Titel:
Zulassung zur Abschlussprüfung, Fehlzeiten, Härtefallantrag, Erkrankung
Normenketten:
PflBG § 13
PflAPrV § 1
PlfAPrV § 11
Schlagworte:
Zulassung zur Abschlussprüfung, Fehlzeiten, Härtefallantrag, Erkrankung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 40722
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Gerichtsbescheid ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Zulassung zur staatlichen Abschlussprüfung in der Pflege im Sommer 2024.
2
Der Kläger absolvierte im Schuljahr 2023/2024 im dritten Jahr die Ausbildung zum Pflegefachmann an der Neumarkter Akademie für Gesundheits- und Sozialberufe (Schule). Die Fehlzeiten des Klägers im theoretischen und praktischen Unterricht stellen sich wie folgt dar:
1. Ausbildungsjahr 168 Stunden
2. Ausbildungsjahr 104 Stunden
3. Ausbildungsjahr 65 Stunden (bis zum Notenschluss am 31. März 2024)
66 Stunden (Zeitraum vom 9. April 2024 bis 7. Mai 2024)
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Bereits am 15. September 2023 bestätigte der Kläger, dass er über Fehlzeiten und die möglichen Konsequenzen, insbesondere die Nichtzulassung zur Abschlussprüfung, informiert worden sei.
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Mit Schreiben vom 3. April 2024 begründete der Kläger seine Fehlzeiten während der Ausbildung als Pflegefachmann. Er machte im Wesentlichen gesundheitliche Probleme geltend, insbesondere nach seiner Diabetes-Diagnose. Die Diagnose sei ein einschneidendes Ereignis gewesen, die es ihm schwergemacht habe, sich auf die Ausbildung zu konzentrieren, da er sich zunächst an die neue Situation habe anpassen und lernen müssen, wie er seine Krankheit am besten „manage“. Zudem habe er in seiner Ausbildung manchmal das Gefühl gehabt, nicht genügend von Vorgesetzten und Kollegen unterstützt worden zu sein. Dies habe sein Stresslevel erhöht, was sich wiederum auf seine chronische Krankheit ausgewirkt habe. All das habe insgesamt zu den vielen Fehlzeiten geführt. Es sei ihm bewusst, dass seine Abwesenheit Auswirkungen auf seine Ausbildung gehabt haben könnte. Er sei entschlossen, dies durch ein hohes Niveau an erworbenem Wissen und Fachkompetenz auszugleichen, in Zukunft besser mit Herausforderungen umzugehen sowie seine Gesundheit und Arbeitsbelastung besser zu „managen“.
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Unter dem 8. April 2024 beantragte der Kläger bei der Regierung der Oberpfalz die Zulassung zur staatlichen Abschlussprüfung.
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Unter dem 9. April 2024 bestätigte die Schule die Überschreitung der zulässigen Fehlzeiten um 36 Stunden. Unter dem Punkt „Die Schule befürwortet die Zulassung zum Examen nicht; Kurze Begründung“, der zunächst nicht angekreuzt wurde, findet sich folgende handschriftliche Eintragung: „3 Wochen vor d. Prüfung nochmals Abfrage der Fehlzeiten -> dann erfolgt Entscheidung d. Dr. E.A.“. Später wurde das Dokument dahingehend ergänzt, dass bei dem Punkt „Die Schule befürwortet die Zulassung zum Examen nicht; Kurze Begründung“ ein Kreuz gesetzt wurde und „Fehlzeiten in d. Zeit vom 9.4 – 7.5. = 66 Std.“ vermerkt wurden.
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Mit Bescheid vom 22. Mai 2024 lehnte die Regierung der Oberpfalz den Antrag auf Zulassung zur Abschlussprüfung im Sommer 2024 und den Härtefallantrag ab. Zur Begründung wird im Bescheid im Wesentlichen ausgeführt, dass die Zulassung zur staatlichen Prüfung nur erteilt werden könne, wenn die in § 13 PflBG i.V.m. § 1 Abs. 4 PflAPrV festgelegten zulässigen Fehlzeiten nicht überschritten würden und die Durchschnittsnote der Jahreszeugnisse mindestens „ausreichend“ sei. Fehlzeiten wegen Krankheit oder aus anderen nicht zu vertretenden Gründen würden mit bis zu zehn Prozent der Stunden des theoretischen und praktischen Unterrichts sowie bis zu zehn Prozent der Stunden der praktischen Ausbildung nach Maßgabe der Ausbildungs- und Prüfungsordnung auf die Dauer der Ausbildung angerechnet (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 PflBG). Dies entspreche 210 Stunden des theoretischen und praktischen Unterrichts sowie 250 Stunden der praktischen Ausbildung. Unter Berücksichtigung dieser anrechenbaren Fehlzeiten müssten somit mindestens 1890 Unterrichtsstunden im Rahmen des theoretischen und praktischen Unterrichts sowie mindestens 2250 Stunden im Rahmen der praktischen Ausbildung geleistet werden. Fehlzeiten könnten nach § 13 Abs. 1 Nr. 2 PflBG i.V.m. § 1 Abs. 4 PflAPrV im Übrigen nur dann angerechnet werden, soweit diese einen Umfang von 25 Prozent der Stunden eines Pflichteinsatzes nicht überschreiten. In den Pflichteinsätzen im Rahmen der praktischen Ausbildung müssten daher in jedem Fall mindestens 75 Prozent der vorgesehenen Stunden im jeweiligen Versorgungsbereich erbracht worden sein. Auf Antrag könne die zuständige Behörde auch über Absatz 1 hinausgehende Fehlzeiten berücksichtigen, wenn eine besondere Härte vorliege und das Erreichen des Ausbildungsziels durch die Anrechnung nicht gefährdet werde (§ 13 Abs. 2 Satz 1 PflBG). Bei dem Begriff der besonderen Härte handle es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Es genüge nicht, dass ein Härtefall vorliege. Es müsse sich um einen besonderen Härtefall handeln. Die zuständige Behörde müsse im Einzelfall prüfen, ob eine besondere Härte vorliege und ob das Erreichen des Ausbildungsziels durch eine Anrechnung möglicherweise gefährdet werde. Zum Zeitpunkt der Prüfungszulassung habe der Kläger laut der Bestätigung der Berufsfachschule für Pflege folgende Fehlzeiten, die das anrechenbare Maß überschreiten würden: Im theoretischen und praktischen Unterreicht seien die zulässigen Fehlzeiten um mindestens 102 Stunden überschritten. Ein besonderer Härtefall, der eine weitere Berücksichtigung von Fehlzeiten und eine Zulassung zur staatlichen Abschlussprüfung in der Pflege rechtfertigen könnte, sei im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Auch die Berufsfachschule sehe das Erreichen des Ausbildungsziels sehr kritisch und habe insofern eine negative Prognose abgegeben. Der Härtefallantrag sei somit abzulehnen. Der Kläger habe nach Ableistung der geforderten Ausbildungsstunden die Möglichkeit, sich zur nächsten staatlichen Abschlussprüfung in der Pflege anzumelden.
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Am 14. Juni 2024 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben (RO 3 K 24.1411) und Antrag auf einstweilige Anordnung gestellt (RO 3 E 24.1410).
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In seiner Klagebegründung führt der Kläger im Wesentlichen aus, dass die Schulleiterin Anfang März 2024 ihm und einigen anderen Mitschülern mitgeteilt habe, dass sie eine schriftliche Begründung für ihre Fehlzeiten einreichen sollten. Es sei jedoch nicht erwähnt worden, dass die Begründungen als Härtefallanträge genutzt würden. Ende März sei ihnen mitgeteilt worden, dass die Regierung unter der Bedingung zugestimmt habe, dass keine weiteren Fehlzeiten auftreten dürften. Aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme (Diabetes mellitus Typ 2) hätte er jedoch weiterhin Fehlzeiten gehabt. Am 17. Mai 2024 sei von der Schulleitung mündlich mitgeteilt worden, dass er aufgrund dieser zusätzlichen Fehlzeiten nicht zur Prüfung zugelassen werde. Der Bescheid der Regierung stütze sich aber sodann auf die allgemeinen Fehlzeiten und den abgelehnten Härtefallantrag, von dessen Existenz er nichts gewusst habe und den er folglich auch nicht mitgestalten und zusätzliche Beweismittel beibringen habe können. Die Schule habe auf seine Anfrage, worauf sie die negative Prognose stütze, keine konkreten Informationen geliefert. Im März sei zudem angekündigt worden, dass die betroffenen Schüler möglicherweise zu einem Gespräch mit dem Regierungsbeauftragten eingeladen würden. Diese Anhörung habe aber nicht stattgefunden. Trotz mehrfacher Anfragen habe die Schule es abgelehnt, ihm Beurteilungen seiner Lehrer zur Verfügung zu stellen, die für seine Verteidigung entscheidend seien. Die Entscheidung verstoße gegen § 24 VwVfG. Die Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht hinreichend nachgekommen. Es seien keine ärztlichen Atteste, Schulzeugnisse oder seine persönliche Stellungnahme berücksichtigt worden, um den Härtefallantrag angemessen zu bewerten. Außerdem seien ihm entscheidende Informationen, wie die genauen Bedingungen des Härtefallantrages und die spezifischen Gründe für die negative Prognose nicht schriftlich mitgeteilt worden. Es liege ferner ein Verstoß gegen § 39 VwVfG vor. Die Begründung zur Ablehnung des Härtefallantrags sei nicht ausreichend. Er habe keine schriftliche Erklärung über die zusätzlichen Bedingungen erhalten, unter denen er zugelassen oder nicht zugelassen würde. Insbesondere die Bedingung, dass keine weiteren Fehlzeiten akzeptiert würden, wie von der Schulleitung mitgeteilt und in der E-Mail vom 31. Mai 2024 bestätigt worden sei. Ferner sei sein Recht auf rechtliches Gehör gem. Art. 103 Abs. 1 GG verletzt worden. Er sei nicht rechtzeitig und ausreichend über den Härtefallantrag, seine Existenz und dessen Ablehnung informiert worden. Die mündliche Mitteilung der Schulleiterin, dass keine weiteren Fehlzeiten akzeptiert würden, sei nicht ausreichend. Er habe keine Möglichkeit gehabt, sich zu dem Härtefallantrag zu äußern oder ergänzende Beweise vorzulegen. Zudem seien ihm trotz mehrfacher Aufforderungen keine Beurteilungen seiner Lehrer zur Verfügung gestellt worden. Es liege auch ein Verstoß gegen § 40 VwVfG vor. Die Ablehnung des Härtefallantrags, den er nicht habe mitgestalten können, und der darauf basierenden Nichtzulassung zeigten, dass sein individueller gesundheitlicher Zustand und seine positiven schulischen und praktischen Leistungen nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. Eine faire und ausgewogene Ermessensentscheidung hätte zu einer anderen Entscheidung führen müssen. Es sei ferner gegen § 13 PflBG verstoßen worden. Es liege ein besonderer Härtefall aufgrund seiner Erkrankung und des Erreichens des Ausbildungszieles vor. Es sei belegt, dass Menschen mit Diabetes mellitus Typ 2 anfälliger seien für Krankheiten und Infektionen als gesunde Menschen. Ein geschwächtes Immunsystem und häufige medizinische Betreuung seien notwendige Folgen dieser Erkrankung, die zu erhöhten Fehlzeiten führen könne. Es sei ferner unethisch und ungerecht, von einem Diabetiker zu erwarten und zu verlangen, dass er keine Fehlzeiten habe. Eine solche Erwartung verstoße gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG. Zudem leide das Verfahren an einem Mangel an Transparenz. Mehrere seiner Mitschüler hätten sich schriftlich positiv über seine Leistungen geäußert. Er habe Schüler im ersten Ausbildungsjahr unterstützt, als keine Praxisanleitung vorhanden gewesen sei. Diese Schüler hätten durch seine Unterstützung eine positive Beurteilung von ihrer Schule erhalten. Die Schulleitung habe möglicherweise absichtlich einen negativen Eindruck vom Kläger vermittelt, um die Entscheidung zu beeinflussen. Diese Vermutung basiere darauf, dass trotz mehrfacher Nachfragen keine konkreten Informationen oder Begründungen für die negative Prognose geliefert worden seien. Der Kläger beantragt ferner, dass das Gericht die Beurteilungen seiner Dozenten ohne Beteiligung oder Einflussnahme der Schulleitung einhole. Zudem beantragt der Kläger, die Einholung von Vergleichsdaten einer Mitschülerin zur Beurteilung seines Härtefallantrages.
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Der Kläger beantragt in der Sache:
1. Der Bescheid der Regierung der Oberpfalz vom 22. Mai 2024 über seine Nichtzulassung zur staatlichen Abschlussprüfung im Sommer 2024 wird aufgehoben.
2. Die Regierung der Oberpfalz wird verpflichtet, den Kläger zur staatlichen Abschlussprüfung im Sommer 2024 zuzulassen gemäß Härtefallregelung § 13 Abs. 2 PflBG.
11
Der Beklagte beantragt,
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Der Beklagte begründet dies im Wesentlichen damit, dass der Kläger die erforderliche Mindestausbildungszeit im theoretischen und praktischen Unterricht von 1.890 Stunden nicht nachgewiesen habe. Die Ablehnung des Härtefallantrages sei rechtmäßig gewesen. Der Kläger habe die zulässigen Fehlzeiten nicht nur geringfügig überschritten. Nachweise, die das Vorliegen einer besonderen Härte belegen würden, seien nicht vorgelegt worden. Zudem habe die Schule die Prognose abgegeben, dass das Erreichen des Ausbildungsziels aufgrund der erheblichen Fehlzeiten gefährdet werde.
13
Mit Beschluss vom 20. Juni 2024 lehnte das Gericht den Antrag im Verfahren RO 3 E 24.1410 ab.
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Mit gerichtlichem Schreiben vom 6. August 2024 hat das Gericht den Beteiligten seine Absicht mitgeteilt, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Binnen der gesetzten Frist äußerte sich lediglich der Beklagte, der sein Einverständnis erklärt hat.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Behördenakte in diesem Verfahren und im Verfahren RO 3 E 24.1410 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
16
Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist, § 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beteiligten wurden vorher gehört, § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Ihre Zustimmung ist nicht erforderlich (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 84 Rn. 10).
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Die Klage ist bereits unzulässig.
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Der Verpflichtungsklage des Klägers (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) fehlt vorliegend das Rechtsschutzbedürfnis. Einer Klage fehlt u.a. dann das Rechtsschutzbedürfnis, wenn sie für den Kläger keinen Nutzen bringt (Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Vor §§ 40 – 53 Rn. 16 ff.). Dies kann nur dann bejaht werden, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann, die Nutzlosigkeit daher eindeutig ist. Im Zweifel ist das Rechtsschutzbedürfnis zu bejahen (BVerwG, U.v. 29.4.2004 – 3 C 25/03 – NVwZ-RR 2004, 855/856).
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Vorliegend ist die Klage auf Zulassung zur staatlichen Abschlussprüfung der Pflege im Sommer 2024 gerichtet (§ 88 VwGO). Dies ergibt sich aus dem eindeutigen Klageantrag des Klägers. Ob ohne die zeitliche Festlegung auf den Termin im Sommer 2024 eine Erledigung des Verpflichtungsbegehrens eingetreten wäre oder sich ein solches auf den jeweils nächsten Prüfungstermin bezöge, kann daher im vorliegenden Fall dahinstehen. Dem Kläger geht es ausdrücklich um Zulassung zur Abschlussprüfung zum Termin im Sommer 2024.
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Der diesbezügliche Prüfungstermin ist bereits verstrichen, ohne dass der Kläger hieran teilnehmen konnte. Insbesondere hat das Gericht den Kläger nicht im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig zur Abschlussprüfung im Sommer 2024 zugelassen. Die Verpflichtung zur rückwirkenden Zulassung für den Prüfungstermin im Sommer 2024 ist dem Gericht schon aus tatsächlichen Gründen nicht mehr möglich. Ein etwaiger Ausspruch wäre für den Kläger ohne Nutzen, da er nicht rückwirkend an der Abschlussprüfung im Sommer 2024 teilnehmen kann. Der Regelungsausspruch eines solchen stattgebenden Urteils ginge ins Leere und brächte dem Kläger keinerlei Vorteile. Da sich der Streitgegenstand (§ 88 VwGO) allein auf die Zulassung zum Termin im Sommer 2024 beschränkt, kann auch keine Zulassung zum nächstmöglichen Termin ausgesprochen werden, unabhängig von der Frage, ob dies rechtlich zulässig wäre.
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Selbst wenn man aber das Rechtsschutzbedürfnis vorliegend bejahen würde, so wäre die Klage jedoch unbegründet.
Der Kläger hat auf Grundlage seiner bisherigen Ausbildungszeit keinen Anspruch auf Zulassung zur Abschlussprüfung, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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1. Unerheblich für das Bestehen des Anspruchs ist die Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 22. Mai 2024. Allein maßgeblich ist das Bestehen der Anspruchsvoraussetzungen, nicht die Rechtmäßigkeit des Ablehnungsbescheids (vgl. Emmenegger in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 2021, § 113 VwGO Rn. 164). Die vom Kläger benannten Verfahrensmängel hinsichtlich der Gewährung rechtlichen Gehörs und der Stellung des Härtefallantrages sind daher nicht entscheidungserheblich.
23
2. Die Anspruchsvoraussetzungen liegen nicht vor.
24
Gem. § 11 Abs. 2 Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe (Pflegeberufe-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung – PflAPrV) wird zur staatlichen Abschlussprüfung zugelassen, wer die amtlich beglaubigte Abschrift seines Identitätsnachweises, einen ordnungsgemäß geführten Ausbildungsnachweis sowie die Jahreszeugnisse vorgelegt hat. Gem. § 11 Abs. 3 PflAPrV wird die Zulassung nur erteilt, wenn die nach § 13 Gesetz über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz – PflBG) i.V.m. § 1 Abs. 4 PflAPrV zulässigen Fehlzeiten nicht überschritten worden sind und die Durchschnittsnote der Jahrzeugnisse mindestens „ausreichend“ beträgt.
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Gem. § 13 Abs. 1 Nr. 2 PflBG werden auf die Dauer der Ausbildung Fehlzeiten wegen Krankheit oder anderer vom Auszubildenden nicht zu vertretender Gründe bis zu zehn Prozent der Stunden des theoretischen und praktischen Unterrichts (Buchstabe a) sowie der praktischen Ausbildung (Buchstabe b) nach Maßgabe der Ausbildungs- und Prüfungsordnung angerechnet. Auf Antrag kann die zuständige Behörde auch über § 13 Abs. 1 PflBG hinausgehende Fehlzeiten berücksichtigen, wenn eine besondere Härte vorliegt und das Erreichen des Ausbildungsziels durch die Anrechnung nicht gefährdet wird, § 13 Abs. 2 Satz 1 PflBG.
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Diese Vorschriften sind auch nicht verfassungsrechtlich zu beanstanden. Die Regelungen stellen keine Verletzung der Berufsfreiheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG dar. Es handelt sich um subjektive Berufswahlregelungen, die mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gem. Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar sind (BVerwG, U.v. 11.7.1985 – 7 C 88.84 – beck-online).
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a) Der Kläger hat die nach § 13 Abs. 1 PflBG grundsätzlich zulässigen Fehlzeiten im theoretischen und praktischen Unterricht überschritten.
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Gem. § 1 Abs. 2 Nr. 1 PflAPrV umfasst der theoretische und praktische Unterricht mindestens insgesamt 2.100 Stunden. Laut Schreiben der Neumarkter Akademie für Gesundheits- und Sozialberufe wurde der Unterricht mit 2191 Stunden geplant.
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Der Kläger hat im theoretischen und praktischen Unterricht insgesamt 403 Fehlstunden zu verzeichnen und damit die anrechenbaren Fehlzeiten in jedem Fall überschritten. Auf die Durchschnittsnote im Jahreszeugnis kommt es daher nicht mehr an.
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b) Die Ablehnung des Härtefallantrags gem. § 13 Abs. 2 Satz 1 PflBG ist nicht rechtlich zu beanstanden.
31
Die vom Kläger eingereichte „Begründung für viele Fehlzeiten während meiner Ausbildung als Pflegefachmann“ vom 3. April 2024 durfte jedenfalls zugunsten des Klägers als Härtefallantrag behandelt werden. Würde man dies anders sehen, so wäre ein Härtefallantrag gar nicht gestellt, mit der Folge, dass die Anrechnung der übrigen Fehlzeiten von vornherein unterbleiben müsste, da der Kläger auch im Nachgang nach Aktenlage keinen Härtefallantrag mehr gestellt hat. Jedenfalls hat der Kläger selbst nur das Schreiben vom 3. April 2024 vorgelegt und keine weitere Antragstellung mehr geltend gemacht.
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Der Begriff des besonderen Härtefalls ist weder im Gesetzestext noch in der amtlichen Begründung näher erläutert (Haage in PflBG, 1. Online-Auflage 2019, § 13 Rn. 2). Die amtliche Begründung führt lediglich aus, dass Fehlzeiten, die über § 13 Abs. 1 PflBG hinausgehen, dann angerechnet werden können, wenn nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalles eine Anrechnung gerechtfertigt erscheint (Haage a.a.O. Rn. 3). Die Gesetzesbegründung zum nunmehr außer Kraft getretenen Gesetz über die Berufe in der Altenpflege führt zur Vorgängerregelung aus, dass ein besonderer Härtefall vorliege, wenn sonstige Umstände den Auszubildenden hindern, an der Ausbildung teilzunehmen, wobei an die Entscheidung über das Vorliegen eines Härtefalls ein strenger Maßstab anzulegen sei (BT-Drucksache 162/99). Der Begriff ist im Interesse der Ausbildungsqualität und zum Schutz des Auszubildenden eng auszulegen. Es muss sich um Umstände handeln, die eine Einzelfallbehandlung rechtfertigen. Umstände, die regelmäßig bei der entsprechenden zeitlichen Verlängerung der Ausbildung eintreten, können keine besondere Härte begründen. Eine Anrechnung kann bei unverschuldeten minimalen Überschreitungen der anrechnungsfähigen Fehlzeiten und sehr guten Ausbildungsleistungen in Betracht kommen (Opolony in Kreutz/Opolony, PflBG, 1. Aufl. 2019, § 13 Rn. 11). Härtefallregelungen dienen im Allgemeinen dazu, die durch die gesetzliche Typisierung entstehenden Härten auszugleichen, um keine unverhältnismäßige Ungleichbehandlung zu erzeugen (vgl. zur damaligen Regelung im Rundfunkgebührenrecht BVerwG, U.v. 12.10.2011 – 6 C 34/10 – NVwZ-RR 2012, 29/30 Rn. 22).
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Die vom Kläger ins Feld geführten Umstände, namentlich seine Krankheit und seine von ihm geltend gemachten Ausbildungsleistungen, vermögen einen besonderen Härtefall vorliegend nicht zu begründen.
34
Dass die Fehlzeiten auf die Diabetes-Erkrankung des Klägers zurückzuführen sind, ist aufgrund des vorgelegten Attestes für das Gericht derzeit nicht hinreichend gesichert. Insoweit widersprechen sich auch die Darstellung des Klägers in seiner Begründung der Fehlzeiten vom 3. April 2024 und die im gerichtlichen Verfahren geltend gemachten Gründe. In der Begründung vom 3. April 2024 werden die Fehlzeiten zwar auch auf gesundheitliche Gründe gestützt, aber nur u.a. auf die Diabetes-Diagnose. Zudem wurden die Fehlzeiten mit gewissen Anpassungsschwierigkeiten nach der Diagnose begründet und nicht, wie im gerichtlichen Verfahren, mit einer generellen Anfälligkeit für Infekte, die aus der Diabeteserkrankung folge. Gerade auch im Hinblick hierauf vermag das ärztliche Attest daher nicht zu überzeugen. Zumal das Attest lediglich „gelegentlich mehr Fehlzeiten“ infolge der Diabeteserkrankung bestätigt.
35
Aus dem Jahreszeugnis vom 28. März 2024 gehen für das dritte Ausbildungsjahr 65 Stunden Fehlzeiten im Unterricht hervor. Der Kläger hat in der Zwischenzeit bis zur Beendigung der Ausbildung nochmals 66 Stunden Fehlzeiten zu verzeichnen gehabt. Auffällig ist zudem, dass der Kläger die zulässigen Fehlzeiten bei den Praxisstunden nicht überschritten hat und trotz des höheren Praxisanteils weniger Fehlstunden aufweist als bei den Unterrichtsstunden. Weshalb sich die Infektanfälligkeit nicht gleichsam auch auf die praktische Ausbildung auswirkt, ist weder dargetan noch ersichtlich.
36
Auch wenn man die Fehlzeiten auf die Diabeteserkrankung des Klägers zurückführt, wäre ein Anspruch auf eine Härtefallregelung nicht zu bejahen. Sinn und Zweck der festgesetzten Ausbildungsstunden ist u.a., dass die nachzuweisenden Leistungen nicht nur punktuell in der Prüfungssituation, sondern auch in zeitlicher Hinsicht mit hinreichender Beständigkeit und in inhaltlicher Hinsicht in der für die Berufsausübung erforderlichen gesamten Breite der fachlichen Anforderungen erbracht werden (SächsOVG, B.v. 27.7.2020 – 5 B 207/20 – beck-online Rn. 9). Hiervon kann nicht aus Gründen der Krankheit abgewichen werden. Das Gebot der prüfungsrechtlichen Chancengleichheit gem. Art. 12 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG gebietet vorliegend nicht die Anrechnung der Fehlzeiten aus Härtefallgesichtspunkten. Diese wäre grundsätzlich allenfalls dann geboten, wenn der Kläger infolge seiner Krankheit Nachteile erleidet, die nicht unmittelbar den Gegenstand der Ausbildungs- und Prüfungsleistung betreffen. Da vorliegend die Zahl der Ausbildungsstunden unmittelbar den Ausbildungs- und Prüfungsstoff betrifft, ist die Annahme eines Härtefalls aufgrund der vom Kläger geltend gemachten Erkrankung nicht geboten. Auch der Kläger muss die Gewähr dafür bieten, dass er in zeitlicher und inhaltlicher Hinsicht die Ausbildung in hinreichendem Ausmaß absolviert hat. Hiervon kann aus Gründen der Krankheit nicht abgewichen werden. Alle Absolventen der Ausbildung müssen in vergleichbarem Maße die Ausbildung in zeitlicher Hinsicht durchlaufen haben, um Breite und die Tiefe der Stoffvermittlung sicherstellen zu können. Die Zeugnisnoten und Einschätzungen der Mitschüler und praktischen Ausbilder vermögen daran nichts zu ändern. Die Begrenzung anrechenbarer Fehlzeiten soll gerade abseits der punktuellen Leistungsfeststellungen sicherstellen, dass die Auszubildenden den Ausbildungsinhalt in der notwendigen Breite und Tiefe verinnerlicht haben. Die Zeugnisnoten geben demgegenüber nur die punktuell festgestellten Lernerfolge wider. Die Einschätzungen der Mitschüler sind für die Frage, ob der Kläger den im theoretischen und praktischen Unterricht vermittelten Lernstoff hinreichend verstanden und verinnerlicht hat, per se schon nicht aussagekräftig, zumal es sich um Gefälligkeitsäußerungen handeln dürfte. Auch die Einschätzungen der praktischen Ausbilder ist für den Lernerfolg im Unterricht von keiner relevanten Aussagekraft. Aus den gleichen Gründen stellt sich auch die beantragte Einholung von Stellungnahmen der Lehrer als nicht entscheidungserheblich dar.
37
Auch aus den übrigen Umständen ergibt sich kein besonderer Härtefall. Die Zahl der überschrittenen Fehlstunden ist nicht so gering, dass der Ausschluss von der Abschlussprüfung eine unverhältnismäßige Härte darstellen würde. Sie ist vielmehr so hoch, dass es dem Kläger zugemutet werden muss, die entsprechenden Stunden nachzuholen und sodann zu einem späteren Prüfungstermin an den Abschlussprüfungen teilzunehmen, da er im Vergleich zu den Absolventen, die nur Fehlzeiten im anrechenbaren Rahmen zu verzeichnen haben, nicht mehr die vergleichbare Gewähr für Breite und Tiefe der Ausbildung bieten kann.
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Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus Art. 3 Abs. 1 GG. Der Kläger macht geltend, eine namentlich benannte Mitschülerin sei aufgrund der Härtefallregelung zur Abschlussprüfung zugelassen worden, obschon sie sich in einer dem Kläger vergleichbaren Situation befunden habe. Selbst wenn der Fall der Mitschülerin mit dem des Klägers derart vergleichbar wäre, so wäre die Annahme eines besonderen Härtefalls in diesem Fall rechtswidrig gewesen. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht vermittelt Art. 3 Abs. 1 GG jedoch nicht (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 26.2.1993 – 8 C 20/92 – NJW 1993, 2065/2066 m.w.N.). Aus diesem Grunde kommt es auch auf die beantragte Erhebung der Daten der Mitschülerin nicht entscheidungserheblich an.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.