses sowie Fälle eines Rehabilitationsinteresses (vgl. BVerwG, U.v. 16.5.2013 – 8 C 14/12 – BVerwGE 146, 303, juris; BVerwG, U.v. 21.1.2015 – 10 C 11/14 – BVerwGE 151, 179, juris).
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Eine Wiederholungsgefahr, eine fortdauernde grundrechtsrelevante Beeinträchtigung oder ein Rehabilitationsinteresse sind nicht ersichtlich und werden auch von der Klagepartei nicht geltend gemacht.
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Auch der Vortrag der Bevollmächtigten, es seien Schäden entstanden – und damit wohl das Berufen auf eine beabsichtigte Schadensersatzklage – greift nicht durch.
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Einerseits ist bereits – wie der Bekannte der Klägerin in seiner E-Mail an die Bevollmächtigte nachvollziehbar ausführt – fraglich, ob tatsächlich ein Schaden entstanden ist. Normale Umzugs- und Mietkosten wären ohnehin entstanden, sodass durch die – fälschlicherweise ohne die Zustimmung der zuständigen Stelle ergangene, aber inhaltlich dem Willen der Klägerin entsprechende – Aufhebung der Wohnsitzverpflichtung im Landkreis Günzburg keine finanzielle Schlechterstellung erfolgen konnte. Die mögliche zeitliche Verschiebung von Kosten durch den eigenmächtig und ohne Billigung der Behörden erfolgten Umzug stellt nach der erforderlichen Gesamtbetrachtung ebenfalls keinen Schaden dar. Dass diese Kosten möglicherweise vorfinanziert werden mussten, lag an der Eigenmächtigkeit der Klägerin. Wie weit die durchgehend im Sozialhilfebezug stehende Klägerin diese Kosten aber hätte erstattet erhalten können und von welchem Rechtsträger, ist nicht entscheidungserheblich.
30
Die von der Bevollmächtigten angeführten Kosten für die Prozessbevollmächtigte selbst begründen ebenfalls kein Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Nach der der Behördenakte zu entnehmenden Konversation zwischen den Beteiligten, insbesondere zwischen dem Landratsamt, der Bezirksregierung ... und der Ausländerbehörde des Kreises Warendorf, hat sich bereits mit Schreiben des Landratsamtes ... vom 28. März 2024 eine einvernehmliche Lösung (auf die es zumal keinen Rechtsanspruch gab, vgl. oben) abgezeichnet. Trotzdem hat die Bevollmächtigte am 5. April 2024 – insofern ohne nachvollziehbare Veranlassung – Klage erhoben.
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Andererseits würde das Vorliegen eines Präjudizinteresses die ernstliche Absicht erfordern, einen nicht offensichtlich aussichtslosen zivilgerichtlichen Schadensersatzprozess führen zu wollen. Die bloße unsubstantiierte oder nur aus prozesstaktischen Gründen aufgestellte Behauptung, einen Schadensersatzprozess führen zu wollen, genügt hierfür nicht (BayVGH, B.v. 27.3.2014 – 15 ZB 12.1562 – juris Rn. 12; NdsOVG, B.v. 29.8.2007 – 10 LA 31/06 – juris Rn. 6). Zwar dürfen an diese Darlegung keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Insbesondere bedarf es regelmäßig keiner Vorlage einer genauen Schadensberechnung. Jedoch muss der Vortrag zur Rechtfertigung des mit der Fortsetzung des Prozesses verbundenen Aufwands über die bloße Behauptung hinaus nachvollziehbar erkennen lassen, dass ein Amtshaftungsprozess tatsächlich angestrebt wird und nicht offensichtlich aussichtslos ist (vgl. BayVGH, B.v 24.10.2011 – 8 ZB 10.957 – juris Rn. 13; Wolff in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, zu § 113 Rn. 277 ff.). Diesen Anforderungen genügt das nicht über den allgemeinen Hinweis, es seien Schäden entstanden, hinausgehende Vorbringen nicht. Nach allem stellt sich die Behauptung der Klägerbevollmächtigten, es seien geltend zu machende Schäden entstanden, als eine wenig ernst zu nehmende Ankündigung von geringer Substanz zur Erlangung sonst nicht zustehender prozessualer Vorteile dar.
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Die Klagerhebung war vielmehr mutwillig, denn die materiellen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Aufhebung der Wohnsitzverpflichtung nach § 12a Abs. 5 AufenthG waren schon im Zeitpunkt der Klageerhebung offensichtlich nicht gegeben: Die Klägerin ist volljährig und nicht betreuungsbedürftig und somit zu einer eigenständigen Lebensführung im Stande. Zudem lebt sie von Sozialhilfe, die ihr am bisherigen wie auch am gewünschten Wohnort geleistet wird. Weder familiäre, noch soziale oder wirtschaftliche Gründe rechtfertigten daher im Zeitpunkt der Klagerhebung oder danach die Aufhebung der Wohnsitzauflage. Umgekehrt zeichnete sich die Kulanz-Lösung ab, die abzuwarten der Klägerin zumutbar war. Ein Schadensersatzprozess wird daher voraussichtlich mangels rechtswidrigen – und für den behaupteten Schaden kausalen – Vorverhaltens der Behörden keine Aussicht auf Erfolg haben. Wenn ein Schaden entstanden sein sollte, dann durch die mutwillige Klageerhebung. Wenn der Schaden nicht gemindert worden sein sollte, dann durch die unterlassene Erledigterklärung seitens der Bevollmächtigten. Hinzu kommt, dass das Gericht – insbesondere gestützt auf die Äußerungen des Bekannten der Klägerin – anzweifelt, dass die Bevollmächtigte im Sinne der Klägerin handelt.
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2. Auf die Mittellosigkeit der Klägerin kommt es daher nicht mehr an.