Titel:
Aussetzung der Vollziehung, Verwaltungsgerichte, Unselbstständige Kostenentscheidung, Zwangsgeldandrohung, Vorläufiger Rechtsschutz, freiheitsentziehende Maßnahmen, Pflege- und Wohnqualitätsgesetz, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Unerlässlichkeit, Aufschiebende Wirkung, Interessenabwägung, Aufhebung eines Verwaltungsaktes, Hauptsacheverfahren, Richterliche Anordnung, Festsetzungsbeschluss, Summarische Prüfung, Bescheiderlass, Anordnungsbescheid, Antragsgegner, Pflegefachkräfte
Normenketten:
BayVwVfG I Art. 28 Abs. 1
BayVwVfG I Art. 28 Abs. 2 Nr. 1
VwGO § 80 Abs. 5
PfleWoqG 13 Abs. 1
PfleWoqG Art. 13 Abs. 2
Schlagworte:
Zwangsgeldbewehrte Anordnungen, Dienstpläne, Notrufglocke, Freiheitseinschränkende Maßnahmen, Richterlicher Beschluss, Pflege- und Wohnqualitätsgesetz, Sofortvollzug, Anhörungspflicht, Gefahr in Verzug, Ermessensdefizit, Erheblicher Mangel, Dokumentationsmangel, Zwangsgeldandrohung, Aufschiebende Wirkung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 18101
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 28.3.2024 (Gesch.-Z.: ….) wird hinsichtlich der Nrn. 1.1, 2.1, 4.1, 4.2, 4.3, 4.4, 5. und 6. angeordnet.
II. Es wird festgestellt, dass der erhobene Widerspruch bezüglich der Nr. 3.2 des genannten Bescheids aufschiebende Wirkung hat.
III. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
IV. Von den Kosten des Verfahrens haben die Antragstellerin 1/4 und die Antragsgegnerin 3/4 zu tragen.
V. Der Streitwert wird auf 2.500,-- € festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen zwangsgeldbewehrte Anordnungen des Antragsgegners, durch die die Erreichbarkeit der Notrufglocke, die Rechtmäßigkeit der Anwendung freiheitseinschränkender oder -entziehender Maßnahmen sowie die Führung von Dienstplänen geregelt wird.
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Die Antragstellerin betreibt die stationäre Pflegeeinrichtung Y. … …, …, … In dieser Einrichtung wurden am 25.1.2024 und am 29.2.2024 unangemeldet anlassbezogene Prüfungen durch die Fachstelle Pflege- und Behinderteneinrichtungen – Qualitätsentwicklung und Aufsicht – (FQA) der Antragsgegnerin durchgeführt.
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Im Rahmen der Prüfung am 25.1.2024 erfolgte insbesondere eine Kontrolle der Dienstpläne für Dezember 2023 sowie für Januar 2024. Die Auswertung der Dienstpläne ergab Abweichungen zwischen den Dienstplänen und den regelmäßigen Personalmeldungen. Mit E-Mail vom 29.1.2024 räumte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Möglichkeit ein, weitere Unterlagen nachzureichen. Am gleichen Tag legte die Antragstellerin weitere Dienstpläne vor. Sie wies darauf hin, dass verschiedene Dienste von Mitarbeitern übernommen worden seien, was aus den bislang vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich sei. Gleichwohl ergebe die Prüfung durch die Antragsgegnerin ausweislich der Ergebnisprotokolle vom 6.2.2024 sowie vom 27.2.2024, dass anhand der ausgehändigten Pläne im Zeitraum zwischen dem 1.12.2023 und dem 25.1.2024 Tagzeiten feststellbar waren, an denen keine Fachkraft anwesend war. Eine notwendige fachgerechte Übergabe zwischen Fachkräften bei Schichtwechsel (Nachtzu Frühdienst, Frühzu Spätdienst oder Spätzu Nachtdienst) sei damit nicht gewährleistet gewesen. Zwar habe die Antragstellerin mit E-Mail vom 29.1.2024 dargelegt, dass außerhalb des Dienstplans verschiedene Fachkräfte in einzelnen der festgestellten Schichten tätig und anwesend gewesen seien. Es seien Ausdrucke der Zeiterfassung vorgelegt worden, aus denen sich ergebe, dass die entsprechenden Fachkräfte länger oder außerdienstplanmäßig in der Einrichtung tätig gewesen seien. Keine der Nachweise sei jedoch durch eine verantwortliche Person des Trägers und der entsprechenden Pflegefachkraft unterzeichnet. Selbst bei Berücksichtigung der unzureichenden Nachweise verblieben im fraglichen Zeitraum acht Tagzeiten ohne nachvollziehbare Pflegefachkraft im Dienst. Ein ausreichender Nachweis, der die Anwesenheit über die gesamten relevanten Zeiträume belege, habe der FQA nicht vorgelegt werden können.
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Bei der Überprüfung am 29.2.2024 wurde durch die Antragsgegnerin ferner festgestellt, dass bei zwei Bewohnern die Notrufglocke nicht erreichbar war. Bei einem Besuch im Doppelzimmer wurde festgestellt, dass der begutachtete Bewohner den Notruf nicht habe erreichen können. Der Bewohner sei kognitiv in der Lage, den Notruf zu bedienen. Er könne jedoch das Bett nur mithilfe einer Pflegekraft verlassen. Bei einem zweiten immobilen Bewohner habe die Notrufglocke auf dem Boden gelegen. Nachdem die FQA die Pflegefachkraft darauf aufmerksam gemacht habe, sei der Notruf von dieser gut erreichbar für die Bewohner platziert worden.
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Bei der Überprüfung der freiheitsentziehenden Maßnahmen sei aufgefallen, dass ein richterlicher Beschluss zur Anwendung eines Chiparmbands zur Schließung der Heimausgangstür für einen Bewohner am …2023 abgelaufen war. Ein aktuell gültiger richterlicher Beschluss habe seitens des Trägers nicht vorgelegt werden können. Am Tag der Prüfung habe der betroffene Bewohner jedoch noch immer ein Chiparmband getragen und habe somit die Einrichtung nicht verlassen können.
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Am 28.3.2024 erließ die Antragsgegnerin folgenden, der Antragstellerin am 5.4.2024 zugestellten Bescheid:
1. Qualitätsbereich Pflege und Dokumentation
1.1 In der Einrichtung Y. … … ist ab Zustellung dieses Bescheides sicherzustellen, dass bei allen Bewohnern die Erreichbarkeit einer funktionsfähigen Notrufglocke vom Bett aus gewährleistet ist und die Funktion des Notrufs den Bewohnern bei Bedarf erklärt wird. Bei Bewohnern, welche nicht mehr in der Lage sind, einen Notruf zu betätigen, hat eine entsprechende Nachschauregelung zu erfolgen.
2. Qualitätsbereich freiheitseinschränkende und freiheitsentziehende Maßnahmen
2.1 In der Einrichtung Y. … … ist ab Zustellung dieses Bescheides sicherzustellen, dass bei keinem Bewohner freiheitseinschränkende oder -entziehende Maßnahmen angewandt werden, ohne dass hierfür, bei einwilligungsfähigen Bewohnern, deren Einverständnis dokumentiert ist oder, bei nicht mehr einwilligungsfähigen Bewohnern, ein entsprechender richterlicher Beschluss vorliegt.
3. Qualitätsbereich Personal und personelle Mindestanforderungen
3.1 In der Einrichtung Y. … … sind ab Zustellung dieses Bescheides die Dienstpläne für das Pflegepersonal (Pflegefach- und Pflegehilfskräfte) übersichtlich, nachvollziehbar und aktuell zu führen. Die Mitarbeitenden müssen nachvollziehen können, welche Ansprechpartner in der Einrichtung tagesaktuell zur Verfügung stehen.
3.2 Der FQA sind bis auf Widerruf die geplanten Dienstpläne des Pflegepersonals für die Folgemonate nach hausinterner Freigabe sowie die gelebten Dienstpläne des Pflegepersonals nach Monatsende unverzüglich vorzulegen.
4. Für den Fall, dass die in Nrn. 1 bis 3 genannten Pflichten nicht ab sofort vollumfänglich erfüllt werden, werden Zwangsgelder zur Zahlung fällig und eingezogen und zwar
4.1 ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 € bei Zuwiderhandlungen gegen Nr. 1.1
4.2 ein Zwangsgeld in Höhe von 5000,00 € bei Zuwiderhandlung gegen Nr. 2.1
4.3 ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 € bei Zuwiderhandlung gegen Nr. 3.1
4.4 ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 € bei Zuwiderhandlung gegen Nr. 3.2
5. Die Kosten trägt die Y. … … [es folgt die genaue Adresse]
6. Für diesen Bescheid werden Kosten in Höhe von 400,00 EUR festgesetzt. Als Auslagen werden 3,45 EUR erhoben.
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Von einer Anhörung der Antragstellerin werde gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG abgesehen, da eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr in Verzug (Gefahr für Leib, Leben, Gesundheit und Freiheit der Bewohner der Einrichtung) notwendig erscheine und durch die Anhörung die Einhaltung der für die Entscheidung maßgeblichen Fristen bzw. die unverzügliche Mängelbeseitigung infrage gestellt würde.
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Die Anordnungen unter den Nrn. 1.1, 2.1 und 3.1 würden jeweils auf Art. 13 Abs. 2 Satz 2 PfleWoqG beruhen, wonach bei erheblichen Mängeln Anordnungen getroffen werden sollen.
9
Bei einer Nichterreichbarkeit der Notrufglocke würden die in Art. 3 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 PfleWoqG aufgestellten Qualitätsanforderungen nicht erfüllt. Es sei von entscheidender Bedeutung, dass Notrufeinrichtungen verlässlich zur Verfügung stehen. Die Einrichtungen würden sicherstellen, dass die Bewohner sich möglichst viel Selbstständigkeit bewahren, erforderlichenfalls aber die notwendige Hilfe herbeiholen könnten. Da bei Nichterreichbarkeit der Glocke eine Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit der Bewohner bestehe, sei der Mangel auch erheblich. Die Anordnung sei geeignet, den im Rahmen der anlassbezogenen Prüfung am 29.2.2024 festgestellten Mangel dauerhaft zu beheben. Der Erlass von Anordnungen stehe im pflichtgemäßen Ermessen, wobei die getroffene Anordnung geeignet sei, den festgestellten Mangel dauerhaft zu beheben. Dabei werde vom Auftrag des Pflege-und Wohnqualitätsgesetzes ausgegangen, die Interessen und Bedürfnisse der Bewohner in stationären Einrichtungen vor Beeinträchtigung zu schützen (Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 PfleWoqG) und in diesem Zusammenhang die Einhaltung der dem Träger und der Leitung der stationären Einrichtung gegenüber den Bewohnern obliegenden Pflichten zu sichern (Art. 1 Abs. 1 Nr. 6 PfleWoqG).
10
Der Mangel unter Nr. 2.1 verstoße gegen die Qualitätsanforderung des Art. 3 Abs. 2 Nr. 4 Hs. 2 PfleWoqG. Nur ein richterlicher Beschluss legitimierte die Erforderlichkeit der Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen zum Schutz gegen Gefahren für Leib und Leben eines Bewohners. Ein derartiger Beschluss habe nicht vorgelegen. Auch insoweit sei die Anordnung im pflichtgemäßen Ermessen erfolgt. Unter Zugrundelegung der Interessen und Bedürfnisse sowie der Selbstbestimmung und Selbstständigkeit der Bewohner in stationären Einrichtungen, die vor Beeinträchtigung zu schützen seien, sei die Maßnahme getroffen worden.
11
Im Hinblick auf die in Nr. 3.1 festgestellten Mängel bei der Dienstplanführung sei auszuführen, dass durch die konkrete Dienstplanführung nicht nachgewiesen worden sei, dass eine erforderliche stetige Anwesenheit einer Pflegefachkraft gemäß Art. 3 Abs. 1 Nr. 4 Hs 2 AVPfleWoqG nicht habe nachgewiesen werden können. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass in den entsprechenden Zeiträumen keine Pflegefachkraft im Einsatz gewesen sei. Auch insoweit liege ein erheblicher Mangel vor, da eine Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit der Bewohner gegeben sei. Im Rahmen der Ermessensausübung sei vom Auftrag des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes ausgegangen worden. Insofern bestehe das Ziel, die Interessen und Bedürfnisse sowie die Selbstbestimmung und die Selbstständigkeit der Bewohner in stationären Einrichtungen vor Beeinträchtigung zu schützen (Art. 1 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 PfleWoqG). Außerdem sei die Einhaltung der dem Träger und der Leitung der stationären Einrichtung gegenüber den Bewohnern obliegenden Pflichten zu sichern (Art. 1 Abs. 1 Nr. 6 PfleWoqG).
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Sämtliche Anordnungen seien zur Beseitigung einer eingetretenen oder Abwendung einer drohenden möglichen Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls der Bewohner und zur Sicherung der Einhaltung der dem Träger gegenüber den Bewohnern obliegenden Pflichten erforderlich. Ein gleich geeignetes, aber milderes Mittel sei nicht gegeben. Insbesondere sei eine Beratung nicht geeignet, weitere oder zu erwartende Beeinträchtigungen der Bewohner langfristig und zuverlässig zu verhindern. Die Erheblichkeit der Mängel erfordere die jeweilige Anordnung, weil durch diese Mängel jeweils eine mögliche unmittelbare, akute Gefährdung für die Bewohner bestehe. Die Anordnungen seien sowohl inhaltlich als auch bezüglich der sofortigen Umsetzung angemessen. Auch insoweit müsse der Zweck des Gesetzes berücksichtigt werden.
13
Die Anordnung in Nr. 3.2 (Vorlage der geplanten und gelebten Dienstpläne) beruhe auf Art. 13 Abs. 1 PfleWoqG. Die zuständige Behörde sei danach berechtigt und verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zur Aufklärung zu ergreifen, wenn Zweifel daran bestehen, ob die Qualitätsanforderungen an den Betrieb im Sinne des Art. 3 PfleWoqG erfüllt seien. Es bestünden jedenfalls Zweifel daran, dass die Qualitätsanforderung „Einsatz von ausreichend fachlich geeignetem Personal“ gemäß Art. 3 Abs. 2 Nr. 4 Hs. 2 PfleWoqG erfüllt sei. Zur Überprüfung der Erfüllung der Anforderungen unter Nr. 3.1 des Bescheids sowie zur Aufklärung, ob die Qualitätsanforderungen bezüglich des Personaleinsatzes erfüllt werden, mache die FQA von ihrem Recht gemäß Art. 13 Abs. 1 PfleWoqG Gebrauch und erachte die Übersendung der geplanten Dienstpläne für die Folgemonate sowie die gelebten/abgeschlossenen Dienstpläne zur Durchführung eines Soll-/Ist-Vergleichs für notwendig.
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Mit Schreiben vom 11.4.2024 ließ die Antragstellerin Widerspruch gegen den Bescheid einlegen, über den noch nicht entschieden ist. Im Hinblick auf die Notrufglocken liege kein Mangel vor. Die auf dem Boden vorgefundene Glocke müsse kurz zuvor durch eine Eigenbewegung des Bewohners auf den Boden gefallen sein. Das Zimmer werde schon wegen des Bedarfs für den anderen Bewohner engmaschig kontrolliert. Im Hinblick auf das bei einem Bewohner vorgefundene Chiparmband, welches diesen am Verlassen des Heimes hindere, sei zu bemerken, dass ein legitimierender Gerichtsbeschluss vorgelegen habe. Dieser sei am …2023 erlassen und der Antragstellerin mit Schreiben vom …2023 überlassen worden. Im Hinblick auf die Dienstpläne sei zu bemerken, dass es keine Norm gebe, die den Träger verpflichte, die gesamte Dienstplanung im Plenum aller Mitarbeiter verfügbar zu halten. Dies sei schon datenschutzrechtlich problematisch. Außerdem nutze die Antragstellerin für die Erstellung der Pläne das Computerprogramm „M. …“. Es handele sich dabei um eine Standardsoftware für die Erfassung der Personaleinsätze und deren Planung. Da das Programm in „Schichten“ denke, könne es Sachverhalte nicht darstellen, bei denen im Fall kurzfristiger Krankheitsausfälle Fachkräfte aus früheren Schichten länger arbeiten würden oder Fachkräfte aus späteren Schichten ihren Dienst früher beginnen würden, um die Ausfälle zu kompensieren. In derartigen Fällen müssten die Anwesenheitsnachweise ergänzend über einen Nachweis der Stempelzeiten der einzelnen Mitarbeiter geführt werden. Dies sei auch möglich, da die Stempelzeiten Grundlage für die Abrechnung der Vergütung der jeweiligen Mitarbeiter seien.
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Nachdem die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 18.4.2024 einen Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hat, beantragt die Klägerin die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs vom 11.4.2024. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen die Argumente auf, die sie bereits in ihrem Widerspruchsschreiben angeführt hat. Sie rügt ferner die mangelnde Bestimmtheit des streitgegenständlichen Bescheids im Ganzen und innerhalb seiner betroffenen Einzelbestimmungen. Aus dem Verfügungssatz müsse sich für den Adressaten vollständig, klar und unzweideutig ergeben, was die Behörde wolle. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, wenn Qualitätsbereiche nur unspezifiziert angesprochen werden und nur der Eindruck erzeugt werde, sachgerechte Pflege werde an Ort und Stelle quasi in Gänze nicht erbracht.
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Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 11.4.2024 gegen den Maßnahmenbescheid der Antragsgegnerin vom 28.3.2024 anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Der Bescheid sei offensichtlich rechtmäßig, weshalb die seitens des Gerichts vorzunehmende Interessenabwägung zugunsten der Antragsgegnerin ausfalle. Selbst wenn dies nicht der Fall sei, überwiege das Vollzugsinteresse das Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Die Anordnungen würden nur in sehr geringem Maße in die Rechtsgüter der Antragstellerin eingreifen, da die Anordnungen zum großen Teil die bestehende Rechtslage nur konkretisierend wiedergeben würden. Auf der anderen Seite müsse bedacht werden, dass die Anordnungen notwendig seien, um den Schutz der Rechtsgüter der Bewohner der stationären Pflegeeinrichtungen zu gewährleisten. Die Wichtigkeit der Betroffenen Rechtsgüter (Leben, Gesundheit und Freiheit) würden den Sofortvollzug geradezu gebieten. Auch eine bloße Interessenabwägung führe daher dazu, dass der Antrag abzulehnen sei.
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Am 4.4.2024 hat die Antragsgegnerin nach Anhörung der Antragstellerin einen weiteren Maßnahmenbescheid erlassen, durch den seitens der Antragsgegnerin bei den anlassbezogenen Kontrollen am 25.1.2024 sowie am 27.2.2024 festgestellte Mängel in den Qualitätsbereichen Pflege und Dokumentation sowie Hygiene und Infektionsprävention beseitigt werden sollen. Auch gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 11.4.2024 Widerspruch erhoben und einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beim Bayerischen Verwaltungsgericht Regensburg stellen lassen. Dieses Verfahren wird unter dem Aktenzeichen RN 5 S 24.978 geführt. Das Gericht hat die diesbezüglichen Gerichts- und Behördenakten zum Verfahren beigezogen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten im vorliegenden sowie im beigezogenen Verfahren Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag ist zum Teil begründet.
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Nach summarischer Prüfung ist voraussichtlich lediglich die Anordnung unter Nr. 3.1. bezüglich der Führung der Dienstpläne rechtmäßig, weshalb der Antrag insoweit erfolglos bleibt. Die Klage gegen die Anordnung unter Nr. 3.2. hat dagegen aufschiebende Wirkung, weil insoweit der gesetzliche Sofortvollzug nicht gilt. Diesbezüglich war somit festzustellen, dass die Klage aufschiebende Wirkung hat. Die übrigen Anordnungen werden in einem Hauptsacheverfahren dagegen voraussichtlich keinen Bestand haben, weshalb die aufschiebende Wirkung insoweit anzuordnen war.
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1. Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er statthaft.
24
Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs oder der Klage gegen einen Verwaltungsakt ganz oder teilweise anordnen, wenn die Klage gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat. Im Bereich des Heimrechts ist die Erhebung eines Widerspruchs gemäß Art. 12 Abs. 1 Nr. 4 AGVwGO statthaft.
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Der am 11.4.2024 erhobene Widerspruch erfolgte fristgemäß (vgl. § 70 Abs. 1 VwGO) und hat gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 13 Abs. 6 PfleWoqG im Hinblick auf die auf Art. 13 Abs. 2 Satz 2 PfleWoqG gestützten Anordnungen in den Nrn. 1.1, 2.1 und 3.1 des streitgegenständlichen Bescheids keine aufschiebende Wirkung.
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Die Anordnung unter Nr. 3.2 hat die Antragsgegnerin dagegen auf Art. 13 Abs. 1 PfleWoqG gestützt. Da derartige Anordnungen von Art. 13 Abs. 6 PfleWoqG nicht erfasst werden, hat der Widerspruch insoweit aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Antragsgegnerin geht jedoch ausweislich des streitgegenständlichen Bescheides davon aus, dass auch insoweit der Sofortvollzug gesetzlich angeordnet ist. Dies folgt einerseits aus der Zwangsgeldandrohung in Nr. 4.4 des Bescheids, die von der Fälligkeit eines Zwangsgelds ausgeht, wenn die Verpflichtung nicht ab sofort vollumfänglich erfüllt wird. Außerdem geht die Antragsgegnerin auch in der Rechtsbehelfsbelehrungdes Bescheids davon aus, dass sämtliche Anordnungen sofort vollziehbar sind. Insoweit ist daher ein Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO analog statthaft, da ein Fall der faktischen Vollziehung gegeben ist. Der Antrag ist darauf gerichtet, festzustellen, dass der Widerspruch gegen die Nr. 3.2 des streitgegenständlichen Bescheids aufschiebende Wirkung hat (vgl. dazu: BayVGH, B.v. 18.11.2019 – 4 CS 19.1839 – juris Rn. 4 m.w.N.). Nach dem erkennbaren Rechtschutzziel der Antragstellerin geht das Gericht davon aus, dass der Antrag bezüglich der Nr. 3.2 des streitgegenständlichen Bescheids auf diese Feststellung gerichtet ist.
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Im Hinblick auf die Zwangsgeldandrohungen unter Nr. 4. des Bescheids ist der Widerspruch gemäß Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VwZVG statthaft. Insoweit entfällt die aufschiebende Wirkung gemäß § 21a Abs. 1 VwZVG. Die Kostenentscheidung in den Nrn. 5 und 6 des Bescheids teilt als Nebenentscheidung zur Sachentscheidung deren rechtliches Schicksal, weshalb sich die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs insoweit nach der Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Sachentscheidung richtet. Danach hat der Widerspruch hier keine aufschiebende Wirkung; denn im Wesentlichen sind die Anordnungen sofort vollziehbar. Nach neuerer Auffassung soll dagegen § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO auch auf unselbstständige Kostenentscheidungen Anwendung finden, sodass ein Widerspruch bezüglich einer im Anordnungsbescheid enthaltenen Kostenentscheidung grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung haben soll (vgl. zum Ganzen: Schoch/Schneider/Schoch, 45. EL Januar 2024, VwGO § 80 Rn. 139 ff. m.w.N.). Nach letzterer Auffassung ist dann allerdings vor Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO gemäß § 80 Abs. 6 VwGO ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei der Behörde erforderlich, der erfolglos geblieben ist. Ohne einen entsprechenden Antrag wäre die Erhebung von Eilrechtschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO unzulässig. Da hier ein Aussetzungsantrag beim Landratsamt gestellt und abgelehnt worden ist, kann hier dahinstehen, welcher Meinung der Vorzug gebührt; denn nach beiden Auffassungen ist der Antrag somit auch im Hinblick auf die Kostenentscheidung zulässig.
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2. Der Antrag ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
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Im Rahmen der Begründetheitsprüfung trifft das Gericht eine eigene Abwägungsentscheidung. Das Gericht hat dabei eine originäre Interessenabwägung vorzunehmen, bei der zu ermitteln ist, ob das Suspensivinteresse des Antragstellers oder das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt. Dabei sind maßgeblich die bereits überschaubaren Erfolgsaussichten der Klage im Hauptsacheverfahren zu berücksichtigen: Während dem Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer voraussichtlich unzulässigen oder unbegründeten Klage kein hohes Gewicht zukommt, ist die aufschiebende Wirkung im Regelfall anzuordnen, wenn der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei summarischer Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein wird (vgl. nur BayVGH, B.v. 25.10.2021 – 20 CS 20.3147 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 27.3.2019 – 8 CS 18.2398 – juris Rn. 25 m.w.N.). Sind die Erfolgsaussichten der Klage hingegen als offen anzusehen, ist die Entscheidung des Gerichts auf der Grundlage einer reinen Interessenabwägung zu treffen, wobei die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen an einer Herstellung des Suspensiveffekts den öffentlichen Interessen an einem Vollzug schon vor Bestandskraft des Verwaltungsakts gegenüberzustellen sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 93 m.w.N.).
30
Bei dieser Interessenabwägung ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs von der gesetzlichen Wertung in Art. 13 Abs. 5 PfleWoqG auszugehen, welche einen effektiven Schutz der Bewohnerinnen und Bewohner von Einrichtungen wie der der Antragstellerin, die dem Zwecke dienen, ältere Menschen, pflegebedürftige Volljährige oder volljährige Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen aufzunehmen (Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 PfleWoqG), garantieren sollen. Das Gesetz bewertet das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung einer nach Art. 13 Abs. 2 PfleWoqG getroffenen Anordnung regelmäßig höher als das Interesse des Trägers der Einrichtung an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfes und dem damit verbundenen effektiven Rechtsschutz. Diese gesetzliche Wertung hat gerade bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens erhebliches Gewicht (so ausdrücklich BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 12 CS 18.2658 – juris Rn. 46 m.w.N.). Das Gericht darf daher im Rahmen der gebotenen Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des streitgegenständlichen Bescheides und dem privaten Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs die aufschiebende Wirkung grundsätzlich nur dann anordnen, wenn und soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestehen (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO analog). In diesem Zusammenhang ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also auf den des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides 28.3.2024 abzustellen, soweit die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs geprüft werden. Soweit das Gericht hingegen wegen möglicher offener Erfolgsaussichten des Rechtsmittels eine eigene Interessenabwägung vornehmen muss, ist auf die Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts abzustellen, das darüber zu befinden hat, ob jetzt ein öffentliches oder überwiegend privates Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht (BayVGH, B.v. 9.1.2019 – 12 CS 18.2658 – juris Rn. 47 unter Hinweis auf Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 162).
31
a) Der Bescheid ist nach der gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage in formeller Hinsicht rechtswidrig, weil die nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG vor Erlass des Bescheids erforderliche Anhörung der Antragstellerin nicht stattgefunden hat. Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem danach Gelegenheit zu geben, sich zu der für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Aus Sicht der Antragsgegnerin war eine Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG jedoch entbehrlich, da eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr in Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erschien. Die Voraussetzungen dieser Ausnahmetatbestand sind allerdings nicht gegeben.
32
Die von Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG statuierte Pflicht zur Anhörung ist das wichtigste Recht der Beteiligten im Verwaltungsverfahren. Sie ist im Rechtsstaatsprinzip verfassungsrechtlich verankert und dient dem Schutz der materiellen (Grund-)Rechtsposition. Der Beteiligte soll nicht „bloßes Objekt staatlichen Handelns“ sein. Es ist deshalb bei der Annahme einer Ausnahme von der Anhörungspflicht gemäß Art. 28 Abs. 2 BayVwVfG ein strenger Maßstab anzuwenden. „Gefahr in Verzug“ im Sinne von Art. 28 Abs. 2 Nr. 1, Alt. 1 BayVwVfG setzt voraus, dass durch die vorherige Anhörung – auch bei Gewährung kürzester Anhörungsfristen – ein Zeitverlust einträte, der mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Folge hätte, dass der Zweck der zu treffenden Regelung nicht oder nur in geringerem Ausmaß als erforderlich erreicht würde. Abzustellen ist darauf, ob die Maßnahme selbst bei mündlicher – eventuell telefonischer – Anhörung zu spät käme (so BayVGH, B.v. 1.6.2017 – 20 B 16.2241 – juris Rn. 30 m.w.N.). Entsprechendes muss gelten, wenn man davon ausgehen wollte, dass ein besonderes öffentliches Interesse für den Erlass der Anordnungen bestanden hat.
33
Nach Auffassung des Gerichts ist hier zu berücksichtigen, dass die aufgetretenen Mängel, die Anlass für den Erlass des Maßnahmenbescheides waren, bereits bei Überprüfungen der Einrichtung am 25.1.2024 bzw. 29.2.2024 zutage getreten sind. Zwischen der zweiten Prüfung und dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheids am 28.3.2024 lag damit noch nahezu ein Monat. Auch wenn man davon ausgeht, dass der Heimaufsicht ein gewisser Zeitrahmen zuzubilligen ist, in dem die Ergebnisse der Prüfungen ausgewertet werden mussten, ist davon auszugehen, dass eine Anhörung zum Erlass eines Maßnahmenbescheids – gegebenenfalls auch unter Setzung einer sehr kurzen Stellungnahmefrist – möglich gewesen wäre.
34
Der Anhörungsmangel ist auch nicht gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG geheilt worden. Eine Heilung setzt voraus, dass die Anhörung nachträglich ordnungsgemäß durchgeführt und ihre Funktion für den Entscheidungsprozess der Behörde uneingeschränkt erreicht wird. Äußerungen und Stellungnahmen von Beteiligten im gerichtlichen (Eilrechtsschutz-)Verfahren erfüllen diese Voraussetzungen nicht (BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16.11 – juris Rn. 18; BVerwG, U.v. 24.6.2010 – 3 C 14.09 – juris Rn. 37; OVG NRW, B.v. 27.9.2019 – 13 B 1056/19 – juris Rn. 19).
35
Zwar gebietet grundsätzlich allein die formelle Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts nicht die Aussetzung der Vollziehung, wenn absehbar ist, dass der Verwaltungsakt im Ergebnis nicht wegen des formellen Fehlers aufzuheben sein wird, weil dieser geheilt werden oder unbeachtlich bleiben wird (vgl. Art. 46 BayVwVfG). Eine derartige Prognose für die Heilung der Anordnungen vermag das Gericht jedoch im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorliegend nicht zu treffen. Insoweit ist zu bedenken, dass die Anordnungen – mit Ausnahme der Anordnung unter Nr. 3.2 des Bescheids – auf § 13 Abs. 2 Satz 2 PfleWoqG gestützt wurden, wonach bei Vorliegen der Voraussetzungen eine Anordnung getroffen werden soll. Das grundsätzlich der zuständigen Behörde eingeräumte Ermessen zum Erlass von Anordnungen (vgl. Art. 13 Abs. 2 Satz 1 PfleWoqG) ist danach zwar bereits in eine bestimmte Richtung intendiert. Gleichwohl kann es außergewöhnliche Umstände geben, die erst im Rahmen einer Anhörung zutage treten und die die Behörde veranlassen können, vom Erlass einer Anordnung abzusehen. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass zum Abstellen von Mängeln unterschiedliche Anordnungen als geeignet angesehen werden können, weshalb nicht von vornherein davon ausgegangen werden kann, dass nach einer ordnungsgemäßen Anhörung gleichlautende Anordnungen erlassen worden wären. Hinzu kommt, dass nach Auffassung des Gerichts nicht alle Anordnungen auf festgestellten „erheblichen Mängeln“ basieren, weshalb wohl zum Teil nur Art. 13 Abs. 2 Satz 1 PfleWoqG als Rechtsgrundlage für den Erlass von Anordnungen in Betracht kommt, der der Behörde ein umfassendes Entschließungsermessen bezüglich der Frage, ob Anordnungen erlassen werden, einräumt. Im Einzelnen ist dazu auf die nachfolgenden Ausführungen unter 2. b) zu verweisen.
36
b) Nach Art. 13 Abs. 2 Satz 1 PfleWoqG kann die zuständige Behörde gegenüber den Trägern Anordnungen erlassen, die zur Beseitigung einer eingetretenen oder Abwendung einer drohenden Beeinträchtigung oder Gefährdung des Wohls der Bewohnerinnen und Bewohner oder zur Sicherung der Einhaltung der dem Träger gegenüber den Bewohnerinnen und Bewohnern obliegenden Pflichten erforderlich sind, wenn in einer stationären Einrichtung oder besonderen Wohnform der Eingliederungshilfe Abweichungen von den Anforderungen dieses Gesetzes (Mängel) festgestellt worden sind. Bei erneuten und in Fortsetzung festgestellten Mängeln sowie erheblichen Mängeln soll eine Anordnung getroffen werden (Art. 13 Abs. 2 Satz 2 PfleWoqG).
37
aa) Die Antragsgegnerin hat die Anordnung unter Nr. 1.1 auf Art. 13 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 PfleWoqG gestützt. Die Anordnung ist darauf zurückzuführen, dass bei der Prüfung am 29.2.2024 bei einem Bewohner der Notrufschalter für die Nachtglocke auf dem Boden lag, sodass dieser für den Bewohner nicht erreichbar war. Bei einem anderen Bewohner im gleichen Zimmer, der das Bett nur mit Hilfe von Pflegekräften verlassen konnte, aber nach Auffassung des Antragsgegners kognitiv in der Lage war, den Notruf zu betätigen, sei der Notruf für den Bewohnern nicht erreichbar gewesen.
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Die Nichterreichbarkeit der Notrufglocke stellt grundsätzlich einen Mangel im Sinne der Legaldefinition des Art. 13 Abs. 2 Satz 1 PfleWoqG dar. Darin ist eine Abweichung von den Vorgaben des Art. 3 Abs. 2 PfleWoqG zu sehen. Sowohl die Wahrung und Förderung der Selbstständigkeit, die Selbstbestimmung und die Selbstverantwortung der Bewohnerinnen und Bewohner (Art. 3 Abs. 2 Nr. 2 PfleWoqG) als auch die Sicherung einer angemessenen Qualität der pflegerischen Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner nach dem allgemein anerkannten Stand der pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse (Art. 3 Abs. 2 Nr. 4 PfleWoqG) sowie die Gewährleistung einer angemessenen ärztlichen und gesundheitlichen Betreuung (Art. 3 Abs. 2 Nr. 5 PfleWoqG) erfordern eine ständige Erreichbarkeit von Hilfe über die Rufanlage innerhalb eines angemessenen Zeitraums (ausführlich dazu: VG Würzburg, B.v. 17.1.2024 – W 3 S 23.1174 – juris Rn. 67 ff.). Ob es sich bei den am 29.2.2024 festgestellten Mängeln jedoch tatsächlich um „erhebliche Mängel“ im Sinne des Art. 13 Abs. 2 Satz 2 PfleWoqG gehandelt hat, ist nach summarische Prüfung zumindest fraglich. Es entspricht allgemeiner Lebenserfahrung, dass eine auf dem Bett liegende Notrufglocke, die für einen Bewohner erreichbar ist, von diesem auch versehentlich auf dem Boden gestoßen werden kann, wie dies die Antragstellerin vorträgt. Ein derartiger Vorfall lässt daher nach Auffassung des Gerichts noch nicht auf einen „erheblichen Mangel schließen. Gerade der Begriff der Erheblichkeit lässt den notwendigen Raum für die Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles (Burmeister/Gassner/Melzer/Müller, Bayerisches Pflegeund Wohnqualitätsgesetz, Kommentar, 2. Aufl. 2015, § 13 Rn. 5 ff.).
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Auch im Hinblick auf den Bewohner, der sein Bett nicht selbstständig verlassen kann, stellt sich für das Gericht die Frage, ob tatsächlich ein erheblicher Mangel vorlag. Zwischen den Beteiligten ist insofern streitig, ob der Bewohner den Notruf überhaupt selbstständig bedienen konnte. Die Antragstellerin bestreitet dies und trägt vor, der Bewohner sei somnolent und habe keinerlei Eigenbewegung. Er könne daher den Notruf nicht selbst betätigen, und zwar unabhängig davon, wo dieser liege. Deshalb sehe die Maßnahmenplanung für diesen Bewohner ohnehin eine engmaschige Überwachung vor, die auch so praktiziert werde.
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Wäre dieser Sachvortrag bereits im Rahmen einer durchzuführenden Anhörung seitens der Antragstellerin vorgetragen worden, hätte es sich geradezu aufgedrängt, im Rahmen der bei der Anordnung durchzuführenden Ermessensausübung auf diesen Sachvortrag einzugehen und gegebenenfalls Nachermittlungen durchzuführen. Im Rahmen eines durchzuführenden Hauptsacheverfahrens wird daher nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich ein Ermessensdefizit festzustellen sein, weshalb die Anfechtungsklage alleine deshalb voraussichtlich erfolgreich sein wird.
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bb) Die Antragsgegnerin hat auch die Anordnung unter Nr. 2.1 auf Art. 13 Abs. 2 Satz 2 PfleWoqG gestützt. Nach der Anordnung hat der Träger der Einrichtung sicherzustellen, dass bei keinem Bewohner freiheitseinschränkende oder -entziehende Maßnahmen angewandt werden, ohne dass hierfür, bei einwilligungsfähigen Bewohnern, deren Einverständnis dokumentiert ist oder, bei nicht mehr einwilligungsfähigen Bewohnern, ein entsprechender richterlicher Beschluss vorliegt. Anlass für den Erlass dieser Anordnung war, dass bei der Kontrolle am 29.2.2024 bei einem Bewohner ein Chiparmband festgestellt wurde, welches ihn am Verlassen der Einrichtung hinderte. Eine entsprechende und notwendige richterliche Anordnung für die Anwendung einer derartigen freiheitsentziehenden Maßnahme (vgl. § 1831 BGB) konnte die Einrichtung zum Zeitpunkt der Kontrolle nicht vorlegen. Zum Nachweis, dass sich die Einrichtungsleitung bei der Anwendung freiheitseinschränkender Maßnahmen an die geltenden gesetzlichen Vorgaben hält, ist es unabdingbar, dass entsprechende richterliche Beschlüsse in der Einrichtung vorliegen und jederzeit vorgelegt werden können. Dies folgt – worauf die Antragsgegnerin hingewiesen hat – aus Art. 7 PfleWoqG. Danach hat der Träger nach den Grundsätzen einer ordnungsgemäßen Buch- und Aktenführung Aufzeichnungen über den Betrieb zu machen und die Qualitätssicherungsmaßnahmen und deren Ergebnisse so zu dokumentieren, dass der ordnungsgemäße Betrieb festgestellt werden kann. Insoweit lag zweifelsohne ein Dokumentationsmangel vor. Nach Auffassung des Gerichts rechtfertigt dieser Mangel jedoch nicht die Anordnung, dass freiheitsentziehenden Maßnahmen nur mit richterlichen Beschluss durchgeführt werden dürfen. Ein solcher lag nämlich tatsächlich vor, was die Antragstellerin im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch nachgewiesen hat. Ausweislich eines von ihr vorgelegten Beschlusses des Amtsgerichts X. … vom …2023 wurde die Anwendung eines Funk-Chip-Systems zum Verschließen der Heimausgangstür bis längstens …2025 verlängert. Dementsprechend lag durchgehend vom …2021 – der vorhergehenden Anordnung einer derartigen Maßnahme – ein die Maßnahme legitimierender Beschluss des Gerichts vor. Von einer rechtswidrigen Freiheitseinschränkung kann somit keine Rede sein. Vielmehr lag ausschließlich ein Dokumentationsmangel vor. Auch dieser hätte gegebenenfalls eine Anordnung gerechtfertigt. Ob und inwieweit dies der Fall ist, braucht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes jedenfalls nicht näher überprüft zu werden; denn die Antragstellerin hat diese Tatsache im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Ermessensentscheidung auch aufgrund der fehlenden vorherigen Anhörung nicht in Erwägung gezogen. Zum Zeitpunkt des Bescheidserlasses ist sie sogar offenbar davon ausgegangen, dass ein entsprechender Beschluss überhaupt nicht vorlag, sodass auch bezüglich dieser Anordnung jedenfalls ein Ermessensdefizit vorgelegen hat, der in der Hauptsache die Aufhebung der streitgegenständlichen Anordnung rechtfertigt.
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cc) Die gleichfalls auf Art. 13 Abs. 2 Satz 2 PfleWoqG gestützte Anordnung in Nr. 3.1 des streitgegenständlichen Bescheids ist dagegen voraussichtlich rechtmäßig.
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Der Träger einer stationären Einrichtung ist zur ordnungsgemäßen Aktenführung und in diesem Rahmen insbesondere auch zur ordnungsgemäßen Führung von Dienstplänen verpflichtet (Art. 7 PfleWoqG i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 2 AVPfleWoqG). Zweck dieser Verpflichtung ist es, den zuständigen Behörden eine Kontrolle der Anforderungen des PfleWoqG zu ermöglichen, die vor allem auch effektiv durchgeführt werden kann (LT-Drs. 15/10182 S. 25). Eine diesen Anforderungen genügende Kontrollmöglichkeit ist jedoch nur dann gegeben, wenn die vorzuhaltenden Unterlagen klar und übersichtlich sind (LT-Drs. 15/10182 S. 25 f.), d.h. wenn sie aus sich selbst heraus verständlich sind. Einem sachverständigen Dritten muss es daher möglich sein, sich innerhalb angemessener Zeit einen Überblick über die zu dokumentierenden Vorgänge verschaffen zu können (VG Ansbach, U.v. 11.5.2016 – AN 15 K 15.1444 – juris Rn. 87; Wiedersberg in: Dickmann, Heimrecht, 11. Aufl. 2014, C.V., Rn. 5; Burmeister/Gaßner/Melzer/Müller, Bayerisches Pflege- und Wohnqualitätsgesetz, Art. 7 Rn. 3).
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Hier wurden die Dienstpläne ganz offensichtlich nicht mit der erforderlichen Transparenz geführt. Ausweislich der seitens der Antragsgegnerin vorgelegten Akten waren die Dienstpläne nicht geeignet, die notwendigen Kontrollen durchzuführen. Sie waren fortgesetzt – nämlich sowohl im Dezember 2023 als auch im Januar 2024 – nicht geeignet, die notwendigen Überprüfungen aus sich heraus vornehmen zu können. Die Antragstellerin räumt diesbezüglich selbst ein, dass die vorliegenden Dienstpläne lückenhaft waren und erst mithilfe des Zeiterfassungssystems nachträglich die erforderlichen Nachweise, dass immer die erforderlichen Pflegefachkräfte vor Ort waren, erbringen konnten. Für die konkreten Monate Dezember 2023 sowie Januar 2024 konnte nicht einmal auf diese Weise vollständig nachgewiesen werden, dass stets die erforderliche Anzahl von Pflegefachkräften anwesend war. Insofern lag ein „erheblicher Mangel“ vor, aufgrund dessen die Antragstellerin zum Eingreifen verpflichtet war. Die erforderliche stetige Anwesenheit einer Pflegefachkraft (vgl. dazu Art. 3 Abs. 2 Nr. 4 AVPfleWoqG) konnte mit der vorhandenen Dokumentation nicht nachgewiesen werden. Da sich dieser erhebliche Mangel fortwährend in den Dienstplänen wiederfand und es sich insoweit nicht um einen einmaligen Verstoß handelte, war es aus Sicht des Gerichts unerlässlich, eine Anordnung zu treffen, um die eingangs geschilderten Anforderungen an Dienstpläne sicherzustellen. Eine Anhörung hätte die Anordnung deshalb nicht überflüssig gemacht, weshalb ein Fall des Art. 46 BayVwVfG vorgelegen hat. Danach kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
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Die Antragsgegnerin hat bereits im angegriffenen Bescheid dargestellt, dass die mangelhafte Dienstplanführung eine Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit der Bewohner beinhaltet. Aufgrund der Dienstpläne muss nämlich stets nachprüfbar sein, ob die notwendige Anzahl von Pflegefachkräften im Dienst war. Dies ist auch im wohlverstandenem Interesse des Trägers einer Einrichtung, da auch dieser nur aus den Dienstplänen erkennen kann, ob die gesetzlichen Vorgaben erfüllt sind. Sollte dies nicht der Fall sein, wird er so in die Lage versetzt, Konsequenzen zu ziehen. Dementsprechend ist es unerlässlich, die Dienstpläne mit der in Nr. 3.1 des streitgegenständlichen Bescheids angeordneten Transparenz zu führen. Zur Sicherstellung dieser Transparenz war die Anordnung notwendig, weshalb sie voraussichtlich auch im Hauptsacheverfahren Bestand haben wird.
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Das Gericht hat im Übrigen unter Zugrundelegung der Zielsetzungen des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes keine Bedenken im Hinblick auf die Bestimmtheit der Anordnung (Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG), wonach die Dienstpläne für das Pflegepersonal (Pflegefach- und Pflegehilfskräfte) übersichtlich, nachvollziehbar und aktuell zu führen sein müssen. Für den Empfänger des Bescheides musste aufgrund dieser Formulierung klar sein, dass es ihm obliegt, lückenlos darlegen zu können, dass stets die erforderliche Anzahl von Pflegefachkräften vor Ort ist.
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Das Gericht vermag im Übrigen aus der Anordnung in Nr. 3.1 Satz 2 des Bescheids, wonach die Mitarbeitenden nachvollziehen müssen können, welche Ansprechpartner in der Einrichtung tagesaktuell zur Verfügung stehen, keinen datenschutzrechtlichen Verstoß zu erkennen. Für einen geordneten Betriebsablauf ist es unerlässlich, dass die in der Einrichtung Beschäftigten herausfinden können, welche Pflegefachkräfte aktuell im Dienst und als Ansprechpartner bei Bedarf erreichbar sind. Im Übrigen zielt die Regelung auch nicht darauf ab – wie die Antragstellerseite offenbar meint –, die gesamte Dienstplanung im Plenum aller Mitarbeiter verfügbar zu machen. Es geht vielmehr ausschließlich um die Information der aktuell im Dienst befindlichen Mitarbeiter zu aktuell vorhandenen kompetenten Ansprechpartnern in ihrem Arbeitsbereich.
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c) Die Anordnung in Nr. 3.2 des Bescheids, wonach der FAQ bis auf Widerruf die geplanten Dienstpläne des Pflegepersonals für die Folgemonate nach hausinterner Freigabe sowie die gelebten Dienstpläne des Pflegepersonals nach Monatsende unverzüglich vorzulegen sind, dient unmittelbar nicht der Abstellung von Mängeln, sondern letztendlich der Überprüfung der Einhaltung der Anordnung unter Nr. 3.1. Dementsprechend hat die Antragsgegnerin die Anordnung auch nicht auf Art. 13 Abs. 2 PfleWoqG gestützt, sondern auf Art. 13 Abs. 1 PfleWoqG. Nach dieser Vorschrift ist die zuständige Behörde berechtigt und verpflichtet, die notwendigen Maßnahmen zur Aufklärung zu ergreifen, wenn Zweifel daran bestehen, ob die Qualitätsanforderungen an den Betrieb im Sinne des Art. 3 PfleWoqG erfüllt sind. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, kann hier dahinstehen; denn Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 1 PfleWoqG sind gerade nicht kraft Gesetzes sofort vollziehbar. Nach Art. 13 Abs. 6 PfleWoqG erstreckt sich die Anordnung des gesetzlichen Sofortvollzugs ausschließlich auf Maßnahmen nach Art. 13 Abs. 2 bis 5 PfleWoqG. Der Widerspruch gegen die getroffene Anordnung hat daher aufschiebende Wirkung, ohne dass diese ausdrücklich angeordnet werden muss. Da dies seitens der Antragsgegnerin offenbar anders gesehen wird (vgl. dazu bereits oben 1.), war festzustellen, dass der seitens der Antragstellerin eingelegte Widerspruch insofern aufschiebende Wirkung hat.
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d) Die Zwangsgeldandrohungen in den Nrn. 4.1, 4.2, 4.3 und 4.4 sind aller Voraussicht nach ebenfalls rechtswidrig. Bei den Anordnungen unter Nrn. 4.1 und 4.2 ergibt sich dies bereits daraus, dass hinsichtlich der diesen zugrundeliegenden Grundverfügungen die aufschiebende Wirkung angeordnet worden ist, weshalb es insoweit schon an einem vollziehbaren Grundverwaltungsakt fehlt (vgl. Art. 19 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG). Die Anordnung unter Nrn. 4.1, wonach ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000,00 EUR bei einer Zuwiderhandlung gegen die Nr. 1.1 des Bescheids fällig wird, ist darüber hinaus nicht hinreichend bestimmt im Sinne des Art. 36 Abs. 5 VwZVG, wonach ein Zwangsgeld in bestimmter Höhe anzudrohen ist. Nr. 1.1 des Bescheids enthält drei Verpflichtungen. Es sei sicherzustellen, dass bei allen Bewohnern die Erreichbarkeit einer funktionsfähigen Notrufglocke vom Bett aus gewährleistet ist, bei Bedarf sei die Funktion des Notrufs den Bewohnern zu erklären und schließlich habe eine Nachschauregelung zu erfolgen, wenn Bewohner nicht mehr in der Lage seien, den Notruf zu betätigen. Aus der Zwangsgeldandrohungen wird nicht ersichtlich, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Zwangsgeld für welche Verpflichtung angeordnet wird. Ebenso wird nicht klar, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe ein Zwangsgeld für den Fall anfällt, dass nur eine der Verpflichtungen oder zwei oder alle drei nicht vollständig erfüllt werden. Eine Androhung zur Durchsetzung mehrerer Verpflichtungen muss erkennen lassen, ob sie sich auf Verstöße gegen jede einzelne Verpflichtung bezieht oder nur auf Verstöße gegen alle Verpflichtungen zugleich (vgl. nur BayVGH, B.v. 23.8.2021 – 10 C 21.1944 – juris Rn. 4).
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Die Anordnung in Nr. 4.3, wonach ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro zur Zahlung fällig wird, wenn gegen die Nr. 3.1 zuwidergehandelt wird, verstößt gegen Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG. Danach ist für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist zu bestimmen, innerhalb welcher dem Pflichtigen der Vollzug billigerweise zugemutet werden kann. Vorliegend wurde das Zwangsgeld angedroht, falls der Verpflichtung, die Dienstpläne entsprechend transparent zu führen, nicht ab sofort vollumfänglich nachgekommen wird. Insofern ist zu berücksichtigen, dass die Antragstellerin zur Erstellung der Dienstpläne ein computergestütztes Programm verwendet, das nicht ohne weiteres ab sofort geändert werden kann. Es handelt sich insoweit ganz offensichtlich um eine Verpflichtung, deren Umsetzung eine gewisse Zeit beansprucht. Die Anordnung einer – möglicherweise auch kurzen – Umsetzungsfrist wäre daher geboten gewesen.
51
In der Nr. 4.4 wird schließlich ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 Euro angedroht, falls die Antragstellerin ihrer Verpflichtung nach Nr. 3.2 des Bescheids nicht ab sofort vollumfänglich nachkommt. Insoweit wurde oben bereits dargestellt, dass der Widerspruch gegen die Verpflichtung in Nr. 3.2 aufschiebende Wirkung hat, weshalb es auch insoweit an einem vollziehbaren Grundverwaltungsakt nach Art. 19 Abs. 1 VwZVG fehlt.
52
e) Schließlich war die aufschiebende Wirkung auch hinsichtlich der Kostenentscheidungen in den Nrn. 5 und 6 des Bescheids anzuordnen. Aufgrund der dargestellten ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts, für dessen Erlass Kosten erhoben werden, besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Dies entspricht auch der Wertung des § 80 Abs. 4 Satz 3 Alt. 1 VwGO, wonach die Vollziehung bei öffentlichen Abgaben und Kosten ausgesetzt werden soll, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen.
53
Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
54
Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte bietet, geht das Gericht in der Hauptsache vom Regelstreitwert in Höhe von 5.000,- EUR aus, der nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren ist.