Titel:
Festsetzung einer Mindestfraktionsstärke
Normenketten:
BayGO Art. 30 Abs. 1 S. 1, Art. 45
GG Art. 3 Abs. 1
Leitsätze:
1. In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Gemeinderat im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie den Status einer Fraktion an eine Mindeststärke knüpfen kann, wobei bei der Regelung der Zweck einer Fraktion, die Vorklärung der Meinungsbildung innerhalb der Fraktion für die spätere Arbeit des Gemeinderates, in den Blick zu nehmen ist (vgl. VGH München BeckRS 2000, 21013). Mit Blick auf diesen Zweck gibt es keine automatisch zulässige absolute numerische Untergrenze. Es gibt ferner auch keine grundsätzlich zulässigen prozentualen Quoten für eine Mindestfraktionsstärke. (Rn. 58) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Einführung einer Mindestfraktionsstärke verfolgt einen legitimen Zweck, wenn der Fraktionsstatus nicht weiter von Veränderungen der Stärkeverhältnisse im Rat und dadurch notwendige neue Ausschussbesetzungen abhängen soll. (Rn. 65 – 66) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Mindestfraktionsstärke, Fraktion, Stadtratsfraktion, Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten, Stadtrat, Geschäftsordnung, Minderheitenschutz, Willkürverbot, Gleichbehandlung, freies Mandat
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 18.02.2025 – 4 CE 24.2075
Fundstellen:
KommJur 2025, 104
LSK 2024, 34875
BeckRS 2024, 34875
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen den am 21. November 2024 unter Tagesordnungspunkt 11 gefassten Beschluss des Stadtrates der Antragsgegnerin, mit dem in der Geschäftsordnung des Stadtrates eine Mindestfraktionsstärke geregelt wurde.
2
1. Die Antragstellerin ist die zuletzt aus drei Mitgliedern bestehende ...-Fraktion (oder Gruppe) im Stadtrat der Antragsgegnerin. In den Stadtrat der Antragsgegnerin ist weiter „Die Linke“ mit drei Vertretern eingezogen. Größere Gruppierungen sind die CSU mit derzeit 21 Vertretern, die SPD mit 18 Vertretern sowie die Grünen mit 14 Vertretern. Ferner hatten sich ursprünglich zwei Ausschussgemeinschaften, namentlich „Die Ausschussgemeinschaft“ mit sieben Mitgliedern und die „Bunte Ausschussgemeinschaft“ mit fünf Mitgliedern, aus kleineren Gruppierungen gebildet.
3
a) Mit Bezug auf Fraktionen enthielt die Geschäftsordnung des Stadtrats der Antragsgegnerin (GeschO) bei Antragstellung insbesondere folgende Regelung:
„§ 6 Fraktionen Zusammenschlüsse von Stadtratsmitgliedern besitzen Fraktionsstatus, wenn sie kraft ihrer Stärke mit mindestens einem Mitglied in einem Stadtratsausschuss vertreten sind. Die Bezeichnung der Fraktionen sowie deren Vorsitzende und ihre Stellvertretungen werden in öffentlicher Sitzung mitgeteilt.“
4
Weiter enthält die Geschäftsordnung zwischen Fraktionen, Gruppen und Einzelstadtratsmitgliedern differenzierende Regelungen zur Redezeit im Rahmen der Haushaltsberatungen (§ 29 Abs. 5 Satz 2 GeschO), wobei Fraktionen eine Stunde, den weiteren Gruppen 30 Minuten und den Einzelstadtratsmitgliedern 15 Minuten zustehen. Nach § 29 Abs. 6 GeschO sind Fraktionen ferner dahingehend privilegiert, dass Fraktionserklärungen im Rahmen einer Rede im Abkehr zur Pflicht zum freien mündlichen Vortrag abgelesen werden dürfen. Und schließlich haben Fraktionen nach § 32 Abs. 2 GeschO ein Vorschlagsrecht für den Wahlausschuss bei Wahlen des Stadtrats.
5
Das weitere Ortsrecht enthält insbesondere in der Satzung über die Entschädigung der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder (EStR-ES) vom 7. Dezember 2010 (Amtsblatt S. 387) die Grundlage für die Bezuschussung der ehrenamtlichen Stadträte. Nach § 1 Abs. 4 EStR-ES und § 2 Abs. 1 Satz 3 EStR-ES werden die in der Satzung aufgeführten Beträge der Entschädigung bzw. Ersatzleistungen bei Änderungen des Entgelts für die Entgeltgruppe 13/Stufe 4 des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst (TVöD-VKA) automatisch angepasst.
6
Aktuell sind folgende Beträge maßgebend:
- Vorsitzende der Stadtratsfraktionen: 4.869 EUR (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 EStR-ES)
- deren Stellvertreter: 3.670 EUR (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 EStR-ES)
- die übrigen ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder: 2.475 EUR (§ 1 Abs. 2 Nr. 3 EStR-ES)
- Verdienstausfallentschädigung: 32,87 EUR / Stunde
- Nachteilsentschädigung: 20,52 EUR / Stunde
7
Ferner dürfen Fraktionen nach § 4 Abs. 1 der Satzung über die Bürgermedaille der Stadt ... Vorschläge für die Verleihung der Bürgermedaille einreichen.
8
Die Antragstellerin erhielt als Fraktion einen monatlichen Finanzzuschuss in Höhe von 5.869,00 EUR von der Antragsgegnerin.
9
b) Am Anfang der Wahlperiode kam es zwischen den Parteien zu verschiedenen Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit der Besetzung der Ausschüsse und Kommissionen des Stadtrates (vgl. VG Ansbach, B.v. 5.6.2020 – AN 4 E 20.973; BayVGH, B.v. 7.8.2020 - 4 CE 20.1442; VG Ansbach, B.v. 25.9.2020 – AN 4 E 20.1670; BayVGH, B.v. 26.10.2020 - 4 CE 20.2238 sowie VG Ansbach, G.v. 29.3. 2021 – AN 4 K 20.974). Hintergrund war die Rechtsfrage der Repräsentation von Ausschussgemeinschaften in den Ausschüssen, wenn diese dadurch eine direkt durch Wahl legitimierte politische Gruppierung verdrängen.
10
Nach Austritt des vierten gewählten Vertreters der ... aus der Gruppierung der Antragstellerin (Schreiben des Stadtrates … an den Oberbürgermeister vom 21. September 2024) wurde im Stadtrat der Antragsgegnerin die Besetzung der Ausschüsse in der laufenden Wahlperiode erneut thematisiert. Dies geschah vor dem Hintergrund der mit dem Austritt verbundenen Änderung der Stärkeverhältnisse im Stadtrat der Antragsgegnerin, die aufgrund Art. 33 Abs. 3 Satz 1 GO auch in den Ausschüssen auszugleichen war. Die Antragsgegnerin war der Auffassung, dass der Antragstellerin auf Basis der Berechnungsmethode nach d’Hondt kein Sitz mehr in den großen Ausschüssen zustehe. Das von der Antragstellerin angerufene Gericht verpflichtete die Antragsgegnerin, über die Neubesetzung der Ausschüsse einstweilig unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden (VG Ansbach, B.v. 16.10.2024 – AN 4 E 24.2486). Die Umsetzung der gerichtlichen Entscheidung sollte im Anschluss in der Sitzung vom 23. Oktober 2024 stattfinden (dortiger TOP 6.1).
11
Im Vorfeld der Sitzung, mit Schreiben vom 22. Oktober 2024, teilte „Die Linke“ mit, sie werde, wie sie meint aus zwingend rechtlichen Erfordernissen, aus der bisherigen „Bunten Ausschussgemeinschaft“ ausscheiden und nach der Entscheidung des Stadtrates voraussichtlich selbst Fraktion sein. Der § 6 GeschO a.F. nehme einen funktionalen Zusammenhang zwischen Ausschussmitgliedschaft und Fraktionsstatus an. Dazu wurden der Name der Fraktion sowie der Vorsitzende und die Stellvertreter mitgeteilt.
12
Im Anschluss daran und noch vor der eigentlichen Stadtratssitzung beantragten die Fraktionen der CSU, der SPD und der Grünen in einem gemeinschaftlichen Dringlichkeitsantrag am 23. Oktober 2024 die Änderung von § 6 GeschO. Nach dem Antrag sollte die Mindestfraktionsstärke auf vier Stadtratsmitgliedern festgesetzt werden.
13
Im Rahmen der Stadtratssitzung vom 23. Oktober 2024 wurde mehrheitlich die Dringlichkeit dieses Änderungsantrags festgestellt und unter TOP 5.1 die Änderung von § 6 Satz 1 GeschO beschlossen.
14
Auf Antrag der mit der Antragstellerin personell übereinstimmenden ...-Gruppe stellte das erkennende Gericht mit Beschluss vom 4. November 2024 (Az.: AN 4 E 24.2660) im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig die Nichtigkeit des entsprechenden Stadtratsbeschlusses fest. Die Entscheidung des Gerichts basierte auf der fehlenden Beschlussfähigkeit des Stadtrates, der zu Unrecht einen Dringlichkeitsantrag angenommen hatte. Eine solche Dringlichkeit habe objektiv nicht vorgelegen.
15
2. Mit Schreiben vom 7. November 2024, durch den Zusteller der Antragsgegnerin zugestellt am 8. November 2024, wurde zu der Stadtratssitzung am 21. November 2024 geladen. In der Tagesordnung wurde unter TOP11 „Änderung des § 6 der Stadtratsgeschäftsordnung: Fraktionsstatus; hier: gemeinsamer Antrag der CSU-Stadtratsfraktion, SPD Stadtratsfraktion und der Stadtratsfraktion Bündnis 90/Die Grünen vom 23. Oktober 2024“ aufgeführt.
16
Mit Schreiben vom 18. November 2024 schlossen sich alle kleineren Gruppen des Stadtrats dem Änderungsantrag an. In ihm wurde weiter ausgeführt, dass die juristischen Auseinandersetzungen um die Fragen der Ausschussgrößen und -besetzungen bei Parteien und Wählergemeinschaften die Sorge habe wachsen lassen, dass die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Stadtrates als Kollegialorgan und seiner Ausschüsse nicht weiter im erforderlichen Umfang gewährleistet sei. Es gehe darum, dass der Fraktionsstatus nicht weiter von mehr oder weniger zufälligen Veränderungen der Stärkeverhältnisse im Rat und dadurch notwendige neue Ausschussbesetzungen abhängen solle. Von größerer Bedeutung erscheine noch die Funktion einer Fraktion, die eine Koordination, eine Bündelung der Meinungen und Interessen ihrer Mitglieder wahrnehme. Ab einer bestimmten Größe sei dies für den reibungslosen politischen Betrieb innerhalb des Stadtrats und seiner Ausschüsse unabdingbar und bedeute erhöhten Aufwand. Dies müsse beim Fraktionsbegriff im Vordergrund stehen. Denn eine solche Koordinierungsfunktion verliere mit abnehmender Größe des Zusammenschlusses zunehmend an Sinn. Eine solche Abstimmungsfunktion könne bei vier Stadtratsmitgliedern, auch unter Berücksichtigung des notwendigen Minderheitenschutzes, gerade noch angenommen werden.
17
In der Stadtratssitzung vom 21. November 2024 wurde unter Tagesordnungspunkt 11 sodann folgende Fassung des § 6 Satz 1 GeschO beschlossen:
Stadtratsmitglieder können sich zur Erreichung gemeinsamer Ziele zu Fraktionen zusammenschließen, wenn dieser Zusammenschluss mindestens vier Stadtratsmitglieder umfasst (…)“
18
3. Mit Schriftsatz vom 13. November 2024 beantragt die Antragstellerin Rechtsschutz im Wege der einstweiligen Anordnung und beantragt zuletzt mit Schreiben vom 25. November 2024:
Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Stadtrats der Antragsgegnerin zu Tagesordnungspunkt 11, Änderung des § 6 der Stadtratsgeschäftsordnung: Fraktionsstatus, vom 21. November 2024 nichtig ist.
Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache der Antragstellerin weiterhin den Fraktionsstatus im bisherigen Umfang zuzuerkennen.
19
Der anwaltliche Vertreter der Antragstellerin nimmt in einer Reihe von Schreiben Stellung und verweist auf die Vorgeschichte und wiederholt insbesondere den bereits in der Vergangenheit gemachten Vortrag, wonach die Mitglieder der Antragstellerin von den anderen Stadträten ausgeschlossen werden würden.
20
Entsprechend der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs finde die Befugnis eines Kommunalparlaments, sich selbst im Rahmen einer Geschäftsordnung zu organisieren, seine Grenze unter dem Aspekt des Willkürverbots dann, wenn sich die Regelung gegen eine bestimmte politische Gruppierung richte und das alleinige oder vorrangige Ziel verfolge, deren Tätigkeit zu beeinträchtigen oder sie als unerwünschte politische Kraft auszuschalten. Ob eine solche diskriminierende Gestaltung vorliege, beurteile sich nicht allein anhand der offiziellen Erklärungen jener Fraktionen und Wählergruppen, die sich mehrheitlich für die betreffenden Bestimmungen ausgesprochen haben. Von Bedeutung seien darüber hinaus die äußeren Umstände, die dem Erlass der Vorschriften zugrunde liegen, sowie die möglichen Sachgründe, die sich für das gewählte Regelungskonzept anführen ließen. Je stärker von einer bisher überwiegend akzeptierten Handhabung abgewichen werde und je gezielter die gewählte Verfahrensgestaltung auf einen bestimmten (Ausgrenzungs-) Effekt hin zugeschnitten erscheine, desto gewichtiger müssten die sachbezogenen Argumente sein, die das Vorgehen der Ratsmehrheit rechtfertigten (BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 4 CE 20.1442 – juris Rn. 23 m.w.N.). Der Missbrauch des Gestaltungsrechts liege hier auf der Hand. Es handele sich bereits um den dritten Versuch, aus dem Austritt des Stadtrats … aus der Fraktion der Antragstellerin politisches Kapital zu schlagen. Auch die übrigen Umstände ließen keinen anderen Schluss zu.
21
Es sei offensichtlich, dass die Antragsgegnerin nach den ergangenen Gerichtsentscheidungen zu Beginn der Wahlperiode keine rechtliche Möglichkeit gesehen habe, hieran etwas zu ändern. Erst mit Ausscheiden des vierten Fraktionsmitgliedes habe sich das geändert. In Eile und Hartnäckigkeit werde das Ziel einer rechtlichen Ausgrenzung der Antragstellerin verfolgt. Es bestehe grundsätzlich keine sachliche Notwendigkeit, ein Jahr vor Ende der aktuellen Wahlperiode die Geschäftsordnung mit der Folge des Verlusts des Fraktionsstatus für die Antragstellerin zu ändern. Die gegebene Begründung, wonach die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Stadtrates und seiner Ausschüsse nicht im erforderlichen Umfang gewährleistet sei, sei vorgeschoben und eine offensichtliche Scheinbegründung. Es sei nicht ersichtlich, welchen Einfluss die Entscheidung auf die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Stadtrates haben könne, und dies werde auch nicht erläutert. Soweit die Antragsgegnerin auf den Umstand verweise, dass auch die drei Stadträte der Partei „Die Linke“ nunmehr Fraktionsstatus erhalten würden, so sei dies aus Sicht der den Stadtrat dominierenden Parteien allenfalls ein Kollateralschaden. Der Fraktionsstatus störe die Arbeit des Stadtrates in keiner Weise.
22
Mit Schreiben vom 18. November 2024 hätten nun die übrigen Fraktionen im Stadtrat der Antragsgegnerin beantragt, die Größe der Ausschüsse und Kommissionen auf 16 Sitze festzulegen, abweichend davon im Rechnungsprüfungsausschuss auf sieben Sitze und im Jugendhilfeausschuss auf acht Sitze. Sollte es bei der alten Geschäftsordnung bleiben, würden nunmehr auch Gruppierungen mit lediglich zwei Mitgliedern den Fraktionsstatus erhalten. Der Antrag könne nicht wirklich ernst gemeint sein. Damit würde genau das Chaos produziert werden, das die Antragsgegnerin in diesem Verfahren als Anlass für die Mindestfraktionsstärke benenne. Die Antragstellerin sehe hierin einen Versuch der Irreführung des Gerichts, um den Eindruck der Ausgrenzung der Antragstellerin zu vermeiden.
23
Die Antragstellerin habe durch den beabsichtigten Regelungskomplex erhebliche finanzielle Nachteile: sie erhalte als Gruppe 1.201,00 EUR weniger Zuschuss, der Fraktionsvorsitzende erhalte als Stadtratsmitglied 2.394,00 EUR weniger Entschädigung, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende erhalte als Stadtratsmitglied 1.195,00 EUR weniger Entschädigung. Die Antragsgegnerin erwähne in ihrem Vortrag weiter nicht, dass dem Fraktionsvorsitzenden pauschal, also ohne konkrete Nachweise, eine Verdienstausfallentschädigung für 105 Stunden im Monat ausgezahlt werde. Dabei handele es sich um 3.451,35 EUR. Damit habe die Antragstellerin durch den Verlust des Fraktionsstatus einen finanziellen Nachteil in Höhe von insgesamt monatlich 8.241,35 EUR. In der Vergangenheit habe insbesondere die Möglichkeit bestanden, dass die selbständig beruflich tätigen Fraktionsvorsitzenden der Antragstellerin sich in zeitlich größerem Umfang für die politische Arbeit der Fraktion einbringen konnten.
24
Der Gleichbehandlungsgrundsatz fordere zwingend eine Bezuschussung der Stadtratsfraktion entsprechend ihrer Kopfzahl und damit entsprechend des Wahlergebnisses. Dieser werde durch die Antragsgegnerin insbesondere mit Bezug auf die SPD-Fraktion nicht ernst genommen. Bis 2020 sei die Bezuschussung entsprechend der Kopfzahl der Fraktionsmitglieder gehandhabt worden. Die SPD habe in der Wahl 2020 nur noch 18 statt wie bisher 32 Stadtratssitze errungen, erhalte dennoch monatlich 19.848,00 EUR und damit 14,84% mehr als die CSU, obwohl diese über 20% mehr Sitze errungen habe.
25
In der Sitzung vom 21. November 2024 sei das Verhalten aller Stadträte von einer offen zur Schau getragenen Ausgrenzung und Diffamierung der Antragstellerin geprägt gewesen. So habe die Fraktionsvorsitzende der SPD, …, zu Beginn ihrer Haushaltsrede die „demokratischen Parteien“ begrüßt. Dieser Sprachgebrauch werde in Abgrenzung zur ... verwendet, die vermeintlich demokratiefeindlich sei. Über die Verfassungsfeindlichkeit einer Partei entscheide jedoch allein das Bundesverfassungsgericht nach Art. 21 GG. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, …, habe in seiner Haushaltsrede betont, dass mit der ...-Fraktion im Vorfeld der Sitzung selbstverständlich nicht gesprochen worden sei. Im Laufe der Rede des Fraktionsvorsitzenden der Antragstellerin hätten mehrere Dutzend Stadträte den Sitzungssaal verlassen. Während der Rede sei es durch das Kommen und Gehen sowie durch deutlich hörbare Gespräche immer wieder zu Störungen gekommen. Der Fraktionschef der Linken habe in seiner Rede sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, als Antifaschist unmittelbar nach der ... sprechen zu müssen. Der Einzelstadtrat … habe unter anderem die Worte „Keinen Fußbreit den Faschisten“ und „Nazi-Abschaum muss bekämpft werden“ geäußert, was nach Sachlage auf die Antragstellerin bezogen gewesen sei.
26
Der Stadtrat … (Grüne) habe während der neunstündigen Sitzung ein T-Shirt mit der Aufschrift: „Mehr Liebe – weniger ...“ getragen. Weiter habe der Fraktionsvorsitzende der Linken der Presse gegenüber zugegeben, dass die ... Anlass für die streitgegenständige Änderung der Geschäftsordnung sei.
27
All diese Verhaltensweisen habe der sitzungsleitende Oberbürgermeister der Antragsgegnerin toleriert. Soweit die Antragsgegnerin in diesem Zusammenhang vortrage, der Oberbürgermeister der Antragsgegnerin habe das T-Shirt nicht bemerkt, und die anwesenden Stadträte der Antragstellerin hätten auch nicht darauf hingewiesen, sei zu sagen, die Sitzung habe gut neun Stunden gedauert und der Aufdruck auf dem T-Shirt des Stadtrates … nehme nahezu die gesamte Fläche seines Rückens ein. Es sei völlig ausgeschlossen, dass irgendjemand im Raum den provokanten Aufdruck nicht bemerkt haben könnte.
28
In der Gesamtschau ergebe sich die Missbrauchsabsicht auf Antragsgegnerseite schon allein daraus, dass sie seit Beginn der laufenden Stadtratsperiode versucht habe, die Rechte der Antragstellerin rechtswidrig zu beschneiden. Das habe schon mit dem Versuch der Mehrheit ihres Stadtrates angefangen, den Mitgliedern der ...-Fraktion den Zugang in die Ausschüsse des Stadtrates zu verwehren. Auch der erneute Versuch, nach Austritt des Stadtrates …, sei gescheitert. Nunmehr sei die Antragsgegnerin auf die Idee gekommen, die Geschäftsordnung zu ändern. Der Beschluss des Stadtrates der Antragsgegnerin vom 21. November 2024 sei der dritte Anlauf zur Änderung der Geschäftsordnung mit dem Ziel, der Antragstellerin den Fraktionsstatus zu nehmen und sie wegen der finanziellen Auswirkungen, aber auch der Reduzierung der Redezeit ihres Vorsitzenden, in ihrer politischen Arbeit zu behindern.
29
Hieraus ergebe sich das Bild einer Gesamtstrategie, die darauf hinauslaufe, die Antragstellerin mit juristischen Mitteln zu bekämpfen, statt dem Wählerwillen folgend, die politische Auseinandersetzung in der Sache zu führen, und die dabei vorgetragenen Argumente der beteiligten Fraktionen in öffentlicher Sitzung und damit vor den Augen und Ohren der Wähler deren Urteil zu überlassen. Die Behauptung, die Änderung der Geschäftsordnung sei notwendig geworden, um die Arbeitsfähigkeit des Stadtrates sicherzustellen, sei weder glaubhaft noch schlüssig. Zum einen sei nicht erkennbar, welchen Unterschied es mache, ob eine Fraktion drei oder vier Mitglieder habe. In beiden Fällen bündele und koordiniere sie die Arbeit ihrer Mitglieder. In beiden Fällen sei sie jeweils Ansprechpartner für das Bürgermeisteramt und für die übrigen Fraktionen. Es fehle an einer nachvollziehbaren Darlegung, woraus sich der angeblich erhöhte Aufwand ergeben solle.
30
Nichts anderes ergebe sich aus dem Vortrag der Antragsgegnerin, wonach „Die Linke“ ebenfalls von der Neuregelung betroffen sei. Es liege auf der Hand, dass der nun plötzlich, gewissermaßen als Reflex eingetretene, Fraktionsstatus der Linken eine Art Kollateralschaden sei und eine gezielte Handhabung rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorliege.
31
4. Mit Schreiben vom 14. November 2024 erwidert die Antragsgegnerin und beantragt:
Der Antrag wird abgelehnt.
32
Die Antragsgegnerin tritt in verschiedenen Schriftsätzen den Ausführungen der Antragstellerin, insbesondere zu den erhobenen Vorwürfen über ausgrenzendes Verhalten, entgegen.
33
Der Stadtrat der Antragsgegnerin könne auch während der laufenden Wahlzeit im Rahmen seines Organisationsermessens in der Geschäftsordnung eine Regelung zur notwendigen Fraktionsgröße erlassen. Der Stadtrat habe dabei in den Blick zu nehmen, dass Fraktionen eine Vorklärung des Meinungs- und Entscheidungsprozesses fördern würden und durch diesen Bündelungseffekt die Arbeit des Gemeinderats gestrafft werde (Hölzl/Hien, BayGO, Art. 33 Anm. 8; Böhle/Bauer/Masson/Samper, Bayerische Kommunalgesetze, Art. 29 GO Rn. 6). Bei der Festlegung der Mindeststärkeregelung dürfe allerdings nicht gegen Gesetze, insbesondere die elementaren Rechte der Gemeinderatsmitglieder, die diesen auf Grund ihres freien Mandats (Art. 30 Abs. 1 Satz 1 GO und Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG) zustehen, den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das darin verbürgte Willkürverbot sowie das im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) enthaltene Übermaßverbot verstoßen werden; es müsse dabei auch der Minderheitenschutz beachtet werden (vgl. BayVerfGH, BayVBl 1976, S. 431 hinsichtlich der Parlamentsfraktion). Aus einer derartigen Regelung ergebe sich dann auch, dass in der betreffenden Gemeinde das Wort „Fraktion” für Zusammenschlüsse mit einer festgesetzten Mindeststärke reserviert sei, während sich kleinere Gruppierungen z.B. die Bezeichnung „Gruppe” gefallen lassen müssten (vgl. BayVGH, NVwZ-RR 2000, S. 811 – beck-online).
34
Eine Festlegung der Fraktionsgröße auf mindestens vier Stadtratsmitglieder sei rechtlich ohne Weiteres zulässig, da der Stadtrat der Antraggegnerin, gesetzlich festgelegt, siebzig Mitglieder umfasse. Ein Minderheitenschutz werde daher in hinreichender Weise gewährleistet und die Entscheidung sei auch nicht willkürlich und ohne sachlichen Grund erfolgt, zumal dies dann wieder dem faktischen Zustand bis zum 23. Oktober 2024 entspreche, der sich erst vorläufig durch die in dieser Sitzung gefasste Entscheidung über die Ausschussbesetzung und die dort eben mangels ordnungsgemäßer Ladung noch nicht wirksam beschlossene Änderung von § 6 Satz 1 GeschO überhaupt nur zwischenzeitlich geändert habe. Bei der Festlegung seiner Geschäftsordnung habe der Stadtrat Gestaltungsfreiheit und sei dabei auch nicht an die gesetzliche Wertung des Art. 33 Abs. 1 GO gebunden, der nach seinem Wortlaut und Zweck nur für die Ausschussbesetzung gelte (BayVGH, BayVBl 2000, S. 309). Es sei nicht Sache des Gerichts, zu prüfen, ob der Stadtrat die beste oder gerechteste Lösung des gestellten Problems gewählt habe (BayVGH, a.a.O.).
35
Für die aktuelle Beschlussfassung über die Änderung der Geschäftsordnung gebe es auch sachliche Gründe. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liege nicht vor. Die zurückliegenden und derzeitigen juristischen Auseinandersetzungen um die Fragen der Ausschussgrößen und -besetzungen hätten bei den drei Parteien CSU, SPD und den Grünen die Sorge wachsen lassen, dass die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Stadtrates als Kollegialorgan und seiner Ausschüsse nicht weiter im erforderlichen Umfang gewährleistet werden könne. Es gehe darum, dass der Fraktionsstatus nicht weiter von mehr oder weniger zufälligen Veränderungen der Stärkeverhältnisse im Rat und dadurch notwendige neue Ausschussbesetzungen abhängen solle. Auch nach der Regelung in § 6 Satz 1 GeschO a.F. wäre der Fraktionsstatus ursprünglich erst mit vier Sitzen begründet worden. Somit werde durch die Neuregelung in § 6 Satz 1 GeschO nur der Zustand hergestellt, der bis zur letzten Änderung der Ausschussbesetzungen sowieso schon bestanden habe.
36
Eine Fraktion nehme die Koordination, die Bündelung der Meinungen und Interessen ihrer Mitglieder wahr. Ab einer bestimmten Größe sei dies für den reibungslosen politischen Betrieb innerhalb des Stadtrats und seiner Ausschüsse unabdingbar und bedeute erhöhten Aufwand. Dies müsse beim Fraktionsbegriff im Vordergrund stehen. Denn eine solche Koordinierungsfunktion verliere mit abnehmender Größe des Zusammenschlusses zunehmend an Sinn. Eine solche Abstimmungsfunktion könne bei vier Stadtratsmitgliedern, auch unter Berücksichtigung des notwendigen Minderheitenschutzes, gerade noch angenommen werden.
37
Es handele sich klar ersichtlich nicht um eine die Antragstellerin bewusst benachteiligende Regelung. Die Stadtratsgruppe „Die Linke“ sei genauso davon betroffen, obwohl sie nach der alten Regelung in § 6 Satz 1 GeschO zwischenzeitlich auch Fraktion sei. Außerdem werde die Arbeit aller in den Ausschüssen vertretenen Gruppen bzw. Ausschussgemeinschaften auch weiter bezuschusst.
38
Es habe bereits in der laufenden Wahlperiode (mit dem in der letzten Sitzung des Stadtrates vom 23. Oktober 2024 gestellten und dann zunächst wieder zurückgezogenen Antrag der drei großen Fraktionen) Überlegungen gegeben, die Ausschüsse auf bis zu 16 Sitze zu erweitern. In der Folge hätte es dann, auf Basis der bisherigen Regelung in § 6 Satz 1 GeschO a.F. unter Anwendung des Berechnungsverfahrens nach Hare/Niemeyer, bis zu sieben Fraktionen mit teilweise nur zwei Mitgliedern gegeben. Auch unter Berücksichtigung dieser Eventualität sei die Änderung des § 6 Satz 1 GeschO sachlich gerechtfertigt und weiter notwendig. Derzeit liege ein neuer Antrag zur Besetzung der großen Ausschüsse mit 16 Mitgliedern vor, der von verschiedenen Fraktionen und Gruppen getragen werde.
39
Für die aktuelle Wahlzeit liege noch keine Beschlussfassung bezüglich der Zuschussregelung vor. Derzeit werde auf Grundlage eines Stadtratsbeschlusses vom 25. Juni 2014 mit folgenden Beträgen ausgezahlt:
- Die Linke: 5.869,00 EUR (anteilig ab 23.10.2024 als Fraktion)
- Die AG 2020-2026: 5.134,00 EUR
40
Durch die Änderung von § 6 Satz 1 GeschO ergebe sich der Bedarf einer ergänzenden Regelung auf Basis der geltenden Rahmenbedingungen (Kombination von Sockelbetrag und Kopfstärke) bis zum Ende der laufenden Amtsperiode des Stadtrates, da nunmehr Fraktionen, eine Ausschussgemeinschaft und (neu) zwei Gruppen in den Ausschüssen und Kommissionen vertreten seien.
41
Auf Vorschlag der Verwaltung sollten in der Sitzung vom 11. Dezember 2024 folgende Änderungen beschlossen werden:
- „Die Ausschussgemeinschaft 2020-2026“: 6.335,00EUR
- Stadtratsgruppe AfD: 4.668,00 EUR
- Stadtratsgruppe Die Linke: 4.668,00 EUR (zuvor habe die „Bunte AG“, die 4.668,00 EUR erhalten)
42
Die bestehende Überlassung von Infrastruktur (Räume, Büroausstattung) bleibe unberührt.
43
Die Neuregelung solle ab 1. Januar 2025 in Kraft treten. Bis dahin sollten die Zuschüsse wie bislang ausbezahlt werden.
44
Mit dem ergänzten Zuschussmodell erhielten die Gruppen pro Kopf einen deutlich höheren Zuschuss als die Fraktionen. Zudem bekämen die Gruppen mit jeweils drei Mitgliedern auch anteilig mehr als die Ausschussgemeinschaft mit sieben Stadtratsmitgliedern und höherem Koordinationsaufwand. Dieser Vorschlag eines neuen Modells orientiere sich an der bisherigen Grundausrichtung, nämlich eines Sockelbetrages von ca. 20% – weil Kosten unabhängig von der Fraktionsstärke bestünden – und im Übrigen an der Kopfzahl.
45
Mit Blick auf Abordnungen sei es derzeit weder seitens der Verwaltung beabsichtigt, noch liege ein entsprechender Antrag aus dem Stadtrat zur Änderung bestehender Abordnungen vor. Das betreffe insbesondere den Aufsichtsrat der Landesgartenschau 2030 und den Lenkungskreis Frankenstadion.
46
Ferner werde mitgeteilt, dass dem Oberbürgermeister das T-Shirt des Stadtratsmitglieds … mit dem entsprechenden Aufdruck nicht aufgefallen sei. In der Sitzung habe es auch keinen entsprechenden Hinweis gegeben, noch kam es deswegen erkennbar zu irgendwelchen Störungen im Sitzungsablauf. Der Oberbürgermeister kontrolliere nicht die Bekleidung der Sitzungsteilnehmer. Das Stadtratsmitglied habe in der letzten Reihe gesessen.
47
5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte verwiesen.
48
Der zulässige Antrag hat im Ergebnis keinen Erfolg. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
49
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen. Nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO sind dabei sowohl der Anordnungsanspruch, d.h. der materielle Anspruch, für den die Antragstellerin vorläufigen Rechtsschutz begehrt, als auch der Anordnungsgrund, der sich insbesondere aus der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Anordnung ergibt, nach § 920 Abs. 2 i.V.m. § 294 Abs. 1 ZPO glaubhaft zu machen.
50
1. Der Antrag ist zulässig.
51
Die Antragstellerin ist beteiligtenfähig. Eine Fraktion ist, unabhängig von der Frage einer möglichen Organ- oder Teilorganstellung, jedenfalls eine Vereinigung im Sinne von § 61 Nr. 2 VwGO. Solche sind beteiligtenfähig, soweit ihnen ein Recht zustehen kann. Solche Rechte ergeben sich vorliegend ohne Weiteres aus den Vorschriften des Ortsrechts. Die Beteiligtenfähigkeit besteht vorliegend auch unabhängig von der zwischenzeitlich eingetretenen Änderung des § 6 Satz 1 GeschO, wonach die Antragstellerin zum Entscheidungszeitpunkt die Voraussetzungen einer Fraktion nicht mehr erfüllen würde, im prozessual relevanten Sinne vor ihrer endgültigen Abwicklung fort (vgl. OVG RhPf, U.v. 1.10.2020 – 7 A 10158/20 – juris). Denn die Voraussetzungen über Bestand oder Nichtbestand dieser Vorschrift stehen gerade im Streit, weshalb es sich bei der Frage um den Fortbestand um eine doppelrelevante Tatsache handelt.
52
Dem streitgegenständlichen Antrag steht die Möglichkeit auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht entgegen. Bei der Geschäftsordnung des Stadtrats der Antragsgegnerin handelt es sich zwar um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, bei der grundsätzlich auch ein Normenkontrollantrag in Betracht käme (BayVGH, B.v. 17.9.2002 – 4 NE 02.1925 – juris Rn. 5). Zwischen dem Verfahren der Normenkontrolle und dem Individualrechtsschutzverfahren, hier nach § 123 VwGO, besteht indessen kein Konkurrenzverhältnis, das einen solchen Antrag ausschließen würde. Die Vorschriften stehen selbständig und gleichwertig nebeneinander (Happ in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung. 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 19).
53
2. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Der am 21. November 2024 unter Tagesordnungspunkt 11 gefasste Beschluss zur Festsetzung einer Mindestfraktionsstärke (§ 6 Satz 1 GeschO n.F.) ist nach Stand rechtmäßig, verstößt insbesondere weder gegen höherrangiges Recht noch liegt ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vor.
54
a) Das Gericht legt für seine Entscheidung Folgendes zugrunde:
55
(1) Der Begriff der Fraktion wird nach geltender Rechtslage weder in der Gemeindeordnung noch in den weiteren bayerischen Kommunalgesetzen (LKrO und BezO) genannt. In der bayerischen Kommunalrechtspraxis werden Ratsfraktionen in Anlehnung an das Parlamentsrecht gebildet, da die Rechtsstellung der Gemeinderäte teilweise dem freien Mandat eines Abgeordneten entspricht (BayVGH, U.v. 16.02.2000 – 4 N 98.1341 – juris Rn. 26 m.w.N.). Die durch den Gemeinderat im Rahmen seiner Organisationskompetenz erlassene Geschäftsordnung (Art. 45 GO) sowie das weitere Ortsrecht verfassen eine Fraktion erst. Unabhängig davon haben Fraktionen eigene Rechte nur insoweit, als sie den einzelnen Gemeinderatsmitgliedern eingeräumt sind (Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 34. EL Januar 2024, Art. 33 Rn. 6).
56
In Anlehnung an das Parlamentsrecht sind Fraktionen Zusammenschlüsse von Mitgliedern der Gemeindevertretung, die im Regelfall derselben Partei bzw. Wählergruppe angehören und die den gemeinsamen Willen haben, zur Vorbereitung, Verfolgung und Durchsetzung bestimmter kommunaler Anliegen zusammenzuarbeiten und auf diese Weise ihre Ziele im arbeitsteiligen Zusammenwirken schneller und effektiver erreichen zu können (Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 34. EL Januar 2024, Art. 33 Rn. 4). Umgekehrt zielt das einzelne Gemeinderatsmitglied durch Beitritt zu einer Fraktion darauf ab, das ihm erteilte öffentliche Mandat durch Abstimmung mit Gleichgesinnten möglichst effektiv durchzusetzen (Prandl/Zimmermann/Büchner/Prahlke, Kommunalrecht in Bayern, 10. Mai 2022, Art. 33 GO Anm. 3.2). In der Praxis ergeben sich aus der Natur der Sache aus dem Begriff der Fraktion weitere Aspekte, insbesondere aus der Öffentlichkeitsarbeit, dem protokollarischen Bereich und insgesamt der Außenwahrnehmung, denen aber kaum rechtliche Bedeutung zukommt (BayVGH, U.v. 16.02.2000 – 4 N 98.1341 – juris Rn. 27).
57
Enthält die Geschäftsordnung, bzw. das weitere hierauf bezogene Ortsrecht, Regelungen über Fraktionen, so ist eine Fraktion durch ihre Anknüpfung an die dem Parlamentsrecht entlehnte Begrifflichkeit einerseits sowie an das freie Mandat andererseits kein beliebiger Zusammenschluss von Ratsvertretern. Aufgabe der Fraktion ist die technische Erleichterung der Mehrheitsbildung im Gremium durch eine kollektive Abbildung des Willens ihrer Mitglieder. Sie erleichtern so den technischen Ablauf der Beschlussfassung in der Gemeindevertretung durch Bündelung der Vorarbeit in der politischen Gruppierung. Der darüber hinaus bestehende Zweck, das Bindeglied zu einer bestimmten Partei zu sein, ist politsoziologischer und nicht rechtlicher Natur (Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 34. EL Januar 2024, Art. 33 Rn. 6). Die Bezeichnung einer Gruppierung als Fraktion läuft umgekehrt dann ins Leere, wenn das Ortsrecht keine an Fraktionen anknüpfende Regelungen enthält.
58
(2) In der Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Gemeinderat im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie den Status einer Fraktion an eine Mindeststärke knüpfen kann, wobei bei der Regelung der Zweck einer Fraktion, die Vorklärung der Meinungsbildung innerhalb der Fraktion für die spätere Arbeit des Gemeinderates, in den Blick zu nehmen ist (BayVGH, U.v. 16.02.2000 – 4 N 98.1341 – juris Rn. 27; Prandl/Zimmermann/Büchner/Prahlke, Kommunalrecht in Bayern, 10. Mai 2022, Art. 33 GO Anm. 3.3 m.w.N.). Mit Blick auf diesen Zweck gibt es keine automatisch zulässige absolute numerische Untergrenze. Auch ein Zusammenschluss von zwei Gemeinderatsmitgliedern kann in einem kleinen Gemeinderatsplenum theoretisch sinnvoll sein (vgl. beispielsweise OVG RhPf, B.v. 2.12.1987 – 10 C 33/86 – juris). Es gibt ferner auch keine grundsätzlich zulässigen prozentualen Quoten für eine Mindestfraktionsstärke.
59
Inhaltlicher Maßstab und damit rechtliche Grenze für die Festlegung der Mindeststärke einer Fraktion ergeben sich aus den elementaren Rechten der Gemeinderatsmitglieder. Diese resultieren insbesondere aus ihrem freien Mandat (Art. 30 Abs. 1 Satz 1 GO), dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und dem darin verbürgten Willkürverbot sowie dem im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) enthaltenen Übermaßverbot. Dabei muss auch der Minderheitenschutz beachtet werden. Unterhalb der Mindestgrenze liegende Zusammenschlüsse müssen sich dementsprechend die Bezeichnung als „Gruppe“ gefallen lassen (BayVGH, U.v. 16.02.2000 – 4 N 98.1341 – juris Rn. 27).
60
Unter dem Aspekt des Willkürverbots ist die Festlegung einer Mindestfraktionsstärke insbesondere dann nicht möglich, wenn ein Fall des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorliegt. In der Geschäftsordnung getroffene Organisations- oder Verfahrensregelungen sind willkürlich und daher unzulässig, wenn sie sich gegen eine bestimmte politische Gruppierung richten und das alleinige oder vorrangige Ziel verfolgen, deren Tätigkeit zu beeinträchtigen oder sie als unerwünschte politische Kraft auszuschalten (BayVGH, U.v. 16.2.2000 – 4 N 98.1341 – juris Rn. 32 m.w.N.; B.v. 12.10.2010 – 4 ZB 10.1246 – juris Rn. 6). Für die Frage des Vorliegens einer diskriminierenden Ausgestaltung der Geschäftsordnung ist nicht allein auf die offiziellen Erklärungen jener Fraktionen und Wählergruppen, die sich mehrheitlich für die betreffenden Bestimmungen ausgesprochen haben, abzustellen. Bedeutung kommt ferner den äußeren Umständen hinzu, vor deren Hintergrund die zu beurteilenden Vorschriften ergangen sind, sowie die sachlichen Gründe für diese. Je stärker von einer bisher überwiegend akzeptierten Handhabung abgewichen wird und je gezielter die gewählte Verfahrensgestaltung auf einen bestimmten (Ausgrenzungs-)Effekt hin zugeschnitten erscheint, desto gewichtiger müssen die sachbezogenen Argumente sein, die das Vorgehen der Ratsmehrheit rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020, a.a.O., Rn. 23; B.v. 7.12.2020 – 4 CE 20.2032 – juris Rn. 28).
61
b) Auf Basis dessen hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht, dass die in § 6 Satz 1 GeschO festgesetzte Mindestfraktionsstärke auf vier Stadtratsmitglieder unzulässig ist. Insbesondere überwiegen nach Einschätzung des Gerichts die der Regelung zugrundeliegenden Sachgründe gegenüber den Hinweisen auf einen zielgerichteten Ausschluss der Antragstellerin.
62
(1) Die Unzulässigkeit der Neuregelung ergibt sich zunächst nicht aus der Änderung der Geschäftsordnung des Stadtrats in laufender Wahlperiode.
63
Der Stadtrat der Antragsgegnerin ist im Rahmen seiner Organisationskompetenz nicht an die Geschäftsordnung der vorhergehenden Wahlperiode gebunden und kann die Geschäftsordnung jederzeit, auch in der laufenden Wahlperiode, ändern (vgl. BayVGH, B.v. 10.12.2020 – 4 CE 20.2271 – juris Rn. 20; Prandl/Zimmermann/Büchner/Prahlke, Kommunalrecht in Bayern, 10. Mai 2022, Art. 33 GO Anm. 3.3; Gaß in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 34. EL Januar 2024, Art. 45 Rn. 7). Eine in laufender Wahlperiode geänderte Geschäftsordnung kann indessen ein Indiz für eine missbräuchliche Gestaltung sein, deren Voraussetzungen anhand des oben aufgezeigten Maßstabs zu beurteilen ist. Vorliegend erfolgte die Änderung des § 6 Satz 1 GeschO indessen vor dem Hintergrund eines konkreten Ereignisses.
64
Der äußere Anlass für die Änderung waren zuletzt aufgetretene Fragestellungen bei der Ausschussbesetzung, die vor dem Hintergrund des Austritts eines Stadtrates aus der Antragstellerin als Fraktion entstanden waren. Die alte Fassung von § 6 Satz 1 GeschO sah eine inhaltliche Verknüpfung zwischen der Repräsentation einer politischen Gruppierung in den Ausschüssen und dem Status als Fraktion vor. Dabei stand zunächst im Streit, ob durch den Austritt eines Stadtratsmitgliedes die politische Gruppierung der Antragstellerin noch einen Ausschusssitz erhält. Im Anschluss an die Entscheidung des erkennenden Gerichts (VG Ansbach, B.v. 16.10.2024 – AN 4 E 24.2486) stand weiter im Raum, ob die Gruppierung „Die Linke“ nach ihrem Austritt aus der Ausschussgemeinschaft nunmehr ebenfalls den Fraktionsstatus erhält (vgl. Schreiben der Gruppierung „Die Linke“ vom 22. Oktober 2024 an die Antragsgegnerin).
65
(2) Die Einführung einer Mindestfraktionsstärke verfolgt weiter einen legitimen Zweck.
66
Die den Antrag zur Änderung des § 6 Satz 1 GeschO unterstützenden Gruppierungen haben sich in ihrem Schreiben vom 18. November 2024 im Wesentlichen abstrakt auf den von der Rechtsprechung angeführten legitimen Zweck zur Einführung einer Mindestfraktionsstärke berufen und als Anlass der Neuregelung benannt, dass der Fraktionsstatus nicht weiter von Veränderungen der Stärkeverhältnisse im Rat und dadurch notwendige neue Ausschussbesetzungen abhängen soll.
67
Die so aufgezeigten Gründe sind ausreichend, um die Neuregelung zu begründen. Die Antragsgegnerin knüpft an den Fraktionsstatus insbesondere räumliche und finanzielle Ausstattung, was bei erneuten Veränderungen zu berücksichtigen wäre. Der mit der Ausstattung verbundene Planungsbedarf entspricht insbesondere dem Gedanken der Jährlichkeit des städtischen Haushalts. Im Übrigen ist es grundsätzlich nicht zwingend erforderlich, dass die Antragsgegnerin konkret den mit dem Zweck verfolgten Nutzen anhand von Beispielen benennt bzw. Probleme aufzeigt, die durch die Neuregelung nunmehr beseitigt werden.
68
(3) Vor dem Hintergrund einer mathematischen Betrachtung und insbesondere mit Blick auf Minderheitenschutz und das hierauf bezogene Übermaßverbot erscheint die Festlegung der Mindeststärke einer Fraktion auf vier Stadtratsmitglieder ebenfalls unbedenklich.
69
Wie oben ausgeführt, muss auch die Regelung einer Fraktionsmindeststärke den Zweck von Fraktionen, nämlich die Plenumsarbeit durch Vorarbeiten zu straffen, in den Blick nehmen. Aus dem Zweck der Entlastung der Plenumsarbeit ergibt sich zugleich, dass nicht jede politische Gruppierung mit Einzug in das Plenum automatisch einen Anspruch auf Fraktionsstatus besitzt (OVG RhPf, B.v. 2.12.1987 – 10 C 33/86 – juris). Auf der anderen Seite kann im Rahmen der Geschäftsordnung vor dem Hintergrund des Übermaßverbotes auch keine Regelung festgesetzt werden, die ansehnlich große Gruppierungen von der Fraktionsarbeit ausschließt (BayVGH, U.v. 16.2.2000 – 4 N 98.1341 – juris Rn. 33). Wann die Gruppierung eines Gemeinderates diese Schwelle erreicht ist, hängt dabei bereits sprachlich von der Größe des zu betrachtenden Gesamtplenums ab: je kleiner das Plenum ist, desto höher dürften prozentuale Grenzen zulässig sein. Die bayerische Rechtsprechung hat in der Vergangenheit hierzu entschieden, dass bei einem Plenum von 40 Sitzen eine Festlegung der Mindestfraktionsstärke auf 10% und damit auf vier Sitze nicht übermäßig ist (BayVGH a.a.O.). Diese 10% wurden durch das erkennende Gericht weiter auch für ein Plenum von 70 Sitzen, insoweit bei einer Mindeststärke von sieben Vertretern, angenommen (vgl. VG Ansbach, B.v. 25.1.2021 – AN 4 E 20.02811 – juris Rn. 38).
70
Vorliegend macht die vier Sitze-Mindeststärke knapp über 5% des Gesamtplenums aus, während drei Sitze noch unter dieser mathematischen Schwelle liegen. Die 5%-Grenze wird aber selbst für ein Plenum der Größe des Bundestages für zulässig erachtet (Schwarz in Epping/ Hillgruber, BeckOK Grundgesetz, 59. Ed. Stand: 15.9.2024, § 10 GOBT Rn. 12 m.w.N.), so dass unter dem Aspekt des Übermaßverbotes keine Bedenken an der Festlegung auf vier Sitze bestehen.
71
Mit Blick auf die mathematische Betrachtung ist ferner zu sehen, dass im konkreten Plenum ein deutlicher Abstand zwischen der Antragstellerin mit drei Mitgliedern und der nächstgrößeren Fraktion der Grünen mit 14 Mitgliedern besteht. Damit ergibt sich mit Blick auf die Binnendifferenzierung ebenfalls keine Auffälligkeit.
72
(4) Bedenken gegen die Festlegung der Mindeststärke von Fraktionen auf vier Sitze ergeben sich mit Blick auf die konkret im Raum stehenden Rechte für Fraktionen weiter auch nicht in Bezug auf das freie Mandat, der damit verbundenen Gleichbehandlungspflicht der gewählten Vertreter und den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
73
Soweit die Frage des Haltens von Reden im Rahmen von Haushaltsberatungen im Raum steht, wäre eine Gruppierung von drei Mitgliedern als Fraktion sogar übermäßig privilegiert. Das Bilden von Fraktionen soll die Arbeit im Plenum verschlanken. Während drei Einzelstadträte jeweils 15 Minuten reden dürften, würde ihnen als Fraktion eine volle Stunde zustehen. Nicht wesentlich in das Gewicht fallen dürften die Möglichkeit des Ablesens von Fraktionserklärungen, das Vorschlagsrecht für eine Bürgermedaille oder die Sitzposition innerhalb des Plenums. Vielmehr hat nach der oben genannten Regelung jeder der Einzelstadträte die Möglichkeit, zum Haushalt vorzutragen.
74
Und schließlich bestehen auch keine Bedenken hinsichtlich der Finanzierung von Fraktionen und Gruppen. Dabei ist zu betonen, dass die Bezuschussung durch die Antragsgegnerin grundsätzlich rein die Fraktionsarbeit, nicht jedoch die Parteiarbeit, zu betreffen hat (Hölzl/Hien, BayGO, Art. 33 Anm. 8). Die Antragstellerin hat nicht aufgezeigt, dass ihre Gruppierung mit nur drei Mitgliedern von der reinen Bündelungsfunktion der Fraktionsarbeit her einen solchen Aufwand erfordert, dass unter dem Aspekt der Gleichbehandlung eine Differenzierung zu den größeren Gruppierungen übermäßig erscheint. Auch erscheint dem Gericht nicht nachvollziehbar, dass eine aus drei Personen bestehende Gruppierung für einen Fraktionsvorsitzenden und seinen Stellvertreter extra alimentiert werden müsste, was bedeuten würde, dass zwei von drei Mitgliedern der Antragstellerin besondere Zuschüsse für ihre Fraktionsarbeit erhalten würden.
75
Was die Verdienstausfallentschädigung betrifft, so gewährt die EStR-ES diese auf Grundlage von Art. 20a Abs. 2 Nr. 2 GO. Sie knüpft an einen erlittenen Verdienstausfall an (Glaser in Widtmann/Grasser/Glaser, Bayerische Gemeindeordnung, 34. EL Januar 2024, Art. 20a Rn. 1). Soweit der anwaltliche Vertreter vorträgt, einem Fraktionsvorsitzenden stünden 105 Stunden Verdienstausfallentschädigung „ohne konkreten Nachweise“ zu, ist das in diesem Zusammenhang und v.a. angesichts der Mitgliederzahl der Antragstellerin nicht nachvollziehbar.
76
(5) Auch im Rahmen einer erneuten Gesamtschau ist nicht glaubhaft gemacht, dass ein Fall des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorliegt. Die der Änderung von § 6 Satz 1 GeschO zugrundeliegenden Sachgründe überwiegen im Ergebnis.
77
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Gruppierung der Antragstellerin wiederholt und im Kern der Sache unbestritten von einem grundlegend ablehnenden (Sozial-)Verhalten anderer Stadträte gegenüber ihrer politischen Gruppierung sowie Anfeindungen betroffen ist. Ferner ist zu konstatieren, dass mit der Festlegung auf mindestens vier Mitglieder zur Erreichung des Fraktionsstatus die Antragstellerin gerade so ausgeschlossen wurde. Und schließlich gab es bereits in der Vergangenheit eine Reihe von, insbesondere gerichtlich geführten, Auseinandersetzungen mit Bezug auf die Rechte der Antragstellerin, v.a. bezüglich ihrer Repräsentation in den Ausschüssen.
78
Mit Blick auf die Beispiele über das ablehnende Verhalten der anderen im Rat vertretenden Gruppierungen ist zunächst zu sagen, dass das harte Angehen des politischen Gegners, gerade in einem Plenum mit direkt gewählten Vertretern, zur Natur der demokratischen Auseinandersetzung gehört. Die von der Antragstellerin angeführten Äußerungen können dementsprechend allenfalls Indiz in Richtung einer missbräuchlichen Gestaltung sein.
79
Soweit die Antragstellerin davon berichtet, dass in der Vergangenheit nach Aussage eines Mitglieds der ÖDP eine zahlenmäßige Mindestfraktionsstärke nicht eingeführt werden sollte, misst das Gericht diesem Vorgang wenig Bedeutung zu. Wie aufgezeigt, kann die Geschäftsordnung jederzeit und auch in der laufenden Wahlperiode geändert werden. Dabei ist naturgemäß eine veränderte Sicht auf die Regelung erforderlich. Ähnlich wenig Bedeutung misst das Gericht dem vorgelegten Zeitungsbericht zu, wonach der Vorsitzende der Linken im Stadtrat der Antragsgegnerin davon berichte, „auf den Fluren des Rathauses höre er, die Regelung richte sich gegen die ...“. Ein Zugeständnis einer missbräuchlichen Gestaltung ergibt sich daraus jedenfalls nicht.
80
Bei den Streitigkeiten um die Repräsentation in den Ausschüssen ist aber ebenso zu sehen, dass weder das erkennende Gericht noch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof einen Fall missbräuchlicher Gestaltung angenommen hatte. Bei den Streitigkeiten standen komplexe rechtliche Fragen des Spiegelbildlichkeitsgebots im Raum. Obwohl die den Änderungsantrag im Schreiben vom 18. November 2024 stützenden Gruppierungen auf die vergangenen juristischen Auseinandersetzungen abstellen, geht es sachlich erkennbar um Stabilität der Verhältnisse im Stadtrat, was indessen auch die Änderung in der laufenden Wahlperiode als Sachgrund stützt.
81
Nach Vortrag war erklärter und unmittelbarer Anlass zur Änderung von § 6 Satz 1 GeschO der Umstand, dass nunmehr auch der Gruppierung „Die Linke“ aus eigener Kraft ein Ausschusssitz und damit ein Fraktionsstatus zukommen sollte. Die Antragsgegnerin hatte in diesem Zusammenhang aufgezeigt, dass es bei den politischen Gruppierungen Überlegungen gibt, die Größe der größeren Ausschüsse auf 16 anzuheben, was ggf. auch den Fraktionsstatus weiterer Gruppierungen zur Folge hätte. Die Begrenzung der Anzahl fraktionsfähiger Gruppen entspricht dabei dem mit der Festlegung einer Mindestfraktionsstärke verfolgten Zweck, die Arbeit im Plenum effektiver auszugestalten und zwar unabhängig davon, ob die großen Ausschüsse des Stadtrats der Antragsgegnerin tatsächlich auf 16 Sitze vergrößert werden oder nicht.
82
Als Sachgründe können weiter die bereits oben aufgezeigten Umstände angeführt werden. Dazu gehört namentlich, dass die Gruppierung der Antragstellerin nunmehr weniger als die sogar im Bundestag als Schwelle geregelten 5% ausmacht und dass mit weiteren Fraktionen weitere Ansprüche an den Haushalt verknüpft sind.
83
Gegen die Annahme eines Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten spricht schließlich auch die Festlegung auf mindestens vier Mitglieder. Die zuletzt aufgetretenen Unsicherheiten bei der Besetzung der Ausschüsse sind mit dem Austritt eines Stadtratsmitglieds aus der Fraktion der Antragstellerin entstanden. Mit der Mindeststärkefestsetzung auf vier Mitglieder wird auf der einen Seite zwar die Gruppierung der Antragstellerin „gerade so“ aus dem Fraktionsstatus ausgeschlossen. Auf der anderen Seite zeigt der Stadtrat gleichzeitig auf, dass die bisherige Mindeststärke noch für akzeptabel gehalten wurde. Das heißt im Umkehrschluss ferner, dass die Antragstellerin mit Neueintritt des Stadtrats wieder Fraktionsstatus erhalten könnte.
84
3. Die Antragstellerin trägt als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens (§ 154 Abs. 1 VwGO).
85
4. Der Streitwert ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 und Nr. 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand 2013).