Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 05.03.2024 – 101 AR 246/23 e
Titel:

Zuständigkeit für Rückübertragungsanspruch eines Grundstücks

Normenkette:
ZPO § 24, § 29, § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 281
Leitsätze:
1. Auch im PKH-Prüfungsverfahren kann ein Kompetenzkonflikt zweier Gerichte ausgetragen werden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Entscheidung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO kann nicht dadurch vermieden werden, dass das zunächst abgebende Gericht sich bereiterklärt, den Rechtsstreit zurückzunehmen. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Erfüllungsort für den Rückauflassungsanspruch ist im Regelfall am Ort der Belegenheit des Grundstücks zu erfüllen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Muss sich dem Gericht eine Zuständigkeit aufdrängen und befasst sich der Verweisungsbeschluss mit der entscheidenden Norm nicht, ist er willkürlich und damit nicht bindend. (Rn. 39 – 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rückübertragungsanspruch, Willkür, Verweisung, Erfüllungsort, Kompetenzkonflikt
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3716

Tenor

Örtlich zuständig ist das Landgericht Traunstein.

Gründe

I.
1
Mit Schriftsatz vom 5. Oktober 2022 suchte die Klägerin beim Landgericht Traunstein um Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage gegen den Beklagten mit folgendem Antrag nach:
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Der Beklagte wird verurteilt, die Auflassung des in dem von dem Amtsgericht Mühldorf am Inn geführten Grundbuch von X Bl. X hälftigen eingetragenen Grundbesitzes, FlStk. X, X, Wohnhaus, Garten zu X ha an die Klägerin zu erklären und die Eintragung des Eigentumsübergangs auf die Klägerin zu bewilligen.
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In dem Gesuch gab die Klägerin als ladungsfähige Anschrift des Beklagten eine Adresse in M. an. In der als Klageentwurf beigefügten Klageschrift vom 5. Oktober 2022 brachte sie vor, die Parteien seien jeweils zur Hälfte Eigentümer des im Klageantrag bezeichneten Grundstücks mit Wohnhaus in X (Ortname zum Zweck der Anonymisierung entfernt; der Ort liegt im Landgerichtsbezirk Traunstein). Sie begehre mit der Klage die Rückübertragung des ihr zustehenden hälftigen Miteigentumsanteils des Beklagten gemäß Ziffer XII der notariellen Kaufvertragsurkunde vom 27. Oktober 2000, mit der sie an den Beklagten einen halben Miteigentumsanteil an dem Grundstück verkauft habe. Unter Ziffer XII „Rückerwerbsrecht“ sei vereinbart worden, dass das dem Erwerber übertragene Eigentum auf Verlangen zurückzuübertragen sei, wenn zu Lebzeiten des Veräußerers die auf Dauer angelegte Lebensgemeinschaft der Vertragsteile beendet werde. Die zwischen den Parteien bestehende Lebensgemeinschaft sei schon seit längerer Zeit endgültig aufgelöst worden. Die rechtliche Voraussetzung der notariell beurkundeten Erklärung des Rückübertragungsanspruchs sei erfüllt. Gegenansprüche des Beklagten bestünden nicht.
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Das Landgericht Traunstein leitete das Gesuch formlos dem Beklagten zu. Dieser teilte mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2022 mit, in K. wohnhaft zu sein, und rügte die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. § 24 ZPO sei nicht einschlägig, da die Klägerin ihren Anspruch nicht auf ihr Eigentum stütze. Es handele sich auch nicht um die Rückabwicklung einer früheren Eigentumsübertragung an den Beklagten, sondern um die Ausübung eines Erwerbsrechts (vgl. Ziffer XII der Anlage K 1: Rückerwerbsrechts). Ort einer Vertragserfüllung (§ 29 ZPO) sei der Wohnsitz des angeblichen Schuldners bzw. des Beklagten.
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Daraufhin erteilte das Landgericht Traunstein den Hinweis, dass es § 24 ZPO nicht als einschlägig ansehe, und fragte bei der Klägerin an, ob Verweisungsantrag gestellt werde.
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Die Klägerin entgegnete mit Schriftsatz vom 29. Dezember 2022, anders als der Beklagte meine, gehe es um die „Rückabwicklung einer früheren, unwirksamen Eigentumsübertragung“. Bei dem notariellen Kaufvertrag handele es sich um ein Scheingeschäft gemäß § 117 BGB. Es habe sichergestellt werden sollen, dass ein Zugriff von Kreditinstituten auf das Grundstück wegen Verbindlichkeiten ihres früheren Ehemannes, für die sie sich verbürgt habe, erschwert bzw. bestmöglich verhindert werde. Um einen weiteren Zugriff der Gläubigerbanken über die bereits eingetragenen Grundschulden zu verhindern, habe die Klägerin dem Beklagten die Hälfte des Anwesens übertragen und sich gleichzeitig ein Nießbrauchsrecht/Wohnrecht auf Lebenszeit eintragen lassen. Zwischen den Parteien sei vereinbart worden, dass die notariell vereinbarte monatliche Kaufpreiszahlung nicht erfolgen werde. Daraus folge, dass die hälftige Eigentumsübertragung ohne Rechtsgrund erfolgt sei. Bei der geforderten Rückübertragung handele es sich nicht um die Erfüllung eines vertraglichen Anspruchs. § 24 ZPO komme zur Anwendung. Hilfsweise werde die Verweisung an das Landgericht Krefeld beantragt.
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Der Beklagte erklärte, dass er das Vorbringen der Klägerin zu einem Scheingeschäft gemäß § 117 BGB mit einer daraus abgeleiteten Zuständigkeit des Landgerichts Traunstein zur Kenntnis nehme, dazu im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens vorläufig aber nicht weiter Stellung nehmen werde.
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Mit Beschluss vom 17. Januar 2023 erklärte sich das Landgericht Traunstein für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Landgericht Krefeld. Die Entscheidung beruhe auf § 281 Abs. 1 ZPO. Das angegangene Gericht sei örtlich unzuständig. Auf Antrag der Antragstellerin habe es sich für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Gericht zu verweisen. Von § 24 ZPO erfasst würden nur Klagen, durch die das Eigentum, eine dingliche Belastung oder die Freiheit von einer solchen geltend gemacht würden, nicht dagegen „Rückgewährsklagen nach Rücktritt oder Geltendmachung der Nichtigkeit eines obligatorischen Vertrages (vgl. OLG München, Beschluss vom 29.11.2018 – 2AR 12/18 m. w. N.; MüKoZPO/Patzina, 6. Aufl. 2020, ZPO § 24 Rn. 7, 8)“.
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Das Landgericht Krefeld wies die Parteien mit Verfügung vom 8. März 2023 darauf hin, dass sich eine Zuständigkeit des Landgerichts Traunstein aus § 29 ZPO am Ort des Grundbuchamts ergeben dürfte und der Verweisungsbeschluss willkürlich sei. Die Parteien erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Klägerin beantragte eine Entscheidung „des Oberlandesgerichts“ nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO. Der Beklagte vertrat die Auffassung, der Verweisungsbeschluss entfalte Bindungswirkung. Als Leistungsort im Sinne des § 29 ZPO, § 269 Abs. 1 BGB für die Abgabe der Auflassungs- und Bewilligungserklärung komme vor allem ein Notar am Wohnort des Erklärenden in Betracht.
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Mit Beschluss vom 4. Mai 2023 erklärte sich das Landgericht Krefeld für örtlich unzuständig und sandte die Akte an das Landgericht Traunstein zurück. Zur Begründung führte es aus, zwar sei den Ausführungen des Landgerichts Traunsteins zuzustimmen, dass sich eine örtliche Zuständigkeit nicht aus § 24 ZPO ergebe. Jedoch werde die Zuständigkeit des Landgerichts Traunstein durch § 29 ZPO begründet. Das Gericht des Ortes, an dem die streitige Verpflichtung zu erfüllen sei, sei das Landgericht Traunstein, in dessen Bezirk der Ort des Grundbuchamts liege. Beide Parteien stellten darauf ab, dass sich eine Verpflichtung, die Auflassung zu erklären, aus dem vertraglichen Rückerwerbsrecht ergebe. Das Vorbringen eines Scheingeschäfts sei lediglich als Hilfsvorbringen der Antragstellerin zu werten. Die Verpflichtung zur Abgabe einer rechtsgeschäftlichen Erklärung sei zwar grundsätzlich am Wohnsitz des Erklärungsempfängers zu erfüllen. Die Verpflichtung zur Auflassung stelle jedoch eine Ausnahme dar; sie sei am Ort des Grundbuchamts zu erfüllen. Der Verweisungsbeschluss entfalte keine Bindungswirkung. Das verweisende Gericht habe sich darüber hinweggesetzt, dass die Verweisung die Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts voraussetze. Eine Prüfung des § 29 ZPO habe nahegelegen. In seinem Schriftsatz vom 12. Oktober 2022 habe der Antragsgegner explizit auf die Bestimmung abgestellt; dennoch habe sich das Landgericht Traunstein nicht mit § 29 ZPO auseinandergesetzt. Der im Rahmen des Streits um die örtliche Zuständigkeit hilfsweise gestellte Verweisungsantrag der Antragstellerin sei offensichtlich dem Umstand geschuldet, eine Klageabweisung aufgrund der vom Landgericht Traunstein angenommenen Unzuständigkeit abzuwenden, so dass es nicht unschädlich sei, dass der Verweisungsbeschluss keine weitergehende Begründung enthalten habe.
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Das Landgericht Traunstein teilte den Parteien mit Verfügung vom 11. August 2023 mit, dass das Verfahren „übernommen“ werde, woraufhin der Beklagte darauf hinwies, dass noch keine obergerichtliche Entscheidung zur Zuständigkeit (Landgericht Traunstein/Landgericht Krefeld) vorliege.
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Mit Beschluss vom 18. Oktober 2023 hat das Landgericht Traunstein der Klägerin Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und mit Verfügung vom selben Tag die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens angeordnet. Die Verfügung ist dem Beklagten mit der Klageschrift vom 5. Oktober 2022 zugestellt worden. Der Beklagte hat mit Schriftsätzen vom 25. Oktober und 16. November 2023 erneut erklärt, dass das Landgericht Traunstein nicht zuständig sei. Er hat beantragt, die Akte dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Zuständigkeitsbestimmung vorzulegen.
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Mit Verfügung vom 20. November 2023 hat das Landgericht Traunstein darauf hingewiesen, dass es beabsichtige, das örtlich zuständige Gericht vom Bayerischen Obersten Landesgericht bestimmen zu lassen. Das Landgericht Traunstein und das Landgericht Krefeld hätten sich beide „bindend“ für örtlich unzuständig erklärt. Es fehle an einer willkürlichen Entscheidung, da sich das verweisende Gericht „ausführlich“ mit seiner Zuständigkeit auseinandergesetzt habe. Vom Beklagten sei § 29 ZPO nur kurz angesprochen und aus Sicht des Gerichts zu Recht abgelehnt worden. Nach Auffassung des Gerichts sei die streitige Verpflichtung aus dem Vertragsverhältnis nach § 29 Abs. 1 ZPO vom Beklagten an dessen Wohnsitz zu erfüllen. Die Erklärung der Auflassung könne von jedem Notar unabhängig von der Lage des Grundstücks vorgenommen werden. Gegen eine willkürliche Entscheidung spreche die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluss vom 9. Juni 2015, X ARZ 115/15).
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Die zu dem Hinweis angehörte Klägerin hat entgegnet, dass sich das Landgericht Traunstein in seiner Entscheidung vom 17. Januar 2023 nicht mit einer möglichen Zuständigkeit nach § 29 ZPO auseinandergesetzt habe. Eine Prüfung, ob sich die Zuständigkeit aus § 29 ZPO ergeben könnte, habe das Landgericht Traunstein nicht vorgenommen.
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Mit Verfügung vom 7. Dezember 2023 hat das Landgericht Traunstein die Akte dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts vorgelegt. Die Parteien sind vom Senat angehört worden. Der Beklagte hat darauf hingewiesen, dass das Oberlandesgericht Hamm (Beschluss vom 20. Oktober 2014, 32 SA 70/14) im Rahmen eines Bestimmungsverfahrens „zur Belegenheit“ bei einem schuldrechtlichen Anspruch auf Auflassung die Anwendung des § 26 ZPO verneint und auf §§ 12, 13 ZPO (allgemeiner Gerichtsstand) verwiesen habe. Die Klägerin hat ihr Vorbringen wiederholt, dass sich das Landgericht Traunstein nicht mit § 29 ZPO auseinandergesetzt habe. Der Verweisungsbeschluss entfalte keine Bindungswirkung.
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Es sei davon auszugehen, dass die Regelung übersehen worden sei.
II.
17
Auf die zulässige Vorlage ist die örtliche Zuständigkeit des Landgerichts Traunstein auszusprechen.
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1. Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 36 Rn. 34 ff. m. w. N.) durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.
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a) Das Landgericht Traunstein hat sich durch Verweisungsbeschluss vom 17. Januar 2023 für unzuständig erklärt und das Verfahren an das Landgericht Krefeld verwiesen. Das Landgericht Krefeld hat sich mit Beschluss vom 4. Mai 2023 ebenfalls für örtlich unzuständig erklärt. Die jeweils beiden Parteien mitgeteilte und ausdrücklich ausgesprochene Leugnung der eigenen Zuständigkeit erfüllt das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 35, jeweils m. w. N.).
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aa) Dem steht nicht entgegen, dass der Erlass eines Verweisungsbeschlusses im Sinne von § 281 ZPO grundsätzlich den Eintritt der Rechtshängigkeit voraussetzt, die Klageschrift dem Beklagten jedoch erst nach Erlass des Beschlusses vom 17. Januar 2023 zugestellt worden ist. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ermöglicht die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonflikts bereits im Verfahren wegen der Gewährung von Prozesskostenhilfe vor Zustellung der Klageschrift und Rechtshängigkeit der Hauptsache (BGH, Beschluss vom 9. März 1994, XII ARZ 8/94, NJW-RR 1994, 706 [juris Rn. 3]). In einem Verfahren auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt die formlose Mitteilung der Antragsschrift an den
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Antragsgegner. Unter dieser Voraussetzung ist § 281 ZPO auch im Prozesskostenhilfeverfahren (entsprechend) anwendbar (BGH NJW-RR 1994, 706 juris Rn. 5).
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bb) Der Verweisungsbeschluss des Landgerichts Traunstein betrifft den Klageantrag auf Auflassung und Bewilligung der Eintragung des Eigentumsübergangs im Grundbuch, der gemäß Klageschrift vom 5. Oktober 2022 sowohl damit begründet wird, es bestehe wegen Beendigung der Lebensgemeinschaft der Parteien ein Anspruch aus Ziffer XII Nr. 1 c) des notariellen Kaufvertrags vom 27. Oktober 2000, als auch mit der Hilfsbegründung gemäß Schriftsatz vom 29. Dezember 2022, der Kaufvertrag stelle ein Scheingeschäft nach § 117 BGB dar. Das Landgericht Traunstein spricht in der Begründung des Verweisungsbeschlusses ausdrücklich „Rückgewährsklagen“ und die „Geltendmachung der Nichtigkeit eines obligatorischen Vertrags“ an.
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Nicht Gegenstand des Bestimmungsverfahrens ist dagegen ein von der Klägerin im Schriftsatz vom 29. Dezember 2022 angesprochener Anspruch wegen „unwirksamer Eigentumsübertragung“. Der Verweisungsbeschluss verhält sich hierzu bereits nicht. Überdies kann offenbleiben, ob die Klägerin hinreichend erklärt hat, sich auch auf die Unrichtigkeit des Grundbuchs zu berufen und – zumindest hilfsweise – neben dem ausdrücklich geltend gemachten Auflassungsanspruch auch die Grundbuchberichtigung anzustreben (vgl. BGH, Urt. v. 27. Mai 2020, XII ZR 107/17, NJW-RR 2020, 962 Rn. 14). Denn ein gegebenenfalls im Wege der gebotenen Auslegung nach dem von der Klägerin angestrebten Rechtsschutzziel anzunehmender Hilfsantrag auf Grundbuchberichtigung würde jedenfalls erst dann rechtshängig, wenn über den Hauptantrag entschieden wäre. Eine Verweisung (wie auch eine Abgabe) des Rechtsstreits wegen eines Antrags, der hilfsweise so mit dem Klageantrag verknüpft ist, dass über ihn nur dann mitentschieden werden soll, wenn der Klageantrag zurückgewiesen wird, ist vor einer Entscheidung über den Hauptantrag nicht möglich (vgl. BGH, Beschluss vom 5. März 1980, IV ARZ 5/80, NJW 1980, 1283 [juris Rn. 6]; BayObLG, Beschluss vom 15. Dezember 2022, 102 AR 84/22, juris Rn. 20 f.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 21. Februar 2018, 11 SV 2/18, juris Rn. 15). Ein negativer Kompetenzkonflikt besteht somit ausschließlich im Hinblick auf den mit der Klageschrift vom 5. Oktober 2022 gestellten Antrag auf Erklärung der Auflassung und Bewilligung der Eintragung der Klägerin im Grundbuch.
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cc) Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO sind nicht deshalb entfallen, weil das Ausgangsgericht bereit war, das Verfahren zurückzunehmen (vgl. OLG Hamm, 32 SA 69/16, Beschluss vom 1. Dezember 2016, juris Rn. 16 m. w. N.). Zwar hat das Landgericht Traunstein nach der Rückleitung der Akten durch das Landgericht Krefeld zu erkennen gegeben, das Verfahren dort zu führen, Prozesskostenhilfe zugunsten der Klägerin bewilligt und ein schriftliches Vorverfahren angeordnet. Zu beachten ist aber die grundsätzliche Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses, die auch gegenüber dem verweisenden Gericht gilt (Greger in Zöller, ZPO, § 281 ZPO Rn. 16 m. w. N.). Der Beschluss, mit dem das Landgericht Krefeld die Übernahme des Rechtsstreits abgelehnt hat, da es nicht örtlich zuständig sei, ist nicht anfechtbar. Die einzige Möglichkeit, in einer Konstellation wie der vorliegenden – zwei Gerichte halten sich jeweils wechselseitig für zuständig, sich selbst aber jeweils für unzuständig – eine abweichende Entscheidung zu erzielen, ist die Vorlage gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 19. Juli 2018, 32 SA 24/18, juris Rn. 11). Der Beklagte hat mehrfach beantragt, die Akte zur Zuständigkeitsbestimmung vorzulegen.
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b) Zuständig für die Bestimmungsentscheidung ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht, weil das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über dem Landgericht Traunstein und dem Landgericht Krefeld in der hier vorliegenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der Bundesgerichtshof ist, und ein bayerisches Gericht zuerst mit der Sache befasst worden ist.
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2. Örtlich zuständig ist das Landgericht Traunstein gemäß § 29 Abs. 1, § 35 ZPO. Der Verweisungsbeschluss vom 17. Januar 2023 entfaltet keine Bindungswirkung.
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a) Es trifft zwar zu, dass das Landgericht Traunstein nicht gemäß § 24 Abs. 1 ZPO ausschließlich örtlich zuständig ist. Die Bestimmung setzt voraus, dass das Eigentum, eine dingliche Belastung oder ein Besitzrecht geltend gemacht wird. Dass die Klage auf Übertragung des Eigentums oder auf Einräumung einer dinglichen Belastung gerichtet ist, reicht hingegen nicht aus (BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 21). Wie bereits ausgeführt, ist ein Grundbuchberichtigungsanspruch nicht Gegenstand der Bestimmungsentscheidung.
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b) Eine Zuständigkeit des Landgerichts Traunstein ist auch nicht gemäß § 26 ZPO eröffnet, weil sich der Anspruch gegen den Beklagten gerade nicht aus dessen Miteigentümerstellung an dem Grundstück herleitet.
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§ 26 ZPO bezweckt die Erleichterung der Rechtsverfolgung durch Ausweitung des dinglichen Gerichtsstandes des § 24 ZPO auch auf bestimmte persönliche Klagen, an denen Grundstückseigentümer oder -besitzer beteiligt sind. Auch diese Streitigkeiten sollen durch den „ortsnahen“ Richter entschieden werden können (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 10. Juli 2013, 11 AR 51/13, juris Rn. 9; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 26 Rn. 1; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 26 Rn. 1; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 26 ZPO Rn. 1). Sind, wie vorliegend, schuldrechtliche Ansprüche auf Auflassung eines Grundstücks Gegenstand der Klage, findet § 26 ZPO jedoch keine Anwendung. Der Senat schließt sich insoweit der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 20. Oktober 2014, 32 SA 70/14, juris Rn. 11 ff. m. w. N.) an. Der Gegenauffassung in der Literatur, die darauf hinweist, dass nur der Eigentümer des Grundstücks die Auflassung mit der vom Kläger gewünschten Rechtsfolge erklären könne, vermag der Senat nicht zu folgen. Das Oberlandesgericht Hamm (a. a. O., juris Rn. 14) weist zu Recht darauf hin, dass nach dem Wortlaut des § 26 ZPO persönliche Klagen in dem dinglichen Gerichtsstand nur dann erhoben werden können, wenn sie gegen den Eigentümer oder Besitzer einer unbeweglichen Sache „als solchen“ gerichtet werden. Aus dieser Formulierung folgt, dass § 26 ZPO nur dann eingreifen soll, wenn die Inanspruchnahme des Eigentümers oder Besitzers gerade auf seiner Beziehung zu der Sache beruht. Bei einem auf Auflassung gerichteten schuldrechtlichen Anspruch ist hingegen die Passivlegitimation des Beklagten nicht davon abhängig, ob er als Eigentümer des betreffenden Grundstücks in der Lage ist, das Eigentum zu verschaffen. Auch der Zweck der Norm, eine Entscheidung durch den ortsnahen Richter zuzulassen und damit zu einer Erleichterung der Rechtsverfolgung beizutragen, gibt keinen Anlass, § 26 ZPO auf schuldrechtliche Auflassungsansprüche auszudehnen. Denn die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse an dem Grundstück sind für einen auf Auflassung gerichteten schuldrechtlichen Anspruch grundsätzlich nicht entscheidend (vgl. OLG Hamm a. a. O., juris Rn. 17 f.). Der Beklagte wird nicht gerade wegen seines Eigentums oder Besitzes der unbeweglichen Sache in Anspruch genommen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 3. Dezember 1998, 2 AR 6/98, juris Rn. 8).
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c) Indes ist das Landgericht Traunstein sowohl für den mit der Klageschrift anhängig gemachten Anspruch auf Rückübertragung aus Ziffer XII des Grundstückskaufvertrags als auch für den mit der Hilfsbegründung gemäß Schriftsatz vom 29. Dezember 2022 geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückauflassung wegen Nichtigkeit des Kaufvertrags, § 117 Abs. 1, § 812 Abs. 1 BGB, örtlich zuständig, § 29 Abs. 1 ZPO, § 269 Abs. 1 BGB, § 35 ZPO.
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aa) Der Erfüllungsort einer vertraglichen Verpflichtung bestimmt sich nach § 29 Abs. 1 ZPO, § 269 Abs. 1 BGB. Er liegt an dem Ort, an dem der Schuldner zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz hatte, wenn der Ort für die Leistung weder bestimmt ist noch sich aus den Umständen ergibt.
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(1) Ausweislich der notariellen Urkunde war der Beklagte bei Abschluss des Kaufvertrags im Landgerichtsbezirk N.-F. wohnhaft. Der aktuelle Wohnsitz des Beklagten in K. begründete daher, anders als das Landgericht Traunstein möglicherweise in seiner Vorlageverfügung annimmt, von vornherein keinen Gerichtsstand gemäß § 29 Abs. 1 ZPO.
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(2) Die Parteien des Grundstückkaufvertrags haben den Leistungsort für die Verpflichtung gemäß Ziffer XII weder ausdrücklich noch konkludent bestimmt.
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(3) Die auf die Auflassung des Grundstücks gerichtete streitige Leistungspflicht gemäß Ziffer XII des Kaufvertrags ist wegen bestehender örtlicher Präferenz jedoch von einer Art, die es als sachgerecht und deshalb im mutmaßlichen Willen der Parteien liegend erscheinen lässt, sie nicht an dem in § 269 Abs. 1 BGB genannten Wohnsitz des jeweiligen Beklagten, sondern am Ort der Belegenheit des Grundstücks zu erfüllen (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2003, X ARZ 91/03, BGHZ 157, 20 [juris Rn. 15] allgemein zu einer Verpflichtung auf Auflassung).
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Zwar sind seit dem Jahr 1970 für die Entgegennahme der Auflassung grundsätzlich – unabhängig von der Lage des Grundstücks – nur noch die Notare zuständig. Demgegenüber lautete § 925 Abs. 1 Satz 2 BGB in der bis zum 31. Dezember 1969 geltenden Fassung dahin, dass zur Entgegennahme der Auflassung, unbeschadet der Zuständigkeit weiterer Stellen, das Grundbuchamt, jedes Amtsgericht und jeder Notar zuständig sind, und im davorliegenden Zeitraum dahin, dass „[d]ie zur Uebertragung des Eigentums an einem Grundstücke nach § 873 erforderliche Einigung des Veräußerers und des Erwerbers (Auflassung) … bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Teile vor dem Grundbuchamt erklärt werden [muß]“ (vgl. Palandt, BGB, 10. Aufl. 1952, § 925 sowie 11. Aufl. 1953 § 925 unter 1]).
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Indes entspricht es der höchstrichterlichen Rechtsprechung sowie der überwiegenden Auffassung in der Literatur, den Leistungsort für die aus einem Kaufvertrag geschuldete Übereignung eines Grundstücks am Ort des Grundstücks anzunehmen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015, X ARZ 115/15, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 14; Beschluss vom 24. September 1987, I ARZ 749/86, juris Rn. 1; BayObLG, Beschluss vom 21. März 2002, 1Z AR 20/02, juris Rn. 4; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 21. Dezember 2021, 5 Sa 3/21, NJW-RR 2022, 432 Rn. 12; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, § 29 Rn. 28; Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 25.35 und 25.51; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, § 29 Rn. 61). Für den Anspruch auf Rückauflassung nach Ziffer XII des Kaufvertrags gilt nichts anderes. Die Ausführungen des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 20. Oktober 2014, 32 SA 70/14, juris Rn. 18), das – unter Verneinung eines Gerichtsstands am Ort der Belegenheit des Grundstücks gemäß § 26 ZPO (siehe oben) – § 29 ZPO nicht angesprochen und lediglich auf den „allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13 ZPO)“ des Schuldners abgestellt hat, sind insoweit unklar.
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(4) Der Gerichtsstand gemäß § 29 Abs. 1 ZPO am Ort der Belegenheit des Grundstücks im Bezirk des Landgerichts Traunstein gilt auch im Hinblick auf den mit der Hilfsbegründung geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Anspruch auf Rückauflassung wegen Nichtigkeit des Kaufvertrags, § 117 Abs. 1, § 812 Abs. 1 BGB. Für die Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB – wie etwa bei Rückzahlungsklagen im Zusammenhang mit nicht zustande gekommenen, nichtigen oder wirksam angefochtenen Verträgen – wird überwiegend vertreten, dass der besondere Gerichtsstand nach § 29 Abs. 1 ZPO eröffnet ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 3. Juli 2023, 102 AR 40/23 e, juris Rn. 19 m. w. N.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Januar 2017, 13 SV 18/16, juris Rn. 19; OLG Stuttgart, 2. April 2004, 13 AR 2/04, juris Rn. 8; OLG Saarbrücken, Beschluss vom 6. Januar 2005, 5 W 306/04, juris Rn. 8 [i. E. offengelassen]; Eymelt-Niemann in Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl. 2020, § 29 Rn. 11; Roth in Stein/Jonas, ZPO, § 29 Rn. 6, 16; Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 6a, 25.51; enger Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, § 29 Rn. 7; differenzierend auch Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, § 29 Rn. 6), auch wenn kondiktionsrechtliche Ansprüche im Allgemeinen nicht von § 29 ZPO erfasst sind, da es sich bei ihnen nicht um „Streitigkeiten aus einem Vertragsverhältnis“ handelt (vgl. BayObLG a. a. O.). Der Einwand, der zugrunde liegende Vertrag sei nichtig, betrifft zudem einen Kaufvertrag. Bei einem kaufrechtlichen Rückgewährschuldverhältnis ergibt sich aus der Natur der Sache ein einheitlicher Erfüllungsort i. S. d. § 29 Abs. 1 ZPO i. V. m. § 269 Abs. 1 BGB sowohl für den Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises als auch für den Anspruch auf Rückgabe des Kaufgegenstands an dem Ort, an dem sich der Kaufgegenstand vertragsgemäß befindet (vgl. BGH, Urt. v. 9. März 1983, VIII ZR 11/82, BGHZ 87, 104 [juris Rn. 14]; BayObLG, Beschluss vom 10. Februar 2021, 101 AR 161/20, juris Rn. 21 auch zum Schadensersatzanspruch wegen der Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten; Beschluss vom 8. April 2020, 1 AR 18/20, juris Rn. 13 m. w. N.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 30. Oktober 2017, 5 Sa 44/17, NJW-RR 2018, 573 Rn. 16; OLG München, Urt. v. 13. Januar 2014, 19 U 3721/13, MDR 2014, 450 [juris Rn. 14 f.]). Mithin ist auch für den nach der Hilfsbegründung streitgegenständlichen Anspruch ein Erfüllungsort am Ort der Belegenheit des Grundstücks anzunehmen.
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cc) Die Klägerin, der ihren Antrag auf Durchführung des Verfahrens beim Landgericht Traunstein nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe ersichtlich aufrechterhalten hat, hat dieses Gericht gewählt, § 35 ZPO. Der vor der Bewilligung von Prozesskostenhilfe hilfsweise gestellte „Verweisungsantrag“ zum Landgericht Krefeld ändert daran nichts.
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d) Eine andere Bewertung folgt nicht aus dem Verweisungsbeschluss des Landgerichts Traunstein vom 17. Januar 2023, denn dieser entfaltet keine Bindungswirkung.
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aa) Zwar hat der Gesetzgeber in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Dies hat der Senat im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Im Fall eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist daher grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist. Demnach entziehen sich auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung (BayObLG, Beschluss vom 20. Juli 2013, 101 AR 150/23 e, juris Rn. 16).
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Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem Verweisungsbeschluss allerdings dann keine Bindungswirkung zu, wenn dieser schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (st. Rspr.; vgl. BGH NJW-RR 2017, 1213 Rn. 15; BayObLG, Beschl. v. 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18). Objektiv willkürlich ist ein Verweisungsbeschluss, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9; BayObLG, Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18).
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Als willkürlich zu werten ist insbesondere, wenn sich ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht über seine Zuständigkeit hinwegsetzt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, etwa weil es eine klare Zuständigkeitsnorm nicht beachtet oder nicht zur Kenntnis nimmt (BGH, Beschluss vom 17. Mai 2011, NJW-RR 2011, 1364 Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18; Beschluss vom 8. April 2020, 1 AR 23/20, juris Rn. 24). Eine Verweisung ist aber nicht stets als willkürlich anzusehen, wenn das verweisende Gericht sich mit einer seine Zuständigkeit begründenden Norm nicht befasst hat, etwa weil es die Vorschrift übersehen oder deren Anwendungsbereich unzutreffend beurteilt hat. Denn für die Bewertung als willkürlich genügt es nicht, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 11 m. w. N.; BayObLG, Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18). Solche liegen etwa vor, wenn sich eine Befassung mit dem Gerichtsstand nach den Umständen, insbesondere dem Parteivortrag dazu, derart aufdrängt, dass die getroffene Verweisungsentscheidung als nicht auf der Grundlage von § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann (vgl. BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 11 u. 15; BayObLG, Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18).
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Ein Verweisungsbeschluss kann auch dann als willkürlich anzusehen sein, wenn weder aus seiner Begründung noch sonst aus dem Akteninhalt nachvollziehbar ist, auf welcher Grundlage die Verweisung erfolgt ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 8. September 1998, 1Z AR 68/98, juris Rn. 12 f.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 28. November 2018, 11 SV 109/18, juris Rn. 18 ff.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 8. Januar 2009, 8 AR 32/08, NJW-RR 2009, 482 [juris Rn. 10]; OLG Schleswig, Beschluss vom 2. Juni 2006, 2 W 80/06, NJW 2006, 3360 [juris Rn. 11]; OLG Braunschweig, Beschl. v. 20. Februar 2006, 1 W 98/05, juris Rn. 14; Anders in Anders/Gehle, ZPO, 81. Aufl. 2023, § 281 Rn. 33; Foerste in Musielak/Voit, ZPO, § 281 Rn. 10 und 17; Prütting in Münchener Kommentar zur ZPO, § 281 Rn. 56). Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses entfällt allerdings nicht schlechthin, wenn der Beschluss nicht mit einer Begründung versehen ist (BGH NJW-RR 2017, 1213 Rn. 19, 28). Maßgeblich ist, ob sich aus dem Vortrag der Parteien oder dem sonstigen Akteninhalt hinreichende Anhaltspunkte für die Gründe, auf denen die Entscheidung beruht, ergeben (vgl. BGH, Beschluss vom 26. August 2014, X ARZ 275/14, juris Rn. 9; OLG Hamm, Beschluss vom 6. September 2016, 32 SA 49/16, juris Rn. 31 ff.).
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bb) Bei Anlegung dieses Maßstabs ist der Beschluss des Landgerichts Traunstein vom 17. Januar 2023 objektiv willkürlich und damit nicht bindend.
45
Inhaltlich erschöpft sich der Beschluss in der Feststellung, der Gerichtsstand des § 24 ZPO sei bei dem angegangenen Gericht nicht eröffnet. Mit dem seine Zuständigkeit begründenden § 29 ZPO hat sich das Landgericht Traunstein in dem Verweisungsbeschluss nicht befasst. Ein Gerichtsstand nach dieser Bestimmung ist nicht abgelehnt worden. Dass das angerufene Gericht die Bestimmung geprüft und eine Zuständigkeit am Ort der Belegenheit des Grundstücks nach § 29 ZPO verneint hat, ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag der Parteien in Verbindung mit dem sonstigen Akteninhalt. Zwar hat der Beklagte im Schriftsatz vom 12. Oktober 2022 auf § 29 ZPO Bezug genommen und darauf hingewiesen, Ort einer Vertragserfüllung (§ 29 ZPO) sei vorliegend der Wohnsitz des Schuldners. Es ist aber nichts dafür ersichtlich, dass sich das verweisende Gericht mit diesem Gesichtspunkt befasst hat.
46
Das Landgericht Traunstein hat nicht bloß rechtsfehlerhaft seine Zuständigkeit verneint, vielmehr hat sich die Befassung mit der Frage des Erfüllungsorts den Umständen nach derart aufgedrängt, dass die Verweisung als schlechterdings nicht auf der Grundlage von § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann. Wie ausgeführt, ist eine Verweisung nicht stets als willkürlich anzusehen, wenn das verweisende Gericht sich mit einer seine Zuständigkeit begründenden Norm nicht befasst hat, etwa, weil es die Norm übersehen oder deren Anwendungsbereich unzutreffend beurteilt hat (BGH NJW-RR 2015, 908 Rn. 11). Im Streitfall musste sich dem Landgericht Traunstein die Auseinandersetzung mit § 29 ZPO aber aufdrängen, weil es selbst die Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 29. November 2018 (2 AR 12/18, FamRZ 2019, 721 [BeckRS 2018, 31006 Rn. 20]) zitiert. Das Oberlandesgericht hat in der genannten Entscheidung nicht nur die Zuständigkeit desjenigen Gerichts, an das verwiesen worden war, mit der Begründung verneint, § 24 ZPO sei für die Klage auf Auflassung und Bewilligung der Eintragung im Grundbuch im Hinblick auf eine Rückübertragungsklausel in einem Ehevertrag nicht einschlägig. Vielmehr hat es unmittelbar anschließend auch § 29 ZPO geprüft und dessen Voraussetzungen nur deswegen verneint, weil der dortige Antragsteller sein Wahlrecht gemäß § 35 ZPO, § 12 ZPO zugunsten des verweisenden Gerichts ausgeübt habe. Ausgehend hiervon hätte sich dem Landgericht Traunstein, das die Entscheidung des Oberlandesgerichts München selbst heranzieht, die Prüfung des § 29 ZPO aufdrängen müssen.
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Etwas anderes ergibt sich nicht aus der vom Landgericht Traunstein in der Vorlageverfügung ins Feld geführten Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 9. Juni 2015 (NJW-RR 2015, 1016 Rn. 15). Den Ausführungen des Bundesgerichtshofs ist zu entnehmen, dass in der dortigen Konstellation tragend unter anderem darauf abgestellt worden ist, die Klägerin habe einen auf Geldzahlung gerichteten Gewährleistungsanspruch und nicht – wie hier – einen auf das Grundstück bezogenen Erfüllungsanspruch eingeklagt. Zudem hätten die Parteien die Frage nach dem Erfüllungsort für die geltend gemachten Ansprüche nicht thematisiert und die Lage des Grundstücks damit nicht in Verbindung gebracht. Vorliegend hat sich aber das verweisende Gericht selbst auf eine Entscheidung bezogen, die diese Thematik ausdrücklich abhandelte. Dennoch wird die formelhaft behauptete eigene Unzuständigkeit vom Landgericht mit keinem Wort begründet.
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Ohne Ausführungen zur eigenen Unzuständigkeit auch unabhängig von § 24 ZPO ist nicht annähernd zu erkennen, dass das Landgericht Traunstein die Verweisung – entsprechend seinen späteren Ausführungen in der Vorlageverfügung – darauf gestützt hat, dass in seinem Bezirk kein Erfüllungsort gemäß § 29 ZPO liege. In diesem Zusammenhang hat das verweisende Gericht im Übrigen auch nicht willkürfrei annehmen können, dass es der Klägerin, da kein ausschließlicher Gerichtsstand beim angerufenen Gericht eröffnet sei, vor Rechtshängigkeit freigestanden habe, ihre getroffene Gerichtswahl noch zu revidieren (vgl. BayObLG, Beschluss vom 8. April 2020, 1 AR 7/20, juris Rn. 21). Der auf die lückenhafte Anfrage des Landgerichts Traunstein lediglich hilfsweise gestellte „Verweisungsantrag“ der Klägerin konnte schlechterdings nicht in einen unbedingt gestellten Antrag auf Abgabe umgedeutet werden.
49
Unter Zugrundelegung der gegebenen Begründung nebst der sonstigen Aktenlage kommt in dem Verweisungsbeschluss nach alledem die Weigerung des Gerichts zum Ausdruck, den ihm unterbreiteten Sachverhalt vollständig auf seine eigene Zuständigkeit zu prüfen. Das verweisende Gericht hat sich im Streitfall der Frage der eigenen Zuständigkeit nach § 29 ZPO erkennbar nicht gestellt, obwohl es die Frage des Erfüllungsorts am Ort der Belegenheit des Grundstücks von sich aus hätte aufgreifen müssen.