Titel:
Asyl, Tansania, Politische Verfolgung auf Sansibar, Mitgliedschaft in der Partei CUF, Wechsel zur Partei ACT, Glaubhaftigkeit (verneint), Bezugnahme auf Bescheid, Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung (verneint), Inländische Fluchtalternative auf dem Festland (bejaht)
Normenketten:
GG Art. 16a Abs. 1
AsylG § 3
AsylG § 4
AsylG § 77 Abs. 3
Schlagworte:
Asyl, Tansania, Politische Verfolgung auf Sansibar, Mitgliedschaft in der Partei CUF, Wechsel zur Partei ACT, Glaubhaftigkeit (verneint), Bezugnahme auf Bescheid, Beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung (verneint), Inländische Fluchtalternative auf dem Festland (bejaht)
Fundstelle:
BeckRS 2024, 20766
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Tatbestand
1
Der tansanische Kläger wendet sich gegen den ablehnenden Asylbescheid der Beklagten.
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Wegen des Sachverhalts wird zunächst auf die Feststellungen des angefochtenen Bescheids der Beklagten vom 13. November 2019, mit dem der Asylantrag des Klägers abgelehnt sowie die Abschiebung nach Tansania angedroht worden ist, Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG). Bei der Anhörung bei der Beklagten am 13. August 2019 gab der Kläger im Wesentlichen an, in Tansania politisch verfolgt worden zu sein. Er sei seit 1995 Mitglied der Partei CUF (Civic United Front) gewesen. Anlässlich einer Feier zum Wechsel des CUF-Sekretärs … … … zur ACT (Alliance for Change and Transparency) am 19. März 2019 seien die Teilnehmer der Feier von der Polizei geschlagen und misshandelt worden. Er selbst sei auch geschlagen worden und wegen seiner Verletzungen ins Krankenhaus gekommen. Anschließend sei ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden. Der Gerichtstermin sei auf den 15. April 2019 angesetzt worden. Der Kläger sei jedoch vorher nach D … geflohen, wo er sich bis zu seiner Ausreise am 27. Juli 2019 aufgehalten habe. Der streitgegenständliche Bescheid wurde mit zugehörigem Anschreiben vom 25. November 2019 versandt.
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Im Nachgang zur Anhörung legte der Kläger der Beklagten Kopien eines „warrant in first instance for apprehension of accused“ des High Court in V … auf Sansibar vom 10. April 2019, eine Vorladung der sansibarischen Polizei vom 19. Juli 2018 sowie einen ärztlichen Bericht des M … M … Hospital Z … vom 28. März 2019 vor (Bl. 108 ff. Behördenakte).
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Der Kläger hat zur Niederschrift des Urkundsbeamten des Verwaltungsgerichts München am 2. Dezember 2019 Klage gegen diesen Bescheid erhoben. Er beantragt sinngemäß:
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1. Der Bescheid der Beklagten vom 13. November 2019, zugestellt am 2. Dezember 2019, wird aufgehoben.
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2. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.
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3. Die Beklagte wird verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen.
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4. Die Beklagte wird verpflichtet, den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen.
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5. Die Beklagte wird verpflichtet festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG bestehen.
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Zur Begründung der Klage wird auf die Angaben des Klägers gegenüber der Beklagten verwiesen.
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Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 12. März 2024 auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen.
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In der mündlichen Verhandlung vom 3. Juni 2024 ist der Kläger informatorisch gehört worden. Ein Vertreter der Beklagten ist nicht erschienen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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1. Über die Klage kann trotz Ausbleibens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung gemäß § 102 Abs. 2 VwGO entschieden werden. Die Beklagte ist zum Termin ordnungsgemäß geladen und auf die Folgen des Ausbleibens hingewiesen worden. Die Beklagte hat auf Ladung gegen Zustellnachweis mit Schreiben vom 27. Juni 2017, das gemäß ihrer Erklärung vom 21. Januar 2021 insoweit fort gilt, generell verzichtet.
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2. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 HS. 1 AsylG) keinen Anspruch auf die beantragten Verwaltungsakte (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid der Beklagten vom 13. November 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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a) Ein Anspruch auf Asylanerkennung nach Art. 16a Abs. 1 GG, die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG sowie ein Anspruch auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz nach § 4 AsylG wegen der vom Kläger vorgetragenen politischen Verfolgung bestehen nicht. Das Gericht teilt nach der ausführlichen informatorischen Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung die Zweifel der Beklagten an der Glaubhaftigkeit des diesbezüglichen klägerischen Sachvortrags. Im Übrigen erscheint eine andauernde Verfolgung des Klägers nicht beachtlich wahrscheinlich. Jedenfalls ist eine inländische Fluchtalternative auf dem Festland Tansanias anzunehmen.
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aa) Die Ausführungen des Klägers zur befürchteten Individualverfolgung wegen seiner Tätigkeit für die Oppositionspartei CUF und der Teilnahme an den Feierlichkeiten zum Wechsel des Parteisekretärs der CUF zur Partei ACT sind nicht glaubhaft.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.1989 – 9 B 239/89 – juris Rn. 3 m.w.N.; BVerwG, U.v. 16.4.1985 – 9 C 109/84 – juris Rn. 16) muss auch in Asylstreitigkeiten das Gericht die volle Überzeugung von der Wahrheit – und nicht etwa nur von der Wahrscheinlichkeit – des vom Kläger behaupteten individuellen Schicksals erlangen, aus dem er seine Furcht vor politischer Verfolgung herleitet. Wegen der häufig bestehenden Beweisschwierigkeiten des Asylbewerbers kann schon allein sein eigener Tatsachenvortrag zur Asylanerkennung führen, sofern seine Behauptungen unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände in dem Sinne „glaubhaft“ sind, dass sich das Tatsachengericht von ihrer Wahrheit überzeugen kann. Wenn wegen Fehlens anderer Beweismittel nicht anders möglich, muss die richterliche Überzeugungsbildung vom Vorhandensein des entscheidungserheblichen Sachverhalts in der Weise geschehen, dass sich der Richter schlüssig wird, ob er dem Asylsuchenden glaubt. Daran kann er sich wegen erheblicher Widersprüche im Vorbringen des Asylbewerbers gehindert sehen, es sei denn, die Widersprüche und Unstimmigkeiten können überzeugend aufgelöst werden.
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Dies zugrunde gelegt, erscheint der Tatsachenvortrag des Klägers aufgrund des in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Gesamteindrucks des Klägers sowie der zahlreichen Ungereimtheiten im Sachvortrag nicht überzeugend und damit nicht glaubhaft. Das Gericht teilt die Zweifel der Beklagten an der Glaubhaftigkeit des klägerischen Sachvortrags. Insoweit wird zunächst auf die diesbezüglichen Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG).
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Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung keine kohärenten, plausiblen und wirklichkeitsnahen Angaben gemacht. Das Gericht konnte nicht die volle Überzeugung gewinnen, dass das klägerische Verfolgungsvorbringen wahr ist. Denn die Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung waren – wie in der Anhörung bei der Beklagten am 13. August 2019 auch – vage und detailarm. Erst aufgrund zahlreicher Nachfragen des Gerichts schilderte der Kläger einige wenige Details. Insgesamt konnte das Gericht nicht den Eindruck gewinnen, dass der Kläger von etwas selbst Erlebtem berichtete.
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Hinzu kommen Ungereimtheiten, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht überzeugend aufgelöst hat. Bereits in der Anhörung bei der Beklagten waren die Angaben des Klägers zur Frage, ob er selbst auch Mitglied bei der Partei ACT geworden sei, nicht stimmig. Insoweit wird auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG). Während er bei der Anhörung bei der Beklagten jedoch im Ergebnis behauptete, nicht Mitglied der Partei ACT geworden zu sein, gab er in der mündlichen Verhandlung im Widerspruch hierzu eindeutig an, Mitglied dieser Partei geworden zu sein. Anders als der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf diesbezüglichen Vorhalt meinte, waren die Fragen in der Anhörung bei der Beklagten jedoch nicht lediglich auf den Erhalt der Mitgliedskarte bezogen. Ergänzend sei angemerkt, dass auch die Angaben des Klägers zum Procedere des Erwerbs der Mitgliedschaft voneinander abweichen. In der Anhörung gab er an, einen Mitgliedsantrag unterschrieben zu haben. Die Mitgliedskarten hätten nachfolgen sollen. In der mündlichen Verhandlung führte er im Widerspruch hierzu aus, dass eine Unterschriftsleistung für die Mitgliedschaft bei der ACT nicht erforderlich gewesen sei. Aufgrund der Umstellung der Mitgliedschaft von der Partei CUF auf die Partei ACT bekomme man die Mitgliedskarte vom Hauptquartier automatisch.
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Ferner ist der Vortrag des Klägers insoweit nicht stimmig, als er in der Anhörung bei der Beklagten lediglich von einem gegen ihn eingeleiteten Ermittlungsverfahren sprach, er im Nachgang zur Anhörung jedoch einen gegen ihn gerichteten Haftbefehl des High Court in V … auf Sansibar vorlegte.
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Darüber hinaus erscheint es dem Gericht nicht plausibel, dass der Kläger bei der Anhörung bei der Beklagten nur angab, der Grund für das eingeleitete Ermittlungsverfahren sei, dass ihm vorgeworfen werde, die Parteifahne sowie Parteiräume der Partei CUF zerstört zu haben. Im Haftbefehl ist jedoch vermerkt, dass dem Kläger die Teilnahme an einer illegalen Veranstaltung, die die Sicherheit des tansanischen Staats bedroht habe, vorgeworfen werde. Es mag zwar sein, wie die Bevollmächtigte des Klägers vorträgt, dass im Haftbefehl nicht alle erhobenen Vorwürfe aufgeführt sind. Allerdings fragt es sich dann, woher der Kläger von den anderen gegen ihn erhobenen Vorwürfen, die nicht im Haftbefehl stehen, weiß. Denn gemäß seinem Vortrag hatte er bis zu seiner Ausreise keinen Berührungspunkt mehr mit den Ermittlungsbehörden. Im Übrigen hätte es – die Wahrheit des klägerischen Vortrags unterstellt – nahegelegen, in der Anhörung den im Haftbefehl erwähnten Vorwurf zu erwähnen und ggf. um weitere Vorwürfe, von denen er möglicherweise auf andere Weise erfahren hat, zu ergänzen. Es liegt dagegen eher fern, den im Haftbefehl erwähnten Vorwurf gänzlich zu verschweigen und andere Vorwürfe zu thematisieren. In diesem Zusammenhang kommt als weitere Unstimmigkeit hinzu, dass der Kläger in der Anhörung bei der Beklagten angab, von der Partei CUF angezeigt worden zu sein, da er die Parteiflagge sowie Parteiräume der CUF zerstört haben solle. Es habe sich später heraus hergestellt, dass die CUF indirekt mit der Regierungspartei zusammenarbeite (Anhörungsniederschrift, S. 7). In der mündlichen Verhandlung damit konfrontiert, führte er im Widerspruch dazu aus, von den sansibarischen Behörden angezeigt worden zu sein, da er die Flagge der Regierungspartei CCM zerstört haben solle.
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bb) Selbst bei Wahrunterstellung des klägerischen Vortrags erscheinen die befürchtete Verfolgung bzw. ein ernsthafter Schaden nicht beachtlich wahrscheinlich.
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Verfolgungsmaßnahmen sind beachtlich wahrscheinlich, wenn bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende Betrachtung im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung vorzunehmen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 – 10 C 23/12 – juris Rn. 32 m.w.N.).
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Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe ist vorliegend eine (weitere) Verfolgung bzw. ein ernsthafter Schaden nicht beachtlich wahrscheinlich. Zwar gab der Kläger in der mündlichen Verhandlung an, weiterhin „oppositionell“ zu sein. Aber die Vorfälle liegen nun schon über 5 Jahre zurück und der Kläger war kein herausgehobenes Mitglied der Partei, so dass schon unter diesem Gesichtspunkt ein andauerndes Verfolgungsinteresse der sansibarischen Behörden und Gerichte nicht erkennbar ist. Im Übrigen ist eine Verbesserung der Situation der Oppositionsparteien anzunehmen, da die seit 2021 regierende Präsidentin Samia Suluhu Hassan eine Öffnung des Landes durch spürbare Veränderungen in Politik, Wirtschaft und Diplomatie bewirkt hat. Es gibt Verbesserungen bei der Presse- und Meinungsfreiheit sowie dem Wirkungsspielraum der Opposition (vgl. Auswärtiges Amt, Tansania: Politisches Porträt, 28.3.2024, abrufbar im Internet unter: https://www.auswaertiges-amt.de/de/service/laender/tansania-node/politisches-portraet/208740). Jedenfalls ist eine weitere Verfolgung deswegen nicht beachtlich wahrscheinlich, weil die Partei ACT in Sansibar nunmehr an der Regierung teilnimmt (vgl. hierzu auch: VG München, U.v. 30.3.2022 – M 21b K 18.32320 – juris Rn. 24 ff.). Denn auf Sansibar regiert seit November 2020 Präsident Hussein Ali Mwinyi (CCM). Er wirkt nach den Wahlen im Jahr 2020 auf Aussöhnung mit der Opposition hin. Daher hat er mit der stärksten Oppositionspartei ACT eine Regierung der Nationalen Einheit gebildet (vgl.: Auswärtiges Amt, a.a.O.; Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Tansania: Ein Land auf neuen politischen Wegen, Stand: 30.3.2023, abrufbar im Internet unter: https://www.bmz.de/de/laender/tansania).
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cc) Jedenfalls muss sich der Kläger darauf verweisen lassen, in einen anderen Landesteil Tansanias, zumindest auf das Festland, auszuweichen (§ 3e, § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG), sollte die Bedrohung nach seiner Rückkehr weiterhin bestehen. Der Kläger kann zumindest auf dem Festland eine interne Schutzmöglichkeit finden. Er hat keine Vorverfolgung auf dem Festland, sondern nur auf Sansibar vorgetragen. Insbesondere beruft er sich auf eine Verfolgung durch die sansibarische Justiz und Polizei, wobei er auch Übergriffe durch maskierte Personen, die aber zur Polizei gehörten, geltend macht. Dabei dürfte es sich um Übergriffe der nur auf Sansibar agierenden paramilitärischen Gruppe mit dem Namen SMZ (Serikali Ya Mapinduzi ya Zanzibar) und aufgrund ihrer Maskierung mit dem Spitznamen „Zombies“ handeln. Diese Gruppe agiert auf Sansibar neben der tansanischen Polizei (vgl.: VG München, U.v. 30.3.2022, a.a.O., Rn. 27; Human Rights Watch, Tanzania: Repression Mars National Elections, 23.11.2020, abrufbar im Internet unter: https://www.hrw.org/news/2020/11/23/tanzania-repression-mars-national-elections).
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Gegen eine Annahme der Verfolgung in ganz Tansania spricht auch der besondere Status von Sansibar. Sansibar verfügt nach wie vor über eine weitreichende Teilautonomie, was Auswirkungen auf das politische System mit sich bringt. Die Inselgruppe ist zwar Teil der Union, bewahrt sich jedoch ein eigenes Parlament mit eigener Gesetzgebung sowie einer eigenen Verfassung, eine eigene Exekutive einschließlich einem eigenen Präsidenten und eine eigene Gerichtsbarkeit. Die tansanische Zentralregierung ist zuständig für Themen, die das gesamte Land betreffen, und die Revolutionäre Regierung für Themen, die Sansibar betreffen (vgl. Human Rights Watch, a.a.O.; Bertelsmann Stiftung, 2020 Country Report Tanzania, 1.1.2020, S. 5, 7, 13; Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Länderreport 45 – Tansania – Allgemeine Situation und Menschenrechtslage, Stand: 11/2021, S. 3; US Departement of State, Tanzania 2021 Human Rights Report, S. 1). Dementsprechend haben die Behörden Sansibars keine Eingriffsmöglichkeiten auf dem Festland, während tansanische Behörden auf Sansibar intervenieren können (vgl.: VG München, U.v. 30.3.2022, a.a.O.). Deswegen ist ein infolge des Haftbefehls erfolgender Zugriff der sansibarischen Justiz auf den Kläger, wenn er auf dem Festland leben würde, nicht beachtlich wahrscheinlich. Das Gleiche gilt für eine Vollstreckung des sansibarischen Haftbefehls durch Behörden auf dem Festland. Diese Einschätzung wird dadurch bekräftigt, dass es dem Kläger möglich war, noch im Juni 2019 von D … aus einen neuen Reisepass sowie im Anschluss ein Visum zu erhalten, obwohl der auf 15. April 2019 angesetzte Gerichtstermin bereits verstrichen war und ein Haftbefehl gegen ihn vorlag.
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Für die Annahme einer inländischen Fluchtalternative spricht zudem, dass der Kläger bereits nach dem Vorfall im Juli 2018 für ein halbes Jahr unbehelligt an einem anderen Ort in Sansibar leben konnte und sich vor allem nach dem Vorfall im März 2019 noch 4 Monate unbehelligt in D … aufhielt. Der Kläger hat diese Einschätzung letztlich in der mündlichen Verhandlung auch bestätigt. Denn er gab auf Frage an, dass er bei einer Rückkehr nach Tansania wahrscheinlich ein paar Monate oder eventuell ein paar Jahre unbehelligt auf dem Festland leben könnte.
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Es ist auch davon auszugehen, dass der Kläger sich an einem anderen Ort in Tansania zurechtfinden würde. Der Kläger ist ein gesunder und erwerbsfähiger Mann. Er verfügt über eine überdurchschnittliche Schulbildung und war auch in der Vergangenheit in Tansania in der Lage, den Lebensunterhalt für sich, seine zwei Frauen sowie die Kinder zu erwirtschaften. Daher ist davon auszugehen, dass er auch künftig in Tansania wieder in der Lage sein wird, den Lebensunterhalt für sich und seine Familie – jedenfalls durch Gelegenheitsjobs – zu verdienen.
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b) Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid gemäß § 77 Abs. 3 AsylG Bezug genommen.
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c) Die Abschiebungsandrohung sowie das Einreise- und Aufenthaltsverbot sind rechtlich nicht zu beanstanden. Insoweit wird auf die Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid gemäß § 77 Abs. 3 AsylG verwiesen. Insbesondere stehen familiäre Bindungen gemäß § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AsylG in der seit 27. Februar 2024 geltenden Fassung dem Erlass einer Abschiebungsandrohung nicht entgegen. Die Ablehnung des Asylantrags der Ehefrau des Klägers ist bestandskräftig.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).