Inhalt

VGH München, Beschluss v. 20.02.2024 – 24 CS 23.2264 , 24 CS 23.2265
Titel:

Führen von Jagdwaffen in alkoholisiertem Zustand 

Normenkette:
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 2 lit. b, § 45 Abs. 2, Abs. 5
Leitsätze:
1. Ein vorsichtiger Umgang mit Waffen iSd § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b Alt. 1 WaffG verlangt, dass sie in nüchternem Zustand geführt werden. Auf das Auftreten alkoholbedingter Ausfallerscheinungen kommt es nicht an. (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Maßstab für die waffenrechtliche Zuverlässigkeit in § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. b WaffG ist mit dem straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltsmaßstab von vornherein nicht identisch. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
objektive Klagehäufung im Hauptsacheverfahren, Trennung und Verbindung von Verfahren, Widerruf der Waffenbesitzkarte, Ungültigerklärung des Jagdscheins, Mitführen einer Waffe im Beifahrerfußraum, Führen einer Waffe während einer Trunkenheitsfahrt (0,85 Promille)., Waffenbesitzkarte, Widerruf, Jagdschein, Ungültigerklärung, Einziehung, Waffen, Aufbewahrung, vorsichtiger Umgang, Alkohol, alkoholisierter Zustand, Mitführen, Auto, Fußraum, Trunkenheitsfahrt, 0,85 Promille
Vorinstanz:
VG Würzburg, Beschluss vom 24.11.2023 – W 9 S 23.1510 , W 9 S 23.1511
Fundstelle:
BeckRS 2024, 3131

Tenor

I. Die Verfahren 24 CS 23.2264 und 24 CS 23.2265 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
III. Der Antragsteller hat die Kosten der Beschwerdeverfahren zu tragen.
IV. Der Streitwert für die Beschwerdeverfahren wird vor der Verbindung zur gemeinsamen Entscheidung im Verfahren 24 CS 23.2264 auf 4.000,00 EUR und im Verfahren 24 CS 23.2265 auf 11.875,00 EUR und nach der Verbindung auf insgesamt 15.875,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klagen gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10. Oktober 2023, mit dem seine Waffenbesitzkarten (...) widerrufen und sein bis zum 31. März 2026 gültiger Jagdschein (...) für ungültig erklärt und eingezogen wurden.
2
Am 1. Mai 2023 hielt die Polizei den Antragsteller im öffentlichen Straßenverkehr an. Er befand sich innerhalb des dortigen Gemeindejagdreviers, dessen Jagdpächter er ist, und gab an, von der morgendlichen Bockjagd mit anschließendem Schüsseltreiben kommend zu seiner Jagdhütte unterwegs zu sein. Der Antragsteller befand sich alleine im Fahrzeug, im Fußraum der Beifahrerseite stand angelehnt an der Mittelkonsole ein ungeladenes Gewehr, an dessen Schaft in einer Halterung zwei Patronen befestigt waren. Die bei ihm durchgeführte Blutentnahme ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK-Wert) von 0,85 Promille.
3
Nach vorheriger Anhörung erklärte das Landratsamt S. (im Folgenden: Landratsamt) mit streitgegenständlichem Bescheid vom 10. Oktober 2023 den Jagdschein für ungültig und zog ihn ein (Nr. 1) und widerrief die dem Antragsteller erteilten waffenrechtlichen Erlaubnisse (Nr. 2). Der Antragsteller wurde unter Zwangsgeldandrohung (Nr. 4) verpflichtet, den Jagdschein sowie die Waffenbesitzkarten zurückzugeben (Nr. 3) und seine Waffen und Munition unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen (Nrn. 5 und 6). Die sofortige Vollziehung der Nummern 1, 3, 5 und 6 des Bescheides wurde angeordnet (Nr. 7).
4
Hiergegen erhob der Antragsteller am 30. Oktober 2023 Klage, über die nach Aktenlage noch nicht entschieden ist. Seinen zugleich gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Würzburg mit Beschluss vom 24. November 2023 abgelehnt. Der Antrag sei unbegründet, da sich nach summarischer Überprüfung der Bescheid als rechtmäßig darstelle. Der Widerruf der Waffenbesitzkarten nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG i.V.m. mit § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG sei nicht zu beanstanden, da sich der Antragsteller als unzuverlässig erwiesen habe. Gleiches gelte für die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins, § 18 Satz 1, § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Abs. 3 Nr. 2 BJagdG, da eine Unzuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG zwingend zur Versagung des Jagdscheins führe. Die offene Verwahrung der Waffe und Munition im Auto sei ein Verstoß gegen § 36 WaffG. Die Privilegierungen in § 12 Abs. 3 Nr. 2 WaffG oder § 13 Abs. 9 AWaffV, bei denen es sich um eng auszulegende Ausnahmevorschriften handele, würden vorliegend nicht eingreifen, da kein unmittelbarer zeitlicher wie inhaltlicher Zusammenhang mit der Jagdausübung bestanden habe. Die morgendliche Bockjagd mit Freunden sei mit dem gemeinsamen Mittagessen (Schüsseltreiben) beendet gewesen. Auch wenn sich der Antragsteller zum Zeitpunkt der Kontrolle noch innerhalb seines Reviers befunden habe und auf dem Weg zu seiner dort befindlichen Jagdhütte gewesen sei, bestehe kein enger räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zur Jagd mehr; denn der Antragsteller habe dort nach seinen eigenen Angaben nur schlafen und Verschönerungsarbeiten durchführen wollen. Ein weiterer Verstoß gegen die Vorgaben des § 36 Abs. 1 WaffG i.V.m. § 13 Abs. 9 AWaffV sei der Schilderung des Antragstellers zu entnehmen, wonach das Gewehr bereits zuvor während des Schüsseltreibens in gleicher Weise offen im – wenn auch verschlossenen – Fahrzeug gelegen habe. Daher sei die auf der Jagdhütte vom Antragsteller beabsichtigte Verwahrung der Waffe ebenfalls vorschriftswidrig. Auch die griffbereite Lagerung zweier Patronen in der Halterung am Schaft der Waffe stelle keine ordnungsgemäße, da keine getrennte Aufbewahrung dar. Überdies habe sich der Antragsteller als unzuverlässig nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b WaffG erwiesen, da er eine Waffe bei einer Autofahrt in nicht unerheblich alkoholisiertem Zustand mit sich geführt habe. Denn bei einem BAK-Wert von 0,85 Promille sei die waffenrechtliche Zuverlässigkeit beim Transport von Waffe und Munition in einem Kfz aufgrund der daraus resultierenden Gefahren für andere Verkehrsteilnehmer nicht mehr gegeben. Darüber hinaus sei der Antragsteller nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG unzuverlässig, denn der Aufbewahrungsverstoß verbunden mit dem Führen einer Waffe unter Alkoholeinfluss sowie das Führen einer Waffe ohne entsprechende Erlaubnis könne als gröblich und wiederholt angesehen werden.
5
Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Zur Begründung trägt er vor, auch wenn die Bockjagd beendet gewesen sei, gälten die Privilegierungen für Jäger auch jenseits der Jagdausübung im engeren Sinne weiter. Denn solange sich der Antragsteller – wie hier – als Jäger innerhalb seines Reviers befinde, habe er jederzeit Aufgaben des Jagdschutzes wahrzunehmen, sodass der erforderliche Zusammenhang mit der Jagdausübung gegeben sei. Auch während des Schüsseltreibens sei stets die Aufsicht über die Waffe im in unmittelbarer Nähe abgestellten und verschlossenen Fahrzeug gegeben gewesen. Hinsichtlich des Blutalkoholwerts habe es sich nur um eine leichte Alkoholisierung gehandelt, da nach medizinischen Erkenntnissen erst ab 1,5 Promille erhebliche geistige Beeinträchtigungen wie Uneinsichtigkeit oder Verwirrtheit zu erwarten seien. Eine Gefährdung Dritter habe nicht vorgelegen, insbesondere sei die vom Verwaltungsgericht angenommene Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer nicht nachvollziehbar. Die Einordung der BAK des Antragstellers von 0,85 Promille als „stark alkoholisiert“ sei zudem fehlerhaft, eine solche wäre höchstens ab 1,1 Promille denkbar.
6
Der Antragsgegner, vertreten durch die Landesanwaltschaft Bayern, tritt der Beschwerde entgegen und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
7
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
A.
8
Die durch die beiden fast wortgleichen Schriftsätze, die aufeinander Bezug nehmen, eingeleiteten Beschwerdeverfahren waren zur gemeinsamen Entscheidung nach § 93 VwGO zu verbinden, da der Antragsteller seine Ansprüche gegen die verschiedenen Teile des streitgegenständlichen Bescheids ursprünglich ohnehin gemäß § 44 VwGO in Form einer zulässigen objektiven Klagehäufung verfolgt hat, die durch das Verwaltungsgericht unmittelbar nach Klageeingang in zwei Klageverfahren und in der Folge in zwei Verfahren des Eilrechtschutzes getrennt worden sind.
9
Der Senat weist darauf hin, dass es bei einer Klage gegen einen Verwaltungsakt, der schon wegen des gemeinsamen Zuverlässigkeitsbegriffs einheitliche Sachfragen des Waffen- und Jagdrechts regelt, im Regelfall prozessökonomisch sinnvoll sein wird, das Verfahren nicht in mehrere Verfahren zu trennen, sondern unter einem Aktenzeichen zu führen. Es besteht regelmäßig kein Grund, eine einheitlich erhobene Klage gegen ein- und denselben Bescheid, zudem noch ohne Anhörung des Klägers, in mehrere Verfahren aufzuspalten und dabei die Möglichkeit von Mehrkosten in Kauf zu nehmen (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 11.2.2010 – 9 KSt 3.10 – juris Rn. 3). Zwar liegt es im gerichtlichen Ermessen, auch bei gegebenem Zusammenhang ein Verfahren zu trennen, jedoch bedarf es hierfür eines sachlichen Grundes. Ein sachlicher Grund fehlt regelmäßig, wenn das abgetrennte Verfahren absehbar weder zusätzlichen Streitstoff aufweist noch ein deutlich geringerer Verfahrensaufwand zu erwarten ist, als er ohne Trennung bestanden hätte (BayVGH, B.v. 8.7.2019 – 7 C 19.1154 – juris Rn. 7). Folglich überzeugt die Argumentation des Verwaltungsgerichts im Abtrennungsbeschluss vom 30. Oktober 2023, die Verfahren „könnten sich unterschiedlich entwickeln“, nicht, zumal eine Trennung der Verfahren auch in einem späteren Stadium weiterhin möglich bleibt.
B.
10
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern. Im Ergebnis ist das Verwaltungsgericht in den Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht davon ausgegangen, dass vorliegend das Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des angefochtenen Bescheides das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt.
11
I. Der Bescheid des Antragsgegners ist nach summarischer Prüfung rechtmäßig, da der Antragsteller aufgrund des Führens einer Waffe in nicht unerheblich alkoholisiertem Zustand waffenrechtlich unzuverlässig ist, sodass gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 des Waffengesetzes i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (WaffG, BGBl I S. 3970), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328) i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b 1. Alt. WaffG seine Waffenbesitzkarten zu widerrufen waren. Infolgedessen bestehen auch hinsichtlich der Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins gemäß § 18 Satz 1 des Bundesjagdgesetzes i.d.F. d. Bek. vom 29. September 1976 (BJagdG, BGBl I S. 2849), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328) i.V.m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 2 BJagdG – da die materiell-rechtlichen Maßstäbe insoweit die gleichen sind – kein Anlass, die Entscheidung des Verwaltungsgerichts aufzuheben oder zu ändern. Auf Fragen der ordnungsgemäßen Aufbewahrung kommt es entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts daher nicht an.
12
1. Der Antragsteller ist unzuverlässig im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b 1. Alt. WaffG. Zwar kann die Unzuverlässigkeitsprognose nicht darauf gestützt werden, dass zum Zeitpunkt der Polizeikontrolle die Waffe an der Mittelkonsole angelehnt war (a). Jedoch rechtfertigt die Tatsache, dass er zum Zeitpunkt der Polizeikontrolle unter Alkoholeinfluss eine Waffe geführt hat, die Annahme, dass er auch künftig mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen wird.
13
a) Der Antragsteller durfte bei der Fahrt vom Schüsseltreiben zur Jagdhütte die Waffe zugriffsbereit führen, da die Fahrt im Zusammenhang mit der Jagd stand. Gemäß § 13 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 WaffG darf ein Jäger im Zusammenhang mit der befugten Jagdausübung seine Jagdwaffen führen, wenn sie nicht schussbereit sind. Zugriffsbereit dürfen die Waffen hingegen sein.
14
Der Antragsteller hat sein Gewehr im rechtlichen Sinne geführt, weil er hierüber die tatsächliche Gewalt insbesondere außerhalb der eigenen Wohnung bzw. des eigenen befriedeten Besitztums ausgeübt hat (vgl. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 4 WaffG). Die Waffe war allerdings ungeladen und deshalb nicht schussbereit (vgl. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 12 WaffG).
15
Dass die Waffe zugriffsbereit war, weil sie im Fußraum des Beifahrersitzes an der Mittelkonsole angelehnt unmittelbar in Anschlag gebracht werden konnte und sie sich also nicht in einem verschlossenen Behältnis befand (vgl. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 13 WaffG), schadet nicht. Der Gesetzgeber hat in § 13 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 WaffG einen Freistellungstatbestand von der Waffenscheinpflicht vorgesehen. Im Verhältnis zu § 12 Abs. 3 Nr. 2 WaffG ist die Regelung des § 13 Abs. 6 WaffG weiter gefasst, insoweit sie ein Führen der nicht schussbereiten, aber zugriffsbereiten Waffe zulässt, wohingegen ein erlaubnisfreies Führen nach § 12 Abs. 3 Nr. 2 WaffG voraussetzt, dass die Waffe weder schuss- noch zugriffsbereit ist (vgl. zu § 13 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 WaffG Nr. 13.6 Abs. 6 i.V.m. Nr. 12.3.3.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz i.d.F. d. Bek. vom 5.3.2012 (WaffVwV, BAnz. Beil. Nr. 47a), wonach die Waffe etwa ohne Futteral auf der Rückbank eines Pkw befördert werden darf). Hingegen muss bei § 13 Abs. 6 WaffG ein konkreter Zweckzusammenhang zur befugten Jagdausübung bestehen, während § 12 Abs. 3 Nr. 2 WaffG nur einen Zweckzusammenhang zum allgemeinen Jägerbedürfnis fordert. Als lex specialis geht § 13 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 WaffG der Regelung des § 12 Abs. 3 Nr. 2 WaffG vor (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 12 Rn. 70a). In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass der Waffentransport gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 2 WaffG ebenso wie das Führen nach § 13 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 WaffG keine Aufbewahrung i.S.d. Waffengesetzes ist, weshalb die Aufbewahrungspflichten nach § 36 Abs. 5 i.V.m. § 13 AWaffV grundsätzlich nicht greifen. Dies gilt auch bei Unterbrechungen des Transports (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 12 Rn. 71a).
16
Der erforderliche Zusammenhang mit der befugten Jagdausübung lag – entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts – im vorliegenden Fall ebenfalls vor. Der Antragsteller befand sich unstrittig innerhalb des Jagdreviers, in dem er zur Jagdausübung befugt ist. Dass zu diesem Zeitpunkt keine jagdlichen Handlungen im engeren Sinne – d.h. Erlegen von Wild, Ansitz etc. – geplant waren, hindert die Annahme eines Zusammenhangs mit der Jagdausübung nicht. Wie die Beschwerde zutreffend anführt, ist der Revierinhaber stets verpflichtet, in seinem Revier den Jagdschutz auszuüben (vgl. Art. 40 Abs. 2 des Bayerischen Jagdgesetzes – BayJG), was den Schutz des Wildes insbesondere vor Wilderern, Futternot, Wildseuchen sowie vor wildernden Hunden und Katzen umfasst (§ 23 BJagdG). Diese Pflicht besteht immer dann, wenn der Revierinhaber sich in seinem Revier aufhält, unabhängig davon, ob eine bestimmte jagdliche Tätigkeit unmittelbar beabsichtigt oder bereits abgeschlossen ist. Auf die Sichtung eines kranken oder verletzten Wildes oder eines wildernden Hundes in seinem Revier muss der zur Jagdausübung Berechtigte jederzeit reagieren.
17
b) Allerdings ergibt sich die Prognose, dass der Antragsteller mit Waffen (auch) künftig nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen wird, aus seiner festgestellten Alkoholisierung.
18
aa) Vorsichtig i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b 1. Alt. WaffG ist der Umgang mit Waffen und Munition zum einen nur dann, wenn alle zumutbaren Sicherungsmöglichkeiten ergriffen werden, um die von einer Waffe ausgehenden Gefahren für sich oder andere auszuschließen (vgl. OVG NW, B.v. 15.5.2013 – 20 A 419/11 – juris Rn. 37). Zum anderen verlangt ein vorsichtiger Umgang mit Waffen, dass sie in nüchternem Zustand geführt werden. Nur dann kann der Erlaubnisinhaber sicher sein, keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zu erleiden, die ihrerseits zur Gefährdung Dritter führen können (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30.13 – Leitsatz; OVG NW, U.v. 28.2.2013 – 20 A 2430/11 – juris Rn. 40). Denn auch vorübergehende körperliche oder geistig-seelische Beeinträchtigungen können einem vorsichtigen Umgang entgegenstehen (vgl. Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 13). Es ist allgemein bekannt, dass der Konsum von Alkohol negativen Einfluss auf das Verhalten des Betroffenen hat, der sich in Enthemmung, erhöhter Risikobereitschaft und nachlassender Reaktionsfähigkeit niederschlägt.
19
Auf das Auftreten alkoholbedingter Ausfallerscheinungen kommt es folgerichtig nicht an. Unvorsichtig ist der Umgang oder sonstige Gebrauch von Schusswaffen bereits dann, wenn der Betroffene hierbei das Risiko solcher Ausfallerscheinungen eingeht. Dies gilt auch deshalb, da bei realitätsnaher Betrachtung nur derjenige eine Waffe zugriffsbereit führt, der grundsätzlich auch bereit ist, sie einzusetzen. Dies wird vorliegend besonders daran anschaulich, dass der Antragsteller als zur Jagdausübung Berechtigter jederzeit seinen Pflichten aus dem Jagdschutz nachkommen muss, worauf er selbst in seiner Beschwerdeschrift hinweist. Vor dem Hintergrund der Pflicht zur steten Gefahrenminimierung kann es auch für die Bildung des Vorsichtigkeitsmaßstabs keinen Unterschied machen, ob die i.S.v. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 4 WaffG geführte Waffe geladen ist oder nicht. Denn sobald der zum Führen der Waffe grundsätzlich Berechtigte durch vorangegangenen Alkoholkonsum in seiner körperlichen und sinnlichen Wahrnehmung sowie seiner Risikoeinschätzung beeinträchtigt sein könnte, wird das einer jeden Handhabung von Waffen immanente Gefahrenpotenzial signifikant erhöht, was im Waffenrecht aber nicht hingenommen werden kann.
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Entgegen der Ansicht des Bevollmächtigten des Antragstellers besteht kein Anlass, einen großzügigeren Vorsichtigkeitsmaßstab deshalb anzulegen, weil das vorgenannte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts einen Fall betraf, in dem der Betroffene eine Waffe nicht nur geführt, sondern mit ihr auch einen Schuss abgegeben hat. Das Bundesverwaltungsgericht stellt in seiner Entscheidung ausdrücklich auf das „Gebrauchen“ einer Schusswaffe ab. Weil es sich bei „Gebrauch“ nicht um einen waffenrechtlich legaldefinierten Begriff handelt, wird erkennbar, dass sich die Aussagen des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich auf jedwede Situationen beziehen, in denen ein Erlaubnisinhaber seine Waffe handhabt. Außerdem kann es aufgrund des besonderen Gefahrenpotenzials nicht darauf ankommen, ob mit einer Waffe tatsächlich geschossen wird i.S.v. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 7 WaffG oder diese nur – wie hier – geführt wird i.S.v. Anlage 1 Abschnitt 2 Nr. 4 WaffG.
21
bb) Der Annahme eines unvorsichtigen Umgangs mit Waffen im Falle des Antragstellers steht auch nicht entgegen, dass es im Waffenrecht – anders als im Straßenverkehrsrecht – keinen gesetzlich normierten Grenzwert für eine Blutalkoholkonzentration gibt. Der Gesetzgeber hat sich im Waffenrecht für die Einführung eines teils generalklauselartigen, teils spezifizierten Konzepts der Zuverlässigkeitsprognose entschieden; er ist nicht gezwungen jeder denkbaren Unzuverlässigkeitsursache durch einen eigenen Regelungstatbestand Rechnung zu tragen. Es bestehen insoweit keine Bedenken, wenn der Gesetzgeber die Konkretisierung der Unzuverlässigkeit – auch im Hinblick auf Rauschmittel wie Alkohol – der Rechtsprechung überlässt.
22
Es kommt auch nicht in Betracht, die einschlägigen Regelungen des Straßenverkehrsrechts wertungsmäßig bei der Zuverlässigkeitsbeurteilung im waffenrechtlichen Sinne zu berücksichtigen. Abgesehen davon, dass die Grenzwerte im Straßenverkehrsrecht vorrangig repressive Folgen haben, ist der Maßstab für die waffenrechtliche Zuverlässigkeit in § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG mit dem straßenverkehrsrechtlichen Sorgfaltsmaßstab von vornherein nicht identisch (in diesem Sinne auch NdsOVG, B.v. 22.3.2016 – 11 ME 35/16 – juris Rn. 12).
23
2. Nach dem oben Gesagten kommt es nicht darauf an, ob und ggf. welche Aufbewahrungsverstöße möglicherweise während des sog. Schüsseltreibens noch vor der Autofahrt vorgelegen haben. In diesem Zusammenhang ist aber anzumerken, dass für etwaige diesbezügliche Feststellungen eine weitere Aufklärung durch das Gericht im Hauptsachverfahren nach § 86 Abs. 1 VwGO erforderlich sein dürfte. Denn dem im Verwaltungsverfahren vorgelegten Schreiben des Bevollmächtigten des Antragstellers vom 11. August 2023 lässt sich nicht zweifelsfrei die vom Landratsamt unterstellte und als Aufbewahrungsverstoß eingestufte Verwahrung entnehmen. Soweit das Verwaltungsgericht offenbar Aufbewahrungsverstöße aus dem hypothetischen weiteren Geschehensverlauf in Zusammenhang mit dem beabsichtigten Aufenthalt auf der Jagdhütte und der in diesem Zusammenhang möglicherweise geplanten weiteren Verwahrung des Gewehrs feststellen möchte (UA, S. 25), begegnet auch dies zumindest ohne weitere Sachverhaltsaufklärung erheblichen Bedenken. Nachdem der Antragsteller die Waffe vorliegend nicht aufbewahrt, sondern geführt hat, fehlt es zudem für die Annahme eines gröblichen Verstoßes nach § 5 Abs. 2 Nr. 5 WaffG an der Feststellung, gegen welche Vorschriften des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. c WaffG verstoßen wurde.
24
II. Überdies kann die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben, da in Fällen einer gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung – wie hier in § 45 Abs. 5 WaffG angeordnet – die Gerichte im Rahmen der Interessenabwägung neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nur eine Einzelfallbetrachtung im Hinblick auf solche Umstände durchführen, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. Gerlemann in Steindorf, Waffenrecht, 11. Aufl. 2022, § 45 WaffG Rn. 35). Der Antragsteller hat weder im erstinstanzlichen Verfahren noch im Beschwerdeverfahren Anhaltspunkte dafür vorgetragen, dass er in besonderer Weise auf seine waffenrechtliche Erlaubnis angewiesen ist und hier ausnahmsweise Gründe vorliegen, um von der gesetzlichen Wertung Abstand zu nehmen. Das bloße private Interesse an der Betätigung als Jäger reicht dafür nicht aus.
25
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
C.
26
Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 50.2 und 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013.
27
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).