Inhalt

VG München, Urteil v. 16.04.2024 – M 16 K 21.3643
Titel:

Beitrag zum Zahnärztlichen Bezirksverband Oberbayern, Teilzeittätigkeit, Gleichheitsgrundsatz

Normenketten:
HKaG Art. 46
HKaG Art. 6
GG Art. 3 Abs. 1
Schlagworte:
Beitrag zum Zahnärztlichen Bezirksverband Oberbayern, Teilzeittätigkeit, Gleichheitsgrundsatz
Fundstelle:
BeckRS 2024, 32402

Tenor

I. Der Beitragsbescheid für das Beitragsjahr 2021 des Beklagten vom 22. Juni 2021 wird aufgehoben, soweit ein Beitrag von mehr als 225,-- Euro festgesetzt wurde.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

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Der Kläger ist Fachzahnarzt für Kieferorthopädie mit Wohnsitz im Landkreis … Er wendet sich gegen den Beitragsbescheid des beklagten Zahnärztlichen Bezirksverbands Oberbayern für das Beitragsjahr 2021, 4. Quartal, vom 22. Juni 2021.
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Vor Erlass des gegenständlichen Beitragsbescheids hatte der Kläger den Beklagten unter Vorlage von Lohnabrechnungen aus zahnärztlicher Tätigkeit zur Ermäßigung seines Beitrags aufgefordert. Hierzu wurde er vom Beklagten gebeten, für den fraglichen Zeitraum eine Einkommenssteuererklärung vorzulegen, was der Kläger mit der Begründung ablehnte, es gehe den Beklagten nichts an, was er mit seinem Gesparten gemacht habe und wieviel Steuern er für Gewinn von Aktien/Zinsen zahle. Mit Bescheid des Beklagten vom 21. Juni 2021 wurde der Antrag des Klägers auf Ermäßigung abgelehnt (Betreff: „Ablehnender Bescheid zum Antrag auf Beitragsermäßigung“ – im Folgenden: Ablehnungsbescheid). Der Begründung der Ablehnungsentscheidung zufolge müsse zum Nachweis der Bedürftigkeit ein Einkommenssteuerbescheid für den Zeitraum, für den die Ermäßigung beantragt werde, eingereicht werden. Ein Ermäßigungsantrag könne sich nur auf das letzte Jahr, für das ein Einkommenssteuerbescheid vorliege, erstrecken. Da sich der Kläger weigere, einen Einkommenssteuerbescheid vorzulegen, der die Bedürftigkeit untermauert, sei der Beklagte gezwungen, das klägerische Anliegen abzulehnen. Die übermittelten Lohnzettel seien nicht aussagekräftig.
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Am 22. Juni 2021 erließ der Beklagte den Beitragsbescheid für das Beitragsjahr 2021 und setzte den Jahresbeitrag des Klägers in der Beitragsgruppe 2a auf 300 Euro fest, der mit einem Viertel jeweils zum Ersten jedes Quartals fällig werde.
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Mit am 12. Juli 2021 eingegangener Klageschrift vom ... Juli 2021 erhob der Kläger Klage mit dem zuletzt gestellten Antrag, den Beitragsbescheid für das Beitragsjahr 2021 vom 22. Juni 2021 aufzuheben, soweit ein Beitrag von mehr als 225,00 EUR festgesetzt werde (letztes Quartal 2021).
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Zur Begründung seiner Klage führt der Kläger aus, im Jahr 2021 habe er als geringfügig Beschäftigter etwa ein Fünftel seines beruflichen Einkommens an Beiträgen zur Bayerischen Landesärztekammer und zum beklagten Zahnärztlichen Bezirksverband Oberbayern gezahlt. Er ist der Auffassung, die Gebührenordnung des Beklagten sei diskriminierend und nicht mehr zeitgemäß gegenüber allen Teilzeitarbeitenden. Auch könne es nicht sein, dass Einkünfte aus seiner nichtzahnärztlichen Tätigkeit, die mit dem Wirkungskreis der zahnärztlichen Berufsverbände nichts zu tun habe, in die Beitragsberechnung mit einbezogen würden. Deshalb habe der Einkommenssteuerbescheid den Beklagten – auch aus Datenschutzgründen – nicht zu interessieren.
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Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Aufgrund seiner Tätigkeit als Angestellter in einer kieferorthopädischen Praxis sei der Kläger in die Beitragsgruppe 2a der Beitragsordnung mit einem Jahresbeitrag von 300 Euro eingestuft worden. Der Antrag des Klägers auf Beitragsermäßigung mit E-Mail vom … November 2019 entspreche nicht dem Schriftformerfordernis. Gleichwohl habe sich der Vorstand des Beklagten mit dem Anliegen des Klägers befasst. Nachdem der Kläger keinen Einkommenssteuerbescheid zum Nachweis seiner Bedürftigkeit habe vorlegen wollen, sei dessen Antrag auf Beitragsermäßigung abgelehnt worden. Davon abgesehen sei der Kläger nicht bedürftig, weil er ein Bruttoeinkommen in Höhe von 1.000 Euro/Monat (Anm.: im Jahr 2020) sowie eine Teilrente bezogen habe. Auch ergebe sich die Bedürftigkeit nicht alleine aus dem Einkommen, das ein Mitglied als Zahnarzt beziehe, maßgeblich seien auch andere Einkünfte wie Ruhestandsbezüge oder Erträge aus Kapitalanlagen. Eine Differenzierung nach dem Einkommen nehme die Beitragsordnung des Beklagten nicht vor. Daher komme es auch nicht darauf an, ob ein Mitglied einer geringfügigen Beschäftigung (Minijob), einer Teilzeitbeschäftigung oder einer Vollzeitbeschäftigung nachgehe. Einstufungskriterium in die Beitragsgruppe 2a sei allein das Anstellungsverhältnis. Die vom Kläger genannten weiteren Beitragspflichten, die sich aus seiner Tätigkeit ergeben würden, wie die Beiträge zur Bayerischen Landeszahnärztekammer, seien nicht streitgegenständlich.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Beklagten sowie auf das Protokoll über die öffentliche Sitzung vom 16. April 2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet.
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Streitgegenstand der Klage ist nach Klarstellung durch den Kläger der Beitragsbescheid vom 21. Juni 2021 für das Beitragsjahr 2021 – aus Gründen der Kostenminderung – allerdings nur, soweit es um einen im 4. Quartal 2021 fällig werdenden Teilbetrag in Höhe von 75 Euro geht. Gegen eine auf einen bestimmten Teilbetrag einer Beitragsforderung beschränkte Anfechtungsklage ist aus Sicht des Gerichts nichts einzuwenden.
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Die Festsetzung des Beitrags im Beitragsbescheid vom 22. Juni 2021 für das Beitragsjahr 2021 ist in Höhe des angefochtenen Teilbeitrags von 75 Euro rechtswidrig und verletzt den Kläger in eigenen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Kläger war zwar unstreitig beitragspflichtig (nachfolgend Nr. 1), auch hatte er keinen Anspruch auf Beitragsermäßigung nach Buchst. B der maßgeblichen Beitragsordnung des Beklagten vom 12. Dezember 2019 (nachfolgend Nr. 2). Die Beitragsordnung des Beklagten war aber – bezogen auf den Klagegegenstand – im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitragsbescheids vom 22. Juni 2021 wegen Verletzung des Gleichheitssatzes unwirksam und konnte danach nicht Grundlage der Beitragserhebung in bestimmter Höhe für das Beitragsjahr 2021 gegenüber dem Kläger sein (nachfolgend Nr. 3).
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1. Der Kläger war im maßgeblichen Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitragsbescheids für das Beitragsjahr 2021 unstreitig beitragspflichtig.
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Nach Art. 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Satz 1 des Heilberufe-Kammergesetzes (HKaG) sind die zahnärztlichen Bezirksverbände berechtigt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben von allen Mitgliedern Beiträge zu erheben. Die Höhe der Beiträge wird in einer Beitragsordnung festgesetzt, die von den Mitgliedern bzw. Delegierten des zahnärztlichen Bezirksverbands zu beschließen ist und zu ihrer Wirksamkeit der Zustimmung der Bayerischen Landeszahnärztekammer und – in Bezug auf den Beklagten – der Genehmigung der Regierung von Oberbayern bedarf (Art. 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Satz 2, Art. 9 Satz 1 Halbs. 2 HKaG).
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1.1 Die Satzung des Beklagten in der Fassung vom 18. September 2013 (bekanntgemacht im Amtlichen Mitteilungsblatt „Der Bezirksverband“ Ausgabe Dezember 2013/Januar 2014, S. 33; im Folgenden: Hauptsatzung) wiederholt zur Mitgliedschaft den Wortlaut des Art. 43 Abs. 2 HKaG, wonach ordentliche Mitglieder des Zahnärztlichen Bezirksverbands Oberbayern alle zur Berufsausübung berechtigten Zahnärzte sind, die (a) in seinem Bereich zahnärztlich tätig sind, oder, (b) ohne zahnärztlich tätig zu sein, in seinem Bereich ihren Hauptwohnsitz im Sinne des Melderechts haben (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 1, § 1 Satz 2 der Hauptsatzung). Nach § 5 Abs. 2 der Hauptsatzung zahlen Mitglieder Beiträge nach den Bestimmungen der Beitragsordnung.
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1.2 Von Vorstehendem ausgehend war der Kläger im Beitragsjahr 2021 Mitglied des zahnärztlichen Bezirksverbands Oberbayern (ohne München Stadt und Land; s. Art. 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 HKaG, § 1 Satz 2 der Hauptsatzung). Dies ergibt sich unmittelbar aus Art. 43 Abs. 2 des HKaG, wonach Mitglieder der zahnärztlichen Bezirksverbände alle zur Berufsausübung berechtigten Zahnärzte sind, die (1.) in Bayern zahnärztlich tätig sind oder, (2.) ohne zahnärztlich tätig zu sein, in Bayern ihre Hauptwohnung haben (ebs. § 3 Abs. 1 Satz 1 der Hauptsatzung).
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Der Kläger war im maßgeblichen Beitragsjahr 2021 ein zur Berufsausübung berechtigter Zahnarzt, der in Bayern sowohl zahnärztlich tätig war als auch in Bayern seinen Wohnsitz hatte. Seine Zugehörigkeit zum Zahnärztlichen Bezirksverband Oberbayern folgt aus seinem Wohnsitz im Landkreis …, der zum Bereich des Zahnärztlichen Bezirksverbands Oberbayern gehört, und gleichermaßen aus seiner Tätigkeit als angestellter Zahnarzt in einer Praxis für Kieferorthopädie in T... (ebf. im Landkreis ...).
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2. Der Kläger war als „angestellter Zahnarzt außerhalb des öffentlichen Dienstes“ im Beitragsjahr 2021 nach Buchst. A Beitragsgruppe 2a Alt. 2 der Beitragsordnung des Beklagten in der Fassung vom 19. September 2019 (bekanntgemacht im Amtlichen Mitteilungsblatt „Der Bezirksverband“ Dezember 2019/Januar 2020, S. 36 f.) weder von der Beitragsleistung freigestellt, noch hatte er einen Anspruch auf Beitragsermäßigung nach Buchst. B der Beitragsordnung des Beklagten.
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2.1 Beitragsfrei sind nach Buchst. A Beitragsgruppe 4 nur Zahnärzte, die auf Zeit an der Berufsausübung gehindert oder vorübergehend ohne Beschäftigung sind, Zahnärzte, die auf Dauer ihren Beruf nicht ausüben sowie nach Buchst. A Beitragsgruppe 3b ggf. „nicht liquidationsberechtigte Hochschullehrer“. Zu beitragsfrei gestellten Personengruppen zählte der im Beitragsjahr 2021 als angestellter Zahnarzt berufstätige Kläger danach nicht.
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2.2 Der Kläger hatte auch keinen Anspruch auf Beitragsermäßigung nach Buchst. B der Beitragsordnung.
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2.2.1 Für beitragspflichtige Zahnärzte besteht der Beitragsordnung zufolge die Möglichkeit, bei Bedürftigkeit eine Ermäßigung der Beiträge zu beantragen. Insoweit kann dahinstehen, dass der Kläger keinen formgerechten Antrag unter Beifügung des Einkommenssteuerbescheids gestellt hatte. Denn der Kläger macht schon keine Bedürftigkeit i.S.d. Buchst. B der Beitragsordnung geltend, sondern beruft sich auf eine unverhältnismäßig hohe Beitragslast als Zahnarzt in Teilzeitarbeit im Verhältnis zu Zahnärzten mit eigener Praxis oder zu in Vollzeit tätigen angestellten Zahnärzten. Eine dahingehende Differenzierung der Beitragshöhe nach den aus zahnärztlicher Tätigkeit erzielten Einkünften bzw. Einnahmen sieht die Beitragsordnung des Beklagten nicht vor. Eine Ermäßigung des Beitrags kommt nach Buchst. B der Beitragsordnung nur „bei Bedürftigkeit“ in Betracht.
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2.2.2 Was unter dem Begriff der Bedürftigkeit im Sinn von Buchst. B der Beitragsordnung zu verstehen ist, ergibt sich bereits aus der allgemeinen Bedeutung des Worts. Bedürftig ist, wer an einem Mangel leidet, den er aus eigener Kraft nicht beheben kann. Es kommt daher auf die persönlichen (insb. wirtschaftlichen) Verhältnisse des Beitragspflichtigen an. In wirtschaftlicher Hinsicht ist bedürftig, wer außerstande ist, sich aus seinen Einkünften und seinem Vermögen selbst zu unterhalten (§ 1577 BGB, § 1602 BGB). Auch abgabenrechtlich liegt der Rechtsprechung zufolge Erlassbedürftigkeit dann vor, wenn die Steuererhebung die wirtschaftliche oder persönliche Existenz des Steuerpflichtigen vernichten oder ernstlich gefährden würde, weil ohne Billigkeitsmaßnahmen der notwendige Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestritten werden kann (ständige Rspr., vgl. z.B. BFH, U.v. 26.10.2011 – VII R 50/10 – juris Rn. 29 ff. m.w.N. zum Erlass nach § 227 der Abgabenordnung). Hiervon ausgehend ist auch das Verlangen des Beklagten nach Vorlage des Einkommenssteuerbescheids verständlich, weil dieser bei natürlichen Personen Auskunft gibt über deren gesamte Einkünfte. Daraus kann abgeleitet werden, ob der Beitragspflichtige ohne Beitragsermäßigung seinen notwendigen Lebensunterhalt vorübergehend oder dauernd nicht mehr bestreiten kann. Da die Höhe des Beitrags zum Beklagten anhand der beruflichen Stellung des Beitragspflichtigen gestaffelt ist, bedarf es zur Ermittlung der Beitragshöhe üblicherweise nicht der Vorlage des Einkommenssteuerbescheids.
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2.2.3 Eine Regelung zur Beitragsermäßigung bei sonstiger Unbilligkeit bzw. unbilliger Härte, die neben persönlichen auch sachliche Billigkeitsgründe umfassen würde, enthält die Beitragsordnung des Beklagten demgegenüber nicht (anders z.B. Abschnitt B Abs. 3 der Beitragsordnung des Zahnärztlichen Bezirksverbands Oberpfalz mit Stand v. 30.11.2022 unter Hinweis auf die Maßgeblichkeit des Jahreseinkommens aus zahnärztlicher Tätigkeit).
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3. Die Klage ist begründet, weil es der Beitragserhebung durch Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger an einer wirksamen Beitragsordnung fehlte, die ermächtigende Grundlage zur Festsetzung eines Beitrags durch den Beklagten in bestimmter Höhe ist. Nach Auffassung des Gerichts verletzt die Beitragsordnung des Beklagten im konkreten Fall den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG (ebs. Art. 118 Abs. 1 BV, Gleichbehandlungsgebot).
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3.1 Bei der richterlichen Kontrolle von (untergesetzlichen) Normen kommt es, soweit keine anderweitigen Rechtsvorschriften bestehen, auf das Ergebnis des Rechtssetzungsverfahrens, also auf die erlassene Vorschrift in ihrer regelnden Wirkung, nicht aber auf die die Rechtsnorm tragenden Motive dessen an, der an ihrem Erlass mitwirkt. Soweit der Normgeber zur Regelung einer Frage befugt ist, ist seine Entscheidungsfreiheit eine Ausprägung des auch mit Rechtssetzungsakten der Exekutive typischerweise verbundenen normativen Ermessens. Es wird erst dann rechtswidrig ausgeübt, wenn die getroffene Entscheidung in Anbetracht des Zweckes der Ermächtigung schlechterdings unvertretbar oder unverhältnismäßig ist. Demgemäß beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle darauf, ob diese äußersten rechtlichen Grenzen der Rechtssetzungsbefugnis überschritten sind (vgl. BVerwG, U.v. 26.04.2006 – 6 C 19.05 – juris Rn. 16 m.w.N.). Abwägungsdirektiven anhand derer der Abwägungsvorgang einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung unterzogen werden könnte, sind in Bezug auf den Erlass einer Beitragsordnung im Heilberufe-Kammergesetz nicht vorgegeben.
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3.1.1 Nach Art. 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Satz 2 HKaG ist die Höhe der Beiträge in einer (wirksamen) Beitragsordnung festzusetzen. Die zur Bemessung der Beitragshöhe im Einzelfall erforderliche Beitragsordnung des Beklagten ist nach Auffassung des Gerichts eine untergesetzliche Norm in der Rechtsform einer Satzung (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2006 – 6 C 19.05 – juris Rn. 15 ff. zu § 113 HwO; BVerfG, B.v. 12.7.2017 – 1 BvR 2222/12 u.a. – juris Rn. 118 ff. zur Beitragsordnung nach dem IHKG; BayVGH, U.v. 13.4.1989 – 21 B 87.03192 – juris Rn. 23 zur Beitragsordnung nach dem HKaG; Rieger in Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 3. Auflage 2022, § 13 Rn. 82 ff. [89], jeweils m.w.N.). Hierfür spricht neben der Satzungsautonomie der zahnärztlichen Bezirksverbände (auch in anderen Bereichen, vgl. Art. 5 Abs. 1 Satz 1 HKaG) und ihres (funktionalen) Selbstverwaltungsrechts auch die Befugnis, die Beitragsordnung nicht nur durch die Mitglieder, sondern auch durch Delegierte beschließen zu lassen (hier: § 2 Abs. 2 Buchst. b, § 8 Abs. 1 Buchst. e der Hauptsatzung), aber auch die zur Wirksamkeit der Beitragsordnung erforderliche Zustimmung der Landeszahnärztekammer und Genehmigung der zuständigen Regierung (Art. 6 Satz 2 HKaG). Es bestehen im Übrigen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte seine Beitragsordnung nicht als Satzung erlassen wollte. Die Bekanntmachung bzw. Verkündung der Beitragsordnung erfolgte nach § 14 der Hauptsatzung durch Veröffentlichung im amtlichen Teil des Mitteilungsblatt des Beklagten (Amtliches Mitteilungsblatt „Der Bezirksverband“, Heft Dezember 2019/Januar 2020, S. 36 f.). Dies genügt dem Publikationserfordernis (vgl. Rieger in Kluth, Handbuch des Kammerrechts, 3. Auflage 2020, § 13 Rn. 98 m.w.N.). Auch sonst sind formelle Fehler beim Zustandekommen der Beitragsordnung nicht ersichtlich.
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3.1.2 Die Ermächtigung und zugleich Verpflichtung zum Erlass einer Beitragsordnung nach Art. 6 Satz 2 HKaG bezweckt eine vor Heranziehung zum Beitrag überprüfbare abstrakt-generelle Regelung über die Höhe der von den Mitgliedern des zahnärztlichen Bezirksverbands zu erhebenden Beiträge. Die Beitragsordnung kann zugleich die Festlegung von Befreiungstatbeständen und Ermäßigungen regeln. Weitergehende Anforderungen stellt das Heilberufe-Kammergesetz nicht an die Beitragsordnung. Ein einfachgesetzlicher Verstoß gegen das Heilberufe-Kammergesetz liegt demnach nicht vor.
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3.2 Die Wirksamkeit der Beitragsordnung des Beklagten ist aber an verfassungsrechtlichen Maßstäben zu messen, weil Mitgliedsbeiträge (gesetzlich geschaffener) berufsständischer Körperschaften – wie hier – Beiträge im Rechtssinn sind. Beiträge sind Gegenleistungen für Vorteile, die das Mitglied aus der Kammerzugehörigkeit oder einer besonderen Tätigkeit der Kammer zieht oder ziehen kann. Für die Beitragserhebung durch öffentlich-rechtliche Berufsorganisationen sind das Äquivalenzprinzip ebenso wie der Gleichheitssatz zu beachten. Das Äquivalenzprinzip fordert, dass zwischen der Höhe des Beitrags und dem Nutzen des Mitglieds ein Zusammenhang besteht. Die Höhe des Beitrags darf nicht in einem Missverhältnis zu dem Vorteil stehen, den er abgelten soll. Der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verlangt, niemanden im Vergleich zu anderen Normadressaten anders zu behandeln, ohne dass zwischen ihnen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie eine ungleiche Behandlung rechtfertigen. Für die Erhebung vorteilsbezogener Mitgliedsbeiträge durch eine öffentlich-rechtliche Körperschaft bedeutet dies, dass wesentlichen Verschiedenheiten der Mitglieder Rechnung getragen werden muss. Die Beiträge müssen auch im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht bemessen werden (stRspr, vgl. z.B. BVerwG, U.v. 26.6.1990 – 1 C 45.87 – juris Rn. 10 ff.; BVerwG, U.v. 26.4.2006 – 6 C 19.05 – Rn. 21 f.; BVerwG, B.v. 1.7.2013 – 8 BN 1.13 – juris Rn. 5; BVerwG, U.v. 7.12.2016 – 10 C 11.15 – juris Rn. 18, jeweils m.w.N.).
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Daran gemessen genügt die Beitragsordnung des Beklagten im Sinn der Belastungsgleichheit nach Auffassung des Gerichts nicht dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG, weil der Beitragssatz in Höhe von 300 Euro von zahnärztlich Tätigen in Teilzeit ungeachtet des zeitlichen Umfangs ihrer zahnärztlichen Tätigkeit und zahnärztlich Tätigen in Vollzeit identisch und damit aus Sicht des Gerichts zueinander nicht vorteilsgerecht bemessen ist. So ist der Kläger der Beitragsordnung zufolge aufgrund seiner zahnärztlichen Aushilfstätigkeit von wenigen Stunden auf einer Basis von 400 Euro im Monat ohne Möglichkeit rechtmäßiger Abweichung ebenso zum Höchst- bzw. Regelbeitrag von 300 Euro im Jahr heranzuziehen wie ein in Vollzeit in eigener, freier Praxis tätiger Zahnarzt. Die Beitragsordnung des Beklagten trägt damit wesentlichen Verschiedenheiten keine Rechnung, die darin begründet sind, dass die Wahrnehmung der beruflichen Belange i.S.d. Art. 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 HKaG zahnärztlich Tätigen in Vollzeit schon aufgrund der höheren Leistungskraft in aller Regel, d.h. typisierend, mehr Vorteile bietet, als jedenfalls solchen in geringfügiger Teilzeit.
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3.2.1 Ein im Wesentlichen einheitlicher Jahresbeitrag zum zahnärztlichen Bezirksverband in Höhe von 300 Euro ist zwar gering und kann für sich gesehen eine weitergehende Differenzierung nach Teilzeit- und Vollzeittätigkeit entbehrlich erscheinen lassen (in diese Richtung BGH für Anwaltssachen, B.v. 25.2.2022 – AnwZ (Brfg) 22/21 – juris Rn. 8 a.E. m.w.N., zu einem Jahresbeitrag von 348 Euro zur Rechtsanwaltskammer).
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Nach Auffassung des Gerichts ist vorliegend aber zu berücksichtigen, dass die Mitglieder der zahnärztlichen Bezirksverbände nach Art. 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 15 Abs. 2 HKaG von Gesetz wegen zugleich einen Pflichtbeitrag zur Bayerischen Landeszahnärztekammer – hier: ein Jahresbeitrag von 750 Euro – zu entrichten haben (s. § 7 der Satzung der Bayerischen Landeszahnärztekammer sowie Abschnitt A.I. Beitragsgruppe 2a der Beitragsordnung der Bayerischen Landeszahnärztekammer vom 13.12.2018). Der Fall einer Doppelpflichtzugehörigkeit in unterschiedlichen berufsständischen Körperschaften liegt nicht vor, weil die Mitglieder des Beklagten nicht zugleich Mitglieder der Bayerischen Landeszahnärztekammer sind, die zahnärztlichen Bezirksverbände und die Landeszahnärztekammer die (eine) Berufsvertretung der Zahnärzte nach Art. 42 HKaG sind und dem Grunde nach dieselben Aufgaben haben (vgl. BVerwG, B.v. 14.11.2001 – 6 B 60.01 – juris Rn. 7 ff., zur Pflichtzugehörigkeit eines Apothekers auch zur Industrie- und Handelskammer). Auch liegt kein Fall einer freiwilligen Mitgliedschaft in einer weiteren Berufsorganisation vor (vgl. BVerwG, U.v. 26.4.2006 – 6 C 19.05 – juris Rn. 15 ff., zu Zwangsmitgliedschaft in Handwerkskammer und freiwilliger Mitgliedschaft in Handwerksinnung). In der Zusammenschau hatte der Kläger damit ungeachtet des Umfangs seiner zahnärztlichen Tätigkeit von wenigen Stunden im Monat eine Beitragslast in Höhe von 1.050 Euro zur Berufsvertretung der Zahnärzte zu tragen, was bei einem (Brutto-) Monatseinkommen von 400 Euro aus zahnärztlicher Tätigkeit im Beitragsjahr etwa ein Fünftel des zahnärztlichen Jahreseinkommens ausmacht. Ein etwaiger teilweiser Beitragserlass kam auch gegenüber der Landeszahnärztekammer nicht in Betracht, weil dies ebenfalls voraussetzt, dass die Einziehung wegen einer besonderen wirtschaftlichen Notlage eine besondere Härte für den beitragspflichtigen Kläger bedeuten würde (vgl. Abschnitt B Abs. 1 Satz 3 und 4 der Beitragsordnung der Bayerischen Landeszahnärztekammer). Hierfür bestehen nach Vorstehendem aber keine Anhaltspunkte.
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3.2.2 Eine abweichende Beurteilung rechtfertigt sich aus Sicht des Gerichts auch nicht aus der weitgehenden Befugnis des normgebenden Beklagten zur Vereinfachung bzw. Pauschalierung und Typisierung (vgl. hierzu etwa BVerfG, E.v. 16.7.2012 – 1 BvR 2983/10 – juris Rn. 49 ff. zur Insolvenzsicherungsabgabe).
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3.2.2.1 Art. 3 Abs. 1 GG gebietet danach nicht, unter allen Umständen Ungleiches ungleich zu behandeln. Es bleibt grundsätzlich dem Gesetzgeber überlassen, diejenigen Sachverhalte auszuwählen, an die er dieselbe Rechtsfolge knüpft, die er also im Rechtssinn als gleich ansehen will. Allerdings muss er die Auswahl sachgerecht treffen. Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Gesetzgeber nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf. Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Allerdings setzt eine zulässige Typisierung voraus, dass diese Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfG, E.v. 16.7.2012 – 1 BvR 2983/10 – juris Rn. 49 ff.). Für Normgeber von Beitragssatzungen gilt im nichtsteuerlichen Abgabenrecht – wie hier – nichts Anderes (vgl. BVerwG, U.v. 21.3.2000 – 1 C 15.99 – juris Rn. 14 zum Grundbeitrag der Industrie- und Handelskammern; BVerwG, U.v. 3.9.1991 – 1 C 24.88 – juris Rn. 21 f. zu Beitragssatzungen der Handwerksinnungen; BVerwG, B.v. 16.6.2011 – 9 BN 4.10 – juris Rn. 11 zu Straßenausbaubeitragssatzungen). Der weite normative Spielraum steht vorliegend auch dem Beklagten beim Erlass seiner Beitragssatzung zu, nachdem das Heilberufe-Kammergesetz zum Beitragsmaßstab keine einfachgesetzlichen Vorgaben macht oder gesetzliche Abwägungsdirektiven vorsieht. Insbesondere darf die Beitragsordnung des Beklagten danach zwar an die Höhe des Einkommens anknüpfen, sie muss es aber nicht (vgl. BVerwG, B.v. 30.9.1998 – 1 B 94.98 – juris Rn. 5 zu berufsgruppenbezogener Pauschalierung von Zahnärzten mit eigener Praxis).
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3.2.2.2 Allerdings setzt eine zulässige Typisierung oder Pauschalierung nach Vorstehendem voraus, dass mit ihr verbundene Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betroffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
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3.2.2.2.1 Eine (unbillige) Härte liegt in Bezug auf die Beitragslast des Klägers vor.
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Auch bei einer zeitlich nur geringfügigen Tätigkeit bedarf der Kläger zur Ausübung der Zahnheilkunde der Approbation als Zahnarzt (§ 1 Abs. 1 ZHG). Als approbierter Zahnarzt war der Kläger im Beitragsjahr 2021 Mitglied im zahnärztlichen Bezirksverband und diesem sowie der Bayerischen Landeszahnärztekammer gegenüber in Höhe von 300 Euro und 750 Euro in vollem Umfang beitragspflichtig (Art. 43 Abs. 2, Art. 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Satz 1, Art. 15 Abs. 2 HKaG jeweils i.V.m. den Beitragsordnungen). Aufgrund seiner zeitlich nur geringfügigen zahnärztlichen Tätigkeit von wenigen Stunden im Monat war der Kläger im Beitragsjahr 2021 mit einer Beitragslast zur zahnärztlichen Berufsvertretung in Höhe von insgesamt 1.050 Euro, die mehr als ein Fünftel seines Jahreseinkommens von 4.800 Euro beträgt, gegenüber den in Vollzeit tätigen Zahnärzten deutlich benachteiligt (das Jahresdurchschnittseinkommen eines in Vollzeit tätigen angestellten Zahnarztes liegt nach Erhebungen der Deutschen Apotheken- und Ärztebank zwischen 50.000 € und 116.000 €, vgl. Zahnarzt Gehalt 2020 – www.apobank.de/wissen-news/karrierekompass-heilberufler/zahnarzt/gehalt).
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Die zahnärztliche Berufsvertretung hat insbesondere die Aufgabe, die beruflichen Belange der Zahnärzte wahrzunehmen und damit auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Zahnärzte bzw. die Erzielung eines angemessenen Einkommens zu fördern (Art. 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 HKaG). Im Regelfall ist deshalb davon auszugehen, dass der materielle Nutzen, den in Vollzeit tätige Zahnärzte aus der Wahrnehmung ihrer beruflichen Belange durch die zahnärztliche Berufsvertretung ziehen, größer ist als derjenige von teilzeitbeschäftigten Zahnärzten. Dies gilt auch für den immateriellen Nutzen aus dem Wirken der zahnärztlichen Berufsvertretung, weil sich die Höhe des zahnärztlichen Einkommens auf die berufliche Stellung auswirkt, so dass auch die Bedeutung der Interessenwahrung durch die Berufsvertretung entsprechend hoch bewertet werden darf (vgl. BVerwG, U.v. 26.1.1993 – 1 C 33.89 – juris Rn. 18; BVerwG, B.v. 25.7.1989 – 1 B 109.89 – juris Rn. 5). Hiervon ausgehend stand der Vorteil, den auch der Kläger aus der Tätigkeit der zahnärztlichen Berufsvertretung zog, im Beitragsjahr 2021 – verglichen mit den in Vollzeit tätigen Zahnärzten – in keiner angemessenen Relation zum zeitlichen Umfang und seinem Einkommen aus zahnärztlicher Tätigkeit. Der Unterschied im Nutzen, den das Wirken der zahnärztlichen Berufsvertretung in Vollzeit tätigen Zahnärzten einerseits und den in Teilzeit tätigen Zahnärzten andererseits verschafft, ist nach Auffassung des Gerichts von solchem Gewicht, dass seine beitragsmäßige Außerachtlassung nicht mehr mit grundsätzlich zulässiger Typisierung und Pauschalierung gerechtfertigt werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 26.1.1993 – 1 C 33.89 – juris Rn. 19).
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3.2.2.2.2 Die vorliegende Härte der Beitragsbemessung gegenüber dem Kläger ist nach Auffassung des Gerichts für die zahnärztliche Berufsvertretung ohne besondere Schwierigkeiten vermeidbar und steht folglich in keinem angemessenen Verhältnis zu den erhebungstechnischen Vorteilen.
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Der Vorteil einer gänzlich vom zahnärztlichen Einkommen losgelösten Beitragsbemessung besteht im einfachen Vollzug der Beitragserhebung mit verhältnismäßig geringem Verwaltungsaufwand. Um eine dem Gleichheitssatz entsprechende Heranziehung zum Beitrag zu erreichen, bedarf es – bezogen auf die konkrete Streitsache – nicht der Umstellung auf eine einkommensabhängige Beitragsbemessung. Insbesondere ist es nicht erforderlich, eine allgemeine und jedem Einzelfall gerecht werdende Beitragsstaffelung (auch) anhand des Einkommens aus zahnärztlicher Tätigkeit in der Beitragsordnung zu regeln. Treten im Einzelfall Ungleichheiten auf, die mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht mehr zu vereinbaren sind, muss es der Verwaltung aber möglich sein, diese auf Grundlage einer Regelung der Beitragsordnung zu beheben. An einer solchen Regelung fehlt es der Beitragsordnung des Beklagten für das Beitragsjahr 2021. Die in Buchst. B der Beitragsordnung geregelte Beitragsermäßigung erfasst lediglich den persönlichen Billigkeitsgrund der Bedürftigkeit zum Zweck der Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts des Beitragspflichtigen. Zur Beitragsermäßigung aufgrund von sachlichen Billigkeitsgründen, wie hier einem auffallenden Missverhältnis von Beitragslast und Einkommen aus zahnärztlicher Tätigkeit, ist die Verwaltung des Beklagten mangels Regelung in der Beitragsordnung aber nicht befugt (anders Abschnitt B Abs. 3 der Beitragsordnung des Zahnärztlichen Bezirksverbands Oberpfalz mit Stand v. 30.11.2022 unter Hinweis auf die Maßgeblichkeit des Jahreseinkommens aus zahnärztlicher Tätigkeit). Dass die Berücksichtigung nur der wirtschaftlichen Bedürftigkeit anhand sämtlicher (auch außerberuflicher) Einkünfte bei der Beitragsbemessung nicht hinreicht, um dem Gleichheitsgrundsatz zu genügen, ergibt sich einerseits aus der Berufsbezogenheit der Mitgliedschaft im zahnärztlichen Bezirksverband und andererseits aus dem unterschiedlichen Nutzen, den das Wirken der zahnärztlichen Berufsvertretung in Vollzeit tätigen Zahnärzten und den in Teilzeit tätigen Zahnärzten verschafft.
39
Im Übrigen eröffnet das Heilberufe-Kammergesetz einen erhebungstechnischen Vorteil mit Blick auf einen etwaig höheren Verwaltungsaufwand der zahnärztlichen Berufsverbände durch die Möglichkeit, die Durchführung der Beitragserhebung auf die Bayerische Landeszahnärztekammer zu übertragen (Art. 46 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Art. 6 Satz 4 HKaG).
40
3.2.2.2.3 Der Fall des Klägers ist angesichts des besonders geringen Einkommens von 400 Euro/Monat und einer entsprechend geringen Stundenzahl zwar wohl eher die Ausnahme als die Regel und damit nur bedingt exemplarisch. Dass nur eine lediglich verhältnismäßig kleine Zahl von Personen vom Fehlen einer Härtefallregelung aus sachlichen Billigkeitsgründen betroffen ist, folgt daraus aber nicht.
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Ausweislich der Zahnärztestatistik der Bayerischen Landeszahnärztekammer (Stand Ende 2023, Fakten Bayern 2023) waren im Jahr 2023 12.284 Zahnärzte in Bayern tätig, davon 7.423 als niedergelassene Zahnärzte und 4.435 als angestellte Zahnärzte/Praxen (www....fakten). Nach einer Studie der Deutschen Apotheker- und Ärztebank e.G. arbeiten zwar rund drei Viertel der angestellten Zahnärzte in Vollzeit, aber immerhin ein Viertel – überwiegend Frauen (fast jede dritte Frau) – in Teilzeit, wobei häufig zwischen 19 und 28 Stunden in der Woche gearbeitet wird (vgl. www....arbeitszeit). Von 4.435 angestellten Zahnärzten in Bayern würden danach über 1.000 in Teilzeit arbeiten. Ob in jedem Fall der Teilzeitarbeit ein Härtefall wie beim Kläger vorliegt, bedarf keiner Klärung. Denn zur Überzeugung des Gerichts steht jedenfalls fest, dass zahnärztliche Teilzeitarbeit weder ein Randphänomen noch die geringfügige Tätigkeit des Klägers ein aus dem Rahmen fallender Sonderfall ist, dass also nicht nur ein mäßiger Prozentsatz betroffen ist bzw. nur geringfügige Ungleichheiten bei der Heranziehung zum vollen Beitrag vorliegen. Zahnärztliche Teilzeitarbeit kann danach bei der Beitragsbemessung – gerade bei typisierender Betrachtungsweise – nicht vernachlässigt werden, insbesondere wenn die Stundenzahl und das erzielte Einkommen aus zahnärztlicher Tätigkeit gering sind.
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3.2.2.2.4 Durchgreifende sachliche Gründe für die Benachteiligung der Gruppe der in Teilzeit tätigen Zahnärzte und die damit einhergehende Besserstellung der Gruppe der in Vollzeit tätigen Zahnärzte sind nicht erkennbar.
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Soweit in Bezug auf die gleichhohen Beiträge von angestellten Zahnärzten und solchen in eigener Praxis in der mündlichen Verhandlung ausgeführt wurde, die selbständig tätigen Zahnärzte würden eine höhere Verantwortung und höheren Kosten tragen, ohne sie gebe es weder angestellte Zahnärzte noch Ausbildungsplätze für Mitarbeiter, ergibt sich für den gegenständlichen Fall kein sachlicher Grund für eine übermäßige Beitragsbelastung von in Teilzeit tätigen angestellten Zahnärzten. Insoweit kann darauf verwiesen werden, dass Beiträge auch im Verhältnis der Beitragspflichtigen zueinander grundsätzlich vorteilsgerecht bemessen werden müssen (vgl. BVerwG. U.v. 26.4.2006 – 6 C 19.05 – juris Rn. 21 f.). Ob der Beklagte diese Anforderung anhand einer einkommensbezogenen Bemessung der Beitragshöhe, durch eine Staffelung der Beitragshöhe, durch eine Härtefallklausel oder auf sonstige Weise sicherstellen will, hat dieser zu entscheiden.
44
Dass Zahnärzte mit eigener Praxis nach deren Veräußerung oftmals für einen bestimmten Zeitraum in dieser Praxis in Teilzeit weiterarbeiten würden, ist ebenso wenig ein sachlicher Grund, das Fehlen zumindest einer Regelung über die Beitragsermäßigung aus sachlichen Gründen zur Vermeidung besonderer Härten in die Beitragsordnung zu erklären. Da die Bemessung der Höhe des Beitrags anhand der Beitragsordnung des Beklagten nicht einkommensbezogen ist, wirken sich etwaige Gewinne aus der Veräußerung einer Praxis auf die Beitragshöhe ohnehin nicht aus. Davon abgesehen stünde es dem Beklagten frei, eine Teilzeittätigkeit des Beitragspflichtigen für den Erwerber der veräußerten Praxis im Einzelfall etwa auf Grundlage einer Härtefallklausel anders zu behandeln als eine sonstige zahnärztliche Teilzeitarbeit.
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3.2.2.2.5 In der Gesamtschau werden danach die in Teilzeit tätigen Mitglieder des Beklagten im Verhältnis zu den in Vollzeit tätigen Mitgliedern ohne sachlichen Grund bei typisierender Betrachtung übermäßig belastet, weil sie trotz geringerer Leistungskraft Beiträge in derselben Höhe zu zahlen haben wie in Vollzeit tätige Zahnärzte. Maßstab für die Intensität der Ungleichbehandlung ist dabei nicht nur die Höhe des an den Beklagten zu leistenden Beitrags, sondern auch die Höhe des Beitrags zur Bayerischen Landeszahnärztekammer, weil die Summe aus beiden Beiträgen die eigentliche Belastung der Beitragspflichtigen zur (einen) zahnärztlichen Berufsvertretung erkennen lässt.
46
Die starre Gleichbehandlung aller in Teilzeit tätigen Zahnärzte mit den in Vollzeit tätigen Zahnärzten nach Maßgabe der Beitragsordnung des Beklagten lässt sich nicht mit der grundsätzlich zulässigen Typisierung und Pauschalierung rechtfertigen. Ungleichheiten, die – wie hier – typischerweise innerhalb der betroffenen Berufsgruppe bestehen, sind grundsätzlich zu berücksichtigen. Der Vorteil der Aufgabenwahrnehmung der beruflichen Belange durch die zahnärztliche Berufsvertretung ist für wirtschaftlich leistungsstärkere Zahnärzte regelmäßig von höherem Nutzen als für wirtschaftlich schwächere, die wirtschaftliche Leistungskraft ist insoweit ein Indiz für die Höhe des Vorteils (vgl. BVerwG, U.v. 3.9.1991 – 1 C 24.88 – juris Rn. 18 f. zum Innungsbeitrag). In Teilzeit tätige angestellte Zahnärzte haben – typisierend – ein entsprechend ihrer geringeren Stundenzahl verringertes Einkommen und deshalb auch einen umso spürbar geringeren Nutzen aus der Tätigkeit der zahnärztlichen Berufsvertretung je weniger Stunden ihre Teilzeitbeschäftigung umfasst. Dies erfordert aus Sicht des Gerichts jedenfalls eine Regelung in der Beitragsordnung, wonach zur Vermeidung besonderer Härten in bestimmten Fällen, wie etwa bei der Gruppe bzw. einer Teilgruppe der in Teilzeit tätigen Zahnärzte, die Höhe des Beitrags auf Antrag ermäßigt werden kann. An einer dahingehenden Härtefallklausel fehlt es der Beitragsordnung des Beklagten.
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4. Die Berufung wird nach § 124a Abs. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
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Soweit ersichtlich ist in der bayerischen obergerichtlichen Rechtsprechung aber auch in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht geklärt, ob die Gruppe der in Teilzeit (einschließlich der geringfügig) beschäftigten Zahnärzte bei der Bemessung des Beitrags zur Berufsvertretung anders zu behandeln ist, als die Gruppe der in Vollzeit beschäftigten bzw. tätigen Zahnärzte. Ebenso wenig ist geklärt, ob eine etwaige Ungleichbehandlung in ihrer Intensität auch anhand der zusätzlichen Beitragslast gegenüber der Bayerischen Landeszahnärztekammer zu bewerten ist. Schließlich liegt die Klärung der genannten Rechtsfragen im allgemeinen Interesse, u.a. weil mittelbar auch Beitragsordnungen anderer Körperschaften, etwa die der Bayerischen Landeszahnärztekammer, mit vergleichbaren Regelungen zur Beitragshöhe von der Entscheidung betroffen sein können.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.