Titel:
Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge, Bruttoprinzip, Rechtsfolgenverweis § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG, Billigkeitsentscheidung: Kein ganz oder teilweises Absehen von der Rückforderung, Behördliche Verantwortung im Rahmen der Massenverwaltung
Normenketten:
BBesG (Bundesbesoldungsgesetz) § 12 Abs. 2
BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) §§ 818 ff.
SG (Soldatengesetz) § 25 Abs. 5
Schlagworte:
Rückforderung zuviel gezahlter Bezüge, Bruttoprinzip, Rechtsfolgenverweis § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG, Billigkeitsentscheidung: Kein ganz oder teilweises Absehen von der Rückforderung, Behördliche Verantwortung im Rahmen der Massenverwaltung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 35957
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung von überzahlten Dienstbezügen.
2
Der am … geborene Kläger trat zum 01.07.1999 in den Dienst der Beklagten ein und war dort bis einschließlich …2016 tätig, zuletzt im Rang eines Majors. Zum …2016 trat der Kläger als erster Bürgermeister der Marktgemeinde … in ein kommunales Wahlbeamtenverhältnis auf Zeit ein. Hierüber informierte der Kläger das Bundesverwaltungsamt mit Nachricht vom 26.04.2016. Ab diesem Zeitpunkt ruhte sein Dienstverhältnis mit der Beklagten und es erfolgte keine Auszahlung von Bezügen. Aufgrund seiner Wiederwahl zum Bürgermeister wurde der Kläger am …2020 mit Wirkung vom …2020 für die Dauer von sechs Jahren erneut in ein Beamtenverhältnis auf Zeit bis zum …2026 berufen. Hierüber informierte der Kläger das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr am 02.12.2020. Dieses bestätigte mit Schreiben vom 03.05.2022 den Eingang der Mitteilung und das weitere Ruhen des Dienstverhältnisses des Klägers als Soldat.
3
Dem Kläger wurden mit Bezügeabrechnung vom 18.06.2022 des Bundesverwaltungsamts für den Monat Juli 2022 Dienstbezüge in Höhe von 3.796,43 Euro netto (6.434,54 Euro brutto) ausgezahlt; die Lohnsteuer (2.340,50 Euro), die Kirchensteuer (187,24 Euro) und der Solidaritätszuschlag (110,37 Euro) wurden an das zuständige Finanzamt abgeführt. Von der erfolgten Auszahlung setzte der Kläger das Bundesministerium der Verteidigung mit E-Mail vom 30.06.2022 in Kenntnis und überwies am 19.07.2022 den auf sein Bankkonto ausbezahlten Nettobetrag in Höhe von 3.796,43 Euro zurück.
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Mit Schreiben vom 11.07.2022 hörte das Bundesverwaltungsamt den Kläger zu der Absicht an, die für den Zeitraum vom 01.07. bis zum 31.07.2022 ausgezahlten Dienstbezüge in Höhe des Bruttobetrages von 6.434,54 Euro zurückzufordern. Die Prozessbevollmächtigte des Klägers nahm dazu mit Schreiben vom 25.07.2022 Stellung. Der Beklagten sei bekannt gewesen, dass aufgrund der Wahl des Klägers zum Bürgermeister seit dem …2016 gem. § 25 Abs. 5 des Soldatengesetzes (SG) kein Dienst- und Treueverhältnis mehr bestehe. Das ruhende Dienstverhältnis lebe erst auf Antrag des Berufssoldaten gem. § 25 Abs. 5 Satz 3 SG wieder auf. Ein entsprechender Antrag sei seitens des Klägers nicht gestellt worden. Für den Kläger sei daher nicht nachvollziehbar, wieso eine Auszahlung der Dienstbezüge für den Monat Juli 2022 erfolgt sei. Der Kläger habe eine unverzügliche Rücküberweisung der ausbezahlten Nettobezüge in Höhe von 3.796,43 Euro veranlasst. Eine Rückzahlung darüber hinaus schulde er nicht. Der Überzahlungsfehler rühre ausschließlich aus der Sphäre der Beklagten und diese sei mit der Abführung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen ihrer eigenen Verpflichtung zur Abführung nachgekommen. Die Beklagte müsse diesen Teil der Dienstbezüge unmittelbar im Wege der Direktkondition vom Finanzamt zurückfordern. Rein vorsorglich berufe sich der Kläger auf den Wegfall der Bereicherung gem. § 818 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), da die abgeführten Steuern und Sozialversicherungsbeiträge nie in den Verfügungsbereich des Klägers gelangt seien und sich mithin nicht in dessen Vermögen befänden. Ein Fehlverhalten des Klägers sei nicht ersichtlich.
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Mit Bescheid vom 11.08.2022 forderte das Bundesverwaltungsamt den Kläger zur Rückzahlung der überzahlten Dienstbezüge in Höhe von 6.434,54 Euro auf. Aufgrund der durch den Kläger bereits getätigten Zahlung vom 19.07.2022 in Höhe von 3.796,43 EUR sei noch ein verbleibender Restbetrag in Höhe von 2.638,11 Euro offen. Das Bundesverwaltungsamt habe von der erneuten Wiederwahl zum Bürgermeister erst durch die Weiterleitung der E-Mail des Klägers vom 30.06.2022, beim Bundesverwaltungsamt eingegangen am 05.07.2022, Kenntnis erlangt. Die Bezüge für den Aufbereitungsmonat Juli 2022 seien durch das Personalwirtschaftssystem bereits am 15.06.2022 zur Zahlung angewiesen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei im Personalwirtschaftssystem lediglich eine Abwesenheit bis 30.06.2022 hinterlegt gewesen. Ohne weitere Eingabe, für die im Übrigen nicht das Bundesverwaltungsamt, sondern die personalbearbeitende Bundeswehrdienststelle zuständig sei, lebten die Dienstbezüge automatisch wieder auf. Die Eingabe der erneuten Abwesenheit sei durch die personalbearbeitende Bundeswehrdienststelle erst am 05.07.2022 erfolgt. Die für den Monat Juli ausbezahlten Bruttodienstbezüge habe der Kläger ohne rechtlichen Grund erhalten und er sei daher nach § 12 Abs. 2 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zur Rückzahlung verpflichtet. Auf die Einrede des Wegfalls der Bereicherung könne sich der Kläger nicht berufen, da der Anspruch auf Zahlung von laufenden Bezügen unter dem gesetzlichen Vorbehalt der tatsächlichen Dienstleistung stehe und der Kläger positive Kenntnis von der rechtsgrundlosen Zahlung gehabt habe (§ 818 Abs. 4 BGB). Daher unterliege der Kläger der verschärften, den Wegfall der Bereicherung ausschließenden Haftung. Gemäß Teilziffer 12.2.17 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz (BBesGVwV) und nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung sei der Bruttobetrag zurückzufordern, weil die einbehaltenen Steuern bereits an das Finanzamt abgeführt worden seien. Die Möglichkeit des Absehens von der Rückforderung unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse aus Billigkeitsgründen sei aufgrund des oben genannten Vorbehalts und des Entstehungsgrundes der Überzahlung nicht zulässig. Mangels abschließender Äußerung des Klägers zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen werde von geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen ausgegangen und erfolge keine Festsetzung von Tilgungsraten.
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Gegen den Rückforderungsbescheid legte die Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 06.09.2022 Widerspruch ein. Vorab sei zu bestreiten, dass das Bundesverwaltungsamt die Lohn- und Kirchensteuer sowie den Solidaritätszuschlag in Höhe von 2.638,11 Euro an die Finanzverwaltung abgeführt habe, ein entsprechender Nachweis sei bislang nicht geführt worden. Die Rückforderung des Bruttobetrages über den Nettobetrag hinaus sei nicht interessengerecht. Die Ursache für die Überzahlung liege ausschließlich in einem innerorganisatorischen Mangel der Beklagten. Fehleingaben im Personalwirtschaftssystem der Beklagten seien nicht dem Kläger zuzurechnen, da dieser nicht in der Hand habe, welche Eingaben das Bundesverwaltungsamt veranlasse. Zudem habe der Kläger seine personalbearbeitende Bundeswehrdienststelle rechtzeitig mit Schreiben vom 02.12.2020 über die Fortdauer seines kommunalen Wahlbeamtenverhältnisses für weitere sechs Jahre informiert. Das Bundesverwaltungsamt sei hierüber ausweislich des Verteilers mit Schreiben vom 03.05.2022 auch unterrichtet worden. Es könne nicht maßgeblich sein, welche Abwesenheitszeiten im Personalwirtschaftssystem voreingestellt seien. Das ruhende Dienstverhältnis lebe nach § 25 Abs. 5 SG erst auf Antrag wieder auf. Einen solchen Antrag habe es seitens des Klägers nicht gegeben. Der Kläger werde gezwungen, den Organisationsmangel der Beklagten mittels seiner Einkommensteuererklärung zu beseitigen. Selbst wenn man von einer Rückerstattungsverpflichtung ausginge, hätte der Kläger den Überzahlungsbetrag frühestens in dem Moment erlangt, zu welchem erstmalig eine Geltendmachung im Zusammenhang mit dem Jahreslohnsteuerausgleich möglich gewesen wäre, also nicht vor Beginn des Jahres 2023. Demgemäß wäre der geltend gemachte Rückerstattungsanspruch nicht vor diesem Zeitpunkt fällig geworden. Auch unter Billigkeitsgesichtspunkten scheide ein Rückgriff auf den Kläger aus. Ob und inwieweit dem Kläger eine steuerliche Mehrbelastung verbleibe, sei unklar. Der Kläger werde mit der Anfertigung einer Einkommensteuererklärung belastet und zugleich auch mit der Durchsetzung eines etwaigen Schadensersatzanspruches in Höhe einer verbleibenden Mehrbelastung gegenüber der Beklagten. Der Beklagten sei es möglich, im Wege der Direktkondition den überzahlten Betrag von der Finanzverwaltung zurückzufordern. Für den Rückerstattungsanspruch fehle es überdies an einer wirksamen Tilgungsbestimmung, da das Dienstverhältnis des Klägers zeitlich unbefristet ruhe und erst auf ausdrücklichen eigenen Antrag des Klägers wieder auflebe. Daher fehle es an einer bewussten, zweckgerichteten Mehrung fremden Vermögens. Der Rückerstattungsanspruch sei jedenfalls unter den Voraussetzungen des § 814 Alt. 1 BGB ausgeschlossen. Da die Beschäftigungsbehörde eine andere Behörde als die Bezügestelle sei, komme es auf die Kenntnis der Bezügestelle an. Diese habe spätestens mit in den Verteiler gegebenem Schreiben des Bundesamtes für das Personalmanagement der Bundeswehr vom 03.05.2022 positive Kenntnis vom Fortbestand des kommunalen Wahlbeamtenverhältnisses des Klägers gehabt. Die allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Bundesbesoldungsgesetz Teilziffer 12.2.17 rechtfertige kein anderes Ergebnis, da Verwaltungsvorschriften keinerlei Außenwirkung oder unmittelbare Rechtswirkung gegenüber dem Bürger entfalten würden.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 14.11.2022 wies das Bundesverwaltungsamt den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger unterliege der verschärften Haftung, weshalb er sich nicht auf den Wegfall der Bereicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB berufen könne. Ob die zuständige Behörde ein Mitverschulden an der Überzahlung treffe, sei in diesem Zusammenhang rechtlich unerheblich. Dieser Umstand könne allenfalls in der nachfolgenden Billigkeitsentscheidung von Bedeutung sein. Die Rückforderung des Bruttobetrages sei rechtlich nicht zu beanstanden. Bei den Dienstbezügen handele es sich um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Solche Einkünfte seien zu versteuern, wenn sie dem Empfänger aus dem Dienstverhältnis tatsächlich zufließen würden, ohne Rücksicht darauf, ob er einen Rechtsanspruch auf sie habe. Mit der Abführung der Lohnsteuer, einschließlich der Kirchensteuer und dem Solidaritätszuschlag, werde der Bezügeempfänger durch den Dienstherrn von seiner Steuerschuld befreit und sei deshalb im Falle der Rückforderung in diesem Umfang bereichert. Die Bereicherung des Arbeitnehmers liege neben dem Nettobetrag auch in der Befreiung von seiner Steuerschuld. Steuerschuldner sei der Beamte. Die Steuerdifferenz lasse sich im Lohnsteuerjahresausgleich berichtigen. Die Entscheidung, ob aus Billigkeitsgründen von der Rückforderung ganz oder teilweise abgesehen werde, stehe im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung sei grundsätzlich in die Ermessensentscheidung einzubeziehen. Dass die Zuvielzahlung auf Fehlern von Bediensteten der Behörde beruhe, sei nach höchstrichterlicher Rechtsprechung für die Frage, ob der Empfänger den Mangel des rechtlichen Grundes der Leistung hätte erkennen müssen, nicht erheblich. Ein behördliches Mitverschulden an der Entstehung eine Überzahlung sei nämlich geradezu typisch und könne deshalb nur in besonderen Fällen im Rahmen einer Gesamtbetrachtung bei der Ermessenshandlung eine Rolle spielen. Ein Mitverursachen stehe dem Rückforderungsverlangen nicht entgegen. Reichte hierfür allein ein (fahrlässiges) Fehlverhalten des Dienstherrn, bliebe die Durchsetzung eines Rückforderungsverlangens letztlich die Ausnahme, obwohl es in aller Regel schon im Hinblick auf das Gebot ordnungsgemäßer Verwaltung der Haushaltsmittel pflichtgemäßem Ermessen entspreche, bei Vorliegen der Rückforderungsvoraussetzungen diese Rückforderung auch auszusprechen. Es treffe zwar zu, dass die primäre Ursache für die Überzahlung im Verantwortungsbereich der Behörde bzw. der personalbearbeitenden Dienststelle gelegen habe. Jedoch gehe dieser Fehler nicht über ein fahrlässiges Fehlverhalten des Dienstherrn hinaus. Derartige Fehler würden für sich genommen nicht ausreichen, eine Verringerung des Rückforderungsbetrages aus Gründen der Billigkeit als geboten erscheinen zu lassen. Aus Gründen der Billigkeit sei in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Beamte entreichert sei. Erst dann müsse sich die überwiegende behördliche Verantwortung für die Überzahlung in der Billigkeitsentscheidung niederschlagen. Der Kläger sei jedoch nicht entreichert. Zudem sei bei der Ermessensentscheidung eine Abwägung zwischen dem vom Gesetz vorgeschriebenen Grundsatz der Rückforderung und der (restriktiv auszulegenden) Ausnahmevorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG vorzunehmen. Das Vorbringen des Klägers habe keinen Grund zur Veranlassung gegeben, einen besonders ungewöhnlichen, extremen Ausnahmefall zu erkennen. Aus Gründen der Billigkeit werde nunmehr eine Ratenzahlung in Höhe von monatlich 500,00 Euro festgesetzt.
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Mit Schriftsatz vom 12.12.2022, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangen am 15.12.2022, ließ der Kläger um Rechtsschutz nachsuchen und in der mündlichen Verhandlung beantragen,
den Rückforderungsbescheid der Beklagten vom 11.08.2022 und den Widerspruchsbescheid vom 14.11.2022 aufzuheben, soweit damit über den Nettobetrag hinausgehende Dienstbezüge i.H.v. 2.638,11 Euro zurückgefordert werden.
Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten im Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.
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Zur Begründung wurden die im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vorgebrachten Tatsachen und Rechtsauffassungen im Wesentlichen wiederholt. Der Rechtsauffassung der Beklagten hinsichtlich der bestehenden Haftungsverschärfung sei nicht zu folgen. Der Rechtsmangel liege ausschließlich im Verantwortungsbereich der Beklagten. Die Beklagte habe letztlich die ihr gegenüber ihren Beamten obliegende Fürsorgepflicht, die Besoldung korrekt zu berechnen, verletzt. Der Beamte dürfe sich grundsätzlich darauf verlassen, dass die Besoldung korrekt erfolge. Der Kläger habe jedenfalls seine ihm obliegende Treuepflicht nicht verletzt, da er zutreffende Angaben über alle Umstände gemacht habe, die für die Berechnung der Bezüge erforderlich gewesen seien. Die Billigkeitsentscheidung der Beklagten sei als ermessensfehlerhaft zu beanstanden. Die Beklagte habe verkannt, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzurechnen sei. Aus Gründen der Billigkeit sei in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liege. Der Beamte, der nur einen untergeordneten Verursachungsbeitrag für die Überzahlung gesetzt habe, müsse aus Gleichheitsgesichtspunkten besser stehen als der Beamte, der die Überzahlung allein zu verantworten habe. Dies müsse umso mehr erst recht gelten, wenn die Überzahlung ausschließlich und alleinig in den Verantwortungsbereich der Beklagten falle, wie es hier der Fall sei. In diesem Fall reduziere sich das Ermessen der Beklagten auf Null und es könne unter Billigkeitsgesichtspunkten nur ein gänzliches Absehen von der Rückforderung in Betracht kommen. Die Beklagte habe sogar doppelt fehlerhaft gehandelt: Zum einen im Hinblick auf die Ersteingabe, die fehlerhaft befristet worden sei, obgleich die Aufhebung des Ruhens des Dienstverhältnisses des Klägers nach Ablauf einer dreimonatigen Frist ein aktives Tun durch ausdrückliche Rückmeldung zum Dienst erfordert hätte; zum anderen im Hinblick darauf, dass nach Mitteilung des Klägers zur Wiederwahl weder eine Überprüfung der bisherigen Eingabe noch eine Korrektur der fehlerhaften Eingabe erfolgt sei. Denn auch wenn der Kläger nicht wiedergewählt worden wäre, hätte mangels Antrags des Klägers nach § 25 Abs. 5 SG keine automatische Auszahlung der Bezüge erfolgen dürfen. Dies stelle ein grob fahrlässiges Organisationsverschulden dar.
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Mit Schreiben vom 30.12.2022 beantragte das Bundesverwaltungsamt für die Beklagte,
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Zur Begründung werde auf den Widerspruchsbescheid vom 14.11.2022 verwiesen. Die Klagebegründung gebe keine Veranlassung zu weiteren Ausführungen.
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Hinsichtlich der mündlichen Verhandlung vom 19.03.2024 wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht kann trotz des Nichterscheinens eines Vertreters der Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten bei der Ladung darauf hingewiesen worden sind, dass bei ihrem Ausbleiben auch ohne sie verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 1 und 2 VwGO).
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Die in Gestalt einer Teilanfechtungsklage erhobene Klage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Rückforderungsbescheid vom 11.08.2022 sowie der Widerspruchsbescheid vom 14.11.2022 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Bescheide sind formell rechtmäßig, insbesondere wurde der Kläger unter dem 11.07.2022 schriftlich gem. § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) zu der beabsichtigten Rückzahlung angehört.
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Die Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Der Anspruch auf Rückforderung überzahlter Bezüge ist auf Tatbestandsseite (1.) dem Grunde nach (a.) sowie in der geltend gemachten Höhe von 6.434,54 Euro (b.) entstanden und nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen (c.). Der Durchsetzbarkeit dieses Anspruchs steht die Einrede des § 818 Abs. 3 BGB nicht entgegen (2.). Die von der Beklagten auf der Rechtsfolgenseite getroffene Billigkeitsentscheidung ist nicht zu beanstanden (3.). Aufgrund bereits geleisteter Zahlungen des Klägers besteht zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung ein offener Restbetrag in Höhe von 738,11 Euro (4.).
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1. Der Beklagten steht gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 6.434,54 Euro wegen zuviel gezahlter Bezüge für den Monat Juli 2022 zu.
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a. Bei den ausbezahlten Dienstbezügen handelt es sich dem Grunde nach um eine Überzahlung i.S.v. § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG. Der Kläger befand sich im Zeitraum vom 01.07.2022 bis 31.07.2022 aufgrund der Wiederwahl zum ersten Bürgermeister der Marktgemeinde … in einem kommunalen Wahlbeamtenverhältnis, weshalb sein Soldatenverhältnis mit der Beklagten – ununterbrochen seit Antritt seiner ersten Amtszeit zum …2016 – gem. § 25 Abs. 5 Satz 1 SG ruhte. Daher hatte der Kläger keinen Anspruch auf die Zahlung von Dienstbezügen. Entgegen der Auffassung des Klägers steht dem Rückforderungsanspruch nicht entgegen, dass es mangels wirksamer Tilgungsbestimmung an einer Leistung i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB fehle. Auf den Begriff der Leistung kommt es im Rahmen des § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG nicht an, da es sich bei dem Verweis auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung um einen Rechtsfolgenverweis handelt und die Tatbestandsvoraussetzungen des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB daher nicht vorliegen müssen (vgl. BVerwG, U.v. 22.03.2017 – 5 C 5/16 – juris Rn. 14; U.v. 28.02.2002 – 2 C 2/01 – NVwZ 2002, 854). Statt einer „Leistung“ i.S.d. § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB ist anspruchsbegründende Voraussetzung im Rahmen des § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG vielmehr, dass die Leistungen „als Bezüge“ gezahlt worden sind (vgl. BVerwG, U.v. 21.10.1999 – 2 C 11/99 – NVwZ 2000, 443/444). Bei der an den Kläger erfolgten Auszahlung handelt es sich ausweislich der Bezügeabrechnung vom 18.06.2022 um Dienstbezüge. Aufgrund des ruhenden Dienstverhältnisses gem. § 25 Abs. 5 Satz 1 SG fehlt der Auszahlung der Dienstbezüge der Rechtsgrund, weshalb es sich um eine Überzahlung im Sinne von „zuviel gezahlten Dienstbezügen“ handelt.
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b. Der Höhe nach ist der Rückforderungsanspruch gem. § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG entsprechend dem Bruttobetrag der überzahlten Dienstbezüge in Höhe von 6.434,54 Euro entstanden. Es gilt das sog. Bruttoprinzip (vgl. BVerwG, U.v. 08.10.1998 – 2 C 21/97 – juris Rn. 17; U.v. 12.05.1966 – II C 197.62 – juris Rn. 56), welches sich letztlich auch in der nicht zu beanstandenden Ziffer 12.2.17 BBesGVwV widerspiegelt. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass der Rückforderungsanspruch in Höhe des Nettobetrags von 3.796,43 Euro mit Eingang auf dem Bankkonto des Klägers am 30.06.2022 entstanden ist. Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Rückforderungsanspruch zum gleichen Zeitpunkt in Höhe des den Nettobetrag übersteigenden Bruttobetrags in Form der an das Finanzamt abgeführten Lohnsteuer, einschließlich der Kirchensteuer und dem Solidaritätszuschlag, in Höhe von zusätzlichen 2.638,11 Euro entstanden. An deren tatsächlicher Abführung an das Finanzamt hat das Gericht aufgrund der Bezügeabrechnung vom 18.06.2022 i.V.m. dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes – GG) keine Zweifel. Die Dienstbezüge stellen für den Kläger Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) dar. Im Moment des Zuflusses des Nettobetrages beim Kläger entstand seine jeweilige Steuer- und Abgabepflicht. Die Steuerschuld liegt in der Person des Klägers, auch wenn die Steuerzahlung durch die Beklagte erfolgte. Für die Lohnsteuer ergibt sich aus § 38a Abs. 2 EStG, dass der Arbeitnehmer Steuerschuldner ist und lediglich die Abführung an das Finanzamt aufgrund deren Ausgestaltung als Quellensteuer durch den Arbeitgeber erfolgt. Schuldner der Kirchensteuer gem. Art. 3 Abs. 2 des Bayerischen Kirchensteuergesetzes (BayKirchStG) sind die Angehörigen der in Art. 1 BayKirchStG genannten Gemeinschaften. In Bezug auf den Solidaritätszuschlag sind gem. § 2 Nr. 1 des Solidaritätszuschlaggesetzes (SolzG) natürliche Personen, die nach § 1 EStG einkommensteuerpflichtig sind, abgabepflichtig. Die Entstehung der Steuerschuld ist unabhängig davon, ob ein Rechtsanspruch auf die gezahlten Bezüge besteht (vgl. BVerwG, U.v. 08.10.1998 – 2 C 21/97 – juris Rn. 17). Mit der Abführung durch die Beklagte wurde der Kläger von seiner eigenen Steuer- und Abgabeschuld befreit und ist in diesem Umfang bereichert. Zahlt der Empfänger die ihm ohne Rechtsgrund zugeflossenen Bezüge noch im Kalenderjahr des Empfanges zurück, so lässt sich die Steuerdifferenz im Lohnsteuerjahresausgleich berichtigen. Zahlt der Empfänger die ihm ohne Rechtsgrund zugeflossenen Dienstbezüge nicht oder erst in einem späteren Kalenderjahr zurück, so bleiben sie für das Kalenderjahr des Empfanges steuerpflichtig. Die Rückzahlungen können dann im Kalenderjahr der Rückzahlung als negative Einkünfte steuerlich abgesetzt werden, so dass auf diese Weise ein steuerlicher Ausgleich erfolgt (vgl. BVerwG, U.v. 12.05.1966 – II C 197.62 – juris Rn. 57). Der Kläger zahlte den Nettobetrag in Höhe von 3.796,43 Euro bereits am 19.07.2022 an die Beklagte zurück und gab in der mündlichen Verhandlung an, über den Jahressteuerausgleich für das Jahr 2022 eine Rückerstattung von 1.900,00 Euro erhalten zu haben.
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c. Aufgrund des oben bereits erwähnten Rechtsfolgenverweises in § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs über die Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung ist der Rückforderungsanspruch der Beklagten entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht gem. § 814 BGB ausgeschlossen. Die Vorschrift des § 814 BGB regelt nicht den „Umfang der Erstattung“, sondern schließt den Bereicherungsanspruch bereits dem Grunde nach aus und ist daher vom Rechtsfolgenverweis des § 12 Abs. 2 Satz 1 BBesG nicht erfasst (vgl. BVerwG, U.v. 28.02.2002 – 2 C 2/01 – NVwZ 2002, 854). Daher kommt es nicht entscheidungserheblich darauf an, ob die Beklagte zum Zeitpunkt der Auszahlung positive Kenntnis von der Rechtsgrundlosigkeit hatte.
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2. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf den Wegfall der Bereicherung gem. § 818 Abs. 3 BGB berufen. Entsprechend den vorhergehenden Ausführungen ist der Kläger aufgrund der Befreiung von seiner Steuer- und Abgabeschuld nach wie vor bereichert. Es ist unerheblich, dass der den Nettobetrag übersteigende Bruttobetrag nicht in seine unmittelbare wirtschaftliche Verfügungsmacht gelangt ist. Die Darlegungs- und Beweislast für den Wegfall der Bereicherung liegt beim Empfänger der Überzahlung, da es sich um eine rechtsvernichtende Einwendung handelt (vgl. BGH, U.v. 10.02.1999 – VIII ZR 314-97 – NJW 1999, 1181 m.w.N.). Gründe für eine Entreicherung sind weder ersichtlich, noch wurden sie vom Kläger vorgetragen. Jedenfalls kann sich der Kläger aufgrund seiner verschärften Haftung gem. §§ 818 Abs. 4, 819 Abs. 1 BGB nicht auf einen etwaigen Wegfall der Bereicherung berufen. Der Kläger kannte bei Empfang der Dienstbezüge am 30.06.2022 den Mangel des rechtlichen Grundes, weshalb es auf die Offensichtlichkeit des Mangels nach § 12 Abs. 2 Satz 2 BBesG nicht mehr ankommt. Die positive Kenntnis ergibt sich nicht nur daraus, dass der Kläger schon während seiner ersten Amtszeit als erster Bürgermeister der Marktgemeinde … keine Dienstbezüge erhalten hatte, sondern auch daraus, dass er seine Wiederwahl dem Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr anzeigte, und schließlich auch daraus, dass er sich nach Auszahlung der Dienstbezüge umgehend am 30.06.2022 per E-Mail an das Bundesministerium der Verteidigung wandte mit dem Zusatz „Darauf habe ich keinen Anspruch.“. Insofern ist es an dieser Stelle entgegen der Auffassung des Klägers auch unerheblich, ob und inwieweit der Mangel aus dem Verantwortungsbereich der Beklagten stammt (vgl. BVerwG, U.v. 12.03.1991 – 6 C 51/88 – NJW 1991, 2718/2720). Zwar ist in Fällen einer verschärften Haftung die Berufung auf einen Wegfall der Bereicherung nicht schlechthin ausgeschlossen (vgl. u.a. BVerwG, U.v. 15.05.1997 – 2 C 26/95 – BeckRS 1997, 22560 Rn. 22; U.v. 27.01.1994 – 2 C 19/92 – NVwZ 1005, 389/390). Eine Entreicherung kommt beispielsweise in Fällen in Betracht, in denen über einen langen Zeitraum eine geringe Überzahlung stattgefunden hat, weil dabei davon auszugehen ist, dass die Überzahlung im Rahmen der allgemeinen Lebensführung aufgebraucht wurde. Vorliegend sind solche Umstände, die den Verbrauch der zu Unrecht gezahlten Dienstbezüge im Sinne dieser Rechtsprechung ausnahmsweise unter Berücksichtigung des auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsatzes von Treu und Glauben als gerechtfertigt erscheinen lassen könnten, nicht ersichtlich und vom Kläger auch nicht vorgetragen (vgl. BVerwG, U.v. 08.10.1998 – 2 C 21/97 – juris Rn. 18).
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3. Schließlich ist die von der Beklagten getroffene Billigkeitsentscheidung, von der Rückforderung nicht nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG ganz oder teilweise abzusehen, nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO).
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist Sinn und Zweck der Billigkeitsentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG, eine allen Umständen des Einzelfalles gerecht werdende, für die Behörde zumutbare und für den Beamten tragbare Lösung zu ermöglichen, bei der auch Alter, Leistungsfähigkeit und sonstige Lebensverhältnisse des Herausgabepflichtigen eine maßgebende Rolle spielen. Sie ist Ausdruck des auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben und stellt eine sinnvolle Ergänzung des ohnehin von dem gleichen Grundsatz geprägten Rechts der ungerechtfertigten Bereicherung dar, so dass sie vor allem in Fällen der verschärften Haftung von Bedeutung ist. Dabei ist jedoch nicht die gesamte Rechtsbeziehung, aus welcher der Bereicherungsanspruch erwächst, nochmals unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu würdigen, sondern auf das konkrete Rückforderungsbegehren und vor allem auf die Modalitäten der Rückabwicklung und ihre Auswirkungen auf die Lebensumstände des Beamten abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 21.02.2019 – 2 C 24/17 – juris Rn. 18; U.v. 15.11.2016 – 2 C 9/15 – juris Rn. 32; U.v. 08.10.1998 – 2 C 21/97 – juris Rn. 21 m.w.N.).
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Bei der Billigkeitsentscheidung ist von besonderer Bedeutung, wessen Verantwortungsbereich die Überzahlung zuzuordnen ist und in welchem Maße ein Verschulden oder Mitverschulden hierfür ursächlich war. Ein Mitverschulden der Behörde an der Überzahlung ist in die Ermessensentscheidung nach § 12 Abs. 2 Satz 3 BBesG einzubeziehen. Deshalb ist aus Gründen der Billigkeit in der Regel von der Rückforderung teilweise abzusehen, wenn der Grund für die Überzahlung in der überwiegenden behördlichen Verantwortung liegt. In diesen Fällen ist der Beamte entreichert, kann sich aber nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen. Bei überwiegendem Verschulden der Behörde wird ein Absehen von der Rückforderung in Höhe von 30% im Regelfall als angemessen angesehen (vgl. BVerwG, U.v. 21.02.2019 – 2 C 24/17 – juris Rn. 20; U.v. 26.04.2012 – 2 C 4/11 – juris Rn. 20). Liegt kein überwiegendes behördliches Mitverschulden für die Überzahlung von Besoldungs- oder Versorgungsbezügen vor, genügt die Einräumung von angemessenen Ratenzahlungsmöglichkeiten regelmäßig den Erfordernissen einer im Rahmen des Rückforderungsbescheids zu treffenden Billigkeitsentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 08.10.1998 – 2 C 21/97 – juris Rn. 20 ff.; U.v. 15.05.1997 – 2 C 26/95 – BeckRS 1997, 22560 Rn. 23).
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Im Fall des Klägers ist ein teilweises Absehen von der Rückforderung nicht geboten, weil ein überwiegendes Verschulden des Dienstherrn für die Überzahlung nicht anzunehmen ist. Zwar hat die Beklagte die Entstehung der Überzahlung insofern zu verantworten, als sie das ruhende Soldatenverhältnis des Klägers entgegen § 25 Abs. 5 SG im Personalwirtschaftssystem als befristet bis zum Ablauf seiner ersten Amtszeit als Bürgermeister (30.06.2022) hinterlegte und sich dieser Eingabefehler dadurch fortsetzte, dass das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr auf Meldung des Klägers über die zweite Amtszeit die Verlängerung des Ruhens entweder nicht selbst eingab oder jedenfalls nicht an das Bundesverwaltungsamt weiterleitete. Bei derartigen Fehlern handelt es sich allerdings um im Rahmen der Massenverwaltung auch bei Anwendung größter Sorgfalt nicht gänzlich zu vermeidende Fehler, bei denen ohne ein Hinzutreten verschärfender Umstände – etwa bei einem Unbemerktbleiben des Fehlers auch bei nachfolgenden Kontrollen bzw. Eingaben in das Personalwirtschaftssystem oder aber über lange Zeit (so in den Fällen BVerwG, U.v. 26.04.2012 – 2 C 15/10 und U.v. 26.04.2012 – 2 C 4/11) – allenfalls von einem ganz geringfügigen Verschulden auf Seiten der Behörde auszugehen ist. Für sich genommen reichen solche Fehler daher nicht aus, um eine Verringerung des Rückforderungsbetrags aus Gründen der Billigkeit rechtlich geboten erscheinen zu lassen (vgl. BayVGH, B.v. 21.01.2015 – 14 ZB 13.489 – juris Rn. 8; VG München, U.v. 22.01.2020 – M 21a K 18.1668 – juris Rn. 28). Vorliegend handelt es sich um ein einmaliges Auszahlungsversehen von Dienstbezügen für den Monat Juli 2022 durch eine Kumulation von zwei geringfügigen Fehlern, die dennoch nicht in ihrer Gesamtheit zu einem überwiegenden Verschulden der Beklagten führen. Dieses einmalige Auszahlungsversehen korrigierte die Beklagte unmittelbar nach der E-Mail des Klägers vom 30.06.2022, nämlich mit Änderung der Eingaben im Personalwirtschaftssystem am 05.07.2022. Daher erscheint es nicht gerechtfertigt, die Folgen der Überzahlung dem Beklagten und letztlich der Allgemeinheit aufzubürden (vgl. VG Würzburg, U.v. 15.11.2011 – W 1 K 11.397 – juris Rn. 33). Angesichts dieser Umstände ist die Rückforderung der Dienstbezüge in Höhe des Bruttobetrages im Hinblick auf das Gebot ordnungsgemäßer Verwaltung der Haushaltsmittel vielmehr als notwendig anzusehen. Ein etwaiges Organisationsverschulden der Beklagten käme nur dann in Betracht, wenn sich herausstellt, dass das vorhandene System lückenhaft oder fehleranfällig ist. Daraus, dass es möglicherweise bessere Kontroll- und Überwachungssysteme gibt, folgt kein Organisationsverschulden der Beklagten. Es liegt im Organisationsermessen der Behörde, für welches Kontrollverfahren sie sich entscheidet (vgl. BVerwG, U.v. 16.07.2020 – 2 C 7/19 – juris Rn. 38). Anhaltspunkte dafür, dass die Verfahrensweise der Beklagten zu einer nicht tolerierbaren Fehlerquote führt, bestehen nicht. Es handelte sich um einen menschlichen Fehler bei der (Nicht-)Eingabe von Daten in das Personalwirtschaftssystem. Auch wenn der erste Eingabefehler, die Befristung bis 30.06.2022, über längere Zeit nicht bemerkt wurde, hat er sich dennoch bis zum 30.06.2022 nicht zum Nachteil des Klägers ausgewirkt, sondern erst mit der einmaligen Auszahlung der Dienstbezüge für den Monat Juli 2022. Anlasslose Stichprobenkontrollen sind der Beklagten, gerade im Bereich der Massenverwaltung, aufgrund des damit einhergehenden Verwaltungsaufwands nicht zuzumuten.
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Die Beklagte hat den wirtschaftlichen Interessen des Klägers im Rahmen der Billigkeitsentscheidung dadurch Rechnung getragen, dass sie ihm – wenn auch erst im Widerspruchsbescheid, weil der Kläger im Rahmen der Anhörung vor Erlass des Rückforderungsbescheids keine Angaben zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht hat – Ratenzahlung gewährte (vgl. BVerwG, U.v. 21.02.2019 – 2 C 24/17 – juris Rn. 21; VG München, U.v. 22.01.2020 – M 21a K 18.1668 – juris Rn. 28). Dass der Kläger durch die Rückzahlung in Raten zu monatlich je 500,00 Euro wirtschaftlich überfordert wäre, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Vielmehr stellte der Kläger in der mündlichen Verhandlung klar, er könne es sich finanziell leisten.
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Der Kläger vermag mit seinem Vorbringen, bis zur Auszahlung des Jahressteuerausgleichs zur Gewährung eines zinslosen Darlehens gegenüber seinem Dienstherrn gezwungen worden zu sein, nicht durchzudringen. Es ist dem Kläger zumutbar, die abgeführte Lohnsteuer, Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag erst über den Jahressteuerausgleich, mithin zu einem späteren Zeitpunkt als dem von der Beklagten geforderten Rückzahlungszeitpunkt, zurückzuerhalten. Die Tatsache, dass aufgrund des pflicht- und ordnungsgemäßen Verhaltens des Klägers gegebenenfalls ein anderer, einvernehmlicherer Lösungsweg in Betracht gekommen wäre – beispielsweise durch eine verlängerte Rückzahlungsfrist oder die Rückabwicklung der Steuern und Abgaben seitens der Beklagten gegenüber dem Finanzamt –, vermag die von der Beklagten getroffene Billigkeitsentscheidung nicht schon als ermessensfehlerhaft erscheinen zu lassen. Genau so wenig spielt es für die hiesige Entscheidung eine Rolle, dass der Kläger die Vorgehensweise der Beklagten subjektiv als ungerecht empfunden haben mag. Ein etwaig dem Kläger verbleibender steuerlicher Schaden bleibt einer späteren Änderung des Rückforderungsbescheids im Wege des Wiederaufgreifens des Verwaltungsverfahrens auf Antrag des Klägers gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG vorbehalten (vgl. BVerwG, U.v. 08.10.1998 – 2 C 21/97 – juris Rn. 24). Zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung war ein Absehen von der Bruttorückzahlungsverpflichtung nicht geboten, weil für die Beklagte nicht von vorneherein mangels künftigem steuerpflichtigem Einkommen des Klägers eine steuerliche Geltendmachung und ein damit einhergehender annähernder Ausgleich als aussichtlos erschien (vgl. Bodanowitz in Schnellenbach/Bodanowitz, Beamtenrecht in der Praxis, 10. Aufl. 2020, § 15 Rn. 66). Vielmehr stellte der Kläger in der E-Mail vom 30.06.2022 klar, dass er sich in einem kommunalen Wahlbeamtenverhältnis befindet, woraus die Beklagte schließen durfte, dass ihm aus diesem auch Dienstbezüge zufließen.
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Selbst, wenn man von einem überwiegenden Verschulden der Behörde ausgeht, musste die Beklagte nicht von der teilweisen Rückforderung absehen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit dem Inhalt, dass bei einem überwiegenden behördlichen Verschulden von der Rückforderung regelmäßig in der Größenordnung von 30% des überzahlten Betrags abzusehen ist, bezieht sich ausdrücklich auf Fälle der eingetretenen Entreicherung, in denen der Betroffene sich auf den Wegfall der Bereicherung nicht berufen kann. Ist nach der behördlichen Erkenntnislage zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung aufgrund des Vorbringens des Schuldners und nach Lage der Akten jedoch eine Entreicherung nicht festzustellen, erscheint es wegen des dann als noch vorhanden anzunehmenden Vermögensüberschusses nach Treu und Glauben weder geboten noch gerechtfertigt, die Rückforderung allein deshalb zu ermäßigen, weil sie (vorrangig) von der Behörde zu verantworten ist. Hält es die Behörde unter diesen Umständen gegenüber dem Bezügeempfänger für grundsätzlich zumutbar, den überzahlten Betrag in angemessenen Raten ungekürzt zurückzuzahlen, liegt darin keine fehlerhafte Ausübung des Billigkeitsermessens (vgl. OVG LSA, B.v. 06.10.2020 – 1 L 23/20 – juris Rn. 46 m.w.N.).
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4. Im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung besteht von den vom Kläger zurückzuzahlenden 6.434,54 Euro noch ein offener Restbetrag in Höhe von 738,11 Euro, da der Kläger mit Überweisung vom 19.07.2022 bereits den Nettobetrag in Höhe von 3.796,43 Euro und – wie dem Gericht in der mündlichen Verhandlung am 19.03.2024 bekannt wurde – mit Überweisung vom 28.12.2023 den durch den Jahressteuerausgleich 2022 zurückerhaltenen Betrag in Höhe von 1.900,00 Euro an die Beklagte zurückbezahlt hat. Durch die Zahlung vom 28.12.2023 trat keine (Teil-)Erledigung ein, weil für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheids vom 11.08.2022 und des Widerspruchsbescheids vom 14.11.2022 der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich ist. Darüber hinaus stellen die Bescheide den Rechtsgrund zum Behaltendürfen der Zahlung(en) dar. Ob es sich bei dem offenen Restbetrag von 738,11 Euro um den verbleibenden steuerlichen Schaden handelt und der Rückforderungsbescheid daher im Wege des Wiederaufgreifens des Verwaltungsverfahrens abgeändert werden muss, ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Aus welchem Grund die Beklagte auf die Überweisung des Klägers vom 28.12.2023 und seine daran anschließenden schriftlichen Anfragen nicht reagiert hat, konnte in der mündlichen Verhandlung mangels Erscheinen eines Vertreters der Beklagten nicht geklärt werden. Dies ist allerdings auch nicht entscheidungserheblich.
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Der Kläger trägt als unterlegener Beteiligter gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens. Für die Feststellung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren i.S.d. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO besteht kein Raum, da dem Kläger nach der gerichtlichen Kostengrundentscheidung kein Kostenerstattungsanspruch zusteht (vgl. Kunze in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, 68. Edition, Stand: 01.01.2024, § 162 Rn. 85a). Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergeht nach § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO. § 711 ZPO ist nicht entsprechend anzuwenden.