Titel:
Sofortige Vollziehung einer sicherheitsrechtliche Anordnung zur Beseitigung von Baugeräten von öffentlicher Straße
Normenketten:
StVO § 32 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 27
BayLStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Art. 9 Abs. 1, Abs. 2
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1, Abs. 3, Abs. 5
Leitsätze:
1. In Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 S. 1 VwGO niedergelegten Kriterien zu treffen, indem es zu prüfen hat, ob das Vollzugsinteresse so gewichtig ist, dass der Verwaltungsakt sofort vollzogen werden darf, oder ob das gegenläufige Interesse des Antragstellers an einer Anordnung/Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt; wesentliches Element im Rahmen der insoweit gebotenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, welche dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. An die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs eines Bescheids iSd § 80 Abs. 3 VwGO sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Lagerung eines Krans, von Containern und Baumaterialien auf öffentlicher Straße dürfte eine Ordnungswidrigkeit iSv § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO iVm § 32 Abs. 1 StVO darstellen, sodass eine Beseitigungsanordnung wohl grundsätzlich auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 BayLStVG gestützt werden kann. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtsschutz, Erfolgsaussichten in der Hauptsache, sicherheitsrechtliche Anordnung, Beseitigung eines Baukrans, Ermessensausübung, Störerauswahl, Interessenabwägung, Beseitigung, Baukran, sofortige Vollziehung, Begründung, Ermessen, Verhältnismäßigkeit
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 30.01.2025 – 11 CS 24.1696
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26287
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine sicherheitsrechtliche Anordnung zur Beseitigung eines Baukrans sowie von Containern und Baumaterialien von einer öffentlichen Straße.
2
Die Antragstellerin führt derzeit gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten an einem Gebäude in der *straße 4 im Stadtgebiet der Antragsgegnerin eine Baumaßnahme durch. Hierfür befinden sich auf öffentlicher Straße auf Höhe der Hausnummer 4 ein Baukran sowie Container und Baumaterialien. Auf entsprechenden Antrag des Lebensgefährten der Antragstellerin vom 6. April 2023 erließ die Antragsgegnerin am 5. Juni 2023 eine straßenverkehrsrechtliche Anordnung gemäß §§ 44, 45 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Aufgrund dieser Anordnung wurde die Straße für den Verkehr insgesamt gesperrt und eine entsprechende Umleitung ausgeschildert. Zwischenzeitlich wurde die Anordnung zwei Mal verlängert, zuletzt bis zum 28. März 2024.
3
Mit E-Mail vom 22. März 2024 wandte sich der Lebensgefährte der Antragstellerin an die Antragsgegnerin und bat um erneute Verlängerung der Straßensperrung bis Ende Mai 2024, da sich die Fertigstellung des Bauvorhabens verzögere. Hierauf wurde seitens der Antragsgegnerin mitgeteilt, dass eine Verlängerung der Anordnung nicht mehr erfolgen werde.
4
Mit Bescheid vom 25. April 2024 verpflichtete die Antragsgegnerin den Lebensgefährten der Antragstellerin auf der Grundlage von §§ 44, 45 StVO zur Beseitigung des Krans, der Container und der Baumaterialien und drohte für den Fall der Nichterfüllung Zwangsgelder an. Hiergegen ließ der Lebensgefährte der Antragstellerin Klage erheben (Au 3 K 24.1000) sowie einen Eilantrag stellen (Au 3 S 24.1002). Auf gerichtlichen Hinweis hin, dass der Bescheid wohl auf eine falsche Rechtsgrundlage gestützt worden sei und vor diesem Hintergrund Zweifel an der Ermessensausübung bestünden, hob die Antragsgegnerin diesen Bescheid am 15. Mai 2024 auf, woraufhin die Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und mit Beschluss des Gerichts vom 31. Mai 2024 eingestellt wurden.
5
Am 15. Mai 2024 erließ die Antragsgegnerin einen neuen Bescheid gegen den Lebensgefährten der Antragstellerin und verpflichtete ihn auf der Grundlage des LStVG zur Beseitigung des Krans, der Container und Baumaterialien. Hiergegen ließ der Lebensgefährte der Antragstellerin Klage erheben (Au 8 K 24.1263) und einen Eilantrag stellen (Au 8 S 24.1264). Mit gerichtlichem Beschluss vom 5. Juni 2024 wurde im Eilverfahren die aufschiebende Wirkung der Klage wiederhergestellt. In den Gründen wurde insbesondere auf die Problematik der Störerauswahl nach Art. 9 LStVG und die vor diesem Hintergrund offenen Erfolgsaussichten der Klage hingewiesen. Mit Bescheid vom 1. August 2024 hob die Antragsgegnerin den Bescheid vom 15. Mai 2024 auf, woraufhin das Klageverfahren übereinstimmend für erledigt erklärt und mit Beschluss vom 20. August 2024 eingestellt wurde.
6
Am 8. August 2024 erließ die Antragsgegnerin schließlich einen Bescheid gegenüber der Antragstellerin. Unter Ziffer 1 wurde der Antragstellerin aufgegeben, den Baukran, die Container und alle gelagerten Baumaterialien (Hindernisse) vollständig von der *straße (öffentliche Straße) in * wegzuräumen bzw. wegräumen zu lassen. Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 wurde angeordnet (Ziffer 2). In Ziffer 3 des Bescheids wurden für den Fall der Nichterfüllung der in Ziffer 1 festgelegten Pflichten jeweils Zwangsgelder angedroht (2.500 EUR bei Nichtbeseitigung des Baukrans; 1.000 EUR bei Nichtbeseitigung der Container und 500 EUR bei Nichtbeseitigung der Baumaterialien). Schließlich enthält der Bescheid eine Kostenentscheidung und -festsetzung (Ziffern 4 und 5).
7
Zur Begründung wird ausgeführt, dass die genannten Gegenstände seit 29. März 2024 trotz fehlender verkehrsrechtlicher Anordnung und damit widerrechtlich auf der *straße stünden. Eine Nutzung der öffentlichen Straße sei damit schon seit einem längeren Zeitraum nicht mehr möglich. Gemäß Art. 6, 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG könne die Antragsgegnerin als Sicherheitsbehörde Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, zu unterbinden. Hier liege eine Ordnungswidrigkeit nach § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO vor, da die Antragstellerin die Gegenstände vorsätzlich auf einer öffentlichen Straße lagere und damit verkehrswidrige Zustände nach § 32 StVO verursache. Nach § 32 StVO sei es verboten, Gegenstände auf Straßen zu bringen oder dort liegen zu lassen, wenn dadurch der Verkehr gefährdet oder erschwert werde. Die Maßnahmen seien gemäß Art. 9 Abs. 1 LStVG gegen die Person zu richten, die die Gefahr oder Störung verursacht habe. Die Antragstellerin sei hier sowohl alleinige Grundstückseigentümerin als auch Bauherrin. Die verkehrsrechtlichen Anordnungen seien zwar von ihrem Lebensgefährten beantragt und ihm gegenüber erlassen worden, es entspreche jedoch pflichtgemäßem Ermessen, hier die Antragstellerin in Anspruch zu nehmen. Für die Antragsgegnerin sei nicht erkennbar, ob der Lebensgefährte der Antragstellerin über entsprechende Zugriffsmöglichkeiten auf die Hindernisse verfüge, insbesondere ob er überhaupt befugt wäre, entsprechende Beauftragungen zur Beseitigung der Hindernisse in Auftrag zu geben. Letztlich sei die Antragstellerin als Bauherrin dafür verantwortlich, dass durch die von ihrem Baugrundstück ausgehenden Bauarbeiten keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit resultieren. Es sei zudem davon auszugehen, dass eine Inanspruchnahme der Antragstellerin effektiver und schneller zur Gefahrenbeseitigung sei. Die Beseitigungsanordnung sei auch verhältnismäßig, da die Gegenstände bereits seit knapp zwei Monaten ohne Genehmigung und damit widerrechtlich aufgestellt seien und ein Befahren der öffentlichen Straße nicht mehr möglich sei. Die sofortige Vollziehung werde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse angeordnet. Die seit dem 29. März 2024 vorliegende Ordnungswidrigkeit könne nicht mehr länger hingenommen werden, zumal der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin mit E-Mail vom 19. April 2024 mitgeteilt habe, dass der Baukran lediglich noch bis Ende April 2024 benötigt werde. Der Kran könne auf das Grundstück der Antragstellerin verlegt werden. Ein Baukontrolleur des Landratsamtes habe zudem im Rahmen einer Kontrolle vom 6. Juni 2024 festgestellt, dass die Bauausführung nicht unbedingt dem heutigen Stand der Technik genüge. Die Polizeiinspektion habe außerdem festgestellt, dass die Baustelle nicht ausreichend abgesichert sei. Die Androhung der Zwangsgelder beruhe auf Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG.
8
Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.
9
Am 22. August 2024 ließ die Antragstellerin durch ihren Prozessbevollmächtigten gegen den Bescheid Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Au 8 K 24.2039). Gleichzeitig beantragt sie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes:
10
Die sofortige Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheides der Antragsgegnerin vom 08.08.2024, Aktenzeichen, wird bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache ausgesetzt und die aufschiebende Wirkung der Klage hergestellt.
11
Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei nicht rechtens erfolgt, da die Voraussetzungen von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO nicht erfüllt seien. Die Antragsgegnerin habe zur Begründung angeführt, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung angeblich im öffentlichen Interesse erfolgen würde, ohne jedoch näher darzulegen, welche konkreten Gründe die sofortige Vollziehbarkeit bedingen würden. Der Baukran wäre zwischenzeitlich wohl bereits abgebaut worden, wenn es nicht aus den der Antragsgegnerin bekannten Gründen zu weiteren Verzögerungen gekommen wäre. Auf Veranlassung der Antragsgegnerin sei die streitgegenständliche Baustelle am 7. Juni 2024 von der Gewerbeaufsicht besichtigt worden. Die Arbeiten in der Baugrube seien am selben Tag mittels Bescheid des Gewerbeaufsichtsamtes sofort untersagt worden, da festgestellt worden sei, dass aufgrund einer steil ausgeführten Böschung zur Straße hin eine Unterhöhlung der Fundamente des Mehrfamilienhauses erfolgt sei und zunächst Wiederherstellungs- und Sicherungsarbeiten durchzuführen seien. Daraufhin sei es zu einem mehrwöchigen Baustillstand gekommen. Nachdem nach Durchführung der Arbeiten die Baumaßnahmen weitergeführt werden hätten können, hätten sich die Baufirmen jedoch teilweise in Betriebsurlaub befunden. Die Arbeiten hätten nicht unverzüglich wiederaufgenommen werden können. Der Baukran werde derzeit noch für einige Wochen benötigt. Der Antragstellerin sei nicht daran gelegen, die Vorhaltung des Krans hinauszuzögern. Sie sorge vielmehr genauso wie ihr Lebensgefährte dafür, dass das Bauvorhaben schnellstmöglich fertiggestellt werde. Eine Aufstellung des Krans auf dem eigenen Grundstück sei entgegen der Behauptung der Antragsgegnerin nicht möglich. Ebenso schweige sich die Antragsgegnerin dazu aus, wo das Baumaterial abgestellt werden solle. Es gehe hier außerdem nicht um eine Sperrung einer frequentierten Innenstadt straße, sondern um eine kleine Straße in einem Wohngebiet. Alle Nachbarn würden ihre Grundstücke nach wie vor erreichen. Wie unter anderem die vorgelegte Fotodokumentation zeige, sei der Baukran und die Baumaßnahme selbstverständlich ordnungsgemäß abgesichert. Aus der Begründung der Antragsgegnerin werde nicht ansatzweise deutlich, worin konkret eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit bestehen soll. Anderenfalls hätte die Antragsgegnerin von vornherein die beantragte Aufstellung des Baukrans nicht genehmigen dürfen. Der Abbau des Krans würde einen beträchtlichen finanziellen Schaden mit sich bringen. Dies stehe in keinem Verhältnis zu der angeblichen, tatsächlich aber nicht bestehenden Gefährdung der öffentlichen Sicherheit.
12
Auf die Antragsbegründung wird im Einzelnen verwiesen.
13
Die Antragsgegnerin beantragt,
14
Der Antrag wird abgelehnt.
15
Zur Begründung wird insbesondere Folgendes angeführt: Vorliegend überwiege das Interesse der Antragsgegnerin am sofortigen Vollzug das Interesse der Antragstellerin an der Aufrechterhaltung des Suspensiveffekts der Klage. Das besondere Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin sei ausreichend und umfassend begründet worden. Eine Nutzung der öffentlichen Straße sei bereits seit langem nicht möglich. Zudem sei zur Begründung des Sofortvollzugs auf eine Stellungnahme der Polizeiinspektion * verwiesen worden, in der ausgeführt sei, dass die Baustelle nicht ausreichend abgesichert und eine Beseitigung der Vollsperrung als dringend erforderlich angesehen werde. Zwischenzeitlich hätten sich auch die unmittelbaren Nachbarn der Antragstellerin an die Antragsgegnerin gewandt und mitgeteilt, dass die Baumaßnahme seit vier Wochen ruhe und der Zustand, die öffentliche Straße für die Allgemeinheit auf unbestimmte Zeit zu sperren, nicht hingenommen werden könne. Soweit geltend gemacht werde, dass eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht vorläge, werde dies bereits durch die Aussage der Polizeiinspektion * widerlegt. Bei der voll gesperrten Straße handle es sich um eine öffentliche Straße, die dem Gemeingebrauch unterliege. Zwischenzeitlich seien bereits mehr als 14 Monate vergangen, die Bauarbeiten würden nicht vorangetrieben. Soweit sich die Antragstellerin darauf berufe, dass der Stillstand der Bauarbeiten aus der Baueinstellung des Gewerbeaufsichtsamtes resultiere, könne dem nicht gefolgt werden. Es obliege der Verantwortung der Bauherrin, die Einhaltung der öffentlichen Vorschriften zu gewährleisten. Die Aufstellung des Krans auch auf dem Grundstück der Antragstellerin sei möglich. Auf den beigefügten Auszug aus dem BayernAtlas werde insoweit verwiesen. Die Voraussetzungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 LStVG lägen vor, die Antragstellerin sei in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens als Störerin verpflichtet worden. Schließlich sei die Anordnung der Beseitigung des Baukrans, der Container und aller Baumaterialien auf der öffentlichen Straße verhältnismäßig im Sinne des Art. 8 LStVG.
16
Auf die Antragserwiderung wird im Einzelnen verwiesen.
17
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte (auch in den Verfahren Au 8 K 24.1263, Au 8 S 24.1264 sowie Au 3 K 24.1000 und Au 3 S 24.1002) und der von der Antragsgegnerin vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
18
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
19
1. Der Eilantrag bezieht sich nach seinem ausdrücklichen Wortlaut lediglich auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids. Nicht erfasst ist damit insbesondere die unter Ziffer 3 enthaltene Zwangsgeldandrohung, die kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist (Art. 21a VwZVG). Der Wortlaut des Eilantrags der anwaltlich vertretenen Antragstellerin ist insoweit eindeutig, sodass dem Gericht eine darüberhinausgehende Auslegung des Antragsbegehrens verwehrt ist (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO), zumal die Antragstellerin in der Hauptsache ohne eine solche Beschränkung auf bestimmte Ziffern den streitgegenständlichen Bescheid insgesamt angreift, sodass die durch die anwaltlich vertretene Antragstellerin vorgenommene ausdrückliche Beschränkung des Eilantrags nach § 80 Abs. 5 VwGO dahingehend zu beachten ist.
20
2. In Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO niedergelegten Kriterien zu treffen. Es hat zu prüfen, ob das Vollzugsinteresse so gewichtig ist, dass der Verwaltungsakt sofort vollzogen werden darf, oder ob das gegenläufige Interesse des Antragstellers an einer Anordnung/Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt. Wesentliches Element im Rahmen der insoweit gebotenen Abwägung der widerstreitenden Vollzugs- und Suspensivinteressen ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache, welche dem Charakter des Eilverfahrens entsprechend nur aufgrund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage erfolgen kann. Erweist sich der Rechtsbehelf als offensichtlich Erfolg versprechend, so wird das Interesse des Antragstellers an einer Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage stärker zu gewichten sein, als das gegenläufige Interesse der Antragsgegnerin. Umgekehrt wird eine Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage grundsätzlich nicht in Frage kommen, wenn sich der Rechtsbehelf als offensichtlich aussichtslos darstellt. Sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs nicht eindeutig zu beurteilen, sondern lediglich tendenziell abschätzbar, so darf dies bei der Gewichtung der widerstreitenden Interessen – dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers einerseits und dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin andererseits – nicht außer Acht gelassen werden. Lassen sich nach summarischer Überprüfung noch keine Aussagen über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs machen, ist also der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369; Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 65 ff.; Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 136 ff.).
21
Soweit die Behörde – wie hier – die sofortige Vollziehung ausdrücklich gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, d.h. die aufschiebende Wirkung der Klage nicht bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich bereits die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell rechtswidrig erweist, insbesondere ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung als im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO als nicht ausreichend erweist; ist dies der Fall, hat das Gericht ohne weitere Sachprüfung die Vollziehungsanordnung aufzuheben (vgl. hierzu etwa Eyermann/Hoppe, VwGO, § 80 Rn. 54 ff., 98 m.w.N.).
22
3. Die in Ziffer 2 des Bescheids vom 8. August 2024 hinsichtlich der Ziffer 1 verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung ist formell rechtmäßig, insbesondere sind die sich aus § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ergebenden Begründungserfordernisse gewahrt.
23
An die Begründung sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen (vgl. Eyermann/Hoppe, VwGO, § 80 Rn. 43 ff.). Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde vorliegend im Wesentlichen mit der seit mehreren Monaten andauernden Ordnungswidrigkeit sowie den Feststellungen des Baukontrolleurs des Landratsamts und der Polizeiinspektion bezüglich der Situation auf der Baustelle begründet. Dies genügt den Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, weil die Anordnung des Sofortvollzugs hinreichend konkret und detailliert im Lichte der besonderen sicherheitsrechtlichen Gefährdungslage begründet wurde. Sonstige Gründe, die die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell rechtswidrig erscheinen lassen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Ob die Begründung auch inhaltlich trägt, ist nicht im Rahmen von § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern in der Begründetheit zu prüfen.
24
4. Vorliegend sind die Erfolgsaussichten der Klage nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage sowie bei Ausschöpfung der im Eilverfahren verfügbaren Erkenntnismöglichkeiten der Kammer als gering zu beurteilen.
25
a) Gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 3 LStVG können die Sicherheitsbehörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben für den Einzelfall Anordnungen treffen, um rechtswidrige Taten, die den Tatbestand eines Strafgesetzes oder einer Ordnungswidrigkeit verwirklichen, oder verfassungsfeindliche Handlungen zu verhüten oder zu unterbinden (Nr. 1), um durch solche Handlungen verursachte Zustände zu beseitigen (Nr. 2) bzw. um Gefahren abzuwehren oder Störungen zu beseitigen, die Leben, Gesundheit oder die Freiheit von Menschen oder Sachwerte, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse geboten erscheint, bedrohen oder verletzen (Nr. 3).
26
Da die Lagerung des Krans, der Container und der Baumaterialien auf öffentlicher Straße eine Ordnungswidrigkeit i.S.v. § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO i.V.m. § 32 Abs. 1 StVO darstellen dürfte, konnte die vorliegende Anordnung in Ziffer 1 des Bescheids wohl grundsätzlich auf Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 bzw. Nr. 2 LStVG gestützt werden (vgl. hierzu etwa BayVGH, B.v. 21.9.2022 – 11 ZB 22.881 – juris Rn. 16 ff.; B.v.14.7.2010 – 8 ZB 10.475 – juris Rn. 5).
27
b) In Art. 9 LStVG sind die Grundsätze der Störerauswahl geregelt. Als Bescheidsadressaten in Frage kommen in erster Linie Handlungs- oder Zustandsstörer (vgl. Art. 9 Abs. 1 und 2 LStVG). Kommen mehrere Störer in Betracht, hat die Sicherheitsbehörde in jedem Fall eine Auswahlentscheidung nach pflichtgemäßen Ermessen zu treffen, selbst wenn die Sachlage die Inanspruchnahme nur einer dieser grundsätzlich in Frage kommenden Personen als Störer rechtfertigen würde (BayVGH, B.v. 24.7.2015 – 9 ZB 14.1291 – juris Rn. 10).
28
Vorliegend sind keine (gerichtlich überprüfbaren, vgl. § 114 Satz 1 VwGO) Ermessensfehler erkennbar. Die Antragsgegnerin hat – nach summarischer Prüfung – zu Recht auf die Eigenschaft der Antragstellerin als Grundstückseigentümerin und Bauherrin abgestellt. Es spricht vieles dafür, dass die Antragsgegnerin die Aufstellung des Kranes in Auftrag gegeben hat, und somit auch dafür sorgen kann, dass er wieder entfernt wird. Gleiches gilt für die Container und Baumaterialien. Auch hierfür trägt sie als Bauherrin die Verantwortung. Die Antragsgegnerin hat im Übrigen erkannt, dass sie hier ein Ermessen auszuüben hat und kam im Ergebnis wohl rechtsfehlerfrei zu dem Schluss, dass die Inanspruchnahme der Antragstellerin dem Gebot einer schnellen Gefahrenbeseitigung am effektivsten Rechnung trägt.
29
c) Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Art. 8 LStVG) ist voraussichtlich ebenfalls gewahrt. Auf die Ausführungen im Bescheid wird insoweit verwiesen und ergänzend ausgeführt:
30
Die Antragsgegnerin hat insbesondere berücksichtigt, dass der Kran sowie die übrigen Materialien mittlerweile bereits seit mehr als 14 Monaten auf der öffentlichen Straße lagern, wenn auch zunächst aufgrund einer verkehrsrechtlichen Anordnung rechtmäßig. Wiederholte Zusagen, dass der Kran sowie die übrigen Materialien demnächst abgebaut werden, wurden von der Antragstellerin bzw. ihrem Lebensgefährten nicht eingehalten. Zu Recht wurde seitens der Antragsgegnerin auch der Umstand in die Entscheidung miteinbezogen, dass seitens der Polizeiinspektion festgestellt wurde, dass die Absicherung der Baustelle lückenhaft und nicht ausreichend sei (z.B. fehlerhafte Absicherung bzw. fehlerhafte Beschilderung) und von der Polizeiinspektion daher eine Aufhebung der Vollsperrung als dringend erforderlich angesehen wurde. Die von der Antragstellerin vorgelegten Fotos können bereits mangels Aktualität (Aufnahmedatum: 25. April 2024) zu keinem anderen Ergebnis führen. Schließlich erscheinen auch die Ausführungen der Antragsgegnerin bezüglich der Möglichkeit, den Baukran auf dem Grundstück der Antragstellerin selbst aufzustellen (Bl. 31 f. der Behördenakte sowie S. 6 der Antragserwiderung), nach summarischer Prüfung nachvollziehbar. Die Antragstellerseite ist dieser Einschätzung nicht substantiiert entgegengetreten.
31
5. Nachdem die Klage gegen die Beseitigungsanordnung daher voraussichtlich erfolglos bleiben wird, geht die gemäß § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung – auch unter Berücksichtigung der mit der Beseitigungsanordnung verbundenen (finanziellen) Beeinträchtigungen der Antragstellerin – vorliegend zu Lasten der Antragstellerin aus.
32
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
33
7. Der Streitwert war nach §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG zu bestimmen. Das Gericht orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (dort Nrn. 1.5, 35.1).