Inhalt

VG München, Beschluss v. 22.04.2024 – M 8 SN 24.990
Titel:

Nachbareilantrag, Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme (verneint), Auflagen zum Lärmschutz, Bestimmtheit der Bauvorlagen in nachbarrechtlicher Hinsicht, Abstandsflächen, Abstandsflächenplan, Rechtmäßigkeit einer Abweichungsentscheidung (bejaht)

Normenketten:
VwGO § 80a Abs. 3
BauGB § 34
BauNVO § 15
BayBO Art. 6
BayBO Art. 63
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
Schlagworte:
Nachbareilantrag, Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme (verneint), Auflagen zum Lärmschutz, Bestimmtheit der Bauvorlagen in nachbarrechtlicher Hinsicht, Abstandsflächen, Abstandsflächenplan, Rechtmäßigkeit einer Abweichungsentscheidung (bejaht)
Fundstelle:
BeckRS 2024, 20761

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 16. Februar 2024 gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung für das Grundstück L. …straße 81, Fl.Nr. …0, Gem. … * (im Folgenden: Baugrundstück) für ein Wohnheim und eine Gaststätte.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks …Straße 9, Fl.Nr. …, Gem. … * (im Folgenden: Nachbargrundstück), welches im Süden an das Baugrundstück angrenzt. Das Nachbargrundstück ist gegenwärtig mit einem Vordergebäude (E+IV+2DG), einem hofseitigen Zwischengebäude (E+III mit Dachterrasse) und einem wohngenutzten Rückgebäude (E+II+2DG) bebaut. An das Rückgebäude schließt sich im Norden auf dem Baugrundstück ein Rückgebäude (E+III+DG) an. Dieses rückt teilweise von der gemeinsamen Grundstücksgrenze ab und bildet einen ca. 4 m x 9 m großen Lichthof aus. Die zum Lichthof hin gerichteten Außenwände des Rückgebäudes verfügen über Fenster und Dachgauben. An das Rückgebäude schließt sich auf dem Baugrundstück ein Verbindungsbau (z.T. eingeschossig, z.T. E+I) an, straßenseitig befindet sich ein Vordergebäude (E+IV+DG).
3
Bau- und Nachbargrundstück liegen im Geviert …Straße, L.straße, P. …Straße und P. …straße. Für dieses Geviert ist u.a. entlang der …Straße und der L. …straße eine straßenseitige Baulinie durch übergeleiteten Baulinienplan festgesetzt.
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Vgl. zur Lage der Grundstücke und ihrer Bebauung anliegenden Lageplan im Maßstab 1 : 1000, der eine Darstellung des Vorhabens enthält (nach dem Einscannen möglicherweise nicht mehr maßstabsgerecht):
5
Mit Bescheid vom 2. Januar 2024, im Amtsblatt der Antragsgegnerin vom … Januar 2024 öffentlich bekannt gemacht, erteilte die Antragsgegnerin der Beigeladenen eine Baugenehmigung auf Grundlage ihres Bauantrags vom 2. Mai 2023 in Abänderung durch den Antrag vom 7. August 2023 nach PlanNr. … sowie Freiflächengestaltungsplan und Baumbestandplan Nr. … mit Handeintragungen vom 28. November 2023, 6. Dezember 2023, 7. Dezember 2023 und 8. Dezember 2023 zum „Umbau des bestehenden Wohnheims mit Vereinslokal in ein Wohnheim mit 22 Zimmern und 22 Betten und einer Gaststätte im Vordergebäude sowie in ein Wohnheim mit 19 Zimmern und 19 Betten mit Abbruch des bestehenden Daches und Aufstockung des Rückgebäudes mit Errichtung von Balkonen und einer Außentreppe (Fluchttreppe)“ als Sonderbau mit diversen Nebenbestimmungen. U.a. ist – neben der Einrichtung einer Gaststätte mit 81 Sitzplätzen im Erdgeschoss des Vordergebäudes und des eingeschossigen Teils des Zwischengebäudes – der Abbruch des Dachgeschosses des Rückgebäudes unter Errichtung eines Staffelgeschosses (zum Teil mit Dachterrasse) sowie die Aufstockung des Zwischengebäudes (im Bestand zweigeschossiger Gebäudeteil) um zwei Geschosse mit Staffelgeschoss und Dachterrasse auf dem dritten Obergeschoss vorgesehen. Im Lichthof ist an der westlichen Grundstücksgrenze eine Fluchttreppe geplant. Diese ist über einen um das Staffelgeschoss (Rückgebäude) umlaufenden Dachstreifen erreichbar, es besteht zudem eine Verbindung zur Dachterrasse auf dem Zwischengebäude. An der vom Innenhof aus gesehen östlichen Außenwand des Rückgebäudes sollen im ersten bis dritten Obergeschoss Balkone angebracht werden. Die Baugenehmigung enthält u.a. eine Auflage zum Immissionsschutz („Auflagen“: Ziffer 5a), wonach die von dem gesamten Bauvorhaben mitsamt Betriebseinrichtungen und dem zugeordneten Betriebsverkehr ausgehenden Geräusche an dem maßgeblichen Immissionsort nach Ziffer 2.3 TA-Lärm (hier: …Straße 9) tagsüber einen Immissionswert von 54 dB(A) und nachts 39 dB(A) nicht überschreiten dürften. Ferner dürfe während der Nachtzeit (22:00 bis 6:00 Uhr) die Gemeinschaftsdachterrasse im vierten Obergeschoss des Rückgebäudes nicht genutzt werden („Auflagen“: Ziffer 5g). Zudem wurde eine Abweichung („Ausnahmen und Befreiungen“: Ziffer 2) von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO wegen Nichteinhaltung erforderlicher Abstandsflächen zum Nachbargrundstück durch das neue Terrassengeschoss des Rückgebäudes einschließlich Aufzugsüberfahrt und Außentreppe gewährt. Die Abweichung sei zu erteilen. Für das Nachbargrundstück sei weiterhin eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung gegeben, sodass das Interesse an der Umsetzung eines planungsrechtlich zulässigen Vorhabens zur Schaffung zusätzlichen Wohnraums und eines zeitgemäßen Wohnstandards das nachbarliche Interesse überwiege.
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Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2024, bei Gericht eingegangen am selben Tag, erhob die Antragstellerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Ziel, dass der Bescheid vom 2. Januar 2024 aufgehoben wird. Über diese Klage (M 8 K 24.814) ist noch nicht entschieden worden.
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Mit weiterem Schriftsatz vom 27. Februar 2024 beantragt sie:
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Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage der Antragstellerin vom 16.02.2024 gegen den Baugenehmigungsbescheid der Antragsgegnerin vom 02.01.2024, Az. M 8 K 24.814, wird angeordnet.
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Zur Begründung wird, ergänzt durch Schriftsatz vom 3. April 2024, im Wesentlichen vorgetragen, dass zwischenzeitlich mit der Umsetzung des Bauvorhabens begonnen worden sei. Die Baugenehmigung verletze die Abstandsflächenvorschriften. Die insoweit erteilte Abweichung sei rechtswidrig. Es liege keine atypische Situation vor, zudem sei das Ermessen nicht, bzw. nicht ordnungsgemäß ausgeübt worden. Mit dem Vorhaben werde kein zusätzlicher Wohnraum im eigentlichen Sinne geschaffen, demgemäß könne auch von der Herstellung eines zeitgemäßen Wohnstandards keine Rede sein. Zudem sei die Abstandsfläche der genehmigten Aufzugsüberfahrt in dem Abstandsflächenplan nicht in der korrekten Tiefe dargestellt. Weiterhin liege ein Abstandsflächenverstoß durch das von der gemeinsamen Grundstücksgrenze zurückspringende Geländer der Dachterrasse im Bereich des Terrassengeschosses des Rückgebäudes vor. Die durch das Terrassengeländer nach Süden geworfene Abstandsfläche sei in den genehmigten Plänen nicht dargestellt. Auch sei diesbezüglich keine Abweichung erteilt worden. Darüber hinaus seien die Bauvorlagen in nachbarrechtlicher Hinsicht unbestimmt. Die Darstellungen in den Plänen seien teils widersprüchlich, sodass sich für die Antragstellerin nicht mit Gewissheit feststellen lasse, ob ggf. über die dargestellten Abstandsflächen hinaus weitere Abstandsflächen auf ihr Grundstück fielen. Zudem seien Art und Umfang der genehmigten Betriebe nicht hinreichend erkennbar. Die sich im Bauakt befindlichen Betriebsbeschreibungen seien weder zum Gegenstand der Baugenehmigung erklärt worden, noch verfügten sie über Genehmigungsstempel. Überdies seien die Balkone auf der Westseite des Rückgebäudes rücksichtslos. Auch die Terrasse zur allgemeinen Nutzung durch sämtliche Gäste des Wohnheims auf dem Zwischengebäude sei gegenüber dem Nachbargrundstück nicht abgeschirmt und stelle eine rücksichtslose Lärmquelle dar. Die Fluchttreppe solle ferner bis nahezu unmittelbar an die gemeinsame Grundstücksgrenze im Bereich der gemeinsamen Einfriedungsmauer heranreichen. Sie sei hinsichtlich der Mindestanforderungen an Fluchtwegbreiten zu klein. Damit gehe ein Verstoß gegen brandschutzrechtliche Anforderungen einher, sodass die Baugenehmigung auch aufgrund dessen rechtswidrig sei. Zudem sei die Fluchtwegsituation ungeklärt. Schließlich liege noch kein Brandschutznachweis vor, sodass es für die Antragstellerin nicht möglich sei zu prüfen, ob brandschutzrechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz ihres Grundstücks dienten, eingehalten seien.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Abweichung sei rechtmäßig erteilt worden. Es handele sich um einen äußerst dicht bebauten innerstädtischen Bereich. Eine unzumutbare Beeinträchtigung nachbarlicher Interessen sei nicht gegeben, zumal das Vorhaben zum Teil von der Grenze abrücke und insofern Rücksicht nehme. Das Nachbargrundstück werde weiterhin über die verbleibenden Frei- und Innenhofflächen ausreichend belichtet und belüftet. In der Ermessensentscheidung sei die Situation im Einzelfall betrachtet worden. Das Vorhaben verstoße nicht gegen das Rücksichtnahmegebot. Bereits im Bestand seien Einsichtnahmemöglichkeiten gegeben. Der Brandschutz werde durch einen Prüfsachverständigen geprüft.
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Die Beigeladene äußerte sich nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten, auch im Verfahren der Hauptsache (M 8 K 24.814), verwiesen.
II.
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Der zulässige Antrag nach § 80a Abs. 3 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO i.V.m. § 212a Abs. 1 BauGB, gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 16. Februar 2024 (M 8 K 24.814), ist unbegründet, da die in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich ohne Erfolg sein wird.
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1. Nach § 212a BauGB hat die Anfechtungsklage eines Dritten gegen die einem anderen erteilte Baugenehmigung keine aufschiebende Wirkung. Auf Antrag kann das Gericht daher gem. § 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage ganz oder teilweise anordnen. Bei der Entscheidung über den Antrag des Nachbarn auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Gericht eine Abwägung zwischen dem Interesse des Antragstellers an der Aussetzung der sofortigen Vollziehung und dem öffentlichen Vollzugsinteresse zu treffen. Wesentliches Element der Interessenabwägung ist die Beurteilung der Erfolgsaussichten der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage (Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 80a Rn. 25 f.).
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2. Die Anfechtungsklage eines Nachbarn gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind und die im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; BayVGH, B.v. 21.7.2020 – 2 ZB 17.1309 – juris Rn. 4; B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Nach der im vorliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung ist eine für den Erfolg der Anfechtungsklage erforderliche Verletzung von Rechten der Antragstellerin, die zum Prüfungsumfang des Genehmigungsverfahrens gehören, nicht ersichtlich (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO, Art. 60 BayBO), so dass das Interesse (der Beigeladenen) an der Vollziehung der Baugenehmigung vom 2. Januar 2024 gegenüber dem Suspensivinteresse der Antragstellerin überwiegt. Die Baugenehmigung ist weder in nachbarrechtlicher Hinsicht unbestimmt, noch verletzt sie einen etwaigen Anspruch auf Erhaltung der Gebietsart oder das Gebot der Rücksichtnahme (3.) oder Vorschriften des Abstandsflächenrechts (4.). Der Brandschutz ist hier nicht Gegenstand des Baugenehmigungsverfahrens, so dass auch insoweit eine Rechtsverletzung ausscheidet (5.).
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Daher kann vorliegend offenbleiben, ob bereits der Vorbescheid vom 16. September 2021 (PlanNr. 2021-12852) der Geltendmachung nachbarlicher Abwehrrechte entgegensteht (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 13.5.1997 – 20 B 96.3446 – BeckRS 1997, 24692; VG München, U.v. 27.11.2023 – M 8 K 22.2857 – juris Rn. 32 ff. m.w.N.).
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3. Verstöße gegen drittschützende Normen des Bauplanungsrechts, welche im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, insbesondere ein etwaiger Anspruch auf Erhaltung der Gebietsart oder das Gebot der Rücksichtnahme sind im Rahmen der hier nur möglichen summarischen Prüfung nicht ersichtlich (Art. 60 Satz 1 Nr. 1 BayBO i.V.m. § 34 BauGB).
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Im unbeplanten Innenbereich vermittelt der sog. Gebietserhaltungsanspruch nach § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO und das aus dem Tatbestandsmerkmal des Einfügens i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB oder aus § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 15 Abs. 1 BauNVO abzuleitende Gebot der Rücksichtnahme Drittschutz. Darauf, ob das Vorhaben darüber hinaus objektiv rechtmäßig ist, kommt es nicht an.
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3.1. Die streitgegenständliche Baugenehmigung lässt – nach summarische Prüfung – Gegenstand und Umfang des Vorhabens mit aus nachbarrechtlicher Sicht hinreichender Bestimmtheit erkennen. Der Baugenehmigung mit den ihr zugrundeliegenden Bauvorlagen ist insbesondere die Art der baulichen Nutzung des Vorhabens mit hinreichender Genauigkeit zu entnehmen. Unschädlich ist in diesem Zusammenhang, dass die vorgelegten Betriebsbeschreibungen im Baugenehmigungsbescheid nicht ausdrücklich in Bezug genommen und / oder mit einem Genehmigungsstempel der Antragsgegnerin versehen wurden.
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3.1.1. Baugenehmigungen müssen nach Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG grundsätzlich inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Ein Nachbar hat jedoch keinen materiellen Anspruch darauf, dass dem Bauherrn nur inhaltlich hinreichend bestimmte Baugenehmigungen erteilt werden. Nachbarrechte können nur dann verletzt sein, wenn infolge der Unbestimmtheit der Baugenehmigung bzw. der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt werden können und deshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass das genehmigte Vorhaben gegen nachbarschützendes Recht verstößt (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2001 – 26 ZB 01.1774 – juris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 25.7.2019 – 1 CS 19.821 – juris Rn. 14; VGH BW, B.v. 23.11.2017 – 3 S 1933/17 – juris Rn. 8). Der Nachbar muss auch erkennen können, mit welchen Immissionen er zu rechnen hat und ob er gegebenenfalls schädlichen Umwelteinwirkungen ausgesetzt ist (vgl. BayVGH, B.v. 28.10.2015 – 9 CS 15.1633 – juris Rn. 22). Wie weit das nachbarrechtliche Bestimmtheitserfordernis im Einzelnen reicht, beurteilt sich dabei nach dem jeweils anzuwendenden materiellen Recht (vgl. BVerwG, B.v. 15.11.2007 – 4 B 52.07 – juris Rn. 6; OVG NW, U.v. 6.6.2014 – 2 A 2757/12 – juris Rn. 73; OVG SH, B.v. 11.8.2014 – 1 MB 18.14 – juris Rn. 9; NdsOVG, B.v. 26.1.2012 – 1 ME 226/11 – juris Rn. 22).
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3.1.2. Dieses berücksichtigend genügt die streitgegenständliche Baugenehmigung den Anforderungen an die Bestimmtheit. In nachbarrechtlicher Hinsicht durchgreifende Mängel sind nicht auszumachen (siehe auch 3.3.3.).
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Die Betriebsbeschreibungen vom 27. Oktober 2023 (Blatt 143 ff. der Behördenakte, Band 2023-15642) sind trotz eines fehlenden Genehmigungsvermerks und fehlender ausdrücklicher Inbezugnahme im streitgegenständlichen Bescheid im konkreten Fall für die gebotene Auslegung der Baugenehmigung maßgebend und ausreichend. Sie bilden einen Teil der Bauvorlagen (§ 1 Abs. 1 Satz 1, § 3 Nr. 3, § 9 Satz 1 der Verordnung über Bauvorlagen und bauaufsichtliche Anzeigen – Bauvorlagenverordnung – BauVorlV). Es besteht vorliegend kein Zweifel daran, dass die Baugenehmigung nach Maßgabe dieser den Bauantrag konkretisierenden Bauvorlagen, die zudem den Eingangsstempel der Antragsgegnerin mit der PlanNr. des Bauantrags (* …*) trägt, erteilt wurde. Letzteres bestätigt auch der Wortlaut des Bescheidstenors, wonach der „Bauantrag vom 2. Mai 2023 in Abänderung durch den Antrag vom 7. August 2023 nach Plan Nr. …“ genehmigt wurde.
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3.1.3. Bei der Charakterisierung und Bewertung der beantragten, mit den Betriebsbeschreibungen konkretisierten Nutzungen ist auf die in der BauNVO typisierten Nutzungsarten abzustellen.
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Aus der Betriebsbeschreibung für das Vordergebäude – „Betrieb einer Gaststätte“ – ist ersichtlich, dass der Betrieb einer Schank- und Speisewirtschaft mit Betriebszeiten von täglich 6:00 Uhr bis 5:00 Uhr genehmigt worden ist, wobei die Kundschaft nicht auf die Bewohner bzw. Besucher des Wohnheims beschränkt ist. Die Gaststätte verfügt über 81 Sitzplätze im Innern, eine Freischankfläche ist nicht vorgesehen (vgl. den genehmigten Plan „Freiflächenplan – Innenhof“), allerdings verfügt die zur Gaststätte gehörende „Lounge“ im Zwischenbau über eine großflächige, zum Öffnen vorgesehener Schiebetür zum Innenhof (vgl. den genehmigten Plan „Erdgeschoss“).
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Zudem ist aus den (im wesentlichen gleichlautenden) Betriebsbeschreibungen für den „Betrieb eines Wohnheims“ im Vorder- und Rückgebäude unter Zuhilfenahme der genehmigten Bauzeichnungen erkennbar, dass es sich bei dieser Nutzung bauplanungsrechtlich um „Wohnen“ handelt. Nach ständiger Rechtsprechung setzt Wohnnutzung im Sinne des Bauplanungsrechts eine auf Dauer angelegte Häuslichkeit voraus, die durch die Möglichkeit eigenständiger Haushaltsführung und unabhängiger Gestaltung des häuslichen Wirkungskreises sowie die Freiwilligkeit des Aufenthalts gekennzeichnet ist (BVerwG, B.v. 17.12.2007 – 4 B 54/07 – juris Rn. 3). Maßgeblich für die Erfüllung des Wohnbegriffs sind das Nutzungskonzept und seine grundsätzliche Verwirklichung (BVerwG, B.v. 18.12.2023 – 11 VR 2/23 – juris Rn. 13; vgl. zudem zu Wohnheimen: Stock in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: Oktober 2023, Rn. 43 ff.). Neben der Zurverfügungstellung der Wohneinheiten sind keine weiteren (hoteltypischen) Dienstleistungen vorgesehen, zudem ist die Aufenthaltsdauer der Nutzer nicht eingeschränkt. Grundrisse und Zuschnitte der Einheiten entsprechen „gewöhnlichen“ Ein- bis Zweizimmerwohnungen. Laut den genehmigten Bauzeichnungen sind überdies in sämtlichen Wohneinheiten Küchenzeilen („Kochen“) vorgesehen. Den Bewohnern ist mithin das Führen eines eigenständigen Haushalts möglich, ohne die (flächenmäßig völlig untergeordneten) Gemeinschaftsräume zu nutzen.
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3.2. Festsetzungen zur Art der baulichen Nutzung in Bebauungsplänen kommt nachbarschützende Wirkung zu; derselbe Nachbarschutz besteht auch im unbeplanten Innenbereich, wenn die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete der Baunutzungsverordnung entspricht (BVerwG, U.v. 16.9.1993 – 4 C 28/91 – BVerwGE 94, 151-163). Der Nachbar hat dabei einen von konkreten Beeinträchtigungen unabhängigen Anspruch auf Schutz vor gebietsfremden Nutzungen im Plangebiet oder faktischen Baugebiet (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.2007 – 4 B 55/07 – NVwZ 2008, 427 = juris Rn. 5; vgl. auch BVerwG, U.v. 23.8.1996 – BVerwGE 101, 364 = NVwZ 1997, 384; BayVGH B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 29; B.v. 27.12.2017 – 15 CS 17.2061 – juris Rn. 16; B.v. 15.10.2019 – 15 ZB 19.1221 – BayVBl 2020, 273-2760).
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Die Antragsgegnerin hat bei Prüfung des Bauantrags hinsichtlich der für die Art der baulichen Nutzung maßgeblichen Umgebung auf das Geviert L. …straße, …Straße, S. …straße und …-Straße abgestellt und ist davon ausgegangen, dass diese Umgebung kein Gebiet, welches in der Baunutzungsverordnung benannt ist, abbildet, sondern es sich dabei um eine Gemengelage mit überwiegendem Wohnanteil handelt (Blatt 219 der Behördenakte, Band 2023-15642). Diese Einschätzung wurde von der Antragstellerin nicht infrage gestellt und erweist sich nach summarischer Prüfung als zutreffend. Ein Anspruch auf Gebietserhaltung scheidet daher von vornherein aus.
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Ein Anspruch auf Erhaltung der Gebietsart wäre jedoch auch dann nicht verletzt, wenn sich die Umgebung als Mischgebiet, § 6 BauNVO, erweisen sollte. Dort sind sowohl Schank- und Speisewirtschaften als auch Wohngebäude allgemein zulässig, § 6 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3, 2. Alt BauNVO. Trotz des vorhandenen hohen Wohnanteils (die Beurteilung erfolgt unter Heranziehung öffentlich zugänglicher Luftbilder – „Google Maps“) scheidet die Annahme eines allgemeinen Wohngebiets, § 4 BauNVO, schon aufgrund der zahlreichen vorhandenen Betriebe des Beherbergungsgewerbes aus (etwa L. …straße 75, L* …straße 77, …-Straße 24).
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3.3. Das Vorhaben verstößt bei summarischer Prüfung ferner nicht gegen das bauplanungsrechtliche Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme.
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3.3.1. Es kann dabei dahinstehen, ob sich das Gebot der Rücksichtnahme aus § 15 Abs. 1 BauNVO oder aus dem Begriff des sich Einfügens in § 34 Abs. 1 BauGB ableitet, da im Ergebnis dieselbe Prüfung stattzufinden hat (vgl. BVerwG, U.v. 23.5.1986 – 4 C 34/85 – juris). Inhaltlich zielt das Gebot der Rücksichtnahme darauf ab, Spannungen und Störungen, die durch unverträgliche Grundstücksnutzungen entstehen, möglichst zu vermeiden. Welche Anforderungen das Gebot der Rücksichtnahme begründet, hängt wesentlich von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab (BVerwG, U.v. 18.11.2004 – 4 C 1.04 – juris, Rn. 22; U.v. 29.11.2012 – 4 C 8.11 – juris Rn. 16; BayVGH, B.v. 12.9.2013 – 2 CS 13.1351 – juris Rn. 4). Eine Rechtsverletzung ist erst dann zu bejahen, wenn von dem Vorhaben eine unzumutbare Beeinträchtigung ausgeht (BayVGH, B.v. 22.6.2011 – 15 CS 11.1101 – juris Rn. 17). Zur Bestimmung dessen, was dem Rücksichtnahmeverpflichteten nach Lage der Dinge zumutbar ist, ist insbesondere die nähere Umgebung als (städte-)baulicher Rahmen, in den das Vorhaben- und Nachbargrundstück eingebettet sind, sowie die jeweilige besondere bauliche Situation der betroffenen Grundstücke in den Blick zu nehmen (VG München, U.v. 22.3.2022 – M 8 K 20.3855 – juris Rn. 29; U.v. 14.6.2021 – M 8 K 19.2266 – juris Rn. 41).
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3.3.2. Die zielorientierte Festlegung von Immissionsrichtwerten – 54 dB(A) tagsüber und 39 dB(A) nachts – entspricht dem Schutzniveau sowohl eines Mischgebiets (vgl. 6.1. d) TA Lärm) als auch einer vergleichbaren Gemengelage mit überwiegendem Wohnanteil (vgl. 6.7. TA Lärm analog) und ist nach summarischer Prüfung zum Schutz des Nachbargrundstücks ausreichend.
34
Soweit ein Rücksichtnahmeverstoß aufgrund von Immissionsbelastungen im Raum steht, wird zur Konturierung der Zumutbarkeitsschwelle des Rücksichtnahmegebots auf die materiell-rechtlichen Maßstäbe des Immissionsschutzrechts, also auf die Schwelle schädlicher Umwelteinwirkungen i.S. von § 3 Abs. 1, § 22 Abs. 1 BImSchG zurückgegriffen (BayVGH, B.v. 9.6.2020 – 15 CS 20.901 – BeckRS 2020, 14594 Rn. 29). Wenn es um die Lösung einer Immissionskonfliktlage geht, reicht es sowohl im Hinblick auf die Anforderungen der Bestimmtheit der Baugenehmigung als auch des Rücksichtnahmegebots in der Regel aus, wenn dem Emittenten aufgegeben wird, beim Betrieb seiner Anlage näher bestimmte Richtwerte einzuhalten (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.1968 – I C 29.67 – juris Rn. 11; U.v. 24.6.1971 – I C 39.67 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 15.11.2011 – 14 AS 11.2305 – juris Rn. 31; VG München, U.v. 12.10.2020 – M 8 K 18.3809 – juris Rn. 38).
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Durchgreifende, konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Immissionsrichtwerte zu Lasten der Antragstellerin bei regelmäßigem Betrieb der Gaststätte überschritten werden, drängen sich zum Entscheidungszeitpunkt weder auf, noch sind solche vorgetragen, zumal die Gaststätte (auch bei Berücksichtigung der Schiebetür zum Innenhof im „Lounge“-Bereich, vgl. den genehmigten Plan „Erdgeschoss“) im Wesentlichen zur L. …straße hin emittiert und durch das Rückgebäude eine zusätzliche Abschirmung erfolgt. Überdies könnte auch eine bestehende Immissionskonfliktlage in der vorgegebenen Situation ohne Weiteres bis zur Entscheidung der Kammer in der Hauptsache – etwa über eine Ergänzung oder Anpassung der bereits verfügten Nebenbestimmung zur Baugenehmigung – gelöst werden, sodass auch aufgrund dessen die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, welche einen Baustopp zur Folge hätte, nicht angezeigt ist. Zweifelsohne kann die genehmigte Gaststätte so betrieben werden, dass unzumutbare Geräuschbelastungen für das Nachbargrundstück nicht zu besorgen sind.
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3.3.3. Die von der Wohnnutzung (Wohnheim) ausgehenden Geräusche sind als sozialadäquat hinzunehmen, denn menschliche Lebensäußerungen sind untrennbar mit dem Wohnen verbunden. Dies gilt auch für die von der Antragstellerin befürchtete Geräuschbelastung durch die Nutzer der Dachterrasse auf dem Zwischenbau, zumal die maßgebliche Umgebung auch durch das Vorhandensein von Dachterrassen vorgeprägt ist (etwa auf dem Zwischenbau des Nachbargrundstücks). Stößt eine Wohnnutzung auf eine vorhandene Wohnnutzung, dann kommt unter dem Gesichtspunkt der Nutzungsart ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen in Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2010 – 2 ZB 09.2191 – juris Rn. 7). Solche sind hier nicht erkennbar. Das Nachbargrundstück wird durch die Dachterrasse – auch bei Berücksichtigung der Gemeinschaftsnutzung durch die Bewohner des Wohnheims – keiner außergewöhnlichen Belastung ausgesetzt. Die Dachterrasse verfügt über eine betretbare Fläche von lediglich ca. 14 m² (abgegriffen, errechnet), da sie umlaufend großzügig begrünt werden soll (vgl. den genehmigten Plan „4. Obergeschoss“), sodass bereits aufgrund der Größe die Anzahl der möglichen Nutzer stark eingeschränkt ist. Einem etwaigen Fehlverhalten Einzelner ist gegebenenfalls mit Mitteln des Ordnungsrechts zu begegnen. Eine darüberhinausgehende Regulierung im Rahmen der Baugenehmigung ist grundsätzlich nicht möglich. Soweit die Antragsgegnerin gleichwohl eine Regelung hinsichtlich der Benutzung der Dachterrasse getroffen hat („Auflagen“: Ziffer 5g), kann deren Rechtmäßigkeit dahinstehen, da ein Eingriff in die Rechte der Antragstellerin damit offensichtlich nicht einhergeht.
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Eine durchgreifende Unbestimmtheit der Baugenehmigung in nachbarrechtlicher Sicht liegt auch nicht darin, dass im genehmigten Plan „4. Obergeschoss“ der mit „2. Rettungsweg-Dachterrasse-W4.1-W4.2“ bezeichnete, an der Nord- und Westseite des Rückgebäudes verlaufende, ca. 1,20 m breite Streifen hinsichtlich seiner Zweckbestimmung nicht eindeutig ist. Anhand der Pläne kann zwar nicht ausgemacht werden, ob dieser Bereich ausschließlich als Rettungsweg dient oder ob dort aufgrund der Bezeichnung „Dachterrasse“ darüber hinaus der Aufenthalt der Bewohner der Wohnungen „W4.1“ und „W4.2“ gestattet ist. Jedoch wären auch von den Nutzern dieser „Dachterrasse“ verursachte Geräusche als sozialadäquat hinzunehmen.
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3.3.4. Das Rücksichtnahmegebot gibt dem Nachbarn zudem nicht das Recht, vor jeglicher Beeinträchtigung, speziell vor jeglichen Einblicken verschont zu bleiben. Gegenseitige Einnahmemöglichkeiten sind im dicht bebauten innerstädtischen Bereich unvermeidlich (BayVGH, B.v. 15.11.2010 – 2 ZB 09.2191 – juris Rn. 7 m.w.N.). Auch etwaige neue Einsichtsmöglichkeiten durch die Balkonanlage am Rückgebäude sind daher im nachbarschaftlichen Verhältnis hinzunehmen, zumal es sich dabei um eine gewöhnliche, keine Besonderheiten aufweisende „… Hinterhofsituation“ handelt und die Bewohner des Nachbargrundstücks bereits durch den Bestand auf dem Baugrundstück Einblicken ausgesetzt sind.
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3.3.5. Die Antragstellerin hat durch das Vorhaben auch keine unzumutbare Einschränkung ihres Baurechts hinzunehmen (vgl. § 22 Abs. 3 BauNVO), denn der Abbruch des bestehenden Dachs des Rückgebäudes unter Errichtung eines Staffelgeschosses hat keinen Einfluss auf die planungsrechtliche Situation – der Lichthof ist bereits vorhanden – und das bestehende nachbarliche Austauschverhältnis (vgl. auch 4.2.3.). Insoweit kann offenbleiben, ob und ggf. wie die künftige Bebaubarkeit des Nachbargrundstücks im Rahmen der Prüfung des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme grundsätzlich zu würdigen ist.
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4. Das Bauvorhaben verstößt – nach summarischer Prüfung – ferner weder gegen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts, Art. 60 Satz 1 Nr. 2) BayBO i.V.m. Art. 6 BayBO, noch ist die Baugenehmigung insoweit unbestimmt, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Auch die gewährte Abweichung von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO ist nicht zu beanstanden.
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4.1. Die Baugenehmigung ist auch hinsichtlich der Abstandsflächen nicht in nachbarrelevanter Weise unbestimmt i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Zwar ist der Antragstellerin zuzugeben, dass die genehmigten Pläne einige Widersprüche aufweisen. Gleichwohl sind die vorhandenen Bauzeichnungen ausreichend, um die Abstandsflächen des (hier allein maßgeblichen) Rückgebäudes und den Umfang der erforderlichen Abweichung zweifelsfrei zu ermitteln bzw. auszuschließen, dass durch die Widersprüchlichkeit Nachbarrechte verletzt werden.
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4.1.1. Eine Rechtsverletzung ergibt sich nicht schon daraus, dass der genehmigte Abstandsflächenplan teilweise fehlerhaft ist.
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Für die Beurteilung der Abstandsflächen ist nicht allein der Abstandsflächenplan maßgeblich, vielmehr sind alle zur Ermittlung der Abstandsflächen geeigneten Bauzeichnungen, insbesondere Ansichten, Schnitte und Grundrisse heranzuziehen. Erforderlich ist, dass den Plänen in ihrer Gesamtschau die genehmigten Wandhöhen und die entsprechenden Tiefen der Abstandsflächen entnommen werden können (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 4.3.2021 – 15 ZB 20.3151 – BeckRS 2021, 4199 Rn. 13), denn ein Nachbar kann – wie bereits ausgeführt – eine unzureichende inhaltliche Bestimmtheit nur geltend machen, soweit dadurch nicht sichergestellt ist, dass das genehmigte Vorhaben allen dem Nachbarschutz dienenden Vorschriften entspricht (BayVGH, B. v. 11.01.2022 – 15 CS 21.2913 – juris Rn. 23 m.w.N.). Selbst ein fehlender Abstandsflächenplan hat daher keine Nachbarrechtsverletzung zur Folge, wenn den vorgelegten Unterlagen entnommen werden kann, dass die Anforderungen des Abstandsflächenrechts gegenüber dem Nachbargrundstück eingehalten werden (vgl. VG Bayreuth, U.v. 7.7.2022 – B 2 K 19.1152 – BeckRS 2022, 36121 Rn. 37f.).
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Hieran gemessen ergibt sich kein Abstandsflächenverstoß aufgrund der für die Aufzugsüberfahrt im Abstandsflächenplan dargestellten fehlerhaften Abstandsflächentiefe von nur 16,83 m. Die maßgebliche Höhe des Aufzugbauwerks ergibt sich unzweifelhaft aus der in den genehmigten Plänen dargestellten „Nordansicht RGB“, „Südansicht RGB“, „Ostansicht ZGB“ sowie dem „Schnitt AA“, in denen das Bauwerk übereinstimmend mit einer Höhe von +16,99 m bei einem Bezugspunkt (fiktiver Fußpunkt) von -0,54 m vermaßt ist. Die erforderliche, aus den genehmigten Plänen eindeutig ermittelbare Abstandsflächentiefe beträgt 1 H, also 17,53 m. Bei der fehlerhaften Angabe im Abstandsflächenplan handelt es sich wohl um einen Übertragungsfehler, da die angegebene Tiefe der Abstandsfläche mit 16,83 m der maßgeblichen Abstandsfläche des Staffelgeschosses entspricht (vgl. „Südansicht RGB“, dort ist dessen Wandhöhe angegeben mit +16,29 m, was bei einem Geländeniveau von -0,54 m 1 H = 16,83 m ergibt).
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4.1.2. Weiterhin liegt keine Nachbarrechtsverletzung darin, dass das Dachterrassengeländer auf der Südseite des Rückgebäudes widersprüchlich dargestellt ist. Zwar ist der Antragstellerin zuzugeben, dass das Geländer der „Dachterrasse WE2“ im Grundrissplan des vierten Obergeschosses um ca. 1,10 m (abgegriffen) von der gemeinsamen Grundstücksgrenze Richtung Norden zurückspringt, während in der „Westansicht RGB“ ein Geländer dargestellt ist, das bis an die Grenze zum Nachbargrundstück heranreicht. Allerdings fällt in beiden „Varianten“ für das Geländer keine Abstandsfläche an. Sofern es bis an die Grundstücksgrenze durchgezogen wird, greift Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO, wonach keine Abstandsfläche vor Außenwänden, die an Grundstücksgrenzen errichtet werden, erforderlich ist, wenn – wie hier eindeutig – nach planungsrechtlichen Vorschriften an die Grenze gebaut werden muss oder gebaut werden darf.
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Nach Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 BayBO bleiben bei der Bemessung der Abstandsflächen bei Gebäuden an der Grundstücksgrenze zudem die Seitenwände von Vorbauten und Dachaufbauten, auch wenn sie nicht an der Grundstücksgrenze errichtet werden, außer Betracht. Unter den Begriff „Dachaufbauten“ sind Gebäudeteile, Bauteile und sonstige (bauliche) Anlagen, die innerhalb der Dachfläche liegen, über die Dachfläche hinausragen und nicht Bestandteil des Dachs sind, etwa (aufgeständerte) Dachterrassen und deren Geländer zu fassen (vgl. Kraus/Harant in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Oktober 2023, Art. 6 Rn. 243 ff.). Die Privilegierung erfasst demnach auch Dachterrassenumwehrungen (vgl. BayVGH, B.v. 2.8.2022 – 2 ZB 22.1229 – n.V.; U.v. 28.3.2022 – M 8 K 20.3855 – juris Rn. 48, dort offengelassen, vgl. auch: VG München, U.v. 27.11.2023 – M 8 K 22.2857 – BeckRS 2023, 38437 Rn. 45 m.w.N.). Maßgeblich ist, ob die Vor- oder Dachaufbauten, hier also die Dachterrassenumwehrung, für sich genommen bauplanungsrechtlich ohne Grenzabstand gebaut werden könnten. Dies ist hier zweifelsohne der Fall.
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4.1.3. Der Antragstellerin ist ferner zuzugeben, dass die Fluchttreppe in der „Westansicht RGB“ nicht dargestellt wurde. Sie fehlt ebenso im „Schnitt AA“. Allerdings sind der genaue Anbringungsort und die Abmessungen der Fluchttreppe sowohl aus der „Südansicht RGB“ als auch den Grundrissen des Rückgebäudes (EG – 2.DG) zweifelsfrei ermittelbar.
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4.1.4. Soweit die Antragstellerin rügt, dass die Darstellung des Geländers im Bereich des vierten Obergeschosses des Rückgebäudes in der „Südansicht“ des Rückgebäudes nicht mit der Darstellung des Geländers im Grundriss des vierten Obergeschosses übereinstimme, ist anzumerken, dass zusätzlich zu der angesprochenen Umwehrung der „Dachterrasse WE2“ eine das begrünte Flachdach einfassende Absturzsicherung vorgesehen ist. Diese, dem Terrassengeländer vorgelagerte Absturzsicherung wird in der „Südansicht“ dargestellt. Dies ergibt sich aus dem „Schnitt AA“, in welcher die Absturzsicherung (bezeichnet als „Geländer“) ebenfalls abgebildet ist.
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4.2. Überdies wurde eine Abweichung von den Abstandsflächenvorschriften erteilt, welche die durch das neue Terrassengeschoss des Rückgebäudes ausgelöste Abstandsflächen, also insbesondere auch die der Dachterrassengeländer und Absturzsicherungen sowie der Aufzugsüberfahrt und der Außentreppe (letztere werden in der Abweichungsentscheidung sogar ausdrücklich genannt), umfasst.
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4.2.1. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO und Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden grundsätzlich Abstandsflächen freizuhalten, die auf dem Grundstück selbst liegen müssen. Soweit das Vorhaben grenzständig errichtet wird, bedarf es jedoch keiner Abstandsflächen, Art. 6 Abs. 1 Satz 3 BayBO. Gleiches gilt für die südlichen Seitenwände der Balkonanlage, Art. 6 Abs. 6 Satz 1 Nr. 3 BayBO. Der gesetzlich eingeräumte Vorrang des Städtebaurechts vor dem Abstandsflächenrecht gilt jedoch nur insoweit, als die betreffende Außenmauer ohne Grenzabstand errichtet wird. Soweit das Vorhaben von der gemeinsamen Grundstücksgrenze zurückspringt, ist es abstandsflächenpflichtig.
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Zweifelsfrei vermag das Rückgebäude bzw. das Terrassengeschoss bei einer Wandhöhe von 16,83 m und einem Abstand von ca. 5,20 m zur Grundstücksgrenze (abgegriffen) die erforderliche Abstandsfläche von 1 H (Art. 6 Abs. 5a BayBO) nicht einzuhalten. Gleiches gilt für die Aufzugsüberfahrt und die Fluchttreppe.
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4.2.2. Allerdings soll die Bauaufsichtsbehörde gemäß Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO Abweichungen von bauordnungsrechtlichen Anforderungen zulassen, wenn sie unter Berücksichtigung der jeweiligen Anforderung und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar sind (vgl. grundsätzlich zu den Voraussetzungen einer Abweichung: BayVGH, B.v. 4.8.2011 – 2 CS 11.997 – juris Rn. 23; B.v. 5.12.2011 – 2 CS 11.1902 – juris Rn. 3; U.v. 22.12.2011 – 2 B 11.2231 – juris Rn. 16; B.v. 20.11.2014 – 2 CS 14.2199 – juris Rn. 4; B.v. 2.12.2014 – 2 ZB 14.2077 – juris Rn. 3; B.v. 9.2.2015 – 15 ZB 12.1152 – juris Rn. 8 ff). Wegen der aufgenommenen Verpflichtung zur Würdigung nachbarlicher Interessen bedarf es nach dem Gesetz einer Abwägung zwischen den für das Vorhaben sprechenden Gründen und den Belangen des Nachbarn (BayVGH, B.v. 30.11.2023 – 2 ZB 21.2099 – BeckRS 2023, 37961 Rn. 18). Die Belange der Nachbarn, die durch die Abweichung berührt werden, sind zu ermitteln und entsprechend ihrem Gewicht in die Abwägung einzustellen. Es ist anhand der konkreten Situation zunächst zu klären, ob und in welchem Umfang die Nachbarbelange durch die Abweichung beeinträchtigt werden. Ist eine nennenswerte Einbuße, insbesondere bei einem Vergleich mit der Situation ohne Abweichung, nicht festzustellen, steht einer Abweichung aus der Sicht des Nachbarn nichts entgegen (BayVGH, U.v. 23.5.2023 – 1 B 21.2139 – NVwZ-RR 2023, 977).
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4.2.3. Es kann offenbleiben, ob die Erteilung einer Abweichung nach Art. 63 BayBO nach Einfügung von Art. 6 Abs. 1 Satz 4 BayBO noch eine atypische Situation voraussetzt (Bayer. Landtag Drucksache 17/21474, zu Nr. 5 (Art. 6); vgl. zum Streitstand: BayVGH, U.v. 23.5.2023 – 1 B 21.2139 – NVwZ-RR 2023, 977), denn eine solche liegt hier zweifelsohne vor.
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Eine Atypik kann sich etwa aus einem besonderen Grundstückszuschnitt, einer aus dem Rahmen fallenden Bebauung auf dem Bau- oder Nachbargrundstück oder einer besonderen städtebaulichen Situation, wie der Lage des Baugrundstücks in einem historischen Ortskern ergeben; auch das Interesse des Grundstückseigentümers, vorhandene Bausubstanz zu erhalten und sinnvoll zu nutzen oder bestehenden Wohnraum zu modernisieren, kann zu einer Verkürzung der Abstandsflächen durch Zulassung einer Abweichung führen (BayVGH, U.v. 23.5.2023 – 1 B 21.2139 – NVwZ-RR 2023, 977). Auch die Lage der betroffenen Grundstücke in einem seit langer Zeit dicht bebauten großstädtischen Innenstadtquartier, in dem allenfalls wenige Gebäude die nach heutigen Maßstäben erforderlichen Abstände zu den jeweiligen Grundstückgrenzen einhalten, vermittelt eine besondere Atypik, die eine Abweichung von der Einhaltung der Regelabstandsflächen gegenüber Nachbarn rechtfertigt (BayVGH, B.v. 22.1.2020 – 15 ZB 18.2547 – juris, Rn. 36). Überdies entsteht die Pflicht, eine Abstandsfläche einzuhalten, hier erst durch das für den Nachbarn günstigere Abrücken der Außenwand von der gemeinsamen Grenze. Sofern die übrigen Voraussetzungen vorliegen, kann im dicht bebauten innerstädtischen Bereich auch eine Abweichung zugelassen werden, um das Abrücken von der gemeinsamen Grundstücksgrenze zugunsten des Nachbarn zu ermöglichen (vgl. VG München, U.v. 6.3.2023 – M 8 K 21.811 – juris Rn. 33 m.w.N.).
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Bauplanungsrechtlich kann im Quartier grundsätzlich ohne Grenzabstand gebaut werden. Gleichwohl rücken in der gewachsenen, aufeinander abgestimmten Bebauung im Quartiersinnern eine Vielzahl von Bauten ganz oder teilweise von den Grenzen ab, um eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung der Gebäude in diesem äußerst dicht bebauten Bereich sicherzustellen. Die heute geltenden Abstandsflächentiefen sind deswegen weitestgehend nicht oder nur bei einigen wenigen Grundstücken anzutreffen. Bau- und Nachbargrundstück sind in diesen städtebaulichen Kontext eingebunden. Das Rückgebäude der Beigeladenen bildet für die Belichtung von Süden und Westen her einen Innenhof aus. Die Bebauung auf dem Nachbargrundstück partizipiert an diesem Lichthof, denn durch das Abrücken von der Grenze entstehen größere Freiflächen, die insbesondere der Belüftung dienen. Dieses auch für den Nachbarn günstige Zurücktreten von der Grundstücksgrenze sowie jede Änderung des Bestands lösen aber aus rechtlichen Gründen eine Abstandsflächenverletzung aus.
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4.2.4. Die Abweichung ist auch unter Berücksichtigung des Zwecks des Abstandsflächenrechts und unter Würdigung der nachbarlichen Interessen – Art. 6 BayBO bezweckt insbesondere im nachbarlichen Verhältnis die Gewährleistung ausreichender Belichtung, Besonnung und Belüftung, nach umstrittener Ansicht auch den Erhalt des sozialen Wohnfriedens (vgl. zum Streitstand: BayVGH, U.v. 31.7.2020 – 15 B 19.832 – juris Rn. 33) – mit den öffentlichen Belangen vereinbar.
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Zu prüfen war insbesondere, ob die Abweichung nach dem Zweck des Abstandsflächenrechts für die Antragstellerin mit unzumutbaren, rücksichtslosen Auswirkungen verbunden ist (vgl. BayVGH, U.v. 23.5.2023 – 1 B 21.2139 – NVwZ-RR 2023, 977). Dies ist hier nicht der Fall. Wie sich aus den „Schnitt AA“ ergibt, erhöht sich die Abstandsfläche hinsichtlich des Hauptbaukörpers durch den Abbruch des vorhandenen Dachgeschosses (Wandhöhe: 14,01 m) nur geringfügig, da das Terrassengeschoss zwar höher ist, jedoch noch weiter als der Altbestand von der Grenze abrückt (Wandhöhe neu: 16,83 m, im Vergleich zum Altbestand jedoch um ca. 2,30 m zurückversetzt). Auch bei Berücksichtigung der zusätzlichen Überschreitung der Abstandsflächen im Bestand durch die ca. 2,10 m breite Aufzugsüberfahrt (abgegriffen) und die lichtdurchlässig ausgestaltete Fluchttreppe ist hinsichtlich der geschützten Belange Belichtung, Besonnung und Belüftung keine spürbare Veränderung gegenüber der Bestandssituation auszumachen, da sich das Vorhaben im Norden des Nachbargrundstücks befindet. Durch die bauliche Veränderung des Rückgebäudes wird in das vorgefundene nachbarliche Austauschverhältnis, welches der wechselseitigen Belichtung und Belüftung dient, nicht unangemessen eingegriffen. Die Belichtung des Rückgebäudes der Antragstellerin wird weiterhin von Westen und Osten her bewirkt und durch das genehmigte Gebäude nicht, oder zumindest nicht spürbar beeinträchtigt.
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Das Interesse des Bauherrn an der Schaffung von zeitgemäßem Wohnraum (vgl. BayVGH, B.v. 5.12.2011 – 2 CS 11.1902 – juris Rn. 5) ist gegenüber den Interessen der Antragstellerin auch vorrangig. Hier war insbesondere zu berücksichtigen, dass die Auswirkungen auf die geschützten Belange der Antragstellerin kaum spürbar sind und ein vergleichbarer, die Antragstellerin weitaus belastenderer Grenzanbau bauplanungsrechtlich ebenso zulässig wäre. Soweit die Antragstellerin sinngemäß einwendet, dass es sich bei dem Vorhaben nicht um eine „abstandsflächenrechtlich begünstigte“ Schaffung von Wohnraum handele, folgt das Gericht dem nicht. Zum einen ist auch das gewichtige Interesse des Bauherrn, die bereits vorhandene Bausubstanz zu erhalten und die Nutzung moderat an moderne Verhältnisse anzupassen zu berücksichtigen. Zum anderen erschließt sich nicht, warum nur eine bestimmte „Qualität“ des Wohnens berechtigte Interessen des Bauherrn begründen sollte. Auch in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs findet sich insoweit keine Unterscheidung (vgl. BayVGH, U.v. 23.5.2023 – 1 B 21.2139 – NVwZ-RR 2023, 977, die Entscheidung hat ebenfalls ein Wohnheim zum Gegenstand).
59
4.2.5. Die Ermessensentscheidung der Antragsgegnerin ist nicht zu beanstanden (§ 114 Satz 1 VwGO). Sie hat sich im Rahmen der Prüfung der Abweichung mit der konkreten Situation sowie den Interessen der Beigeladenen und den Belangen der Antragstellerin in sachgerechter Weise unter Berücksichtigung des Zwecks des Abstandsflächenrechts auseinandergesetzt.
60
Dem Bescheid kann auch entnommen werden, dass die Antragsgegnerin ihr Ermessen – trotz des Passus, dass die Abweichung „zu erteilen sei“ – grundsätzlich erkannt hat. Die gewählte Formulierung belegt (entgegen der Ansicht der Antragstellerin) keinen Ermessensausfall, sondern gibt lediglich – die weitere Begründung einleitend – das Ergebnis der Ermessenserwägungen wieder. Die wesentlichen Punkte werden im Folgenden in ausreichender Weise herausgearbeitet und abgewogen. Insbesondere stellt die Antragsgegnerin in nicht zu beanstandender Weise darauf ab, dass die Abstandsflächenüberschreitungen ausschließlich auf die Freiflächen bzw. das Dach des Rückgebäudes der Antragstellerin fielen und den Überschreitungen durch die Bebauung in der näheren Umgebung entsprächen, zumal eine ausreichende Belichtung, Besonnung und Belüftung weiterhin gewährleistet sei. Die nachbarlichen Belange wurden insbesondere angesichts der Lage der Grundstücke im innerstädtischen Quartier, welches durch eine dichte Bebauung und damit einhergehende verkürzte Abstandsflächen geprägt ist, zutreffend ermittelt, gewürdigt und den Interessen des Bauherrn an der moderaten baulichen Erweiterung des Bestands gegenübergestellt. Auch der fehlerhafte Abstandsflächenplan hatte offensichtlich keine Auswirkungen auf das von der Bauaufsichtsbehörde ausgeübte Ermessen, da er nicht in Bezug genommen wurde.
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5. Die Verletzung weiterer, im bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfender drittschützender Normen, insbesondere des Brandschutzes ist nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich.
62
Die Antragstellerin kann die Verletzung eigener Rechte nur geltend machen, soweit der Regelungsgehalt der Baugenehmigung reicht. Der Brandschutz ist vorliegend nicht Teil des Genehmigungsverfahrens nach Art. 60 BayBO, da der Brandschutznachweis laut Bauantrag gemäß Art. 62b Abs. 2 Nr. 1 BayBO durch einen Prüfsachverständigen für Brandschutz bescheinigt werden soll. Die Baugenehmigung weist insoweit keine Feststellungswirkung auf (Lechner/Busse in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Oktober 2023, Art. 60 Rn. 12) und vermittelt keinen Drittschutz. Nur wenn die Prüfung des Brandschutznachweises Teil des Prüfprogramms ist, weil es sich um einen Sonderbau handelt und die Prüfung durch die Bauaufsichtsbehörde vorzunehmen ist, kann die Baugenehmigung selbst mit Verweis auf die nachbarschützende Bestimmung angefochten werden (Shirvani in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Oktober 2023, Art. 62 Rn. 22). Die Ausführungen zur Beschaffenheit der Fluchttreppe, der Fluchtsituation und das Nichtvorliegen des Brandschutznachweises können dem Antrag daher nicht zum Erfolg verhelfen.
63
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, da sie keinen Sachantrag gestellt und sich dadurch auch keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat, § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO.
65
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. den Ziffern 1.5 und 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.