Titel:
Erfolglose Verfahrensrüge bei Videoverhandlung
Normenketten:
VwGO § 86 Abs. 1, Abs. 2, § 102a, § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 5, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5
WO § 19 Abs. 2 S. 2
Leitsätze:
1. Eine schlechte Qualität der Bild- und Tonübertragung muss unmittelbar während der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht gerügt werden. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verfahrensvorschriften bei der Durchführung eines Termins im Wege der Bild- und Tonübertragung sind verzichtbar iSd § 295 ZPO. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsrecht der Ärzte, Facharztanerkennung (Anerkennung von Weiterbildungen außerhalb des Gebietes der Europäischen, Union), mündliche Prüfung nicht bestanden, keine Zulassungsgründe (Verfahrensmangel, ernstliche Zweifel), mündliche Verhandlung als Videokonferenz (kein Gehörsverstoß), Ablehnung eines Beweisantrags: gerichtliche Einvernahme der am Prüfungstag gefertigten Audioaufnahme (kein Gehörsverstoß), erfolglose Aufklärungsrüge, keine ernstlichen Zweifel (in Prüfung verwendete Bildunterlagen nicht in Akte), Facharztanerkennung, mündliche Prüfung, Videokonferenz, Audioaufnahme, Aufklärungsrüge, Mikrofonproblem, rechtliches Gehör, Ausforschungsbeweis, Bildunterlagen
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 14.12.2021 – AN 4 K 19.2389
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2085
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Klägerin begehrt die Wiederholung der Prüfung für die von ihr begehrte Anerkennung als Fachärztin für Gefäßchirurgie.
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Die Klägerin ist Ärztin und seit 20. September 2018 (erneut) Mitglied eines ärztlichen Kreisverbandes in Bayern. Sie stellte am 27. März 2017 den Antrag auf Anerkennung als Fachärztin für Gefäßchirurgie auf der Grundlage der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 – in der Fassung der Beschlüsse vom 28. Oktober 2018 (WO) – gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 WO (Anerkennung von Weiterbildungen außerhalb des Gebietes der Europäischen Union).
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Am 26. September 2019 fand die nach § 19 Abs. 2 Satz 2 WO grundsätzlich erforderliche Prüfung vor dem Prüfungsausschuss der Beklagten statt.
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Mit Bescheid der Beklagten vom 29. Oktober 2019 wurde Folgendes geregelt:
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Gemäß dem Beschluss des Prüfungsausschusses am 26. September 2019 ist unter Berücksichtigung der von Ihnen vorgelegten Nachweise und der mündlichen Prüfung am 26. September 2019 die Prüfung als nicht bestanden zu bewerten.
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Der Prüfungsausschuss hat weiter entschieden, Ihnen folgende Auflage zu erteilen:
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Mindestens 12-monatige Weiterbildung in der Gefäßchirurgie unter der Leitung eines hierfür befugten Weiterbilders sowie ein begleitendes Selbststudium (insbesondere Vertiefung der Kenntnisse in der endovaskulären Therapie).
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Erst danach, also frühestens nach 12 Monaten können Sie unter Vorlage eines entsprechenden Zeugnisses die Zulassung zur Wiederholungsprüfung schriftlich beantragen.“
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Das Verwaltungsgericht Ansbach hat die am 2. Dezember 2019 erhobene Klage mit Urteil vom 14. Dezember 2021 abgewiesen. Die Klägerin hat gegen das ihr am 17. Februar 2022 zugestellte Urteil am 21. Februar 2022 die Zulassung der Berufung beantragt.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Das von der Klägerin innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte, auf dessen Prüfung der Senat nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO im Grundsatz beschränkt ist, rechtfertigt nicht die Zulassung der Berufung. Die von der Klägerin geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eines der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO; § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bestehen nicht oder wurden nicht hinreichend dargelegt.
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1. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten, der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegenden Verfahrensmängel zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
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1.1 Die Rüge eines Verfahrensmangels in Form eines Gehörsverstoßes (§ 108 Abs. 2 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) greift nicht durch.
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Die Klägerin trägt vor, die mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht habe im Rahmen einer Videokonferenz (§ 102a VwGO) stattgefunden. Der Klägerin sei zur Teilnahme an der Videokonferenz nur ein Handy zur Verfügung gestanden. Dadurch sei die Qualität der Bild- und Tonübertragung aus dem Gerichtssaal entsprechend schlecht gewesen. Die Klägerin habe einige wesentliche Passagen, insbesondere die informatorische Befragung der Prüfer aufgrund der schlechten Tonqualität nicht richtig verstanden. Weiterhin seien wegen der schlechten Tonqualität die Ausführungen der Klägerin nicht vollständig übertragen worden. Dies finde seinen Niederschlag im Protokoll der mündlichen Verhandlung, in dem es heißt: „Um 10:57 Uhr wird die Sitzung kurz unterbrochen und um 11:05 Uhr fortgesetzt. Nach kurzen Mikrofonproblemen bestätigen alle Beteiligten, dass die Klägerin ausreichend verstanden werden kann.“ Daraus ergebe sich, dass die Unterbrechung wegen Verständigungsproblemen erforderlich geworden sei. Somit liege eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vor. Unterbleibe eine technisch ordnungsgemäße einfachrechtlich zwingend gebotene mündliche Verhandlung, könne in aller Regel nicht ausgeschlossen werden, dass bei Durchführung einer technisch ordentlichen mündlichen Verhandlung eine andere Entscheidung ergangen wäre. Es genüge, dass jedenfalls denkbar sei, dass das Gericht aufgrund einer technisch einwandfreien mündlichen Verhandlung zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre.
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Die damit erhobene Rüge eines Verfahrensmangels in Form eines Gehörsverstoßes greift nicht durch. Grundsätzlich können etwaige Gehörsverstöße, wie Mängel bei der Durchführung der Videokonferenzzuschaltung selbst, betreffend das Verfahren nach § 102a VwGO im Rahmen des Rechtsmittels gegen die Endentscheidung gerügt werden. Hierbei gilt nach allgemeinen Grundsätzen, dass der Betroffene zuvor alles ihm Mögliche und Zumutbare zur Gehörsverschaffung unternommen haben muss (BVerwG, B.v. 7.4.2020 – 5 B 30.19 D – juris Rn. 32; Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 102a Rn. 10).
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Die Klägerin hat nicht hinreichend dargelegt, dass überhaupt eine schlechte Übertragung der Bild- und Tonqualität aus dem Gerichtssaal vorgelegen hat. Im Sitzungsprotokoll finden sich hierfür keine Anhaltspunkte. Die mündliche Verhandlung vom 14. Dezember 2021 hat um 10.33 Uhr begonnen und wurde um 13.48 Uhr beendet. Nach informatorischer Befragung eines anwesenden Prüfers heißt es in der Niederschrift:
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„Um 10:57 Uhr wird die Sitzung kurz unterbrochen und um 11:05 Uhr fortgesetzt. Nach kurzen Mikrofonproblemen bestätigen alle Beteiligten, dass die Klägerin ausreichend verstanden werden kann. Die Klägerin führt aus: Die Aufnahme passt nicht zu den Ausführungen der Landesärztekammer in dem Bescheid. Hierzu haben wir bereits Stellung genommen. Der Anwalt verweist… . Die Klägerin macht weitere Ausführungen zur Verfahrens- und Rechtmäßigkeit. Die Verhandlung wird um 11:26 Uhr unterbrochen und um 11:47 Uhr fortgesetzt. Zur Frage der Prüffähigkeit macht Herr Dr. … folgende Ausführungen… . Die Klägerin führt hierzu aus…“.
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Aus der Niederschrift ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass bis zur ersten Unterbrechung der Sitzung irgendwelche Übertragungsprobleme bestanden hätten. Nach Fortsetzung der Sitzung haben nach kurzen Mikrofonproblemen alle Beteiligten ausdrücklich bestätigt, dass die Klägerin ausreichend verstanden werden kann. Auch im weiteren Verlauf der Sitzung hat sich die Klägerin ausweislich des Protokolls stets mündlich zu den jeweils erörterten Fragen eingebracht. Ihre Ausführungen lassen vielmehr erkennen, dass sie alle Beteiligten genau verstanden hat, weil sie jeweils stimmig auf die entsprechenden Fragen geantwortet hat und ihr Vortrag exakt die zuvor erörterte Thematik aufgenommen hat. Daraus ergibt sich, dass die Klägerin ohne Probleme dem Verlauf der Sitzung folgen konnte. Es sind keine Hinweise auf die nunmehr von der Klägerin behauptete schlechte „Ton- und Bildqualität“ erkennbar. Insoweit fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Mangels durch die Klägerin.
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Unabhängig davon hat die Klägerin den nunmehr behaupteten Mangel der schlechten Bild- und Tonqualität bei der Übertragung in der mündlichen Verhandlung nicht gerügt. Wird eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend gemacht, so muss auch dargetan werden, dass der Beteiligte seinerseits alles getan hat um sich selbst rechtliches Gehör zu verschaffen. Nach § 295 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 173 VwGO kann eine Verletzung einer das Verfahren betreffenden Vorschrift nicht mehr gerügt werden, wenn die Partei auf die Befolgung der Vorschrift verzichtet hat. Da bei einer Nichteinhaltung der Anforderungen an die Durchführung der Bild- und Tonübertragung insbesondere das rechtliche Gehör betroffen sein kann, welches zu den verzichtbaren Verfahrensvorschriften zählt, kann jedenfalls ein Fehler – wie er vorliegend behauptet wird – als verzichtbar eingeordnet werden. Eine schlechte Qualität der Bild- und Tonübertragung muss unmittelbar während der mündlichen Verhandlung gegenüber dem Gericht gerügt werden (vgl. BSG, B. v. 4.11.2021 – B 9 SB 76/20 B – juris Rn. 11). Verfahrensvorschriften bei der Durchführung eines Termins im Wege der Bild- und Tonübertragung sind verzichtbar i.S. des § 295 ZPO (H. Müller in Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Aufl., Stand 7.12.2023, § 102a Rn. 118 f.).
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1.2 Der Einwand, das Verwaltungsgericht habe durch die Ablehnung des von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung (unbedingt) gestellten Beweisantrags ihren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, führt ebenfalls nicht zur Berufungszulassung.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin beantragt „zum Beweis der Tatsache, dass der dem Verfahren zugrundeliegende Bescheid (Klagegegenstand) von dem tatsächlichen Ablauf der mündlichen Prüfung abweicht, die Audioaufnahme, welche am Prüfungstag gefertigt wurde, verfahrensgegenständlich zu machen, da nur so klargestellt werden kann, welche Tatsachen der Prüfung tatsächlich zugrunde lagen.“
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Diesen Beweisantrag hat das Verwaltungsgericht ausweislich des Sitzungsprotokolls durch einen Beschluss gem. § 86 Abs. 2 VwGO abgelehnt und dabei zur Begründung ausgeführt: „Der Antrag wird abgelehnt, es handelt sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis“.
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Die Klägerin wendet ein, es handele sich nicht um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis. Der Ausforschungsbeweis trete in zwei Erscheinungsformen auf. Zum einen könne ein völlig unsubstantiierter Beweisantritt darauf abzielen, durch die Beweisaufnahme erst beweiserhebliche Tatsachen in Erfahrung zu bringen, die der Beweisführer dann zur Grundlage eines neuen Prozessvorbringens mache. Zum anderen könne ein Ausforschungsbeweis dann vorliegen, wenn eine Partei für das Vorliegen eines bestimmten Umstands ohne greifbare Anhaltspunkte willkürlich Behauptungen „aufs Geratewohl“ oder „ins Blaue hinein“ aufstelle. Beide Varianten lägen hier nicht vor. Wie sich aus der Sitzungsniederschrift ergebe, sei der Ablauf der Prüfung hier von einer entscheidenden Relevanz, da die Prüfer informatorisch befragt worden seien. Somit sollten nicht Tatsachen in Erfahrung gebracht werden, sondern ein feststehender Sachverhalt rechtlich gewürdigt werden. Auch sei nicht ersichtlich, dass bloße willkürliche Behauptungen aufgestellt worden seien und der Prozess verzögert werden sollte. Vielmehr hätte das Abspielen der Audiodatei den Sachverhalt leicht ermitteln lassen.
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Eine Gehörsverletzung ist damit nicht hinreichend dargelegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts verletzt die Ablehnung eines Beweisantrags nur dann das rechtliche Gehör, wenn sie im Prozessrecht (objektiv) „keine Stütze“ mehr findet (vgl. BVerfG, B. v. 19.12.2016 – 2 BvR 1997/15 – juris Rn. 15; B.v. 18.1.2011 – 1 BvR 2441/10 – juris Rn. 11; BVerwG, B. v. 24.3.2000 – 9 B 530.99 – juris Rn. 13). Die prozessrechtliche Frage, ob das vorinstanzliche Verfahren an einem Mangel leidet, ist vom materiellrechtlichen Standpunkt des Verwaltungsgerichts aus zu beurteilen, selbst wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (st.Rspr, BVerwG, U. v. 25.3.1987 – 6 C 10.84 – juris Rn. 16).
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Ein Beweisantrag ist u.a. unzulässig und kann abgelehnt werden, wenn es sich um einen Ausforschungs- und Beweisermittlungsantrag handelt, wenn er also lediglich zum Ziel hat, Zugang zu einer bestimmten Informationsquelle zu erlangen, um auf diesem Wege Anhaltspunkte für neuen Sachvortrag zu gewinnen. Auch Beweisanträge, die so unbestimmt sind, dass im Grunde erst die Beweiserhebung selbst die entscheidungserheblichen Tatsachen und Behauptungen aufdecken kann, müssen regelmäßig dem Gericht eine weitere Sachaufklärung nicht nahelegen und können als unsubstantiiert abgelehnt werden. Welche Anforderungen vom Tatsachengericht an die Substantiierung gestellt werden dürfen, bestimmt sich zum einen danach, ob die zu beweisende Tatsache in den eigenen Erkenntnisbereich des Beteiligten fällt, und zum anderen nach der konkreten prozessualen Situation (vgl. BVerwG, B.v. 17.9.2019 – 1 B 43.19 juris Rn. 55; B.v. 2.7.1998 – 11 B 30.97 – juris Rn. 13).
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Die vom Verwaltungsgericht begründete Ablehnung des Beweisantrags findet im Prozessrecht eine hinreichende Stütze (§ 86 Abs. 2 VwGO, § 244 StPO). Aus diesem Grund liegt auch keine Verletzung der Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO vor. Die Klägerin hat sich mit ihrem damaligen Rechtsanwalt im Rahmen der Akteneinsicht die Audioaufzeichnung des Prüfungsgesprächs am 19. März 2020 in den Räumen der Beklagten angehört und sich daraufhin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren detailliert geäußert (E-Mail der Klägerin vom 20. März 2020 und anwaltlicher Schriftsatz vom 20. Mai 2020). Daraufhin hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 3. August 2020 zu den einzelnen Punkten erwidert. Bei der von der Klägerin beantragten „Verfahrensgegenständlichmachung“ der Audioaufnahme, „da nur so klargestellt werden könne, welche Tatsachen der Prüfung tatsächlich zugrunde lagen“, werden offensichtlich keine konkreten Beweistatsachen benannt – obwohl der Klägerin der Inhalt der Audiodatei im Einzelnen bekannt gewesen war und sie so ggf. hätte exakt bezeichnen können, zu welcher konkreten Tatsache sie durch Anhörung der Audiodatei eine Sachaufklärung beantrage. Der Antrag der Klägerin ist mithin nicht auf die Aufklärung einer konkreten Beweistatsache gerichtet, sondern zielt vielmehr allgemein darauf ab, eine weitere Beweiserhebung zur „Klarstellung der der Prüfung tatsächlich zugrundeliegenden Tatsachen“ anzuregen. Dann aber handelte es sich bei dem Antrag der Klägerin nicht um einen Beweisantrag, sondern um eine bloße Beweisanregung, der das Verwaltungsgericht ggf. unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nachzugehen hätte (vgl. auch VGH BW, B.v. 8.4.2022 – A 12 S 3565/21 – juris Rn. 31).
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1.3. Der von der Klägerin sinngemäß geltend gemachte Zulassungsgrund eines Verfahrensmangels wegen eines Verstoßes gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO, § 86 Abs. 1 VwGO) wurde nicht hinreichend dargelegt bzw. liegt nicht vor (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Es liegt insbesondere kein Verstoß gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO darin, dass das Verwaltungsgericht die Audiodatei über den Inhalt des Prüfungsgesprächs nicht angehört hat.
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Zwar hat die Klägerin durch ihren Beweisantrag in der mündlichen Verhandlung eine weitere Sachverhaltsaufklärung durch Einvernahme der Audiodatei angeregt. Sie hat jedoch nicht hinreichend dargelegt, welche tatsächlichen Feststellungen im Einzelnen durch die von ihr (pauschal) geforderte weitere Aufklärung hätten erzielt werden können. Es fehlt an einer hinreichend differenzierten Darlegung, welche konkreten tatsächlichen Sachverhaltsfeststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Aufklärung voraussichtlich getroffen worden wären (vgl. BayVGH, B.v. 7.3.2017 – 8 ZB 15.1005 – juris Rn. 14). Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, weshalb sich dem Verwaltungsgericht auf Grundlage seiner Rechtsauffassung eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen (vgl. BVerwG, B.v. 6.9.2017 – 2 B 2.17 – juris Rn. 14 f.).
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2. Die Berufung ist nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils im Sinn des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen dann, wenn gegen dessen Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten derart in Frage gestellt wird, dass sich die gesicherte Möglichkeit der Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergibt (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 und B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – jeweils juris). Solche ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht.
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2.1. Die Klägerin rügt, dass sich in der Prüfung verwendete Bildunterlagen nicht bei der Akte befunden hätten. Dieses Bildmaterial sei Ausgangspunkt für die Fragestellung in der Prüfung gewesen. Ohne dieses Bildmaterial könne nicht abschließend überprüft werden, ob sich die Antworten der Klägerin als richtig oder unrichtig darstellen. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts (UA S. 18 f.), dass das Bildmaterial erkennbar nicht entscheidungserheblich gewesen sein soll, sei nicht nachvollziehbar.
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Das Verwaltungsgericht hat insoweit auf § 14 Abs. 5 WO (a.F. 2004) verwiesen, wonach lediglich gefordert werde, dass über die Prüfung eine Niederschrift zu fertigen sei, aus der Gegenstand, Ablauf und Ergebnis der Prüfung und ggf. Unregelmäßigkeiten hervorgehen. Das Protokoll über die Prüfung finde sich bei der Behördenakte. Bei der Frage, ob das Bildmaterial bei der Akte sei oder nicht, gehe es um die Frage der Nachvollziehbarkeit der Prüfung, nicht aber um die Richtigkeit der Prüfungsentscheidung selbst, so dass ein formaler Verstoß allenfalls zu einer Beweislastfrage führen könnte. Dies komme hier nicht in Betracht, da der Klägervertreter nur allgemein aus dem Umstand des Fehlens in der Akte einen Verfahrensfehler herleiten wolle und die Frage des Bildmaterials auch sonst nicht entscheidungserheblich sei.
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Die Klägerin hat sich im Zulassungsantrag nicht substantiell mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinandergesetzt (Happ in Eyermann VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 68). Es wurde nicht aufgezeigt, wie sich das Fehlen des Bildmaterials in der Behördenakte konkret auf die inhaltliche Überprüfung der Prüfungsentscheidung hätte auswirken können und in welchem konkreten rechtlichen oder tatsächlichen Punkt die ergebnisbezogenen Zweifel insoweit bestehen.
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Wegen der Orientierung der inhaltlichen Anforderungen des Darlegungsgebots an den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts reicht es für die Darlegung aus, dass die in Zweifel gezogene rechtliche oder tatsächliche Würdigung für das Verwaltungsgericht entscheidungserheblich gewesen ist (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 66). Daran fehlt es hier. Das Verwaltungsgericht hat vielmehr in den Urteilsgründen ausgeführt, dass die aufgeworfene Frage für seine Entscheidung nicht entscheidungserheblich war.
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2.2 Soweit die Klägerin darüber hinaus ernstliche Zweifel auch im Zusammenhang mit der unterlassenen Anhörung der Audiodatei und einer unzureichenden Sachverhaltsaufklärung gerügt hat, ist Folgendes auszuführen: Grundsätzlich können die Gründe, aus denen heraus bei einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestehen können, auch aus einer unzureichenden Ermittlung und Feststellung des entscheidungserheblichen Sachverhalts resultieren (Schenke in Kopp, VwGO, 29. Aufl. 2023, § 124 Rn. 7b).
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Werden die rechtlichen Zweifel mit der Verletzung des Amtsermittlungsgebots begründet, so gelten die Grundsätze für eine Darlegung eines Verfahrensmangels (Happ in Eyermann VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 67). Auch insoweit genügt das Vorbringen der Klägerin nicht dem Darlegungsgebot. Es wurde insbesondere nicht vorgetragen, welches konkrete Ergebnis von der Anhörung der Audioaufzeichnung zu erwarten gewesen wäre und inwiefern das angefochtene Urteil darauf beruhen kann.
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2.3 Soweit die zu einem späteren Zeitpunkt von der Klägerin beauftragte Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 25. September 2023 ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils vorgetragen hat, beziehen sich diese auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu dem ohne Erfolg hilfsweise gestellten Antrag der Klägerin (vgl. UA S. 21 f.), wonach die im streitgegenständlichen Bescheid in der Auflage ausgesprochene Pflicht zur Weiterbildung von „mindestens 12 Monaten“ auf fünf Monate verkürzt werden soll. Zu dieser Thematik wurden in der Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung vom 29. März 2022 keine Ausführungen gemacht.
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Nach § 124a Abs. 4 Satz 4 und Abs. 5 Satz 2 VwGO ist der Senat im Berufungszulassungsverfahren auf das von der Klägerin innerhalb der Begründungsfrist Dargelegte im Grundsatz beschränkt. Die Zulassungsgründe können nach Ablauf der Frist noch ergänzt werden, soweit der konkrete zu ergänzende Zulassungsgrund in offener Frist bereits den Mindestanforderungen entsprechend dargelegt ist. Der Vortrag neuer, selbständiger Zulassungsgründe nach Ablauf der Frist – und seien es auch „nur“ weitere als die bereits dargelegten Gründe für ernstliche Zweifel – ist aber ausgeschlossen (Happ in Eyermann, VwGO 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 53). Demzufolge ist die Klägerin mit dem erstmals im Schriftsatz vom 25. September 2023 eingebrachten ernstlichen Zweifeln im Hinblick auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum hilfsweise gestellten Antrag ausgeschlossen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
40
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47, 52 Abs. 1 GKG, wobei sich der Senat an Nr. 16.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit orientiert hat.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).