Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 17.04.2024 – B 8 K 22.532
Titel:

Erfolglose Klage auf Wohngeld für die Miete einer dem Vater des Klägers gehörenden Wohnung

Normenkette:
WoGG § 3
Leitsätze:
1. Ein Anspruch auf Mietzuschuss besteht nur dann, wenn Mietzahlungen tatsächlich anfallen, wofür die Wohngeldberechtigte Person die Darlegungslast trägt. (Rn. 27 und 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Indiz für das Vorliegen eines Mietvertrages und dessen tatsächliche Durchführung kann die Versteuerung des Mietentgeltes sein (Anschluss an VG Münster BeckRS 2003, 155352). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kläger trägt materielle Beweislast für ein behauptetes Mietverhältnis zwischen nahen, Verwandten, Anerkennungskriterium: Durchführung eines Fremdvergleichs, Indiz für das Vorliegen eines Mietvertrages und dessen tatsächliche Durchführung kann die Versteuerung des Mietentgeltes sein, Wohngeld, Mietzuschuss, tatsächliches Anfallen von Mietkosten, Darlegungslast, Mietverhältnis zwischen nahen Verwandten, Fremdvergleich, Versteuerung der Mieteinnahmen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 39707

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
3.Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.   

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt mit seiner Klage Wohngeld in Form des Mietzuschusses für eine Wohnung, die im Eigentum seines Vaters steht.
2
Der Vater des Klägers erkundigte sich bei der Beklagten fernmündlich über den Anspruch auf Wohngeld für seinen Sohn. Die Miete betrage 772 EUR monatlich inklusive Betriebskosten. Der Vater habe die Wohnung gekauft und vermiete sie an den Kläger weiter.
3
Mit am 17. Juli 2021 unterschriebenem Formblatt beantragte der Kläger Wohngeld für eine Wohnung in der Größe von 65 qm und einer Warmmiete von 470 EUR. Als Einkommen wurde angegeben: bis zum 21. Juni 2021 Arbeitslosengeld 399 EUR und danach 570 EUR Praktikum. Der Mietvertrag (Beginn 1. Mai 2021, unterschrieben am 2. Juli b.z.w. am 12. Juli 2021) sowie ein Praktikumsvertrag (Vertragsdauer 21. Juni 2021 bis 31. August 2021) wurden vorgelegt.
4
Mit Bescheid vom 3. September 2021 lehnte die Beklagte den Antrag auf Leistung eines Mietzuschusses für den Wohnraum ab, da die Voraussetzungen des § 3 WoGG nicht vorliegen würden. Der Bescheid ergehe für die Zeit ab 1. Juli 2021. Der Kläger habe zwar einen Mietvertrag mit seinem Vater vorgelegt. Weder bei der Antragsstellung noch nach den schriftlichen Aufforderungen seien aber Zahlungsnachweise der Miete abgegeben worden. Auch aus den vorgelegten Kontoauszügen würden sich keine Überweisungen ergeben.
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Die Kosten für den Haushaltsstrom würden von den Eltern übernommen, wie sich aus dem Schreiben des Energieanbieters vom 21. Juni 2021 ergebe und daraus, dass keine Abbuchungen auf dem Konto ersichtlich seien. Der Vater habe fernmündlich am 24. Juni 2021 mitgeteilt, dass der Kläger Miete in Höhe von 772 EUR zu zahlen habe. Bei der Antragstellung sei ein Mietvertrag vom 2. Juli 2021/ 12. Juli 2021 mit einem Vertragsbeginn ab 1. Mai 2021 und einer Gesamtmiete von 470 EUR (inklusive Monatspauschale von 120 EUR für Betriebskosten) vorgelegt worden. Mietverhältnisse zwischen nahen Angehörigen müssten einem Fremdvergleich standhalten, was vorliegend nicht der Fall sei.
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Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 1. Oktober 2021 Widerspruch.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 19. April 2022 (Nachweis des Zugangs mittels Postzustellungsurkunde am 2. Juni 2022 mangels Zurücksendung eines Empfangsbekenntnisses durch den Bevollmächtigten des Klägers) wies die Regierung von … den Widerspruch zurück. Es wurde darauf abgestellt, dass hinsichtlich der Miete keine Zahlungen auf das Konto des Vaters geflossen seien.
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Mit Schreiben vom 27. Mai 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tage, ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben mit dem Antrag:
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Der Widerspruchsbescheid der Stadt … vom 19. April 2022, dem Kläger zugestellt am 26. April 2022, wird aufgehoben.
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Die Klage wurde mit Schreiben vom 4. Juli 2022 damit begründet, dass der Vater des Klägers die monatlichen Unterhaltszahlungen an diesen um den Betrag der geschuldeten Miete kürze. Der Kläger habe zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Praktikantengehalt in Höhe von 700 EUR bezogen sowie Unterhalt in Höhe von 400 EUR vom Vater bekommen. Von dem Praktikantengehalt habe er die Kosten für den Arbeitsweg von … nach … bestreiten müssen sowie der Verpflegung, sodass kein Restbetrag übrig gewesen sei. Es mache keinen Unterschied, ob der Vater des Klägers dem Sohn die Miete überweise und sich dann die Miete zurückerstatten ließe oder die geschuldete Miete gleich in Abzug bringe und ihm den Rest in bar überlasse.
11
Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 26. Juli 2022,
die Klage abzuweisen.
12
Zur Begründung berief sie sich auf ein Urteil des VG Düsseldorf vom 7. März 2005 – 14 K 5791/04, wonach ein Missbrauch naheliege, wenn der Vater den Kläger mit einem Barbetrag unterstütze, der größtenteils auf die Miete falle. Eine Antragsberechtigung nach § 3 Abs. 1 Satz 1 WoGG liege nicht vor, da kein bürgerlich-rechtlich wirksamer Mietvertrag vorliege, der als steuerrechtliches und wohngeldrechtliches Mietverhältnis zwischen nahen Verwandten anerkannt werden könne. Die Ausführungen des Klägers, er habe dem Vater monatlich 70 EUR in bar gezahlt, könne nicht nachvollzogen werden, da für den Zeitraum vom 23. April 2021 bis 30. Juli 2021 lediglich eine Abhebung, nämlich in mindestens dieser Höhe am 3. Mai 2021 erfolgt sei.
13
Der Kläger berief sich mit Schreiben vom 26. August 2022 darauf, dass der Vertrag einem Fremdvergleich standhalte. Der einzige Unterschied zu dem, was unter Fremden üblich sei, sei, dass der Vater die ihm geschuldete Miete gleich in Abzug von seinen Unterhaltszahlungen erbringe.
14
Mit richterlichem Schreiben vom 25. April 2023 wurde der Kläger aufgefordert, den Klageantrag zu präzisieren (Verpflichtungsklage und Angabe des Zeitraums, für den Wohngeld gewährt werden soll – § 25 Abs. 1 Satz 1 WoGG). Je nach Dauer dieses Zeitraums seien die für die Gewährung von Wohngeld relevanten Angaben nachzuholen und jeweils zu belegen (z.B. Aufnahme der angekündigten Ausbildung zum 1. September 2021, Abrechnungen des Praktikantengehalts, Abrechnungen des Ausbildungsgehalts, Erhalt von Transferleistungen, Erzielung eines zusätzlichen Einkommens, Erlangung von Vermögen). Die Frage, ob im Rahmen des Anspruchs auf Wohngeld der Mietvertrag zwischen engen Verwandten anzuerkennen sei, werde durch einen auch im Steuerrecht geläufigen sog. Fremdvergleich anhand Indizien für oder gegen das Vorliegen eines Mietverhältnisses ermittelt (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2006 – 9 C 06.839 – BeckRS 2009, 37309). Ein Indiz für das Vorliegen eines Mietvertrages und dessen tatsächliche Durchführung könne die Versteuerung des Mietentgeltes sein (vgl. VG Münster, U.v. 11.02.2003 – 5 K 723/99 – BeckRS 2003, 155352 Rn. 41). Mit weiterem gerichtlichen Schreiben vom 7. Juli 2023 wurde eine Frist von drei Wochen zur Angabe von Tatsachen und Beweismitteln zur Frage der Umstände der Entrichtung des Entgelts aus dem vorgetragenen Mietvertrag sowie der Versteuerung der Mieteinnahmen durch den Vater des Klägers (unter Hinweis auf § 87b VwGO) gesetzt, welche mit Schreiben vom 1. August 2023 bis zum 4. August 2023 verlängert wurde. Eine Äußerung zu diesen Fragen erfolgte nicht.
15
Mit Schreiben vom 19. Februar und 19. März 2024 erklärten die Beteiligten ihr Einverständnis zu einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung.
16
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.
17
Über die Klage kann auf Grund Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
II.
18
Die Klage ist zwar zulässig und noch innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 2 VwGO erhoben worden, selbst wenn man auf eine Zustellung des Widerspruchsbescheids am 26. April 2022 (nach Angabe des Bevollmächtigten im Klageantrag) abstellt. Da der 26. Mai 2022 ein Feiertag war (Christi Himmelfahrt) endete die Frist mit Ablauf des 27. Mai 2022 (§ 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO, § 188 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB). Der nachgewiesene Zugang des Widerspruchsbescheids erfolgte ohnehin später (laut Postzustellungsurkunde am 2. Juni 2022), sodass auch hiernach von einer fristgerecht erhobenen Klage auszugehen ist.
III.
19
Die Klage ist aber unbegründet.
20
Das Gericht legt den Klageantrag des Klägers sachdienlich so aus, dass die Beklagte verpflichtet werden soll, dem Kläger für den Bewilligungszeitraum vom 1. Mai 2021 bis 30. April 2022 Wohngeld unter Aufhebung des Bescheids der Beklagten vom 3. September 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von … vom 19. April 2022 zu bewilligen.
21
Der Bewilligungszeitraum ergibt sich daraus, dass der Kläger in seinem Antrag und in den eingereichten Unterlagen schon auf einen Zeitraum vor Antragsstellung Bezug nahm (Angaben zum Erhalt von Arbeitslosengeld bis zum 21. Juni 2021). Der Beginn sollte sich somit wohl ab dem Zeitpunkt des vereinbarten Mietbeginns richten (1. Mai 2021). Zugunsten des Klägers ist der Antrag weiter so auszulegen, dass der gesetzliche Bewilligungszeitraum von zwölf Monaten (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Wohngeldgesetz – WoGG) beansprucht wird.
22
Der Anspruch ist im Wege der Verpflichtungsklage (§ 113 Abs. 5 VwGO) zu verfolgen, da die Klage zum Ziel hat, den beantragten Wohngeldanspruch durchzusetzen, der zuvor durch Bescheid der Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheids abgelehnt wurde.
23
Der Bescheid der Beklagten vom 3. September 2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. April 2022 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung eines Mietzuschusses nach dem Wohngeldgesetz (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
24
Zur Begründung nimmt das Gericht vollumfänglich Bezug auf die rechtlichen Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids und macht diese zum Gegenstand der Begründung der vorliegenden Entscheidung (§ 117 Abs. 5 VwGO). Ergänzend wird Folgendes ausgeführt:
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1. Für den Zeitraum vor Antragstellung (1. Mai 2021 bis 30. Juni 2021) besteht kein Anspruch auf Gewährung eines Mietzuschusses, da ein wirksamer und rechtzeitig gestellter Antrag nach dem Gesetz eine notwendige Voraussetzung dafür ist, dass ein Anspruch auf Wohngeld entsteht (§ 22 Abs. 1 WoGG). Der Bewilligungszeitraum von Wohngeld beginnt gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 WoGG am Ersten des Monats, in dem der Wohngeldantrag gestellt worden ist. Der Antrag ging vorliegend am 14. Juli 2021 bei der Beklagten ein, sodass ein Anspruch erst ab dem 1. Juli 2021 hätte entstehen können.
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2. Für den Zeitraum ab 1. Juli 2021 besteht ein Anspruch ebenfalls nicht, da die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 WoGG nicht glaubhaft gemacht wurden.
27
a) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 (WoGG) besteht ein Anspruch auf Mietzuschuss nur dann, wenn die wohngeldberechtigte Person Wohnraum gemietet hat. Ausgehend von dem in § 1 Abs. 1 WoGG formulierten Zweck der Sozialleistung soll durch den Mietzuschuss angemessenes und familiengerechtes Wohnen wirtschaftlich gesichert werden. Daraus wird geschlussfolgert, dass Mietzinszahlungen auch tatsächlich anfallen müssen (vgl. SächsOVG, B.v. 23.7.2021 – 3 D 1/21 – BeckRS 2021, 20711 Rn. 22; *NdsOVG, B.v. 29.5.2012 – 4 LA 114/12 – juris Rn. 4; OVG NRW, B.v. 24.3.2011 – 12 A 2783/10 – juris Rn. 5).
28
Zwar kann ein Mietverhältnis auch zwischen nahen Verwandten selbst im Fall einer wechselseitigen Unterhaltsberechtigung und Unterhaltsverpflichtung begründet werden. Unter diesen Umständen ist aber regelmäßig weiter zu prüfen, ob die Willenserklärungen der Vertragschließenden mit Einverständnis der jeweils anderen Vertragspartei möglicherweise nur zum Schein abgegeben wurden und deshalb nichtig sind (§ 117 BGB) oder das Vertragsverhältnis dem Vertragstyp Mietvertrag nicht mehr entspricht. Bei dieser Prüfung kann angesichts des erkennbaren Interesses der Vertragsparteien nicht allein auf deren Erklärungen abgestellt werden. Die Frage, ob im Rahmen des Anspruchs auf Wohngeld der Mietvertrag zwischen engen Verwandten anzuerkennen ist, wird durch einen auch im Steuerrecht geläufigen sog. Fremdvergleich anhand Indizien für oder gegen das Vorliegen eines Mietverhältnisses ermittelt (vgl. BayVGH, B.v. 24.4.2006 – 9 C 06.839 – juris).
29
Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt oder erhält, alle Tatsachen anzugeben, die für die Entscheidung über seinen Antrag erheblich sind. Die Mitwirkungsobliegenheiten des SGB I gelten auch im Rahmen des Wohngeldgesetzes, vgl. § 23 Abs. 1 i. V. m. Abs. 5 WoGG. Insoweit trifft den Kläger als Hilfesuchenden die materielle Beweislast (vgl. BVerwG, U.v. 16.1.1974 – VIII C 117.72 – BVerwGE 44, 265-271, Rn. 22; OVG NRW, U.v. 20.2.1998 – 8 A 5181/95 – juris Rn. 6 ff. m.w.N.; BayVGH, B.v. 11.1.2021 – 12 ZB 20.3055 – juris Rn. 3). Bestehen Zweifel hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen, obliegt es dem Hilfesuchenden, diese durch Darlegung geeigneter Tatsachen auszuräumen, insbesondere wenn es sich um aus seinem persönlichen Lebensbereich stammende Umstände handelt (vgl. SächsOVG, B.v. 23.7.2021 – 3 D 1/21 – BeckRS 2021, 20711 Rn. 22) .
30
Ein Indiz für das Vorliegen eines Mietvertrages und dessen tatsächliche Durchführung kann die Versteuerung des Mietentgeltes sein (vgl. VG Münster, U.v. 11.2.2003 – 5 K 723/99 – BeckRS 2003, 155352 Rn. 41).
31
Der Kläger wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 25. April 2023 und vom 7. Juli 2023 (unter Hinweis auf § 87b Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) aufgefordert, Tatsachen und ggf. Beweismittel vorzulegen zu den Umständen der Entrichtung des Entgelts aus dem Mietvertrag und der Versteuerung der Mieteinnahmen durch den Vater des Klägers. Zu beiden Fragen erfolgte kein Tatsachenvortrag, sodass davon auszugehen ist, dass der Kläger weder 70 EUR monatliche Miete an seinen Vater erbrachte noch, dass ein Mietverhältnis wie unter Fremden durchgeführt wurde, da der Vater die Mieteinnahmen (ersparter Unterhalt) nicht als Einnahmen bei der Einkommensteuerbehörde angab. Den vom Kläger vorgelegten Kontoauszügen ab Juli 2021 kann ebenfalls nicht entnommen werden, dass ein monatlicher Betrag von 70 EUR in bar an den Vater hätte ausgezahlt werden können, da zwar Auszahlungen in Höhe von 10 EUR (am 2. Juli, 5. Juli und 10. Juli) von 20 EUR am 30. Juli und von 20 EUR am 12. Juli 2021 erfolgten, nie aber ein Betrag in Höhe von 70 EUR abgehoben wurde. Auf Grund der Einzelbeträge ist vielmehr davon auszugehen, dass es sich um Bargeld für persönliche Dinge des Lebens handelte.
32
Zudem liegen Indizien vor, dass ein Gestaltungsmissbrauch anzunehmen ist. Ein Anspruch auf Wohngeld besteht dann nicht, soweit seine Inanspruchnahme nach § 21 Nr. 3 WoGG rechtsmissbräuchlich wäre. Ein Missbrauch liegt vor, wenn vom Standpunkt eines objektiven Beobachters eine Rechtsposition nur zu dem Zweck geschaffen wird, einen anderenfalls nicht bestehenden Wohngeldanspruch zu schaffen (VG Düsseldorf, U.v. 7.3.2005 – 14 K 5791/04 – juris Rn. 14 f.; zum fingierten Mietvertrag: Schaefer in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB Sozialrecht Besonderer Teil, 1. Aufl. Stand: 14.12.2023, § 21 WoGG Rn. 53.1).
33
Für einen Gestaltungsmissbrauch spricht, dass Mietbeginn der 1. Mai 2021 gewesen sein soll, der Mietvertrag aber erst am 2. Juli und am 12. Juli 2021 von dem Kläger und seinem Vater unterschrieben wurde (somit fast zeitgleich mit der Stellung des Antrags auf Wohngeld: Eingang bei der Beklagten am 14. Juli 2021). Zudem gab der Vater bei einem Anruf bei der Beklagten am 24. Juni 2021 an, dass die Miete 772 EUR betragen würde, obwohl der angebliche Mietvertrag bereits am 1. Mai 2021 begonnen haben soll und im schriftlichen Mietvertrag ein Mietzins von 470 EUR vereinbart wurde.
34
Auch die Argumentation, dass es sich nur um eine Aufrechnung mit Unterhaltsansprüchen handele und der Rest als Barzahlung an den Vater erfolgt sei, überzeugt nicht, da im schriftlichen Mietvertrag vereinbart wurde, dass die gesamte Miete auf das Konto des Vermieters zu überweisen ist.
35
Weiter ist zu berücksichtigen, dass laut Schreiben der … Energie und … GmbH vom 21. Juni 2021 die Feststellung der Beträge für die Stromabschläge an die Eltern des Klägers adressiert wurde. Üblicherweise erfolgt eine Abrechnung über den Mieter.
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Da die Entgeltlichkeit der Gebrauchsüberlassung von Wohnraum nicht nachgewiesen wurde, ist nicht davon auszugehen, dass der Kläger Mieter von Wohnraum ist, weshalb der Kläger nicht wohngeldberechtigt ist (§ 3 Abs. 1 Satz 1 WoGG – vgl. auch VG Düsseldorf, U.v. 7.3.2005 – 14 K 5791/04 – juris).
IV.
37
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist nach § 188 Satz 1 VwGO gerichtskostenfrei. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO hinsichtlich der Vollstreckung durch die Beklagte bedurfte es angesichts ihrer – wenn überhaupt anfallenden – allenfalls geringen, vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen nicht, zumal sie auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.