Inhalt

VGH München, Beschluss v. 11.07.2024 – 15 CS 24.847
Titel:

Erfolgloser Nachbareilantrag gegen Baugenehmigung für Nutzungsänderung eines Stadels samt Kuhstall zu einem Künstlerhof mit Ausstellungs- und Verkaufsflächen sowie Flächen zur Bewirtschaftung

Normenkette:
VwGO § 80 Abs. 5, § 146 Abs. 4 S. 6
Leitsatz:
Die Erschließungssituation des Vorhabengrundstücks und die Regelungen zur erforderlichen Anzahl von Stellplätzen sind grundsätzlich nicht drittschützend und ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot ist auch bei „größeren“ Veranstaltungen  nicht gegeben, wenn keine erhebliche Verschlechterung der Erschließungssituation erkennbar sei. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gebot der Rücksichtnahme bei Nutzungsänderung von Stadel und Kuhstall im, Außenbereich in Künstlerhof mit Verkaufs- und Bewirtungsflächen, Lärmimmissionen, Anzahl der Stellplätze, Eilbeschwerde, Nachbareilantrag, aufschiebende Wirkung, Nutzungsänderungsgenehmigung, Betriebsbeschreibung, Rücksichtnahmegebot, Lärm, Immissionsbelastung, Erschließungssituation, Stellplätze
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 02.05.2024 – RN 6 S 23.241
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18855

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.750,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 9. November 2023 und die Tekturgenehmigung vom 11. April 2024 für eine Nutzungsänderung eines Stadels und eines Kuhstalls zu einem Künstlerhof mit Ausstellungs- und Verkaufsflächen sowie Flächen zur Bewirtschaftung. Die Grundstücke des Antragstellers liegen, durch eine Straße getrennt, östlich des Vorhabengrundstücks.
2
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gegen die Bescheide erhobenen Klage abgelehnt, da die angefochtene Baugenehmigung voraussichtlich rechtmäßig sei und keine den Antragsteller schützenden Rechte verletze.
3
Mit der eingelegten Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter. Unter Wiederholung und Vertiefung seines erstinstanzlichen Vortrags macht er im Wesentlichen geltend, entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts seien die Bescheide zu unbestimmt. Es liege eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots aufgrund der Erschließungssituation und der zu geringen Anzahl der Stellplätze vor. Die Ausführungen des Antragsgegners zu bestehenden schädlichen Umwelteinwirkungen seien unzureichend. Er hat beantragt,
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1. den Beschluss des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 2. Mai 2024 aufzuheben und
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2. die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Genehmigungsbescheid des Antragsgegners vom 9. November 2023 und den Tekturbescheid vom 11. April 2024 anzuordnen.
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Der Antragsgegner – Landesanwaltschaft Bayern – hat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
8
Er verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
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Die Beigeladene äußerte sich im Beschwerdeverfahren nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
11
Die zulässige Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die vom Antragsteller dargelegten Gründe, auf die die Prüfung des Senats im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, hat das Verwaltungsgericht den Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (§ 80a Abs. 3 Satz 2, § 80 Abs. 5 VwGO) zu Recht abgelehnt, weil die Klage im Hauptsacheverfahren voraussichtlich keinen Erfolg haben wird. Die angefochtene Baugenehmigung verstößt nicht gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die zumindest auch dem Schutz des Antragstellers zu dienen bestimmt sind (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Der Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden, sehr ausführlichen Gründe des angefochtenen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung ab. Lediglich ergänzend bleibt im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen folgendes zu bemerken:
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1. Die Auffassung des Antragstellers, die streitgegenständlichen Bescheide seien auch nach Vorlage der neuen Betriebsbeschreibung im Hinblick auf die optionalen Veranstaltungen zu unbestimmt, überzeugt nicht. In der am 11. April 2024 genehmigten Betriebsbeschreibung (D. Optionale Veranstaltungen) werden die geplanten optionalen Veranstaltungen ausführlich dargestellt. So sollen maximal 22 Veranstaltungen im Jahr stattfinden, davon samstags maximal zwölfmal im Jahr sonstige Veranstaltungen und von Montag bis Freitag an maximal 10 Tagen im Jahr Kinderferienprogramm. Die sonstigen Veranstaltungen sind einmal monatlich samstags im Zeitraum von 14 bis ca. 21 Uhr vorgesehen, darunter fallen maximal zwei Hoffeste jährlich, Kursangebote mit ca. 30 Teilnehmern, angekündigte Treffen mit ca. 30 Personen im Innenbereich und ca. 40 Personen im Außenbereich und geführte Wanderungen mit anschließender Verkostung von 30 bis 40 Personen. Das Kinderferienprogramm ist an maximal 10 Tagen im Jahr für jeweils zwei Stunden von 10 bis 12 Uhr von Montag bis Freitag für 10 bis 15 Kinder geplant. Entgegen der Darstellung des Antragstellers ist auf den genehmigten Plänen auch eindeutig erkennbar, wo sich die Stellplätze und die Außengastronomie befinden sollen. Die Bescheide sind demnach nicht zu unbestimmt.
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2. Das Vorhaben verstößt auch nicht, wie der Antragsteller meint, gegen das Rücksichtnahmegebot.
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a) Er ist der Auffassung, die schalltechnische Stellungnahme des Antragsgegners sei unzureichend, es sei in der Umgebung nur noch Wohnnutzung vorhanden, weshalb nicht die Werte der TA-Lärm für ein Kerngebiet, Dorfgebiet oder Mischgebiet zugrunde gelegt werden dürften. Die Gebäudeflächen stünden parallel gegenüber zueinander, weshalb der Schall zwischen den Flächen reflektiert werde.
15
Dieser Einwand verfängt nicht. Im Hinblick auf die zu erwartende Immissionsbelastung hat das Verwaltungsgericht mit eingehender und zutreffender Begründung dargelegt (UA S. 19 bis 23), dass die maßgeblichen Immissionsrichtwerte für eine Wohnbebauung im Außenbereich ausweislich der ausreichenden immissionsschutzrechtliche Stellungnahme des Antragsgegners zuverlässig eingehalten werden können. Diesen überzeugenden Einlassungen tritt der Antragsteller nicht substantiiert entgegen. Er behauptet zwar, diese seien unzutreffend, ohne dies jedoch – etwa durch Vorlage eines eigenen Gutachtens – nachvollziehbar zu untermauern. Er setzt sich auch mit der Außenbereichslage nicht auseinander. Wie sich aus dem Auszug des Liegenschaftskatasters vom 13. Juli 2023 (Bl. 52 der Baugenehmigungsakte) ergibt, stehen die Häuser nicht parallel, sondern versetzt gegenüber. Demnach ist der Vortrag, der Schall reflektiere zwischen den Flächen, nicht plausibel, zumal die Häuser mindestens 27 Meter voneinander entfernt und durch eine Straße getrennt sind.
16
b) Der Antragsteller ist der Auffassung, die Erschließungssituation führe zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot. Damit dringt er nicht durch. Das Verwaltungsgericht hat ausführlich und zutreffend begründet (UA S. 23 f.), dass die Erschließungssituation des Vorhabengrundstücks und die Regelungen zur erforderlichen Anzahl von Stellplätzen grundsätzlich nicht drittschützend sind. Im vorliegenden Fall komme es auch bei „größeren“ Veranstaltungen nicht zu einem Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot, weil keine erhebliche Verschlechterung der Erschließungssituation erkennbar sei. Dem setzt er lediglich eine Wiederholung seines Vortrags im erstinstanzlichen Verfahren entgegen. Sollte im Übrigen ein Parken auf der Straße tatsächlich zu Verkehrsbeeinträchtigungen führen, könnte dem mit ordnungsrechtlichen Anordnungen begegnet werden.
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c) Auch der Vortrag des Antragstellers, die Genehmigungsvoraussetzungen des § 35 Abs. 4 BauGB hätten nicht vorgelegen, verfängt nicht. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht (UA S. 19) ausgeführt hat, findet bei einer Drittanfechtungsklage keine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle statt. Hierzu verhält sich der Antragsteller nicht.
18
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Da die Beigeladene im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt und damit auch kein Kostenrisiko übernommen hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO), entspricht es der Billigkeit, dass diese ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
19
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
20
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).