Inhalt

VGH München, Beschluss v. 15.07.2024 – 2 NE 24.821
Titel:

Überplanung privater Grundstücke durch eine öffentliche Verkehrsfläch

Normenketten:
BauGB § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 3
GG Art. 14 Abs. 1
VwGO § 47 Abs. 6
Leitsatz:
Für die Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche muss der Plangeber im Rahmen der Abwägung die planerische Verantwortung übernehmen. Er hat dabei in besonderem Maße die Bestandsgarantie des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sowie das Gebot größtmöglicher Schonung privater Flächen zu beachten und muss daher insbesondere prüfen, ob das Planungsziel nicht auch unter weiter gehender Schonung des Grundbesitzes der Betroffenen zu erreichen wäre, welche baurechtliche Qualität die betroffenen Flächen aufweisen und ob die Planung ein Mindestmaß an Lastengleichheit zwischen allen betroffenen Eigentümern gewährleistet. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, Offensichtlich rechtswidriger Bebauungsplan, Ermittlungsdefizit, Festsetzung einer öffentlichen Straßenverkehrsfläche auf privatem Grundeigentum, Ermittlung und Abwägung der Eigentümerbelange, Dringlichkeit, Bebauungsplan, öffentliche Verkehrsfläche, Überplanung, Bewertungsdefizit, einstweilige Anordnung, Gesamtnichtigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18874

Tenor

I. Der Bebauungsplan „Hauptstraße Ost“ der Antragsgegnerin vom 4. Dezember 2017, bekannt gemacht am 5. Mai 2023, wird bis zur Entscheidung des Gerichts über den Normenkontrollantrag des Antragstellers im Verfahren 2 N 24.739 außer Vollzug gesetzt.
II. Die Antragsgegnerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000, – € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans „Hauptstraße Ost“, der von der Antragsgegnerin am 4. Dezember 2017 als Satzung beschlossen und am 5. Mai 2023 bekannt gemacht wurde.
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Er ist Eigentümer der beiden im Geltungsbereich des Bebauungsplans gelegenen aneinandergrenzenden Grundstücke Fl.Nrn. 192 und 197/1 der Gemarkung O., auf denen er laut seinem Vorbringen einen landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb führt.
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Der streitgegenständliche Bebauungsplan setzt eine öffentliche Straßenverkehrsfläche fest, die das Grundstück Fl.Nr. 197/1 durchtrennt. Zudem weist er bisher unbebaute Flächen in der Umgebung des Anwesens des Antragstellers als Mischgebiet und als Dorfgebiet aus.
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Am 2. Mai 2024 erhob der Antragsteller Normenkontrollklage, über die noch nicht entschieden ist. Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, der Bebauungsplan sei ermittlungs- und abwägungsfehlerhaft. Die Zerschneidung des landwirtschaftlichen Anwesens durch die geplante Erschließungsstraße sowie die durch die Dorf- und Mischgebietsausweisung ermöglichte heranrückende Wohnbebauung gefährdeten den landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb des Antragstellers in seiner Existenz. Die Schutzwürdigkeit des vorhandenen Betriebes und dessen Erweiterungsmöglichkeiten seien nicht hinreichend berücksichtigt worden. Hinsichtlich der Überplanung des Grundstücks Fl.Nr. 197/1 mit einer öffentlichen Verkehrsfläche fehle es an jeglicher Auseinandersetzung mit den eigentumsrechtlichen Belangen des Antragstellers.
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Am 16. Mai 2024 beantragte der Antragsteller den Erlass einer einstweiligen Anordnung mit dem Inhalt,
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den streitgegenständlichen Bebauungsplan vorläufig außer Vollzug zu setzen.
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Zur Begründung führt er aus, ihm drohten durch die Umsetzung des rechtswidrigen Bebauungsplans nicht mehr wiedergutzumachende Schäden. Die Antragsgegnerin, in deren Eigentum diverse überplante Grundstücke stünden, könne durch den Beginn von Bauarbeiten auf Gemeindegrundstücken vollendete Tatsachen schaffen. Es sei die Erteilung von Baugenehmigungen für Wohnbebauung in unmittelbarerer Nähe des landwirtschaftlichen Anwesens des Antragstellers zu befürchten, wodurch Immissionskonflikte drohten.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Sie verteidigt den angegriffenen Bebauungsplan und führt aus, das Vorliegen eines landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetriebs im Sinne von § 201 BauGB sei nicht nachgewiesen. Auch sei nicht erkennbar, dass die Durchschneidung des Anwesens des Antragstellers durch die festgesetzte öffentliche Straßenverkehrsfläche im Rahmen der Abwägung besonders zu behandeln gewesen wäre. Der Bebauungsplan habe keine enteignungsrechtliche Vorwirkung. Ein möglicher Eigentumsentzug durch die Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche sei daher nicht „Thema des Bebauungsplans“. Darüber hinaus fehle es an der erforderlichen Dringlichkeit einer vorläufigen Außervollzugsetzung des Bebauungsplans. Die geplante Erschließungsstraße könne erst gebaut werden, wenn ein Grunderwerb durch Umlegung oder Enteignung erfolgt sei. Die Erteilung von Einzelgenehmigungen für Wohnbauvorhaben sei unwahrscheinlich, da es für die diejenigen Bereiche, die bislang nach § 35 BauGB zu bewerten gewesen seien und nunmehr durch die geplante Erschließungsstraße erschlossen werden sollten, an einer gesicherten Erschließung fehle.
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Im Übrigen wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO hat Erfolg.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist der Antragsteller antragsbefugt im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
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Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Eine solche Rechtsverletzung kommt regelmäßig in Betracht, wenn sich der Eigentümer eines im Planungsgebiet liegenden Grundstücks gegen eine bauplanerische Festsetzung wendet, die – wie hier die Festsetzung einer öffentlichen Straßenverkehrsfläche auf dem Grundstück Fl.Nr. 197/1 – unmittelbar sein Grundstück betrifft (vgl. BVerwG, B.v. 8.2.2024 – 4 BN 28.23 – juris Rn. 4). Bei den Festsetzungen eines Bebauungsplans handelt es sich um Inhalts- und Schrankenbestimmungen im Sinne des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG. Beschränkungen, die sich hieraus für die Nutzung des Grundeigentums ergeben, braucht der Eigentümer nur hinnehmen, wenn der Bebauungsplan rechtmäßig ist. Ob dies der Fall ist, kann er im Normenkontrollverfahren überprüfen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 31.1.2018 – 4 BN 17.17 – juris Rn. 5).
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2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
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Gemäß § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. Prüfungsmaßstab sind, jedenfalls bei Bebauungsplänen, zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache anhängigen Normenkontrollantrags, soweit sich diese im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes bereits absehen lassen. Ergibt diese Prüfung, dass der Normenkontrollantrag voraussichtlich unzulässig oder unbegründet sein wird, ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO geboten. Erweist sich dagegen, dass der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO zulässig und (voraussichtlich) begründet sein wird, ist dies ein wesentliches Indiz dafür, dass dessen Vollzug suspendiert werden muss. In diesem Fall kann eine einstweilige Anordnung ergehen, wenn dessen (weiterer) Vollzug vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren Nachteile befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange des Antragstellers so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für den Antragsteller günstigen Hauptsacheentscheidung unaufschiebbar ist. Lassen sich die Erfolgsaussichten des Normenkontrollverfahrens nicht abschätzen, ist über den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden. Gegenüberzustellen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, der Normenkontrollantrag aber Erfolg hätte, und die Nachteile, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO aber erfolglos bliebe. Die für den Erlass der einstweiligen Anordnung sprechenden Erwägungen müssen die gegenläufigen Interessen dabei deutlich überwiegen, mithin so schwer wiegen, dass der Erlass der einstweiligen Anordnung – trotz offener Erfolgsaussichten in der Hauptsache – dringend geboten ist (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 30.4.2019 – 4 VR 3.19 – juris Rn. 4; B.v. 25.2.2015 – 4 VR 5.14 – juris Rn. 12).
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In Ansehung dieser Grundsätze ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung vorliegend dringend geboten.
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2.1. Der vom Antragsteller im Hauptsacheverfahren fristgerecht innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO angegriffene Bebauungsplan erweist sich nach der im Eilverfahren nur möglichen und gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig.
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Er leidet an einem nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB beachtlichen Ermittlungs- und Bewertungsdefizit im Sinne von § 2 Abs. 3 BauGB und genügt damit auch nicht den an eine ordnungsgemäße Abwägung im Sinne des § 1 Abs. 7 BauGB zu stellenden Anforderungen.
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Nach § 1 Abs. 7 BauGB sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Die Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind (Abwägungsmaterial), sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne nach § 2 Abs. 3 BauGB zu ermitteln und zu bewerten. Zu ermitteln und zu bewerten sowie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen sind alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2023 – 4 CN 11.21 – juris Rn. 12).
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Zu den für die Abwägung relevanten privaten Belangen gehört in hervorgehobener Weise das durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleistete Eigentum (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 14.12.2022 – 4 CN 1.22 – juris Rn. 29). Die Gemeinde darf durch ihre Bauleitplanung die bauliche Nutzbarkeit von Grundstücken verändern und dabei auch die privaten Nutzungsmöglichkeiten einschränken oder gar aufheben. Dies setzt indes voraus, dass hinreichend gewichtige städtebaulich beachtliche Allgemeinbelange hierfür bestehen. Diese Allgemeinbelange müssen umso gewichtiger sein, je stärker die Festsetzungen eines Bebauungsplans die Befugnisse des Eigentümers einschränken oder Grundstücke von einer Bebauung ganz ausschließen. Die grundgesetzliche Eigentumsgarantie umfasst neben der Substanz des Eigentums auch die Beachtung des Gleichheitssatzes und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten eines Grundstücks muss von der Gemeinde daher als ein wichtiger Belang privater Eigentümerinteressen in der nach § 1 Abs. 7 BauGB gebotenen Abwägung der öffentlichen und der privaten Belange beachtet werden. Im Rahmen der Abwägungsentscheidung nach § 1 Abs. 7 BauGB hat die Gemeinde folglich die Nachteile einer Planung für Planunterworfene zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 13.3.2017 – 4 BN 25.16 – juris Rn. 5).
22
Bei einer fremdnützigen Überplanung privater Grundstücke durch eine öffentliche Verkehrsfläche oder eine andere Gemeinbedarfsfläche sind nach ständiger Rechtsprechung an die Abwägung besonders hohe Anforderungen zu stellen (vgl. OVG SH, U.v. 22.2.2023 – 1 KN 2/18 – juris Rn. 47; BayVGH, U.v. 27.6.2019 – 1 N 16.220 – juris Rn. 31; OVG NW, U.v. 8.3.2018 – 7 D 60/16.NE – juris Rn. 55; OVG SA, U.v. 2.2.2016 – 2 L 7/14 – juris Rn. 171). Dies gilt unbeschadet des Umstandes, dass Bebauungspläne keine enteignungsrechtliche Vorwirkung haben und deshalb die Enteignungsvoraussetzungen (§§ 85 ff. BauGB) bei der Rechtmäßigkeitskontrolle nach § 1 Abs. 7 BauGB nicht zu prüfen sind. Die planerische Inanspruchnahme privater Flächen als öffentliche Verkehrsfläche ist mit erheblichen Eingriffen in das durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Nutzungsrecht des Eigentümers verbunden. Mit der Festsetzung im Bauungsplan wird bindend über die künftige Zweckbestimmung der Fläche entschieden (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.2009 – 4 CN 5.08 – juris Rn. 24). Durch die Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche ist bereits mit Inkrafttreten des Bebauungsplans jegliche private bauliche Nutzung der betreffenden Fläche durch den Eigentümer vollständig ausgeschlossen (vgl. BVerwG, U.v. 27.8.2009 – 4 CN 5.08 – juris Rn. 20). Hierfür muss der Plangeber im Rahmen der Abwägung die planerische Verantwortung übernehmen. Er hat dabei in besonderem Maße die Bestandsgarantie des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG sowie das Gebot größtmöglicher Schonung privater Flächen zu beachten und muss daher insbesondere prüfen, ob das Planungsziel nicht auch unter weiter gehender Schonung des Grundbesitzes der Betroffenen zu erreichen wäre, welche baurechtliche Qualität die betroffenen Flächen aufweisen und ob die Planung ein Mindestmaß an Lastengleichheit zwischen allen betroffenen Eigentümern gewährleistet (vgl. OVG SH, U.v. 22.2.2023 – 1 KN 2/18 – juris Rn. 47; BayVGH, U.v. 27.6.2019 – 1 N 16.220 – juris Rn. 31; OVG NW, U.v. 8.3.2018 – 7 D 34/17.NE – juris Rn. 53).
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Vorliegend ist nicht erkennbar, dass sich die Antragsgegnerin bei der Zusammenstellung und Bewertung des Abwägungsmaterials über die Kenntnis der Eigentumslage hinausgehend mit den durch die Festsetzung einer öffentlichen Straßenverkehrsfläche auf dem Grundstück Fl.Nr. 197/1 beeinträchtigten Eigentümerbelangen des Antragstellers auch nur annähernd befasst hat. Weder der Begründung des Bebauungsplans noch dem Rechtssetzungsvorgang im Übrigen lässt sich entnehmen, dass die Antragsgegnerin das Grundeigentum des Antragstellers – ebenso wie dasjenige der weiteren von der Überplanung betroffenen privaten Grundeigentümer – einer näheren Betrachtung und Bewertung bezüglich seiner Inanspruchnahme für eine öffentliche Verkehrsfläche unterzogen hat. Zum Umfang der erforderlichen Inanspruchnahme privaten Eigentums und deren Auswirkungen für die (jeweiligen) Grundstückseigentümer finden sich keinerlei Darlegungen. In der Abwägungsübersicht zur förmlichen Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung wird lediglich angemerkt, dass keine Enteignungen geplant seien und eine abschließende Erschließung nur bei Flächenverfügbarkeit realisiert werden könne. Dies genügt nicht als hinreichende Befassung mit den betroffenen Eigentümerbelangen. Die Antragsgegnerin war sich, wie auch ihre Einlassung im gerichtlichen Verfahren zeigt, deren objektiven Abwägungsrelevanz offenbar nicht bewusst und hat daher die durch die Straßenverkehrsflächenfestsetzung beeinträchtigten Eigentümerbelange des Antragstellers – sowie die der weiteren privaten Grundstückseigentümer, über deren Grundeigentum die geplante Erschließungsstraße verläuft – nicht ermittelt, obwohl sich dies nach Lage der Dinge aufgedrängt hätte. Dadurch konnte sie das objektive Gewicht dieser abwägungserheblichen Belange nicht feststellen und ist dem Gebot, diese Belange zu bewerten und mit dem entsprechenden Gewicht in die nachfolgende Abwägung einzustellen, nicht hinreichend nachgekommen.
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Dieser Mangel ist auch im Sinne des § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB beachtlich. Er ist offensichtlich, da er sich unmittelbar aus den Bebauungsplanakten ergibt. Zudem ist er auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen, weil nach den Umständen des vorliegenden Falles die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planung ohne den Mangel im Abwägungsvorgang anders ausgefallen wäre. Es ist nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin den Bebauungsplan bei einer hinreichenden Ermittlung und Bewertung der durch die Straßenverkehrsflächenfestsetzung beeinträchtigten Eigentümerbelange des Antragstellers in jedem Fall mit demselben Inhalt beschlossen hätte.
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Der festgestellte Mangel ist auch nicht im Nachhinein gemäß § 215 Abs. 1 BauGB unbeachtlich geworden, da er vom Antragsteller rechtzeitig gerügt wurde.
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Die rechtswidrige Festsetzung einer öffentlichen Straßenverkehrsfläche auf dem Grundstück Fl.Nr. 197/1 führt voraussichtlich zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans. Die Ungültigkeit eines Teils eines Bebauungsplans führt nur dann nicht zur Gesamtnichtigkeit, wenn die Restbestimmung auch ohne den unwirksamen Teil sinnvoll bleibt und nach dem mutmaßlichen Willen des Normgebers mit Sicherheit anzunehmen ist, dass sie auch ohne diesen erlassen worden wäre (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.2009 – 4 C 21/07 – juris Rn. 30). Vorliegend besteht ohne die unwirksame Festsetzung einer öffentlichen Straßenverkehrsfläche auf dem Grundstück Fl.Nr. 197/1, das sich in der Mitte der geplanten Erschließungsstraße befindet, schon mangels dortiger Wendemöglichkeit keine zweckmäßige Straßenführung mehr, so dass die Annahme fernliegt, die Antragsgegnerin hätte den Bebauungsplan ohne die unwirksame Festsetzung einer öffentlichen Verkehrsfläche auf dem Grundstück Fl.Nr. 197/1 mit ansonsten gleichem Inhalt beschlossen.
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Auf die weiteren vom Antragsteller geltend gemachten Mängel kommt es daher nicht mehr an.
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2.2. Der Umstand, dass der Normenkontrollantrag in der Hauptsache voraussichtlich Erfolg haben wird, ist bereits ein wesentliches Indiz dafür, dass der Vollzug des Bebauungsplans bis zur Hauptsachenentscheidung suspendiert werden muss. Der weitere Vollzug des Bebauungsplans ist zudem mit gewichtigen Nachteilen für den Antragsteller verbunden. Durch die Ausweisung eines Dorfgebietes und eines Mischgebiets auf bislang von der Antragsgegnerin als Außenbereich eingestuften unbebauten Flächen in der unmittelbaren Umgebung des Anwesens des Antragstellers, die als Hinterliegergrundstücke erschlossen werden können, muss der Antragsteller bei einer vorläufigen Weitergeltung des Bebauungsplans bereits vor Errichtung der geplanten Erschließungsstraße eine an sein Anwesen heranrückende Wohnbebauung befürchten, durch die – jedenfalls im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließende – Immissionskonflikte drohen können. Dies stellt einen Nachteil im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO dar, dem hier nach Lage der Dinge angesichts der offensichtlichen Rechtswidrigkeit des Bebauungsplans mit dessen vorläufiger Außervollzugsetzung zu begegnen ist.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG.
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Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
32
Entsprechend § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO ist die Ziffer I. der Entscheidungsformel allgemein verbindlich und muss von der Antragsgegnerin in derselben Weise veröffentlicht werden wie die angefochtene Satzung (§ 10 Abs. 3 BauGB).