Inhalt

SG München, Beschluss v. 04.11.2024 – S 8 AS 1454/24 ER
Titel:

Kein einstweiliger Rechtsschutz bei voller Bedarfsdeckung und gegen eine Kostensenkungsaufforderung

Normenketten:
SGB II § 19, § 20, § 22
SGG § 86b Abs. 2
Leitsätze:
1. Ein Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht, wenn das Existenzminimum durch tatsächlich vorhandenes Einkommen, welches nicht um Freibeträge zu bereinigen ist, und aufstockende Grundsicherungsleistungen gedeckt werden ist. (Rn. 36 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes sind weder ein Rechtsschutzinteresse noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, wenn die Folgen einer Kostensenkungsaufforderung erst in einigen Monaten aufgrund einer weiteren Entscheidung des Leistungsträgers eintreten. (Rn. 41 – 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweiliger Rechtsschutz, Existenzminimum, Anordnungsgrund, Rechtsschutzinteresse, Kostensenkungsaufforderung, Bedarfsdeckung
Rechtsmittelinstanz:
LSG München, Beschluss vom 28.01.2025 – L 7 AS 508/24 B ER
Fundstelle:
BeckRS 2024, 40114

Tenor

I. Der Eilantrag vom 20.10.2024 wird abgelehnt.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.
1
Die vier Antragsteller begehren einstweiligen Rechtsschutz
- in Bezug auf die Bewilligung vom 18.10.2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2204 für die Zeit vom 01.11.2024 bis zum 30.04.2025, mit dem der Antragsteller zu 4. (G3) nicht mehr als Teil der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt wurde und darüber hinaus aus Sicht der Antragsteller zu Unrecht die Miete des Antragstellers zu 4. (G3) für die Ausbildung angemietet eigene Wohnung in D-Stadt nicht berücksichtigt und zu hohes Einkommen der Antragstellerin zu 2. angesetzt worden sei, und
- in Bezug auf ein Mietabsenkungsinformationsschreiben ebenfalls vom 18.10.2024, mit dem die Antragsteller darüber informiert wurden, dass der Antragsgegner beabsichtige, vor dem Hintergrund der eigenen Wohnung des Antragstellers zu 4. in D-Stadt ab dem 01.05.2025 nur noch die nach seinem Mietobergrenzenkonzept angemessene Bruttokaltmiete für einen 3-Personen-Haushalt und nicht mehr für einen 4-Personen-Hauhsalt anzusetzen.
2
Der am ... 1963 geborene Antragsteller zu 1., seine am ... 1966 geborene Frau, die Antragstellerin zu 2., sowie die beiden gemeinsamen am 2006 geborenen Söhne (Antragsteller zu 3, und 4.) wohnten zunächst gemeinsam in einer Wohnung und bezogen seit 2021 aufstockende SGB II-Leistungen vom Antragsgegner.
3
Die Antragstellerin zu 2. ist bei der Gemeinde G-Stadt angestellt. Sie erhielt z.B. im Monat April 2024 ein monatliches Gehalt von ca. 2.000,00 Euro brutto (ca. 1.300 Euro netto). Zuletzt wurden der Antragstellerin zu 3. 1.259,51 Euro netto monatlich ausgezahlt.
4
Die Antragsteller zu 3. und 4. sind schwerbehindert. Der Sohn G2.(Antragsteller zu 3.) hat einen GdB von 50 und der Sohn (Antragsteller zu 4.) einen GdB von 100. Für beide Kinder wurde zunächst Kindergeld in Höhe von 250,- Euro monatlich ausbezahlt.
5
Die Familie wohnt zur Miete in einem Haus in der H-Straße in G-Stadt zu einem Mietzins von 1.206,- Euro Kaltmiete und (nach einer Nebenkostenerhöhung um 140 Euro im Frühjahr 2024 mittlerweile) 215,- Euro Nebenkosten. Die Familie heizt mit Öl.
6
Mit Veränderungsmitteilung vom 18.09.2024 teilten die Antragsteller mit, dass ab dem 01.09.2024 ein weiterer Bedarf des Antragstellers zu 4. (G3) in Höhe von 350 Euro monatlich an Unterkunftskosten bestehe. Der Antragsteller zu 4. werde nunmehr in der Akademie S-Stadt ausgebildet und könne nicht täglich dorthin pendeln. Laut ihrer Webseite bietet die vom F. getragene Akademie Ausbildungen in Heilpädagogik, Heilerziehungspflege und -hilfe, Generalistischer Pflege, Altenpflegehilfe, Sozialpflege und Ergotherapie an. Die Akademie, so führen die Antragsteller weiter in der Veränderungsmitteilung vom 18.09.2024 aus, biete für diese Fälle Zimmer an. Ein Zimmer sei für den Antragsteller zu 4. nötig, damit er stets pünktlich zum Unterricht erscheinen könne und seine Zeit zum Lernen in der Gemeinschaft mit anderen nutzen könne. Vom Amt für Ausbildungsförderung beim Landratsamt F-Stadt, das den BaföG-Bescheid erlassen habe, sei den Antragstellern versichert worden, dass das Geld für das Zimmer nicht „über BaföG erstattet“ werde. Zum 01.09.2024 mietete dementsprechend der Antragsteller zu 4. (G3) laut Mietvertrag ein Zimmer in der von der F. S-Stadt gGmbH getragenen Akademie S-Stadt (in Markt I-Stadt, Landkreis D-Stadt) zu einer Pauschalmiete von 350 Euro an. Die Nebenkosten, Heizung, Strom, Kalt- und Warmwasser, Abwasser und Müllgebühren sind davon laut Mietvertrag mit abgedeckt. Am 09.09.2024 meldete der Antragsteller zu 4. Laut Meldebestätigung des Markt I-Stadt dort einen Nebenwohnsitz an.
7
Der Antragsteller zu 4. erhält für die Zeit seit dem 01.09.2024 monatlich 632 Euro BaföG laut Bescheid des Amts für Ausbildungsförderung beim Landratsamt F-Stadt vom 10.09.2024, die auf das Konto des Antragstellers zu 1. ausgezahlt werden.
8
Für den Antragsteller zu 4. wird das Kindergeld – nach einer Unterbrechung, während derer das Kindergeld von der Familienkasse direkt an das Jugendamt gezahlt wurde – in Höhe von 250 Euro monatlich seit Oktober 2024 wieder direkt an die Antragsteller ausgezahlt.
9
Der Antragsteller zu 3. (G2) steht seit dem 07.10.2024 in einem Ausbildungsverhältnis zum Mechatroniker beim Autohaus W. GmbH & Co KG. Sein Einkommen beläuft sich laut Ausbildungsvertrag auf 989,00 Euro brutto = 785 Euro netto. Für ihn wird an die Antragsteller Kindergeld in Höhe von 250 Euro monatlich gezahlt.
10
Mit vorläufigem Bewilligungsbescheid vom 18.10.2024 bewilligte der Antragsgegner nur noch den Antragstellern zu 1., 2 und 3. (den Eltern und dem Sohn G2) SGB II-Leistungen für die Zeit vom 01.11.2024 bis 30.04.2025 vorläufig unter Aufteilung der vollen Kosten der Unterkunft und Heizung auf nunmehr 3 Köpfe, also voller weiterer Übernahme der Kosten und Heizung des Hauses in G-Stadt. Jedoch wurde der Antragsteller zu 4. (G3) nicht mehr als Teil der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt und daher für ihn keine Bedarfe angesetzt und für ihn auch kein Regelbedarf mehr bewilligt.
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Die Gesamtbewilligung für die vom Antragsgegner berücksichtigten Bedarfsgemeinschaftsmitglieder betrug für November 2024 1.546,04 Euro, davon je 598,03 Euro für den Antragsteller zu 1. und die Antragstellerin zu 2. und für den Antragsteller zu 3. (G2) 349,09 Euro.
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Für die Monate Dezember 2024 bis April 2024 betrug die Gesamtbewilligung 1.500,71 Euro monatlich, davon je 584,12 Euro für den Antragsteller zu 1. und die Antragstellerin zu 2. und 332,47 Euro für den Antragsteller zu 3.
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Für den ganzen Bewilligungszeitraum von November 2024 bis April 2025 wurden 25,30 monatlich Euro aufgerechnet.
14
Zur Begründung des Bewilligungsbescheids vom 18.10.2024 führte der Antragsgegner aus: Die Antragstellerin zu 2. und der Antragsteller zu 3. würden über schwankendes Einkommen aus abhängiger Beschäftigung verfügen. Daher erfolge die Bewilligung nur vorläufig anhand einer Einkommensprognose. Dabei sei man bei der Antragstellerin zu 2.von deren Einkommen im April 2024 ausgegangen, in dem sie 2.141,00 brutto = 1.300 Euro netto verdient habe. Als Einkommen des Antragstellers zu 3. (G2) habe man die Ausbildungsvergütung laut Ausbildungsvertrag angesetzt (989,00 Euro brutto = 785,00 Euro netto).
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Diese beiden Einkommen aus Erwerbsfähigkeit rechnete der Antragsgegner monatlich – bereinigt um Erwerbstätigenfreibeträge in Höhe von 378,00 Euro (Antragstellerin zu 2.) bzw. 678,70 Euro (Antragsteller zu 3.) – an, also in Höhe von 922,00 Euro (Antragstellerin zu 2.) bzw. 106,30 Euro (Antragsteller zu 3.).
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Weiterhin rechnete der Antragsgegner 250 Euro Kindergeld für den Antragsteller zu 3. an.
17
Die leicht niedrigere Novemberbewilligung ergab sich daraus, dass der Antragsgegner für den Antragsteller zu 3. bis zum Tag vor dessen 18. Geburtstag, also bis zum 23.11.2024, den Regelbedarf für einen 17-jährigen ansetzte, und erst für die Zeit ab dem 24.11.2024 dann den Regelbedarf für einen volljährigen im Haushalt der Eltern.
18
Der Antragsteller zu 4. (G3) sei hingegen, so führt der Antragsgegner im Bescheid vom 18.11.2024 weiter aus, nicht mehr als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen. Er sei am 01.09.2024 in das F. S-Stadt gGmbH gezogen. Damit sei dort auch sein tatsächlicher Aufenthalt begründet. Dabei sei es unerheblich, ob der Antragsteller zu 4. weiterhin seinen Erstwohnsitz bei den Antragstellern zu 1. bis 3. gemeldet habe. Denn entscheidend dafür, welches Jobcenter örtlich zu ständig sei, sei allein, wo ein Leistungsempfänger seinen tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthalt habe. Für den Antragsteller zu 4. sei ein SGB II-Antrag beim örtlich zuständigen Jobcenter, dem Jobcenter D-Stadt zu stellen.
19
Mit einem weiteren Bescheid ebenfalls vom 18.10.2024 wurden dem Antragsteller zu 3. (G2) für die Zeit vom 01.11.2024 bis zum 30.04.2025 vom Antragsgegner ein Sofortzuschlag in Höhe von 20 Euro monatlich nach § 72 Absatz 1 SGB II als Jugendlicher bzw. junger Erwachsene in Ausbildung gewährt.
20
Gegen den vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 18.10.2024 für die Zeit vom 01.11.2024 bis 30.04.2025 legten die Antragsteller ebenfalls am 18.10.2024 Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde wie folgt begründet: Zum einen sei zu hohes Einkommen der Antragstellerin zu 2. angerechnet worden, obwohl Kontoauszüge und Gehaltsabrechnungen vorgelegt worden seien. Zum Anderen sei es nicht korrekt, dass der Antragsteller zu 4. nicht mehr als Teil der Bedarfsgemeinschaft berücksichtigt werde. Das Landratsamt F-Stadt habe darauf bestanden, „dass der BaföG-Antrag für durch den Landkreis F-Stadt bearbeitet wird“ (und nicht vom Landratsamt D-Stadt). Daher sei der Antragsteller zu 4. vom Antragsgegner als Teil der Bedarfsgemeinschaft anzusehen (und nicht das Jobcenter in D-Sadt zuständig). Das Amt für Ausbildungsförderung beim Landratsamt in F-Stadt habe sich geweigert, die Miete des Antragstellers zu 4. in D-Stadt zu übernehmen. Die Miete des Antragstellers zu 4. in D-Stadt sei daher vom Antragsgegner sofort zu übernehmen. Es sei „schlicht lächerlich“, dass der Antragsteller zu 4. nun einen eigenen SGB II-Antrag in D-Stadt stellen solle.
21
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2024 wies der Antragsgegner den Widerspruch der Antragsteller gegen die vorläufige Bewilligung vom 18.10.2024 für die Zeit von November 2024 bis April 2025 als unbegründet zurück. Für den Antragsteller zu 4. (G3) sei nicht mehr der Antragsgegner (Jobcenter F-Stadt) zuständig, sondern das Jobcenter D-Stadt. Denn dort habe der Antragsteller zu 4. eine Unterkunft angemietet und mittlerweile – für die nächsten 2 Jahre – seinen tatsächlichen gewöhnlichen Aufenthalt. Das sei unabhängig davon, wo er gemeldet sei. Selbst wenn der Antragsteller – entgegen den vorliegenden Nachweisen – doch seinen gewöhnlichen Aufenthalt bei den Eltern begründen, dann könnten jedenfalls die Unterkunftskosten in D-Stadt nicht durch den Antragsgegner (Jobcenter F-Sadt) übernommen werden. Hinsichtlich der angerechneten Einkommenshöhe der Antragstellerin zu 2. könne nicht nachvollzogen werden, warum dieses falsch prognostiziert sein solle. Aus den vorgelegten Unterlagen gehe doch hervor, dass ihr Gehalt in Höhe von 1.259,51 Euro netto monatlich zufließe. Im Übrigen werde auf die Ausführungen in der vorläufigen Bewilligung vom 18.10.2024 verwiesen.
22
Hauptsacheklage gegen die vorläufige Bewilligung vom 18.10.2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2024 für den Zeitraum 01.11.2024 bis 30.04.2025 haben die Antragsteller (bislang) nicht erhoben.
23
Mit Schreiben vom 18.10.2024 hat der Antragsgegner zudem die Antragsteller über die aktuellen aus Sicht des Antragsgegners angemessenen Mietobergrenzen für einen 3-Persone-Haushalt informiert. Diese Angemessenheitsgrenze liege im Falle der Antragsteller bei 920 Euro und werde derzeit überschritten. Die Antragsteller möchten daher zum 01.03.2025 mitteilen, ob Gründe vorliegen, die Einfluss auf die Beurteilung der Angemessenheit bzw. der Zumutbarkeit kostensenkender Maßnahmen haben könnten. Sollten keine besonderen Umstände vorliegen, seien die Antragsteller nach dem Gesetz (§ 22 SGB II) aufgefordert, Bemühungen zu unternehmen, die Mietbelastung auf den für sie maßgeblichen Richtwert in Höhe von 920,00 € zu senken. Für die Senkung der Mietbelastung stünden den Antragstellern einige Alternativen offen. Sie könnten insbesondere durch Untervermietung von Räumen der Wohnung aber auch durch Umzug in eine andere Wohnung mit angemessener Miete zur Kostensenkung beitragen. Die Antragsteller möchten daher auch bis zum 01.03.2025 mitteilen, ob und welche Alternativen für sie möglich seien. Dies gelte ebenso, wenn sie den Überschreitungsbetrag anderweitig, z. B. aus nicht anrechenbarem Einkommen oder geschütztem Vermögen selbst tragen wollten. Sollten sich die Antragsteller bis zum 01.03.2025 nicht entsprechend geäußert haben, weil insbesondere keine Gründe ersichtlich seien, den unangemessen teuren Wohnraum beizubehalten, seien Sie hiermit schriftliche aufgefordert, sich bis spätestens 01.05.2025 konkret um die Senkung der Mietbelastung zu bemühen. Die Miete werde dann nach dem 01.05.2025 für die Leistungsberechnung auf den aus Sicht des Antragsgegners angemessenen Richtwert gesenkt. Sollte es den Antragstellern bis zu diesem Zeitpunkt objektiv unmöglich sein, die Kosten zu senken, obliege es ihnen, diese Unmöglichkeit mit geeigneten Nachweisen (z. B. lückenlose Auflistung sämtlicher ernsthafter Bemühungen, angemessenen Wohnraum zu finden) zu belegen.
24
Am 20.10.2024 haben die Antragsteller den Widerspruch vom 18.10.2024 gegen den Bewilligungsbescheid vom 18.10.2024 für die Zeit vom 01.11.2014 bis zum 30.04.2025 und das Informationsschreiben des Antragsgegners vom 18.10.2024 zu der ab 01.05.2025 beabsichtigten Absenkung der Kosten der Unterkunft auf die Angemessenheitsgrenze des Antragsgegners für einen 3-Personen-Haushalt übermittelt. Im Anschreiben dazu führten die Antragsteller aus: So bleibe dem Antragsteller zu 3. (G2) von seiner Ausbildungsvergütung rein gar nichts, wenn er aus der Ausbildungsvergütung seinen Mietanteil sowie seinen Lebensunterhalt selbst daraus tragen müsse. Dann könne er nichts für den für seinen Beruf dringend erforderlichen Führerschein zusammensparen. Für den Antragsteller zu 4. (G3) würde gar kein Regelbedarf angesetzt und auch die Wohnkosten in D-Stadt nicht als Bedarf berücksichtigt. Noch dazu würde der Antragsgegner jetzt auch noch behaupten, das Haus, in dem sie seit 30 Jahren wohnen, sei unangemessen.
25
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
1.
den Antragsgegner einstweilen zu verpflichten, den Antragstellern (inklusive dem Antragsteller zu 4.) SGB II-Leistungen für die Zeit vom 01.11.2024 bis 30.04.2025, in gesetzlicher höherer als bisher mit Bescheid vom 18.10.2024 bewilligter Höhe vorläufig zu gewähren, sowie
2.
den Antragsgegner einstweilen zu verpflichten, das Informationsschreiben vom 18.10.2024 zu der vom Antragsgegner beabsichtigten Absenkung auf die im kommunalen Konzept vorgesehene Mietobergrenze für einen 3-Personen-Haushalt ab dem 01.05.2025 vorläufig aufzuheben.
26
Der Antragsgegner beantragt,
den Eilantrag vom 20.10.2024 abzulehnen.
27
Zur Begründung des Ablehnungsantrags führt der Antragsgegner aus: Nach Ansicht des Antragsgegners habe der Antragsteller zu 4. (G3) seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr im Landkreis F-Stadt und somit nicht mehr im Zuständigkeitsgebiet des Antragsgegners. Dies sei den Antragstellern auch bereits fernmündlich mitgeteilt. Ferner sei den Antragstellern bereits mitgeteilt worden, dass eine Kostenübernahme (Berücksichtigung der Kosten bei der Anspruchsberechnung) der Unterkunftskosten im Landkreis D-Stadt durch den Antragsgegner nicht erfolgen könne, soweit festgestellt werden würde, dass der Antragstelle zu 4. trotz eigener Unterkunft im Landkreis D-Stadt und dortigem Schulbesuch (offensichtlich überwiegender Aufenthalt) seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Landkreis F-Stadt hätte. Den Antragstellern sei empfohlen worden, einen entsprechenden Antrag auf Bürgergeld für den Antragsteller zu 4. (G3) bei dem zuständigen Jobcenter D-Stadt zu stellen. Ggf. empfehle sich vorliegend die Einholung einer Stellungnahme der Antragstellerin zu 2. und des Antragstellers zu 4. (G3), um die tatsächlichen Wohn- und Aufenthaltsverhältnisse zu klären. Wobei dennoch anzumerken sei, dass die im Landkreis D-Stadt anfallenden Unterkunftskosten nicht vom Antragsgegner übernommen werden könnten.
28
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte im vorliegenden Eilverfahren sowie im Eilverfahren S 8 AS 1304/24 ER und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
29
Der Eilantrag ist
- in seiner Ziff. 1 zulässig, aber unbegründet.
- in seiner Ziff. 2. bereits unzulässig, darüber hinaus aber auch unbegründet.
30
Entsprechend § 123 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Gericht auch im Eilverfahren über die erhobenen Ansprüche, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Die Anliegen der Antragsteller waren daher zu ihren Gunsten in die oben angeführten formalen Anträge zu fassen.
1. Vorläufige höhere SGB II-Leistungen 01.11.2024 bis 30.04.2025 für die Antragsteller zu 1. bis 3., SGB II-Leistungen auch für den Antragsteller zu 4.
31
Soweit die Antragsteller mit dem Eilantrag die vorläufige Gewährung höherer als der bisher vorläufig mit Bescheid vom 18.10.2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.2024 bewilligter Leistungen für die Zeit vom 01.11.2024 bis 30.04.2025, insbesondere auch SGB II-Leistungen für den Antragsteller zu 4., und dabei insbesondere wiederum eine zusätzliche vorläufige Berücksichtigung auch der zusätzlichen Unterkunftskosten von 350 Euro für das Zimmer bei der Akademie S-Stadt im Landkreis D-Stadt begehren, so ist der Eilantrag zulässig, aber unbegründet.
32
Der Eilantrag ist insofern als Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft, weil die Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes eine Erweiterung ihrer jeweiligen Rechtsposition anstreben.
33
Der Eilantrag ist insofern jedoch unbegründet.
34
Denn nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache zwar eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (sog. Regelungsanordnung). Der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sowie die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen. Dabei bedeutet Glaubhaftigkeit, dass ein geringerer Grad von Wahrscheinlichkeit ausreicht als die volle richterliche Überzeugung (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 Zivilprozessordnung – ZPO).
35
Vorläufig fehlt es aber für alle vier Antragsteller an einem Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung zur Abwendung dringender Nachteile.
36
Für den Antragsteller zu 4. fehlt es schon deshalb an einem Anordnungsgrund, weil sein verfassungsgerichtliches Existenzmimimum auch bei Berücksichtigung der Kosten für das Zimmer in der Akademie jedenfalls durch seine BaföG-Leistungen und das Kindergeld abgedeckt sind. Auch, wenn man die monatlichen 350 Euro Pauschalkosten für das Zimmer in der Akademie voll als Kosten der Unterkunft und Heizung ansetzt (§ 22 Abs. 1 SGB II) und darauf einen vollen Alleinstehendenbedarf eines erwachsenen Leistungsempfängers von 563 Euro monatlich addiert (§ 19 SGB II), so beläuft sich der Gesamtbedarf des Antragstellers zu 4. auf monatlich 913 Euro. Der Antragsteller erhält monatlich BaföG-Leistungen von 678,70 Euro und Kindergeld von 250 Euro, also insgesamt 928,70 Euro. Das verfassungsrechtlich garantierte Existenzminimum von in seinem Fall 913 Euro ist damit jedenfalls gedeckt (§§ 9, 11 SGB II). Darauf, ob der Antragsteller zu 4. weiterhin als Teil der Bedarfsgemeinschaft anzusehen ist oder als eigene Bedarfsgemeinschaft kommt es daher im vorliegenden Eilverfahren ebensowenig an wie auf die Frage, ob das Jobcenter D-Stadt oder das Jobcenter F-Stadt für die Entscheidung über einen SGB II-Antrag zuständig wäre. Ein Grund für eine gerichtliche Eilentscheidung, um sein Existenzminimum zu sichern (und damit ein Anordnungsgrund) besteht jedenfalls nicht, da es gedeckt ist.
37
Für die Antragsteller zu 1. bis 3. besteht ebenfalls kein Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung zur Sicherung ihres Existenzminiums. Denn derzeit sind ihre vollen Bedarfe der Unterkunft und Heizung im Bescheid vom 18.10.2024 angesetzt – die volle Miete, die vollen Nebenkosten und die vollen Heizkosten wurden – nunmehr pro Kopf mit einem Drittel der Gesamtkosten und nicht mehr wie zuvor mit einem Viertel pro Kopf. Die Kosten der Unterkunft und Heizung sind damit vollständig abgebildet, § 22 Abs. 1 SGB II. Zusätzlich sind die Regelbedarfe nach § 19 SGB II korrekt angesetzt. Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller ist die Ausbildungsvergütung – nach Berücksichtigung der erheblichen Freibeträge von 678,70 Euro – in der angerechneten Höhe nach § 11b SGB II tatsächlich auf den Bedarf des Antragstellers zu 4. anzurechnen (in der Höhe von 106,30 Euro monatlich; entgegen dem Vorbringen der Antragsteller verbleiben dem Antragsteller zu 3. also monatlich 678,70 Euro, um z.B. auf seinen Führerschein zu sparen). Auch auf seinen Bedarf anzurechnen ist das Kindergeld für ihn in Höhe von 250 Euro.
38
Die vorläufige Anrechnung von 1.300 Euro netto (statt 1.249 Euro netto) monatlich an Erwerbseinkommen für die Antragstellerin zu 1. führt in Anbetracht der Freibeträge der Antragstellerin zu 2. in Höhe von 378,00 Euro monatlich (§ 11bSGB II) jedenfalls nicht zu einer Unterdeckung des Existenzminimums.
39
Auch in Bezug auf die Antragsteller zu 1. bis 3. fehlt es somit an einer Eilbedürftigkeit einer gerichtlichen Entscheidung zur Sicherung ihres verfassungsrechtlich garantierten Existenzminimums (und damit an einem Anordnungsgrund) in Anbetracht der vom Antragsgegner berücksichtigten Erwerbstätigenfreibeträge der Antragsteller zu 2. und 3. von insgesamt 1.056,70 monatlich.
40
In seiner Ziff. 1. wird der Eilantrag daher abgelehnt.
2. Informationsschreiben vom 18.10.2024
41
In Bezug auf das bloße Informationsschreiben vom 18.10.2024 dazu, dass der Antragsgegner beabsichtigt, unter bestimmten Bedingungen ab dem 01.05.2025 (also in einem halben Jahr) gegebenenfalls nur noch die aus seiner Sicht angemessenen Kosten der Unterkunft für einen 3-Personen-Haushalt anzusetzen, ist der Eilantrag bereits unzulässig. Denn ihm fehlt das Rechtsschutzbedürfnis. Eilrechtsschutz vor den Sozialgerichten dient der Abwendung gegenwärtiger Notlagen, nicht der Anwendung ggf. unter bestimmten Bedingungen erst in einem halben Jahr eintretender Behördenentscheidungen.
42
Darüber hinaus fehlt es aus dem gleichen Grunde jedenfalls an einem Anordnungsgrund im Sinne der Eilbedürftigkeit einer jetzigen gerichtlichen Entscheidung. Der Eilantrag ist in Bezug auf das Informationsschreiben dazu, dass der Antragsgegner unter bestimmten Bedingungen beabsichtigt, ab dem 01.05.2025 ggf. nur noch seine Angemessenheitsgrenzen für einen 3-Personen-Haushalt anzuwenden, daher auch unbegründet.
43
Auch in seiner Ziff. 2 wird der Eilantrag daher abgelehnt.
3. Entscheidung über die notwendigen außergerichtlichen Kosten
44
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.