Titel:
Ablehnung des Antrags eines Sicherungsverwahrten auf Verlängerung eines begleiteten Ausgangs
Normenkette:
BaySvVollzG Art. 55
Leitsatz:
Der Antrag auf Verlängerung der Zeit für den Begleitausgang (hier: beantragt für die Zeit von 7 Uhr bis 19:30 Uhr, genehmigt für die Zeit von 7 Uhr bis 17 Uhr) kann grundsätzlich auch dann abgelehnt werden, wenn dem Sicherungsverwahrten dadurch die Teilnahme am Ehrengottesdienst aus Anlass des 100. Geburtstags seiner Mutter nicht möglich ist (bestätigt durch BayObLG BeckRS 2024, 33569). (Rn. 13 – 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sicherungsverwahrung, Ausgang, Verlängerung, Geburtstag, Gottesdienst
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 18.11.2024 – 203 StObWs 550/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 33570
Tenor
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 18.09.2024 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beiordnung des … mit Verfügung vom 25.09.2024 sowohl für das Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz, als auch für das Verfahren der Hauptsache erfolgt ist.
3. Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 300 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller befindet sich in der Justizvollzugsanstalt S. – Einrichtung für Sicherungsverwahrung.
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Mit Schreiben vom 18.09.2024, hier eingegangen am 20.09.2024, hat der Antragsteller eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 114, 109 ff. StVollzG beantragt. Konkret beantragte er, ihm die schriftlichen Ablehnungsgründe vorzulegen, die Beiordnung eines Rechtsanwalts und die Zeit für seine Ausführung am 23.10.2024 auf 20.00 Uhr zu verlängern.
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Zur Begründung führte er aus, dass seine Mutter am ...2024 ihren 100. Geburtstag feiere. Bei dieser Feier seinen zunächst ein gemeinsames Mittagessen, ein Ehrengottesdienst von 15.00 Uhr – 16:00 Uhr und anschließend ein Kaffee und Kuchen mit den Ehrengästen aus der Gemeinde, dem Kreistag und der bayerischen Staatsregierung geplant. Er könne daher frühstens um 18:00 Uhr die Rückfahrt antreten und demnach erst um 20:00 Uhr wieder in der JVA S. sein. Eine Verlängerung der Ausführungsdauer sei mehrfach beantragt und abgelehnt worden. AI spätester Rückkehrzeitpunkt sei ihm 17:00 Uhr genannt worden. Aufgrund des Gesundheitszustandes seiner Mutter dürfe nicht davon ausgegangen werden, dass er noch mehrere Geburtstage mit ihr feiern könne. Zudem ist der 100. Geburtstag sozial anerkannt und ein besonders geehrter Geburtstag. Da er zudem der Bevollmächtigte seiner Mutter sei, sei seine Teilnahme notwendig.
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Die Vollzugsbehörde hat zu dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Schreiben vom 23.09.2024 Stellung genommen. Mit Antragsschein vom 05.09.2024 habe der Antragssteller eine Bewilligung einer Ausführung von 7:00 Uhr bis 19:30 Uhr beantragt. Am 11.09.2024 sei ihm eröffnet worden, dass eine Ausführung aus wichtigem Anlass in der Zeit von 7:00 Uhr – 17:00 Uhr genehmigt werde. Mit Antrag vom 15.09.2024 habe der Antragssteller eine längere Ausführungsdauer beantragt, welche am 17.09.2024 abgelehnt worden sei. Unzumutbare Nachteile seien vom Antragssteller weder vorgetragen, noch ersichtlich. Um ihm eine Teilnahme an diesem besonderen Geburtstag zu ermöglichen, seien die sonst üblichen Ausführungszeiten von 8:00 Uhr bis 15:30 Uhr bereits größtmöglich erweitert worden, um den Antragssteller mehr Zeit mit seiner Mutter zu ermöglichen. Dabei seien unter anderem die Regelung des § 8 Abs. 1 S. 3 BayAzV sowie die Zeiten der Besetzung der Dienstposten in der Einrichtung für Sicherungsverwahrung zu beachten gewesen. Eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz würde die Hauptsache vorwegnehmen. Dass eine Teilnahme erforderlich sei, da er der Bevollmächtigte der Mutter sei, werde bestritten. Aufgrund der Sicherheit und Ordnung sei es erforderlich, dass bei der Rückkehr des Antragssteller genügend Personal im Dienst sei, um die der Lockerungsmaßnahme zeitlich nachgelagerten Aufgaben durchführen zu können.
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Der Antragssteller nahm hierzu mit Schreiben vom 23.09.2024 Stellung und fügte die Einladung bei. Er wolle nochmals betonen, dass es sich bei dem 100. Geburtstags um einen sozial anerkannten Ehrentag handele. Es sei auch nicht seine Stiefmutter, sondern seine Adoptivmutter. Es sei überdies aus den Akten zu entnehmen, dass er der Bevollmächtigte seiner Mutter sei. Eine Abweichung der Gebräuche der Sicherungsverwahrung sei möglich. Seine Anwesenheit werde erwartet. Darüber hinaus habe der Gottesdienst und die anschließende Ehrentafel in Bayern einen besonders hohen Stellenwert Bei einem Überschreiten der Zeitgrenzen sei es üblich, dass die Kammer die Ausführungskleidung am Tag zuvor in einem dafür speziellen Raum unterbringe, sodass eine Umkleidung durch die Begleitbeamten erfolgen könne. Das Umkleiden bei der Rückkehr erfolge in Anwesenheit derselben Beamten; die Kleidung werde am nächsten Tag von der Kammer verräumt. Die Antragsgegnerin müsse nachweisen, dass bei einer Rückkehr um 18:30 Uhr nicht ausreichend Beamte in der Einrichtung seien, da es ausreichend sei, dass ein Beamter ihn durch die Pforte schleuse.
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Mit Verfügung vom 25.09.2024 wurde dem Antragssteller der Rechtsanwalt … beigeordnet.
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Mit Schreiben vom 24.09.2024 wies der Antragssteller darauf hin, dass sich die Eilbedürftigkeit seines Antrags aus dem zeitnahen Datum der Feier ergebe.
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Der anwaltliche Vertreter des Antragsstellers erhielt Gelegenheit, sich zu äußern.
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Er hat dies mit Schreiben vom 02.10.2024 getan. Er stellte klar, dass der Antragssteller einen Antrag in der Hauptsache, als auch einen Antrag im einstweiligen Rechtsschutz gestellt habe. Er beantrage daher, klarstellen festzustellen, dass sich die Beiordnung auf den Antrag im einstweiligen Rechtsschutz, als auch auf die Entscheidung in der Hauptsache beziehe. Da die Ausführung am 23.10.2024 stattfinde, sei eine Entscheidung in der Hauptsache erwartbar. Wesentliche Gründe für eine Ablehnung seien nicht gegeben. Da bereits eine Entscheidung in der Hauptsache ergehen könne, seien die Einwände der Antragsgegnerin insoweit ohne Belang. Darüber hinaus seien jedoch unzumutbare Nachteile gegeben, welche eine Vorwegnahme der Hauptsache rechtfertigen würden. Bei dem bisher bewilligten Zeitrahmen sei eine Teilnahme am Ehrengottesdienst nicht möglich. Dies widerspreche dem Ziel der Sicherungsverwahrung nach Art. 2 Abs. 2 BaySvVollzG. Die Teilnahme am Gottesdienst diene dazu, in sozialer Verantwortung ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit ohne Straftaten zu führen. Wenn dem Antragssteller die Teilnahme nicht ermöglicht werde, könne er nicht an dieser besonderen Feierlichkeit teilnehmen. Es sei davon auszugehen, dass die Dienstposten, insbesondere die Torwache, dauerhaft besetzt seien. Ein konkreter Vortrag der Antragsgegnerin fehle. Eine Besetzung der Kammer bei Rückkehr des Antragsstellers sei nicht notwendig. Auch § 8 Abs. 1 S. 3 BayAzV stehe einer Rückkehr erst um 20:00 Uhr nicht entgegen, da kein Anhaltspunkt gegeben sei, dass kein Schichtdienst eingerichtet sei und daher ein Wechsel der Betreuung vor Ort möglich sei, um die Dienstzeiten nicht zu überschreiten. Aus den dargelegten Gründen bestehe auch ein Anspruch in der Hauptsache.
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Eine weitere Äußerung ist nicht eingegangen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die genannten Schreiben verwiesen und Bezug genommen.
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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist unbegründet und war deshalb zurückzuweisen.
12
Der Antragssteller hat sowohl einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, als auch bereits einen Antrag im Hauptsacheverfahren gestellt. Da die Hauptsache vorliegend entscheidungsreif ist, war eine Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutz nicht mehr erforderlich. Auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Antrags nach § 114 StVollzG kam es daher nicht mehr an.
13
Die Ablehnung der Verlängerung der Zeit für den Ausgang nach Art. 55 Abs. 1 BaySvVollzG erweist sich als rechtmäßig.
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Der Anspruch auf einen Begleitausgang ergibt sich vorliegend aus Art. 55 Abs. 1 BaySvVollzG, wobei nach Art. 55 Abs. 2 BaySvVollzG die Regelung des Art. 54 Abs. 2 und 3 BaySvVollzG entsprechend anzuwenden sind. Die Bestimmung gewährt dem Sicherungsverwahrten einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (vgl. BeckOK, Arloth, Art. 55 Rn. 3). Das von der Vollzugsbehörde ausgeübte und auszuübende Ermessen hat das Gericht nur dahin zu überprüfen, ob die Entscheidung der Behörde rechtswidrig ist, weil sie die gesetzlichen Grenzen des zustehenden Ermessensspielraums überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (§ 115 Abs. 5 StVollzG). Das Gericht darf dabei sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Vollzugsbehörde setzen.
15
Die Antragsgegnerin hat im vorliegenden Fall zutreffend berücksichtigt, dass der Antragsteller ein großes Interesse daran hat, den besonderen Geburtstag mit seiner Mutter zu verbringen und an der Feier teilzunehmen. Um diesem Interesse entgegenzukommen, wurde die übliche Ausführungszeit der Einrichtung für Sicherungsverwahrung (8:00 Uhr bis 15:30 Uhr) bereits erheblich erweitert. Den Antrag auf Verlängerung der Ausgangszeit hat die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Regelungen zu den Arbeitszeiten nach § 8 Abs. 1 S. 3 BayAzV und der Dienstabläufe der Einrichtung für Sicherungsverwahrung abgelehnt. Die Abwägung der JVA S. zwischen dem Interesse des Antragsstellers und den entgegenstehenden Gesichtspunkten war vorliegend sachgerecht.
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Zunächst musste die Antragsgegnerin nicht berücksichtigen, dass der Antragssteller der Bevollmächtigte seiner Mutter ist. Das Gericht hat den Einwand der Antragsgegnerin so verstanden, dass die Notwendigkeit aus dieser Tatsache heraus und nicht die Stellung als Bevollmächtigter an sich bestritten wird. Letztlich kann vorliegend dahinstehen, ob der Antragssteller der Bevollmächtigte seiner Mutter ist. Gründe, warum aus dieser Stellung heraus eine Teilnahme erforderlich sein sollte, wurden gerade nicht vorgetragen und sind für das Gericht auch nicht ersichtlich. Der Antragssteller hat als Sohn bereits ein berechtigtes Interesse daran, an der Feier teilzunehmen. Warum er als Bevollmächtigter darüber hinaus ein gesteigertes Interesse haben sollte, erschließt sich nicht.
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Auch der Einwand, dass ein Umkleiden auch bei Anwesenheit eines nur reduzierten Personals umsetzbar wäre, verfängt vorliegend nicht. Zum einen ist durch das vom Antragssteller vorgeschlagene Vorgehen nicht gesichert, dass auch die anderen Bereiche der Einrichtung für Sicherungsverwahrung ausreichend besetzt sind. Selbst wenn demnach ein Umkleiden möglich wäre, ist ein Ablauf der weiteren erforderlichen Maßnahmen und eine hinreichende Besetzung der Torwache nicht gesichert. Darüber hinaus spricht jedoch vor allem die Regelung des § 8 Abs. 1 S. 3 BayAzV gegen das vorgeschlagene Vorgehen, da die Arbeitszeit der begleitenden Beamten unzulässig verlängert werden müsste, um den Antragsteller wie beantragt auszuführen.
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Der Vorschlag des anwaltlichen Vertreters, dass ein Schichtwechsel stattfinden könnte, führt ebenfalls zu keinem anderen Ergebnis. Zum einen wäre ein Schichtwechsel der begleitenden Beamten mit einem erhöhten Sicherheitsrisiko verbunden, da die Beamten sich zunächst absprechen müssten, insbesondere hinsichtlich des bisherigen Verlaufs und ob es besondere Ereignisse gab, welche zu berücksichtigen sind. Darüber hinaus wäre jedoch vor allem der zeitliche und personelle Aufwand zu hoch. In diesem Fall wäre die doppelte Menge an Personal erforderlich, um den Ausgang durchzuführen und die Kräfte wären dazu zeitlich durch die An- und Abfahrt zum Ort der Feier erheblich eingebunden. Ein derartiger Schichtwechsel stellt daher keine geeignete Maßnahme dar, um die Arbeitszeit der Beamten zu verringern.
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Darüber hinaus hat der Antragsteller auch keine Gründe vorgetragen, warum eine Teilnahme am Gottesdienst und der anschließenden Ehrentafel für ihn von besonderer Bedeutung sind. Zum einen wurde nicht vorgetragen, dass der Antragssteller einer Konfession angehört und der Gottesdienst daher für ihn persönlich eine besondere Bedeutung hat. Der Vortrag, dass eine Teilnahme von ihm im katholisch geprägten Bayern gesellschaftlich erwartet wäre, ist nicht ausreichend, um die begründeten Einwände der Justizvollzugsanstalt zu entkräften.
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Vielmehr hält es das Gericht vorliegend für sachgerecht und verhältnismäßig, dass der Antragsteller die Möglichkeit hat, seiner Mutter einen Blumenstrauß zu kaufen und möglichst viel Zeit mit ihr allein zu verbringen, in welcher ein Gespräch und ein Austausch tatsächlich möglich ist. Der Möglichkeit, mit seiner Mutter Zeit verbringen zu können, ist nach Einschätzung des Gerichts wohl größere Bedeutung beizumessen, als den gesellschaftlichen Normen zu entsprechen.
21
Die Entscheidung der Antragsgegnerin erweist sich somit im Ergebnis als rechtmäßig, sodass eine Rechtsverletzung des Antragstellers nicht gegeben ist. Der Antrag war daher abzuweisen.
22
Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Absatz 1, Absatz 2 Satz 1 StVollzG.
23
Die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf den §§ 60, 52 Absatz 1 bis 3 GKG.