Titel:
Beginns der erstmaligen technischen Herstellung einer Erschließungsanlage
Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1
KAG Art. 5 Abs. 1 S. 1, S. 3, Art. 5a Abs. 7 S. 2
BauGB § 128 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Leitsätze:
1. Die Frage, wie weit eine einzelne Straße als beitragsfähige Einrichtung (Art. 5 Abs. 1 S. 1 und S. 3 KAG) reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, ist grundsätzlich nach dem Gesamteindruck zu beantworten, den die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenbreite und -länge sowie Ausstattung mit Teileinrichtungen vermitteln. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der fristauslösende Beginn wird nicht durch irgendwelche sichtbaren Bauarbeiten markiert, sondern nur durch solche, die objektiv auf die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage gerichtet sind. Gemeint ist der Beginn des sichtbaren technischen Ausbaus („erster Spatenstich), an dessen Ende die jeweilige Erschließungsanlage in der gesamten vorgesehenen Ausdehnung mit sämtlichen vorgesehenen Teileinrichtungen erstmalig hergestellt ist. Die Frage nach dem Beginn kann ebenso wie diejenige nach dem Ende der erstmaligen technischen Herstellung allein danach beurteilt werden, welche Planung die Gemeinde als Trägerin der Erschließungsaufgabe verfolgt. Maßgeblich sind daher neben dem Teileinrichtungs- und dem technischen Ausbauprogramm in der Erschließungsbeitragssatzung insbesondere das auf die konkrete Anlage bezogene Bauprogramm, das von der Gemeinde auch formlos aufgestellt werden kann und in der Regel wird. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
3. Mit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer Straße ist die erste sichtbare Baumaßnahme gemeint, mit der das gemeindliche Bauprogramm für eine bestimmte Straße (Teilstrecke) verwirklicht werden soll. Daran fehlt es etwa, wenn die Gemeinde lediglich ein Provisorium anlegen will, also nur irgendeine Verkehrsanlage, um für anliegende Grundstücke eine Bebauung zu ermöglichen oder um eine Verbindung zwischen zwei Straßen herzustellen. Um den Beginn der technischen Herstellung einer Erschließungsanlage handelt es sich auch nicht, wenn die Gemeinde lediglich beabsichtigt, eine Teileinrichtung wie etwa die Fahrbahn technisch herzustellen, ihre Planung also die übrigen Teileinrichtungen nicht einschließt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
4. Im Bauprogramm legt die Gemeinde (als Trägerin der Erschließungslast) fest, was sie durchführen will (und muss), um eine geplante Straßenbaumaßnahme so zu verwirklichen, dass eine Beitragserhebung nach Art. 5a KAG in Betracht kommt. Dem gemeindlichen Bauprogramm kommt im jeweiligen Einzelfall ausschlaggebende Bedeutung insbesondere dafür zu, ob eine Straßenbaumaßnahme als beitragsfähige Maßnahme zu qualifizieren, wann mit der Maßnahme begonnen wird, wann sie abgeschlossen und in welchem Umfang der mit ihr verbundene Aufwand beitragsfähig ist. Voraussetzung dafür, dass diese Fragen später verlässlich beantwortet werden können, ist ein hoher Grad an Bestimmtheit des entsprechenden Bauprogramms. Es muss mit anderen Worten hinreichend deutlich bestimmt werden, wo, was und wie (Fahrbahn, Gehwege, Radwege, Grünpflanzungen, Parkflächen usw.) gebaut werden soll. Nicht alle Bauarbeiten an einer Straße zielen damit von vornherein bereits auf deren endgültige Herstellung ab; dies kann auch bei der späteren Fortführung von Baumaßnahmen an der Straße nicht zwangsläufig angenommen werden. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erschließungsbeitragsrecht, Erschließungsanlage, Ausdehnung der einzelnen Ortsstraße als beitragsfähige Einrichtung, Zulassung der Berufung, ernstliche Zweifel, Grenzen richterlicher Überzeugungsbildung, Verkehrsanlage, erstmaligen technischen Herstellung, Bauprogramm, Straßenbaumaßnahme
Vorinstanz:
VG Augsburg, Urteil vom 20.07.2023 – Au 2 K 21.1033
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2091
Tenor
I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 20. Juli 2023 – Au 2 K 21.1033 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 26.782,96 € festgesetzt.
Tatbestand
Gründe
1
Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil (in seinem klageabweisenden Teil) zuzulassen, bleibt ohne Erfolg.
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Die innerhalb der Begründungsfrist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils, der besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten und der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO) liegen nicht vor.
3
1. Die Klägerin wendet sich gegen den Bescheid vom 29. März 2021, mit dem sie von der beklagten Gemeinde als Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 2947 zu einem Erschließungsbeitrag für die erstmalige Herstellung der Erschließungsanlage „A3.weg (Nord)“ in Höhe von 26.891,78 € herangezogen worden ist. Die etwa 150 m lange zur Abrechnung gestellte Erschließungsanlage „A3.weg (Nord)“ beginnt an der Einmündung in den F.-wegs im Norden und endet im Süden bei der FlNr. 2947, wo sich der Weg an einer Gabelung aufspaltet und westlich weiter als „A3.weg“ in den Außenbereich und östlich weiter als „N. Weg“ verläuft. Mit dem angegriffenen Urteil hat das Verwaltungsgericht den Beitragsbescheid lediglich in Höhe eines Betrages von 182,82 € als rechtswidrig angesehen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Augenschein stelle sich der der Abrechnung räumlich zugrunde gelegte Teil der O. straße „A3.weg“ (A3.weg Nord) als eigenständig zu betrachtende Erschließungsanlage dar. Die sachlichen Beitragspflichten seien erst im Jahr 2021 entstanden, da die streitgegenständliche Erschließungsanlage auch nach den Baumaßnahmen in den 1990er Jahren weder über einen frostsicheren Unterbau noch über eine ausreichende Straßenentwässerung verfügt habe. Der Erhebung von Erschließungsbeiträgen stehe auch der am 1. April 2021 in Kraft getretene Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG nicht entgegen. Weder die in den Jahren 1979 und 1990 erfolgte Installation von insgesamt vier Straßenleuchten entlang des ca. 150 m langen A.-wegs (Nord) noch die Anfang der 1990er Jahre im nördlichen Bereich der streitgegenständlichen Anlage durchgeführten Straßenbaumaßnahmen seien als Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der Erschließungsanlage „A3.weg“, anzusehen; sie stellten sich vielmehr als Provisorien dar. Jedenfalls seien sie nicht getragen von einer entsprechenden Entscheidung des zuständigen Gemeindeorgans objektiv auf die erstmalige und endgültige merkmalsgerechte Herstellung des A.-wegs als Erschließungsanlage gerichtet gewesen. Der entsprechende Beschluss des Gemeinderates der Beklagten sei vielmehr erst in der Sitzung vom 23. Oktober 2019 gefasst worden.
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2. Die von der Klägerin gegen das erstinstanzliche Urteil vorgebrachten Einwände rechtfertigen die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 VwGO nicht.
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a) An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Solche Zweifel wären anzunehmen, wenn ein in der angegriffenen Entscheidung enthaltener einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt würde (zu diesem Maßstab BVerfG‚ B.v. 21.1.2009 – 1 BvR 2524/06 – JZ 2009‚ 850/851; B.v. 23.6.2000 NVwZ 2000, 1163/1164). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 28.4.2022 – 6 ZB 21.2951 – juris Rn. 3; B.v. 15.2.2018 – 6 ZB 17.2521 – juris Rn. 4). Das ist nicht der Fall.
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Die Einwände, die der Zulassungsantrag den erstinstanzlichen Erwägungen entgegenhält, begründen weder in rechtlicher noch in tatsächlicher Hinsicht Zweifel an der Richtigkeit des Urteils, denen in einem Berufungsverfahren weiter nachzugehen wäre.
8
aa) Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ergeben sich nicht aus der Rüge, die als „A3.weg“ mit dem verfahrensgegenständlichen Bescheid abgerechnete Anlage sei entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts bei der gebotenen Gesamtbetrachtung der maßgeblichen Umstände aus erschließungsbeitragsrechtlicher Sicht nur als Teil einer einheitlichen Erschließungsanlage aus diesem A3.weg und der weiterführenden Straße „N. Weg“ zu qualifizieren.
9
Das Verwaltungsgericht ist in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. etwa BayVGH, U.v. 30.11.2016 – 6 B 15.1835 – juris Rn. 23; U.v. 30.6.2011 – 6 B 08.369 – juris Rn. 18; B.v. 25.8.2016 – 6 ZB 16.410 – juris Rn. 5 m.w.N.) davon ausgegangen, dass sich die Frage, wie weit eine einzelne O. straße als beitragsfähige Einrichtung (Art. 5 Abs. 1 Sätze 1 und 3 KAG) reicht und wo eine andere Verkehrsanlage beginnt, grundsätzlich nach dem Gesamteindruck beantwortet, den die tatsächlichen Verhältnisse einem unbefangenen Beobachter im Hinblick auf Straßenführung, Straßenbreite und -länge sowie Ausstattung mit Teileinrichtungen vermitteln. Auf dieser Grundlage ist es nach Inaugenscheinnahme des Straßenzugs – mit nachvollziehbaren Erwägungen – zu der Auffassung gelangt, dass die Straßen A3.weg und N. Weg sich jeweils als eigenständige Elemente des örtlichen Straßennetzes darstellen. Dieser Bewertung hat es folgende im Rahmen des Augenscheins festgestellte Umstände zugrunde gelegt: Zum einen befänden sich danach am südlichen Endpunkt der streitgegenständlichen Erschließungsanlage und dem Übergangsbereich in die Straße N. Weg Fahrbahnverschwenkungen. Zum anderen stelle die zwischen der Erschließungsanlage „A3.weg“ und der Straße N. Weg liegende Naht in der Verschleißschicht – als gestalterische Maßnahme der Beklagten – zusammen mit der aufgrund eines zusätzlichen in den Außenbereich abzweigenden Weges vorhandene YGabelung eine optische Zäsur zwischen den Straßen dar, so dass sich nach dem Gesamteindruck die Annahme zweier selbstständiger Erschließungsanlagen aufdränge. Das werde auch durch den Umstand bestätigt, dass die Straße N. Weg eine geringere Breite aufweise als die streitgegenständliche Erschließungsanlage „A3.weg“.
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Dem hält der Zulassungsantrag entgegen, für einen „objektiven Beobachter“ gehörten die Straßen A3.weg und N. Weg zusammen, weil ein trennender Umstand nicht ersichtlich sei. Die vom Erstgericht aus den im Rahmen des Augenscheins gefertigten Fotos erkannte geringere Breite der Anlage „N. Weg“ im Verhältnis zum A3.weg sei in situ von einem „unbefangenen Beobachter“ nahezu nicht erkennbar. Dieser Beobachter gewinne vielmehr bei entsprechender Anfahrt auf dem A3.weg in Richtung und auf die Straße „N. Weg“ den Eindruck, sich auf einer einheitlichen Anlage fort bergauf zu bewegen. Zu diesem Eindruck trage bei, dass die Fahrbahn zu der hier einmündenden und ebenfalls als A3.weg bezeichneten A4. straße mit einer Kopfsteinpflasterreihe abgegrenzt werde. Weiter bestätige sich dies durch den Umstand, dass es nahezu geradeaus, ohne unterbrechende Verschwenkungen vom A3.weg in die Straße „N. Weg“ weitergehe und beide Straßen mit gleichartiger Ausstattung und nahezu gleicher Straßenbreite versehen seien.
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Damit wendet die Klägerin sich gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Sachverhalts- und Beweiswürdigung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Insoweit liegt der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO jedoch nur dann vor, wenn die tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder die Grenzen richterlicher Überzeugungsbildung überschritten worden wären. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung offensichtlich sachwidrig und damit objektiv willkürlich wäre, gegen Denkgesetze verstieße oder einen allgemeinen Erfahrungssatz missachten würde (vgl. BayVGH, B.v. 13.2.2017 – 22 ZB 15.2639 – juris Rn. 15 m.w.N.). Derartige Mängel der verwaltungsgerichtlichen Überzeugungsbildung zeigt die Klägerin nicht auf. Sie setzt vielmehr dem aus den Erkenntnissen des Augenscheintermins gewonnenen Eindruck des Verwaltungsgerichts lediglich ihren eigenen Eindruck entgegen. Allein die Möglichkeit einer anderen Bewertung der Beweisaufnahme rechtfertigt die Zulassung der Berufung jedoch nicht (vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2017 – 6 ZB 16.2272 – juris Rn. 13; B.v. 18.2.2014 – 14 ZB 11.452 – juris Rn. 8 m.w.N.; SächsOVG, B.v. 30.6.2009 – 1 A 483/08 – juris Rn. 6 m.w.N.).
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bb) Auch mit dem Einwand, die Anfang der 1990er Jahre an der Erschließungsanlage „A3.weg“ in dessen Einmündungsbereich zum „F.weg“ durchgeführten Straßenbaumaßnahmen stellten den Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der gesamten Erschließungsanlage „A3.weg“ im Sinn des Art. 5a Abs. 7 S. 2 KAG dar, mit der Folge, dass Erschließungsbeiträge für diese Anlage nach dem Inkrafttreten dieser Bestimmung am 1. April 2021 nicht mehr erhoben werden dürften, dringt die Klägerin nicht durch.
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Nach dieser Vorschrift kann kein Erschließungsbeitrag erhoben werden, sofern seit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer Erschließungsanlage mindestens 25 Jahre vergangen sind. Bei ihrer Auslegung ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber nicht nur vom Beginn der erstmaligen technischen Herstellung spricht, sondern diese ausdrücklich auf eine Erschließungsanlage bezieht, mithin auf den Anfang des durch zentrale erschließungsbeitragsrechtliche Begriffe umschriebenen Vorgangs der „erstmaligen Herstellung“ (vgl. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) einer beitragsfähigen „Erschließungsanlage“ (§ 127 Abs. 2 BauGB) abstellt. Demnach wird der fristauslösende Beginn nicht durch irgendwelche sichtbaren Bauarbeiten markiert, sondern nur durch solche, die objektiv auf die erstmalige Herstellung einer Erschließungsanlage gerichtet sind. Gemeint ist der Beginn des sichtbaren technischen Ausbaus („erster Spatenstich), an dessen Ende die jeweilige Erschließungsanlage in der gesamten vorgesehenen Ausdehnung mit sämtlichen vorgesehenen Teileinrichtungen erstmalig hergestellt ist (vgl. Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand April 2023, Rn. 1101a). Die Frage nach dem Beginn kann ebenso wie diejenige nach dem Ende der erstmaligen technischen Herstellung allein danach beurteilt werden, welche Planung die Gemeinde als Trägerin der Erschließungsaufgabe (§ 123 Abs. 1 BauGB) verfolgt. Maßgeblich sind daher neben dem Teileinrichtungs- und dem technischen Ausbauprogramm in der Erschließungsbeitragssatzung insbesondere das auf die konkrete Anlage bezogene Bauprogramm, das von der Gemeinde auch formlos aufgestellt werden kann und in der Regel wird (vgl. BayVGH, U.v. 27.11.2023 – 6 B 22.306 – Rn. 29; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 5 Rn. 15 ff. und § 8 Rn. 24).
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Mit dem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer A5.straße ist also die erste sichtbare Baumaßnahme gemeint, mit der das gemeindliche Bauprogramm für eine bestimmte A5.straße (Teilstrecke) verwirklicht werden soll. Daran fehlt es etwa, wenn die Gemeinde lediglich ein Provisorium anlegen will, also nur irgendeine Verkehrsanlage, um für anliegende Grundstücke eine Bebauung zu ermöglichen oder um eine Verbindung zwischen zwei Straßen herzustellen. Um den Beginn der technischen Herstellung einer Erschließungsanlage handelt es sich auch nicht, wenn die Gemeinde lediglich beabsichtigt, eine Teileinrichtung wie etwa die Fahrbahn technisch herzustellen, ihre Planung also die übrigen Teileinrichtungen nicht einschließt (vgl. Driehaus, KStZ 2022, 102/105).
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Bezogen auf den A3.weg liegen die Voraussetzungen des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG für einen Ausschluss der Beitragserhebung wegen Ablaufs der 25-Jahresfrist – eindeutig – nicht vor. Mit seiner erstmaligen technischen Herstellung als Erschließungsanlage wurde nicht bereits Anfang der 1990er Jahren begonnen. Eine konkrete Planung der streitgegenständlichen Erschließungsanlage (mit sämtlichen vorgesehenen Teileinrichtungen) hatte es damals noch nicht gegeben.
16
Im Bauprogramm legt die Gemeinde (als Trägerin der Erschließungslast) fest, was sie durchführen will (und muss), um eine geplante Straßenbaumaßnahme so zu verwirklichen, dass eine Beitragserhebung nach Art. 5a KAG in Betracht kommt. Dem gemeindlichen Bauprogramm kommt nach ständiger Rechtsprechung im jeweiligen Einzelfall ausschlaggebende Bedeutung insbesondere dafür zu, ob eine Straßenbaumaßnahme als beitragsfähige Maßnahme zu qualifizieren, wann mit der Maßnahme begonnen wird, wann sie abgeschlossen und in welchem Umfang der mit ihr verbundene Aufwand beitragsfähig ist (vgl. etwa BayVGH, B.v. 4.7.2018 – 6 ZB 17.1580 – juris Rn. 8; U.v. 28.1.2010 – 6 BV 08.3043 – BayVBl 2010, 470 Rn. 16; B.v. 10.4.2014 – 6 ZB 14.85 – BayVBl 2014, 660 Rn. 7 m.w.N. – jeweils zu Straßenausbaumaßnahmen). Voraussetzung dafür, dass diese Fragen später verlässlich beantwortet werden können, ist ein hoher Grad an Bestimmtheit des entsprechenden Bauprogramms. Es muss mit anderen Worten hinreichend deutlich bestimmt werden, wo, was und wie (Fahrbahn, Gehwege, Radwege, Grünpflanzungen, Parkflächen usw.) gebaut werden soll (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2018 – 6 ZB 17.1580 – juris Rn. 8; Driehaus, ZMR 2015, 659/663). Nicht alle Bauarbeiten an einer A5.straße zielen damit von vornherein bereits auf deren endgültige Herstellung ab; dies kann auch bei der späteren Fortführung von Baumaßnahmen an der Straße nicht zwangsläufig angenommen werden.
17
Dies zugrunde gelegt, kann die Herstellung des Einmündungsbereichs A3.weg/ F.weg, die Anfang der 1990er Jahre im Zuge der erstmaligen Herstellung des F.-wegs erfolgt ist, ungeachtet seiner nicht ganz unerheblichen Ausdehnung nicht als fristauslösender technischer Herstellungsbeginn im Hinblick auf den A3.weg gewertet werden. Hintergrund der hier entstandenen Einmündungstrompete war die zu diesem Zeitpunkt vollzogene endgültige Herstellung des F.-wegs, der durch einen späteren Ausbau der nun streitgegenständlichen Erschließungsanlage durch eine entsprechende Anbindung hieran nicht mehr beschädigt werden sollte. Anhaltspunkte dafür, dass es zu diesem Zeitpunkt eine weitergehende, auf die endgültige merkmalsgerechte Herstellung des A.-wegs als Erschließungsanlage einschließlich aller vorgesehenen Teileinrichtungen ausgerichtete Planung der Beklagten gegeben hätte, sind nicht ersichtlich. Insbesondere können solche nicht in dem Umstand gesehen werden, dass die Beklagte die Kosten für die Herstellung des Einmündungsbereichs in den F.weg nunmehr in die beitragsfähigen Kosten für die Herstellung des A.-wegs einbezogen hat. Denn zum beitragsfähigen Erschließungsaufwand zählen als Kosten der erstmaligen Herstellung (Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 128 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB) grundsätzlich auch solche, die für einen Ausbau eines Provisoriums entstanden sind, der bei der endgültigen Herstellung übernommen wird (Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, 74. AL, 18. Update, B. Umfang des Erschließungsaufwands, 3. bb).
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Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Bauprogramms für die Herstellung des A.-wegs als Erschließungsanlage können auch nicht in der bereits in den 1970er bzw. 1990er Jahren erfolgten Installation von insgesamt vier Straßenleuchten gesehen werden, die lediglich der Verbesserung der Verkehrssicherheit auf dem leicht kurvigen verlaufenden A3.weg dienten und für eine gleichmäßige Ausleuchtung der Straße nicht ausreichten. Ohne Vorhandensein eines konkreten, auf die jeweilige Erschließungsanlage bezogenen – gegebenenfalls formlosen – Bauprogramms, das auch für die Weiterführung der Ausbauarbeiten einen konkreten zeitlichen Horizont vorsieht (vgl. BayVGH, B.v. 4.7.2018 – 6 ZB 17.1580 – juris Rn. 8 m.w.N.), kann von einem Beginn der erstmaligen technischen Herstellung einer A5.straße aber nicht gesprochen werden (s.o.).
19
Ein solches Bauprogramm für die erstmalige endgültige Herstellung des A.-wegs als A5.straße mit Planungen für sämtliche vorgesehenen Teileinrichtungen wurde von der Beklagten erst im Zuge der aktuellen Ausbaumaßnahmen 2020/2021 erstellt. Den entsprechenden Vorstellungen der Verwaltung hat der Gemeinderat mit dem im Oktober 2019 gefassten Beschluss „in vollem Umfang zugestimmt“ und die Planungen damit förmlich als Bauprogramm beschlossen. Dieser Beschluss markiert allerdings nicht den „Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der Erschließungsanlage“ im Sinn von Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG, da ein solcher – wie oben ausgeführt – nur in der ersten sichtbaren Baumaßnahme gesehen werden kann, die auf die Verwirklichung eines für die konkrete Anlage aufgestellten Bauprogramms gerichtet ist. Hiermit wurde lediglich dokumentiert, dass und wie die Beklagte den A3.weg als Erschließungsanlage herstellen will und die Vergabe der entsprechenden Aufträge genehmigt. Insoweit sind die Formulierungen in der erstinstanzlichen Entscheidung zwar zumindest missverständlich. Im Ergebnis zutreffend ist das Verwaltungsgericht jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass in den Baumaßnahmen im Einmündungsbereich zum F.weg Anfang der 1990er Jahren kein zielgerichteter Beginn der erstmaligen technischen Herstellung des A.-wegs gesehen werden kann.
20
Nach alledem steht Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG der Beitragserhebung nicht entgegen. Daher kann hier dahinstehen, ob zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids die Erschließungsbeitragspflichten bereits entstanden waren, oder ob – wofür manches spricht – dies erst nach Durchführung der restlichen Asphalt- und Pflasterarbeiten bzw. nach dem Austausch der Beleuchtungskörper im Oktober 2021 der Fall gewesen ist. Denn eine gerichtliche Aufhebung des möglicherweise zu früh und damit rechtswidrig erlassenen, nunmehr aber durch die Rechtslage gedeckten Beitragsbescheids wäre ausgeschlossen, weil er umgehend wieder erlassen werden müsste (und könnte), nachdem die Gemeinden zur Erhebung von Erschließungsbeiträgen gemäß Art. 5a Abs. 1 KAG verpflichtet sind; der ursprünglich rechtswidrige Beitragsbescheid wird mit anderen Worten im Zeitpunkt des Entstehens der sachlichen Erschließungsbeitragspflichten – hier nach dem Vortrag der Klägerin spätestens im Oktober 2021 – mit Wirkung für die Zukunft, also ex nunc, nicht ex tunc – geheilt (vgl. BayVGH, B.v. 20.10.2022 – 6 CS 22.1534 – juris Rn. 9; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 7 Rn. 29 und § 15 Rn. 18 m.w.N.).
21
2. Besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten, die die Zulassung der Berufung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO rechtfertigen würden, liegen nicht vor.
22
Solche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache dann auf, wenn sie in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht voraussichtlich größere, d.h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Das ist vorliegend nicht der Fall.
23
Die Klägerin verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass die in der Entscheidung des Erstgerichts vorgenommene ausschließliche Fixierung des „Beginns der technischen Herstellung“ auf eine entsprechende Beschlussfassung des zuständigen Kommunalgremiums dem Regelungsziel des am 1. April 2021 in Kraft getretenen Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG widerspreche, weil es der jeweiligen Kommune dann in nahezu allen Fällen von entsprechend „verschleppten“ Erschließungen möglich wäre, den „Beginn der technischen Herstellung“ durch einen noch nicht vorliegenden – weil bis dato in der Vergangenheit vor mehr als 25 Jahren auch nicht üblichen – oder in der Zeit „verlorengegangenen“ Gemeinderatsbeschluss mit dem Inhalt „jetzt fangen wir mit der Erschließung an“ zu bestimmen und damit den Anwendungsbereich des Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG nach Belieben zu steuern. Mit diesem Vorbringen zeigt die Klägerin jedoch keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf. Vielmehr ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass mit der Formulierung „Beginn der technischen Herstellung“ in Art. 5a Abs. 7 Satz 2 KAG nur die erste sichtbare Baumaßnahme („erster Spatenstich“) gemeint ist, mit der zielgerichtet mit der Verwirklichung eines vorhandenen gemeindlichen, möglicherweise formlosen Bauprogramms für eine bestimmte A5.straße (Teilstrecke) begonnen wird und nicht – worauf die Klägerin insoweit zu Recht hinweist – ein Gemeinderatsbeschluss, der die in Verwirklichung eines bestehenden formlosen technischen Bauprogramms begonnenen baulichen Maßnahmen nur nochmals formal nach außen bestätigt. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass ein Bauprogramm nicht nur durch einen auf den entsprechenden Unterlagen basierenden förmlichen Beschluss des Gemeinderats, sondern auch konkludent durch den Abschluss von Verträgen oder formlos durch die Verwaltung aufgestellt werden kann, sofern jeweils davon ausgegangen werden kann, dass die Ausbauplanung von dem zuständigen Selbstverwaltungsgremium gebilligt worden ist (vgl. etwa BayVGH, B.v. 10.4.2014 – 6 ZB 14.85 – juris Rn. 11 m.w.N.). Davon ist auch das Verwaltungsgericht ausgegangen, das die in den 1990er Jahren durchgeführten Straßenbaumaßnahmen im nördlichen Bereich der streitgegenständlichen Erschließungsanlage ausdrücklich deshalb nicht als „Startschuss“ für den Beginn der erstmaligen technischen Herstellung der Anlage angesehen hat, weil sie mangels Vorliegen eines entsprechenden, vom zuständigen Gemeindeorgan der Beklagten getragenen Bauprogramms nicht auf eine (spätere) endgültige Herstellung abzielen konnten.
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3. Die Berufung ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.
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Um die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache darzulegen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, zudem ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ferner erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und schließlich darlegen, weshalb ihr eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (BayVGH, B.v. 22.6.2017 – 6 ZB 17.30679 – juris Rn. 3; B.v. 16.2.2017 – 6 ZB 16.1586 – juris Rn. 25 m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt der Zulassungsantrag nicht.
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Die Klägerin hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, „ob der mit Art. 5 a Abs. 7 Satz 2 KAG relevante Zeitpunkt des „Beginns der erstmaligen technischen Herstellung“ einer Erschließungsanlage einzig von einem entsprechenden Beschluss des zuständigen Gremiums der Kommune oder von weiteren, dieser Beschlussfassung vorgelagerten Indizien und Fakten bestimmt wird“. Das erstinstanzliche Urteil wirke so, als sei es jeder Kommune freigestellt, den relevanten „ersten Spatenstich“, d.h. den Zeitpunkt des Beginns der erstmaligen technischen Herstellung einer Anlage mit einer entsprechenden Beschlussfassung zu definieren, unabhängig davon, welche Gewerke in der Vergangenheit bereits mit der Intention einer zukünftigen erstmaligen endgültigen Herstellung beauftragt und erstellt wurden.
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Damit wird ein Klärungsbedarf nicht schlüssig dargetan. Die aufgeworfene Rechtsfrage zum Zeitpunkt des Beginns der erstmaligen technischen Herstellung einer Erschließungsanlage ist, soweit verallgemeinerungsfähig und im vorliegenden Fall entscheidungserheblich, durch die Senatsrechtsprechung geklärt (vgl. BayVGH, U.v. 27.11.2023 – 6 BV 22.306 – juris) und bedarf keiner erneuten Klärung in einem Berufungsverfahren. Weiteren grundsätzlichen Klärungsbedarf zeigt der Zulassungsantrag nicht auf. Ob mit einer bestimmten Baumaßnahme mit der zielgerichteten Verwirklichung eines vorhandenen – gegebenenfalls formlosen – konkreten Bauprogramms begonnen wurde, lässt sich nur im Einzelfall beantworten und ist daher einer grundsätzlichen Klärung nicht zugänglich.
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4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung stützt sich auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).