Titel:
Abtrennung des Musterverfahrens gegen einen von mehreren Musterbeklagten
Normenketten:
ZPO § 145 Abs. 1, § 249 Abs. 2
KapMuG § 6 Abs. 1 S. 1, § 7, § 11 Abs. 1, § 15 Abs. 1 S. 1, § 16 Abs. 2
Leitsätze:
1. § 145 Abs. 1 ZPO gilt auch im Kapitalanleger-Musterverfahren. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Gericht, dem ein Vorlagebeschluss gem. § 6 Abs. 1 S. 1 KapMuG vorgelegt wird, hat die Reichweite der Sperrwirkung dieses Beschlusses zu beachten; eine Abtrennung scheidet aus, wenn die Einleitung eines konkurrierenden Musterverfahrens nach § 7 S. 1 KapMuG unzulässig ist. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
3. Anders als bei einem Klageverfahren gegen mehrere (einfache) Streitgenossen ist eine Prozesstrennung im Musterverfahren auch dann nicht nach dem Grundsatz der Kosteneinheit sachdienlich, wenn in der Person einzelner Streitgenossen ein Unterbrechungstatbestand eintritt, da eine Kostenentscheidung im erstinstanzlichen Musterverfahren nicht zu treffen ist. (Rn. 55) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Musterverfahren, Musterbeklagter, Abtrennung, Zulässigkeit, Feststellungsziele, Sperrwirkung, Vorlagebeschluss, Erweiterungsanträge, Kosteneinheit, sachdienlich
Vorinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 13.05.2024 – 101 Kap 1/22
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 13.05.2024 – 101 Kap 1/22
Fundstelle:
BeckRS 2024, 24159
Tenor
1. Die Anträge, das Verfahren gegen die Musterbeklagte zu 2) nach § 145 Abs. 1 ZPO abzutrennen, werden zurückgewiesen.
2. Die Anträge, die Verfahren gegen den Musterbeklagten zu 7) und den Musterbeklagten zu 1) nach § 145 Abs. 1 ZPO abzutrennen, werden zurückgewiesen.
Gründe
1
Mit Vorlagebeschluss vom 14. März 2022 (Az. 3 OH 2767/22 KapMuG, im Klageregister veröffentlicht am 16. März 2022) hat das Landgericht München I dem Bayerischen Obersten Landesgericht gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG zahlreiche Feststellungsziele zur Herbeiführung eines Musterentscheids vorgelegt.
2
In dem Vorlageverfahren werden gegen die dortigen beiden Beklagten und hiesigen Musterbeklagten zu 1) und 2) Schadensersatzansprüche wegen Kapitalanlagegeschäften in Aktien der W. AG geltend gemacht. Ihnen wird eine Beteiligung an der Verletzung von Informationspflichten gegenüber dem Kapitalmarkt vorgeworfen. Der Musterbeklagte zu 1) war bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 2020 Vorstandsvorsitzender der W. AG. Die Musterbeklagte zu 2) ist eine Wirtschaftsprüfergesellschaft und war für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 von der W. AG mit der Jahresabschlussprüfung beauftragt. Sie erteilte für die Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der W. AG der Geschäftsjahre 2014 bis 2018 jeweils einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk.
3
Dem Musterbeklagten zu 1) wird nach dem im Vorlagebeschluss wiedergegebenen Lebenssachverhalt vorgeworfen, er habe in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender der W. AG den Kapitalmarkt falsch informiert. Die Konzernabschlüsse und Konzernlageberichte der W. AG für die Geschäftsjahre 2014 bis 2018 seien unrichtig. Der Musterbeklagte zu 1) habe es unterlassen, die W. AG betreffende Kapitalmarktinformationen unverzüglich zu veröffentlichen, und unwahre AdhocMitteilungen veröffentlicht.
4
Der Musterbeklagten zu 2) wird zum Vorwurf gemacht, sie habe falsche Bestätigungsvermerke erstellt und dadurch den Kapitalmarkt unzutreffend informiert sowie Beihilfe zu den angeblichen Informationspflichtverletzungen der W. AG geleistet.
5
Gemäß § 9 Abs. 5 KapMuG sind die Musterbeklagten zu 3) bis 11) zu weiteren Verfahrensbeteiligten geworden.
6
Die Musterbeklagten zu 3), 4), 9) und 11) waren im Rahmen der Jahresabschlussprüfungen 2014 bis 2018 als Wirtschaftsprüfer für die Musterbeklagte zu 2) tätig.
7
Der Musterbeklagte zu 5) war Mitglied des Vorstands der W. AG.
8
Der flüchtige Musterbeklagte zu 6) war bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 2020 Mitglied des Vorstands der W. AG.
9
Die ursprüngliche Musterbeklagte zu 7), die M. Beteiligungsgesellschaft mbH, hat Kredite mit privaten Vermögenswerten des Musterbeklagten zu 1) gesichert. Mit Beschluss des Amtsgerichts Limburg a. d. Lahn vom 21. Februar 2024 (Az. …) wurden die vorläufige Verwaltung ihres Vermögens angeordnet, Rechtsanwalt N. N. zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt und der Schuldnerin ein allgemeines Verfügungsverbot auferlegt (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 22 InsO).
10
Der Musterbeklagte zu 8) ist Insolvenzverwalter des Vermögens der W. AG.
11
Der Musterbeklagte zu 10) leitete die Niederlassung der W. AG in Dubai.
12
Mit Beschluss vom 13. März 2023 (im Klageregister veröffentlicht am 16. März 2023) hat der Senat den Musterkläger bestimmt und die Musterbeklagten zu 1) bis 7) bekannt gemacht. Mit weiteren Beschlüssen vom 13. April 2023 (im Klageregister veröffentlicht am 20. April 2023), vom 16. Oktober 2023 (im Klageregister veröffentlicht am 19. Oktober 2023) und vom 18. März 2024 (im Klageregister veröffentlicht am 21. März 2024) hat der Senat die Musterbeklagten zu 8) bis 11) bekannt gemacht.
13
Der Musterkläger und einzelne Beigeladene haben beantragt, das Verfahren um weitere zahlreiche Feststellungsziele zu erweitern. Über diese Anträge ist noch nicht entschieden.
14
Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2024 hat der Beigeladene AAA unter Verweis auf den Schriftsatz vom 23. November 2022 beantragt, das Verfahren gegen die Musterbeklagte zu 2) („und gegebenenfalls gegen eine weitere Musterbeklagte E. Ltd.“) mit den diese betreffenden Feststellungsanträgen nach § 145 ZPO abzutrennen. Dem Antrag haben sich weitere Beigeladene angeschlossen.
15
Der Musterkläger hat mit Schriftsatz vom 16. Februar 2024 beantragt, das Musterverfahren gegen die Musterbeklagte zu 2) nach § 145 Abs. 1 ZPO abzutrennen.
16
Mit Schriftsatz datierend vom 23. Februar 2024, eingegangen am 22. Februar 2024, haben der Musterkläger und der Beigeladene AAA sowie weitere Beigeladene beantragt, die Verfahren gegen die ursprüngliche Musterbeklagte zu 7) und den Musterbeklagten zu 1) nach § 145 ZPO vom Verfahren gegen die Musterbeklagte zu 2) abzutrennen.
17
Die Antragsteller vertreten die Auffassung, dass eine Abtrennung des Musterverfahrens gegen einzelne Musterbeklagte zulässig sei. Das Musterverfahren sei nach Musterbeklagten trennbar, auch wenn es inhaltlich Zusammenhänge gebe. Die Abspaltung der Vorlagefragen hinsichtlich der Musterbeklagten zu 2) (Abschnitte B. „Teilnahme“, C. „Schaden und Kausalität“ und D. „Zur Zulässigkeit“ des Vorlagebeschlusses) zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung sei aufgrund der hierdurch möglichen Beschleunigung sachgerecht und geboten. Die Vorlagefragen zu Abschnitt A. des Vorlagebeschlusses („Haupttat“) beträfen die Klagen gegen die Musterbeklagte zu 2) und ihre faktische und rechtliche Grundlage nicht. Die Haftung der Musterbeklagten zu 2) setze nicht auf die Haftung „von W.“ auf. Vielmehr handele es sich um Nebentäter. Zudem erfordere es die gesellschaftsrechtliche Umstrukturierung der Musterbeklagten zu 2), die eine künftige Vollstreckung erheblich erschwere und behindere, das Verfahren gegen diese Musterbeklagte vorrangig voranzutreiben. Im Hinblick auf eine Abtrennung des Verfahrens gegen die ursprüngliche Musterbeklagte zu 7) „sowie den mutmaßlich ebenfalls überschuldeten Musterbeklagten zu 1)“ argumentieren die Antragsteller, dass im Falle der Insolvenz eines Musterbeklagten eine Trennung des Musterverfahrens zulässig und sogar geboten sei.
18
Mehrere Beigeladene haben sich gegen eine Abtrennung ausgesprochen. Sie sind der Ansicht, dass eine Verfahrenstrennung im Anwendungsbereich des § 7 KapMuG mit der Grundkonzeption des Musterverfahrens unvereinbar sei. Genauso wie die Einleitung von parallelen Musterverfahren ausgeschlossen sei, sei auch die Aufspaltung eines Musterverfahrens in mehrere Verfahren durch Trennung gemäß § 145 ZPO unzulässig. Andere Beigeladene vertreten die Auffassung, dass eine Trennung auf Seiten der Musterbeklagten in einem Spannungsverhältnis zu § 9 Abs. 5 KapMuG stehe. Im Fall eines durch Prozesstrennung entstehenden gesonderten Musterverfahrens gegen einen von mehreren Musterbeklagten bleibe dieser Musterbeklagte gleichwohl gemäß § 9 Abs. 5 KapMuG auch Musterbeklagter im Ausgangs-Musterverfahren. Die übrigen Musterbeklagten wiederum würden nach § 9 Abs. 5 KapMuG zu Musterbeklagten des abgetrennten Musterverfahrens. Die Parteien blieben auch bei einer Prozesstrennung die gleichen. Allenfalls die Feststellungsziele ließen sich mittels Prozesstrennung separieren.
19
Die Musterbeklagten zu 2), 3), 4) und 9) sind der Auffassung, dass eine Trennung des Musterverfahrens grundsätzlich unzulässig sei. Die Trennung eines zuvor einheitlichen Musterverfahrens „mit potenziell uneinheitlichen Entscheidungen“ laufe der Zielsetzung des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes entgegen, sämtliche gleichgerichteten Feststellungsziele in einem Musterverfahren zu bündeln und einer einheitlichen Entscheidung sowie einheitlichen Feststellungen zuzuführen. Die grundsätzliche Unzulässigkeit einer Abtrennung folge auch aus der mit § 7 KapMuG einhergehenden Sperrwirkung. Eine Abtrennung sei nur zulässig, wenn der abzutrennende Verfahrensteil ein selbständiges Feststellungsziel betreffe, das sich allein bei der Haftung des abzutrennenden Musterbeklagten auswirke. Insofern käme nur die Abtrennung des Verfahrens gegen die Musterbeklagte zu 2) im Hinblick auf die – streitige – Unzulässigkeit des Verfahrens gegen diese in Betracht. Davon abgesehen liege kein sachlicher Grund für eine Abtrennung vor. Verzögerungen, die sich aus der Natur des Musterverfahrens ergäben, seien hinzunehmen. Unabhängig davon sei eine beschleunigte Erledigung des Verfahrens gegen die Musterbeklagte zu 2) durch Verfahrenstrennung nicht zu erwarten, da zahllose Feststellungsziele – wie diejenigen, die auf die Unrichtigkeit der Jahresabschlüsse gerichtet seien – Vorfragen für die Entscheidung der Feststellungsziele gegen die Musterbeklagte zu 2) beinhalteten, über welche zunächst entschieden werden müsse. Auf Grund dieses rechtlichen Zusammenhangs sei eine Trennung der Verfahren auch nicht zweckmäßig.
20
Der Musterbeklagte zu 1) hat sich diesen Ausführungen angeschlossen.
21
Der Musterbeklagte zu 8) ist der Auffassung, dass eine Verfahrenstrennung nach § 145 ZPO im Musterverfahren unstatthaft sei. Eine Anwendung des § 145 ZPO sei mit dem Sinn und Zweck und der gesetzlichen Struktur des Musterverfahrens als Instrument der Verfahrensbündelung und kollektiven Rechtsdurchsetzung unvereinbar und würde entgegen § 7 KapMuG zu mehreren parallelen Musterverfahren führen. Zudem seien die Feststellungsziele und die dahinterstehenden anspruchsbegründenden Voraussetzungen einer Haftung der Musterbeklagten zu 2) in mehrfacher Hinsicht so eng miteinander verbunden, dass ein isoliertes Musterverfahren gegen die Musterbeklagte zu 2) nicht möglich sei. Da dem Vorlagebeschluss die Behauptung einer akzessorischen Haftung der Musterbeklagten zu 2) für die behaupteten Pflichtverletzungen der W. AG und ihrer Organe zugrunde liege, könne über diese Haftung nicht entschieden werden, ohne zuvor Feststellungen über die (behaupteten) Pflichtverletzungen der Musterbeklagten zu 1), 5) bis 7) und 10) zu treffen. Zudem könne im Hinblick auf Handlungen der Musterbeklagten zu 3), 4) und 9), die der Musterbeklagten zu 2) haftungsrechtlich zugerechnet würden, keine isolierte Feststellung über die Haftung der Musterbeklagten zu 2) getroffen werden. Eine Abtrennung wäre verfahrensrechtlich nicht durchführbar. Für eine Abtrennung liege auch im derzeitigen Verfahrensstadium kein sachlicher Grund vor. Schließlich sei wegen des vorläufig eröffneten Insolvenzverfahrens über das Vermögen der ursprünglichen Musterbeklagten zu 7) das Musterverfahren insgesamt unterbrochen.
22
Die Anträge auf Abtrennung haben keinen Erfolg. Die Abtrennung des Musterverfahrens gegen die Musterbeklagte zu 2), den Musterbeklagten zu 1) oder den nunmehrigen Musterbeklagten zu 7) ist unzulässig. Sie wäre im Übrigen auch nicht sachdienlich. Eine Abtrennung des Musterverfahrens betreffend E. Ltd. scheidet aus. Diese ist nicht Musterbeklagte.
23
1. Die beantragte Abtrennung des Musterverfahrens ist jeweils unzulässig.
24
a) Gemäß § 145 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann das Gericht anordnen, dass mehrere in einer Klage erhobene Ansprüche in getrennten Prozessen verhandelt werden, wenn dies aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist. Das Gericht entscheidet auf Antrag, der als Anregung zur Ausübung richterlichen Ermessens zu verstehen ist, oder von Amts wegen nach pflichtgebundenem Ermessen (Vollkommer in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 145 Rn. 5 f.; Wendtland in BeckOK ZPO, 52. Edition Stand: 1. März 2024, § 145 Rn. 10).
25
§ 145 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt zunächst eine Mehrheit von Streitgegenständen infolge objektiver oder subjektiver Klagehäufung voraus (Vollkommer in Zöller, ZPO, § 145 Rn. 3). Ferner muss ein sachlicher Grund zur Trennung vorliegen (Vollkommer in Zöller, ZPO, § 145 Rn. 4 m. w. N.). Schließlich darf keine notwendige Verbindung zwischen den erhobenen Ansprüchen bestehen (Vollkommer in Zöller, ZPO, § 145 Rn. 5; Stadler in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 145 Rn. 3). Die Möglichkeit einander widersprechender Entscheidungen hindert dagegen eine Prozesstrennung nicht (vgl. Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, § 145 ZPO Rn. 11 m. w. N.).
26
b) § 145 Abs. 1 ZPO gilt – zumindest in entsprechender Anwendung – auch im Kapitalanleger-Musterverfahren.
27
aa) § 145 Abs. 1 ZPO steht zwar nicht im Abschnitt der im ersten Rechtszug für das Verfahren vor den Landgerichten geltenden Vorschriften der Zivilprozessordnung (§ 253 bis § 494a ZPO), die nach der ausdrücklichen Anordnung in § 11 Abs. 1 KapMuG auf das Musterverfahren entsprechend anzuwenden sind, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Gemäß § 3 Abs. 1 EGZPO findet die Zivilprozessordnung aber auf alle bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten Anwendung, welche vor die ordentlichen Gerichte gehören. Dies gilt auch für das Musterverfahren (vgl. Kruis in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 11 KapMuG Rn. 20; BTDrs. 15/5091 S. 22 zur Anwendbarkeit des § 249 ZPO i. V. m. § 3 EGZPO hinsichtlich der Wirkung einer Unterbrechung).
28
Eine speziellere Vorschrift, die der entsprechenden Anwendung von § 145 Abs. 1 ZPO auf das Musterverfahren entgegenstünde, enthält das KapitalanlegerMusterverfahrensgesetz nicht. Die Anwendung von § 145 Abs. 1 ZPO ist im Musterverfahren auch nicht ausdrücklich ausgeschlossen.
29
bb) Ob und inwieweit § 145 Abs. 1 ZPO im Kapitalanleger-Musterverfahren anwendbar ist, ist in der Literatur allerdings umstritten.
30
(1) Eine Ansicht lehnt die Anwendung der Regelung zur Verfahrenstrennung im Musterverfahren grundsätzlich ab, da diese mit der Grundkonzeption des Musterverfahrens unvereinbar sei. Nach Einleitung eines Musterverfahrens aufgrund gleichgerichteter, also den gleichen zugrundeliegenden Sachverhalt betreffender Feststellungziele sei die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens zu gleichgerichteten Feststellungszielen gemäß § 7 KapMuG ausgeschlossen.
31
Deshalb stehe § 7 KapMuG einer Verfahrenstrennung entgegen (Kruis in Wieczorek/Schütze, ZPO, § 11 KapMuG Rn. 36; ebenso Kotschy in Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl. 2020, § 11 Rn. 22; Vollkommer in Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 81). Anderes soll nur gelten, sofern der abzutrennende Verfahrensteil ein selbständiges Feststellungsziel betrifft, das sich nur bei der Haftung des abzutrennenden Musterbeklagten auswirkt (Vollkommer in Kölner Kommentar zum KapMuG, § 11 Rn. 82), oder – generell – falls einen von mehreren Musterbeklagten isoliert ein Ereignis trifft, das nach den allgemeinen Regeln der §§ 239 ff. ZPO zu einer Unterbrechung und Aussetzung führt und nicht alsbald behoben werden kann (Kotschy in Vorwerk/Wolf, KapMuG, § 11 Rn. 22).
32
(2) Nach anderer Auffassung ist eine Verfahrenstrennung auch im Musterverfahren denkbar, wobei das für das Musterverfahren zuständige Gericht bei der Entscheidung insbesondere darauf zu achten habe, dass nicht Musterverfahren mit gegenseitiger Sperrwirkung im Sinne des § 7 Satz 1 KapMuG entstehen (Asmus in Asmus/Waßmuth, Kollektive Rechtsdurchsetzung, 2022, § 11 KapMuG Rn. 88 f.).
33
cc) Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an. Die Anwendung des § 145 Abs. 1 ZPO ist im Musterverfahren nicht von vorneherein ausgeschlossen. Eine Verfahrenstrennung nach dieser Vorschrift ist jedoch nur möglich, soweit sie weder einzelnen Regelungen des Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetzes noch der Konzeption des Musterverfahrens an sich widerspricht. Insbesondere darf durch eine Abtrennung die Regelung des § 7 KapMuG nicht umgangen werden. Zudem ist der Streitgegenstand im Musterverfahren anders als im Klageverfahren zu bestimmen.
34
(1) Ist bereits ein Vorlagebeschluss ergangen, ist die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens unzulässig, sofern die Entscheidung des Ausgangsrechtsstreits von den Feststellungszielen des Musterverfahrens abhängt, § 7 Satz 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 KapMuG. § 7 Satz 1 KapMuG sperrt die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens auch für Anspruchsvoraussetzungen, die nicht Gegenstand der Feststellungsziele des bereits eingeleiteten Musterverfahrens sind. Zwar kann ein Ausgangsverfahren nur im Hinblick auf die Feststellungsziele des bereits eingeleiteten Musterverfahrens und nicht im Hinblick auf weitere Feststellungsziele, die für im Verfahren erhobene Ansprüche (§ 1 Abs. 1 KapMuG) entscheidungserheblich wären, gemäß § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzt werden. Dies ändert aber nichts daran, dass eine Entscheidung über die Feststellungsziele des bereits eingeleiteten Musterverfahrens im Falle der Aussetzung bindende Wirkung hätte (BGH, Beschluss vom 16. Juni 2020, II ZB 10/19, WM 2020, 1418 Rn. 28).
35
Die Bindungswirkung des § 7 KapMuG greift allerdings nicht bereits dann, wenn den Feststellungszielen des Musterverfahrens und den im streitigen Verfahren erhobenen Ansprüchen der gleiche Lebenssachverhalt zu Grunde liegt. Entscheidend ist vielmehr die Vorgreiflichkeit (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2020, II ZB 10/19, WM 2020, 1418 Rn. 25). Die Bindungswirkung des Musterentscheids ist zudem auf diejenigen Ansprüche nach § 1 Abs. 1 KapMuG beschränkt, die Gegenstand der Feststellungsziele sind. Für Schadensersatzansprüche, die auf die Unrichtigkeit einer anderen Kapitalmarktinformation gestützt werden, entfalten die Feststellungen des Musterentscheids keine Wirkung (BGH, WM 2020, 1418 Rn. 27; Beschluss vom 22. November 2016, XI ZB 9/13, BGHZ 213, 65 Rn. 53).
36
(2) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Anwendung des § 145 Abs. 1 ZPO im Musterverfahren entgegen der in der Literatur teilweise vertretenen Auffassung nicht generell ausgeschlossen. Denn trotz der gesetzgeberischen Ziele, durch die Bündelung gleichgerichteter Ansprüche das Kostenrisiko für den Einzelnen und die Gefahr divergierender Entscheidungen zu senken sowie die Gerichte durch die einheitliche Klärung bestimmter Tatsachen- und Rechtsfragen für eine Vielzahl von gleichgelagerten Rechtsstreitigkeiten zu entlasten (BT-Drs. 15/5091 S. 16 f.; BTDrs. 17/8799 S. 13), werden verschiedene Musterverfahren zu einem gleichen Lebenssachverhalt durch das Gesetz nicht ausgeschlossen (vgl. BGH, WM 2020, 1418 Rn. 20). Entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Frage, ob konkurrierende Musterverfahren rechtlich zulässig sind, ist die Bindungswirkung der Entscheidung über die Feststellungsziele des jeweiligen Musterverfahrens. Maßgeblich ist danach – wie für die Frage der Abhängigkeit nach § 7 Satz 1, § 8 Abs. 1 KapMuG –, ob mit der Entscheidung über die Feststellungsziele des bereits eingeleiteten Musterverfahrens eine Bindung des Prozessgerichts nach § 22 Abs. 1 Satz 1 KapMuG eintreten kann (BGH, WM 2020, 1418 Rn. 20 m. w. N.).
37
(3) Eine Aufspaltung des Musterverfahrens nach Musterbeklagten – ohne gleichzeitige Abtrennung einzelner Feststellungsziele – ist allerdings unzulässig.
38
Eine Abtrennung kommt von vornherein nur hinsichtlich einzelner Feststellungsziele in Betracht. Denn im Kapitalanleger-Musterverfahren hat die Prüfung der Trennbarkeit anhand der verfahrensgegenständlichen Feststellungsziele zu erfolgen.
39
Im Zivilprozess wird nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die vom Kläger in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet. Zum Anspruchsgrund sind alle Tatsachen zu rechnen, die bei einer natürlichen, vom Standpunkt der Parteien ausgehenden, den Sachverhalt seinem Wesen nach erfassenden Betrachtungsweise zu dem zur Entscheidung gestellten Tatsachenkomplex gehören, den der Kläger zur Stützung seines Rechtsschutzbegehrens dem Gericht vorträgt (st. Rspr.; BGH, Urt. v. 5. Juli 2016, XI ZR 254/15, BGHZ 211, 189 Rn. 24; BGH, Urt. v. 22. Oktober 2013, XI ZR 42/12, BGHZ 198, 294, Rn. 15; BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991, BGHZ 117, 1 [juris Rn. 14]; jeweils m. w. N.). Abweichend hiervon bildet im KapitalanlegerMusterverfahren jedes Feststellungsziel im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 KapMuG ein gesondertes Rechtsschutzbegehren und einen eigenen Streitgegenstand des Musterverfahrens (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2020, II ZB 19/19, WM 2020, 1774 Rn. 19; BGH, WM 2020, 1418 Rn. 21; BGH, Beschluss vom 19. September 2017, XI ZB 17/15, BGHZ 216, 37 Rn. 32).
40
c) Die Anträge auf Abtrennung des Verfahrens gegen die Musterbeklagte zu 2) sind entsprechend den Ausführungen im Schriftsatz vom 23. November 2022 dahingehend auszulegen, dass in einem gesonderten Musterverfahren gegen die Musterbeklagte zu 2) die Feststellungsziele der Abschnitte B., C. und D. des Vorlagebeschlusses geklärt werden sollen. Die Abtrennung dieser Feststellungsziele ist jedoch wegen Verstoßes gegen § 7 KapMuG unzulässig. Sie würde der gesetzlichen Konzeption einer Bündelung aller Feststellungsziele in einem einheitlichen Musterverfahren zuwiderlaufen und eine Umgehung des § 7 KapMuG darstellen.
41
aa) Das Gericht, dem ein Vorlagebeschluss gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG vorgelegt wird, hat die Reichweite der Sperrwirkung dieses Beschlusses zu beachten; eine Abtrennung scheidet aus, wenn die Einleitung eines konkurrierenden Musterverfahrens nach § 7 Satz 1 KapMuG unzulässig ist. Die Frage, ob die Einleitung eines weiteren Musterverfahrens nach § 7 Satz 1 KapMuG zulässig ist, hat das für das Musterverfahren zuständige Gericht nicht anhand der Verfahren zu beurteilen, in denen gleichgerichtete Musterverfahrensanträge gestellt oder die nach der Bekanntmachung des Vorlagebeschlusses nach § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzt wurden, sondern anhand des Vorlagebeschlusses, der nach § 6 Abs. 3 KapMuG die Feststellungsziele und eine knappe Darstellung des den Musterverfahrensanträgen zu Grunde liegenden Lebenssachverhalts enthält (vgl. BGH, WM 2020, 1418 Rn. 17). Die Frage der Abtrennbarkeit einzelner Feststellungsziele ist mithin ebenfalls anhand des Vorlagebeschlusses zu beurteilen.
42
bb) Eine Abtrennung wäre danach im Streitfall nur möglich, sofern eine Entscheidung über die Feststellungsziele des Abschnitts A. des Vorlagebeschlusses, die nicht Gegenstand des abzutrennenden Musterverfahrens werden sollen, für die Entscheidung der gegen die Musterbeklagte zu 2) geführten und nach § 8 Abs. 1 KapMuG ausgesetzten Rechtsstreitigkeiten keine Bindungswirkung entfalten würde.
43
Das ist jedoch nicht der Fall.
44
(1) Ausweislich des im Vorlagebeschluss dargestellten Lebenssachverhalts wird die Musterbeklagte zu 2) in dem diesem Beschluss zugrundeliegenden Ausgangsrechtsstreit (auch) wegen Beihilfe zu kapitalmarktrechtlichen Pflichtverletzungen der W. AG in Anspruch genommen. Die geltend gemachte Haftungsgrundlage ist anhand des Vorlagebeschlusses zu bestimmen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2022, XI ZB 13/21, WM 2023, 1370 Rn. 34). Abschnitt B. der Feststellungsziele trägt die Überschrift „Zur Frage von Teilnahme“. Gemäß den Feststellungszielen B. I. 1. und B. II. 1. soll festgestellt werden, dass die Musterbeklagte zu 2) die „Verletzung der in den §§ 37b, 37c WpHG a.F.“ bzw. „der in den §§ 37v WpHG geregelten Publizitätspflichten durch die W. AG“ objektiv gefördert habe. Fehl geht daher mit Blick auf den Vorlagebeschluss die Auffassung der Beigeladenen BBB, die Haftung der Musterbeklagten zu 2) sei von der Haftung der W. AG unabhängig. Beihilfe ist nur zu einer bestimmten Haupttat möglich. Die tatbestandliche Verwirklichung der Haupttat ist notwendige Voraussetzung einer Verantwortlichkeit wegen Beihilfe. Insofern sind sämtliche Feststellungsziele des Abschnitts A., die kapitalmarktrechtliche Pflichtverletzungen der W. AG betreffen, für die Entscheidung sämtlicher gegen die Musterbeklagte zu 2) geführten, ausgesetzten Rechtsstreitigkeiten vorgreiflich. Die Entscheidung über die dort genannten Feststellungsziele entfaltet Bindungswirkung auch für die Verfahren gegen die Musterbeklagte zu 2). Gleiches gilt für diejenigen Feststellungsziele des Abschnitts A., die das Handeln des Musterbeklagten zu 1) betreffen, da der W. AG als juristischer Person das Handeln ihrer Organe gemäß § 31 BGB zugerechnet wird und auf diesem rechtlichen Gesichtspunkt die das Handeln des Musterbeklagten zu 1) betreffenden Feststellungsziele des Abschnitts A. beruhen. Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist ferner weder für das Musterverfahren noch für die ausgesetzten Ausgangsrechtsstreite „rechtskräftig festgestellt“, dass „die Zahlen bei W. falsch“ waren. Unabhängig davon, dass der Vortrag in dieser Pauschalität unsubstantiiert ist, geht aus den im Vorlagebeschluss enthaltenen Feststellungszielen A. I. 1. bis 5. und dem Lebenssachverhalt hervor, dass die Richtigkeit verschiedener Angaben in den Geschäftsberichten zwischen den Parteien – worauf es wegen der Relativität der Prozessrechtsverhältnisse ankommt – streitig und deren Unrichtigkeit auch nicht erwiesen ist. Die in den Feststellungszielen A. I. 1. bis 5. enthaltenen Tatsachenbehauptungen wurden im Musterverfahren durch die Musterbeklagte zu 2) auch nicht unstreitig gestellt.
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(2) Hinsichtlich des Feststellungsziels C. ist darüber hinaus zu beachten, dass dieses nicht allein den gegen die Musterbeklagte zu 2) geltend gemachten Ansprüchen zuzuordnen ist. Eine Entscheidung über dieses Feststellungsziel entfaltet vielmehr Bindungswirkung sowohl für die Ausgangsverfahren gegen den Musterbeklagten zu 1) als auch für die Ausgangsverfahren gegen die Musterbeklagte zu 2). Denn Fragen zur haftungsbegründenden Kausalität stellen sich sowohl im Rahmen der Haftung des Musterbeklagten zu 1) als auch im Rahmen der Haftung der Musterbeklagten zu 2). Aus dem Lebenssachverhalt des Vorlagebeschlusses geht hervor, dass gegenüber dem Musterbeklagten zu 1) und der Musterbeklagten zu 2) ein Kursdifferenzschaden geltend gemacht wird (vgl. LG München I, Beschluss vom 14. März 2022, 3 OH 2767/22, S. 9 f.).
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d) Aus den dargestellten Gründen ist auch umgekehrt eine Abtrennung des Verfahrens gegen den Musterbeklagten zu 1) mit den diesen betreffenden Feststellungszielen unzulässig.
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e) Eine Abtrennung des Verfahrens gegen den Musterbeklagten zu 7) kommt aus den vorstehend ausgeführten Gründen bereits deshalb nicht in Betracht, weil Feststellungsziele, welche allein die M. Beteiligungsgesellschaft mbH betreffen, im Vorlagebeschluss nicht enthalten sind. Die Verfahren gegen die M. Beteiligungsgesellschaft mbH wurden aufgrund der Vorgreiflichkeit der Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses ausgesetzt. Eine Abtrennung des Verfahrens gegen den Musterbeklagten zu 7) mit jedenfalls einem Teil dieser Feststellungsziele würde zu einem zweiten, parallel laufenden Musterverfahren mit teils identischen Feststellungszielen führen, was gemäß § 7 KapMuG gerade nicht zulässig ist.
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Auch die mit dem Erlass eines allgemeinen Verfügungsverbots (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO) verbundene Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters für das Vermögen der M. Beteiligungsgesellschaft, die – wie der Senat in einem deklaratorischen Beschluss vom heutigen Tag ausgeführt hat – zu einer Unterbrechung des Musterverfahrens gegen den nunmehrigen Musterbeklagten zu 7) geführt hat, vermag die Zulässigkeit der Abtrennung nicht zu begründen.
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Im Falle einer Unterbrechung des Musterverfahrens gegen einzelne Musterbeklagte ergehen Feststellungen zu den Feststellungszielen nur in den nicht von der Unterbrechung betroffenen Prozessrechtsverhältnissen. Die getroffenen Feststellungen entfalten für das unterbrochene Prozessrechtsverhältnis keine Bindungswirkung (Relativität der Prozessrechtsverhältnisse). Im Übrigen sind Handlungen des Gerichts während der Unterbrechung des Verfahrens gegen den Musterbeklagten zu 7) in diesem Prozessrechtsverhältnis unwirksam (§ 3 EGZPO i. V. m. § 249 Abs. 2 ZPO). § 249 Abs. 2 ZPO regelt zwar nur die Unwirksamkeit der von einer Partei in Bezug auf die Hauptsache vorgenommenen Prozesshandlungen der anderen Partei gegenüber; entsprechendes gilt aber für gerichtliche Handlungen, die nach außen vorgenommen werden (allg. M.; vgl. BGH, Beschluss vom 19. März 2024, X ARZ 119/23, juris Rn. 24; BGH, Beschluss vom 11. Januar 2023, XII ZB 538/21, MDR 2023, 518 Rn. 11; BGH, Beschluss vom 31. März 2004, XII ZR 167/00, MDR 2004, 1077 [juris Rn. 4]; BGH, Urt. v. 21. Juni 1995, VIII ZR 224/94, MDR 1995, 1163 [juris Rn. 5]; jeweils m. w. N.; Gerken in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2022, § 249 Rn. 20 m. w. N.; Stackmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 249 Rn. 19 m. w. N.).
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Es besteht jedoch die Möglichkeit, dass die Unterbrechung des Musterverfahrens gegen den Musterbeklagten zu 7) vor einer (Teil-)Entscheidung des Gerichts über die Feststellungsziele entweder durch Aufhebung des der M.
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Beteiligungsgesellschaft mbH auferlegten allgemeinen Verfügungsverbots (§ 21 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1, § 22 Abs. 1 Satz 1 InsO) oder durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und anschließende Aufnahme zumindest eines der Ausgangsverfahren nach den für das Insolvenzverfahren geltenden Vorschriften gemäß § 3 EGZPO in Verbindung mit § 250 ZPO endet (vgl. hierzu den deklaratorischen Beschluss des Senats vom heutigen Tag zur Unterbrechung des Musterverfahrens gegen den Musterbeklagten zu 7]). In diesem Fall unterfielen die Prozessgerichte und die Beteiligten der Ausgangsverfahren der Bindungswirkung gemäß § 22 KapMuG. Eine zuvor erfolgte Abtrennung des Musterverfahrens gegen den Musterbeklagten zu 7) wäre wegen Verstoßes gegen § 7 KapMuG unzulässig; die Verfahren müssten wieder verbunden werden. Die Verfahrenstrennung hätte letztlich zur Folge, ein weiteres unterbrochenes Musterverfahren zu schaffen, obwohl dies aus prozessualen Gründen nicht erforderlich ist.
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f) Eine Abtrennung des Verfahrens im Hinblick auf (einzelne) Feststellungsziele der Erweiterungsanträge ist bereits deshalb unzulässig, weil diese nicht Gegenstand des Musterverfahrens sind. Die beantragten Feststellungsziele würden erst durch einen Erweiterungsbeschluss gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 KapMuG zum Gegenstand des Musterverfahrens (vgl. BGHZ 216, 37 Rn. 32 m. w. N.).
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2. Eine Abtrennung des Verfahrens im Hinblick auf die Feststellungsziele der Abschnitte B., C. und D. (gegenüber der Musterbeklagten zu 2]) oder umgekehrt im Hinblick auf die Feststellungsziele des Abschnitts A. (gegenüber dem Musterbeklagten zu 1]) wäre im Übrigen nicht sachdienlich. Gleiches gilt für eine Abtrennung des Verfahrens gegen den nunmehrigen Musterbeklagten zu 7).
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a) Zwar ist das Interesse an der beschleunigten Erledigung abtrennbarer Teile eines Rechtsstreits grundsätzlich als sachlicher Grund für eine Prozesstrennung nach § 145 Abs. 1 ZPO anzuerkennen (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, § 145 Rn. 4 m. w. N.). Da die Feststellungsziele des Abschnitts A. aber anspruchsbegründende Voraussetzungen sowohl für eine Haftung des Musterbeklagten zu 1) als auch für eine Haftung der Musterbeklagten zu 2) darstellen, und, wie bereits ausgeführt, in den Feststellungszielen des Abschnitts B. Feststellungen aus den Feststellungszielen zu A. inzident enthalten sind, wären diese Feststellungsziele in beiden Musterverfahren zu prüfen. Dies wäre in höchstem Maße prozessunökonomisch und würde dem gesetzgeberischen Ziel, die Gefahr divergierender Entscheidungen zu gleichgerichteten Sachverhalten zu senken, zuwiderlaufen.
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b) Eine Abtrennung des Verfahrens gegen den nunmehrigen Musterbeklagten zu 7) ist nicht sachdienlich, da das Verfahren im Übrigen fortgesetzt werden kann. Die Unterbrechung des Musterverfahrens betrifft nur die Prozessrechtsverhältnisse zwischen dem Musterbeklagten zu 7) und den Beigeladenen, die in ihrem jeweiligen Ausgangsverfahren Klage gegen die M. Beteiligungsgesellschaft mbH erhoben haben (vgl. Senatsbeschluss vom heutigen Tag). Auch der Grundsatz der Kosteneinheit (vgl. Jaspersen in BeckOK ZPO, § 92 Rn. 9, 22; Schulz in Münchener Kommentar zur ZPO, § 91 Rn. 7, § 92 Rn. 6; Herget in Zöller, ZPO, § 92 Rn. 6) gebietet keine Abtrennung. Bei einem Klageverfahren gegen mehrere (einfache) Streitgenossen kann eine Prozesstrennung nach § 145 Abs. 1 ZPO im Hinblick auf die zu treffende Kostenentscheidung sachdienlich sein, wenn in der Person einzelner Streitgenossen ein Unterbrechungstatbestand eintritt. Anders als im Klageverfahren ist eine Kostenentscheidung im erstinstanzlichen Musterverfahren aber nicht zu treffen (§ 16 Abs. 2 KapMuG).
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3. Eine Abtrennung im Hinblick auf E. Ltd. scheidet aus, da diese nicht Partei des Musterverfahrens ist.