Inhalt

LG Nürnberg-Fürth, Endurteil v. 28.03.2024 – 11 O 2679/22
Titel:

Keine rückwirkende Befristung des Anerkenntnisses in einer Berufsunfähigkeitsversicherung

Normenkette:
VVG § 172, § 173 Abs. 2, § 174
Leitsätze:
1. Das gebotene Anerkenntnis in der Berufsunfähigkeitsversicherung kann nicht rückwirkend befristet erfolgen. (Rn. 28 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Von einer rückwirkenden Befristung eines Anerkenntnisses ist auszugehen, wenn der Versicherer seine Leistungspflicht gegen Ende des anerkannten Zeitraums bestätigt und zugleich mitteilt, die Berufsunfähigkeit sei nunmehr beendet. (Rn. 31 – 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Fehlt in einem rückwirkend befristeten Anerkenntnis eine nachvollziehbare Vergleichsbetrachtung, kann es auch nicht in eine Einstellungsentscheidung im Rahmen einer Nachprüfung umgedeutet werden. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)
4. Eine Vergleichsbetrachtung ist auch dann nicht entbehrlich, wenn der Versicherungsnehmer dem Versicherer selbst mitgeteilt hat, er sei wieder in der Lage, seine frühere Tätigkeit wieder aufzunehmen. (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufsunfähigkeitsversicherung, Anerkenntnis, rückwirkende Befristung, Einstellung, Änderungsmitteilung, Nachprüfung, Vergleichsbetrachtung
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Hinweisbeschluss vom 03.07.2024 – 8 U 848/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 16485

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 57.380,71 €. € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag iHv. 2.582,65 € ab 02.04.2020, aus einem Betrag von 2.621,89 € ab dem 02.05.2020, aus einem Betrag iHv. 2.602,27 € ab 02.06.2020, aus einem Betrag iHv. 2.607,27 € je Kalendermonat jeweils ab dem Monatszweiten für den Zeitraum vom 01.07.2020 bis 01.06.2021 und aus einem Betrag iHv. 2.612,38 € je Kalendermonat jeweils ab dem Monatszweiten fü den Zeitraum vom 01.07.2021 bis 31.01.2022 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die sich aus de Überschussbeteiligung ergebende Zusatzrente für die Versicherungen mit den Versicherungsscheinnummern ..., ... und ..., die im Zeitraum vom 01.04.2020 bis zum 31.01.2022 fällig geworden ist, abzurechnen und an den Kläger auszuzahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Gebührenforderung seine Prozessbevollmächtigten aufgrund der vorgerichtlichen Geltendmachung seine Ansprüche iHv. 1.085,92 € freizustellen.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
6. Das Urteil ist für den Kläger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 62.978,14 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um Leistungen aus drei Berufsunfähigkeitsversicherungen für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis (einschließlich) 31.01.2022.
2
Der Kläger unterhält bei der Beklagten drei Berufsunfähigkeitsversicherungen mit den Versicherungsnummern ..., ... und ... (vgl. Versicherungsscheine Anlage K1).
3
In dem Vertrag mit der Versicherungsnummer ... unterhält der Kläger das Produkt „Best BU Vorsorge“ zu den Versicherungsbedingungen SBU 08. Versicherungsbeginn war der 01.11.2008 und Versicherungsende ist der 01.07.2054. Es wurde eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 1.191,40 € vereinbart.
4
In dem Vertrag mit der Versicherungsnummer ... unterhält der Kläger eine Berufsunfähigkeitsversicherung nach dem Tarif „Klassik“ und zu den Versicherungsbedingungen SBU 09. Es wurde eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 500 € vereinbart. Versicherungsbeginn war der 01.09.2009 und Versicherungsende ist der 01.07.2054.
5
In dem Vertrag mit der Versicherungsnummer ... unterhält der Kläger eine Berufsunfähigkeitsversicherung nach dem Tarif „BU Klassik“ und den Versicherungsbedingungen SBU 09. Versicherungsbeginn war der 01.07.2010 und Versicherungsende ist der 01.07.2054. Es wurde eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 784,70 € vereinbart.
6
In § 9 SBU lautet es:
(1) Wenn uns alle erforderlichen Unterlagen und Informationen vorliegen erklären wir innerhalb einer Woche in Textform, ob und für welchen Zeitraum wir leisten. Eine Anerkennung erklären wir grundsätzlich ohne zeitliche Befristung. Nur in begründeten Einzelfällen können wir einmalig für längstens 12 Monate eine befristete Anerkennung aussprechen. In dieser Zeit werden wir keine Nachprüfung nach § 10 vornehmen.
(2) […]
7
Die Bestimmungen zur Nachprüfung lauten gemäß § 10 SBU wie folgt:
„§ 10 Was gilt für die Nachprüfung unserer Leistungspflicht?
(1) Nach der Anerkennung können wir unsere Leistungspflicht nachprüfen. Dabei können wir auch erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 ausübt.
(2) Zur Nachprüfung können wir auf unsere Kosten jederzeit sachdienliche Auskünfte – insbesondere aktuelle Nachweise über die Einkommensverhältnisse der versicherten Person in dem Zeitraum seilt Eintritt des Versicherungsfalls – und einmal jährlich umfassende Untersuchungen der versicherten Person durch von uns beauftragte Ärzte verlangen. Die Bestimmungen des § 7 Abs. 2 und Abs. 4 gelten entsprechend.
(3) Liegt der Versicherungsfall nicht vor, so legen wir Ihnen dies in Textform dar. Mit Ablauf des dritten Monats, nachdem Ihnen unsere Darlegung zugegangen ist, stellen wir unsere Leistungen ein. Auch in diesem Fall können Sie die Stellungnahme einer Verbraucherschutzorganisation bzw. verbrauchernahen Organisation einholen; § 9 Abs. 2 gilt entsprechend.“
8
Der Kläger hat im Zeitraum v. 01.04.2020 bis 31.01.2022 insgesamt Beiträge für die drei Versicherungen in Höhe von 2.906,51 € an die Beklagte gezahlt.
9
Mit Schreiben vom 24.01.2020 (Anlage K2) beantragte der Kläger bei der Beklagten Leistungen wegen Berufsunfähigkeit aus den streitgegenständlichen Versicherungsverträgen. Am 23.03.2020 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, dass er aus medizinischer Sicht wieder regulär in die Saison starten könne. Mit Schreiben vom 25.03.2020 (Anlage K3) erkannte die Beklagte das Vorliegen der Berufsunfähigkeit jeweils für den Zeitraum vom 01.08.2019 bis 31.03.2020 an und stellte die Leistungen mit diesen Schreiben zugleich zum 31.03.2020 ein.
10
In dem Schreiben der Beklagten vom 25.03.2023, betreffend den Vertrag mit der Versicherungsnummer ..., heißt es auszugsweise wie folgt:
„Sie erhalten vorn 01.08.2019 bis zum 31.03.2020 befristet Leistungen gemäß § 9 (1) der allgemeinen Versicherungsbedingungen der Tarifgruppe SBU 08 aus Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung.
Für die Dauer der Berufsunfähigkeit brauchen Sie zu diesem Vertrag keine Beiträge mehr zu zahlen. Außerdem erhalten Sie eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente von 1.191,40 Euro.
(…) Telefonisch teilten Sie mit, dass Sie gesundheitlich wieder dazu in der Lage sind, Ihrer Tätigkeit als Berufssportler nachzugehen. Nachdem Sie seit Anfang März nicht mehr arbeitsunfähig geschrieben sind, konnten Sie wieder mit dem Training beginnen und sollten auch wieder regulär an Auswärtsspielen teilnehmen. Unsere Leistungen erbringen wir daher bis zum 31.03.2020. Über diesen Zeitpunkt hinaus liegt keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit mehr vor.“
11
In dem Schreiben der Beklagten vom 25.03.2023, betreffend den Vertrag mit der Versicherungsnummer ..., heißt es auszugsweise wie folgt:
„Sie erhalten vorn 01.08.2019 bis zum 31.03.2020 befristet Leistungen gemäß § 9 (1) der allgemeinen Versicherungsbedingungen der Tarifgruppe SBU 09 aus Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung.
Für die Dauer der Berufsunfähigkeit brauchen Sie zu diesem Vertrag keine Beiträge mehr zu zahlen. Außerdem erhalten Sie eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente von 500,00 Euro.
(…) Telefonisch teilten Sie mit, dass Sie gesundheitlich wieder dazu in der Lage sind, Ihrer Tätigkeit als Berufssportler nachzugehen. Nachdem Sie seit Anfang März nicht mehr arbeitsunfähig geschrieben sind, konnten Sie wieder mit dem Training beginnen und sollten auch wieder regulär an Auswärtsspielen teilnehmen. Unsere Leistungen erbringen wir daher bis zum 31.03.2020. Über diesen Zeitpunkt hinaus liegt keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit mehr vor.“
12
In dem Schreiben der Beklagten vom 25.03.2023, betreffend den Vertrag mit der Versicherungsnummer ..., heißt es auszugsweise wie folgt:
„Sie erhalten vorn 01.08.2019 bis zum 31.03.2020 befristet Leistungen gemäß § 9 (1) der allgemeinen Versicherungsbedingungen der Tarifgruppe SBU 09 aus Ihrer Berufsunfähigkeitsversicherung.
Für die Dauer der Berufsunfähigkeit brauchen Sie zu diesem Vertrag keine Beiträge mehr zu zahlen. Außerdem erhalten Sie eine monatliche Berufsunfähigkeitsrente von 784,70 Euro.
(…) Telefonisch teilten Sie mit, dass Sie gesundheitlich wieder dazu in der Lage sind, Ihrer Tätigkeit als Berufssportler nachzugehen. Nachdem Sie seit Anfang März nicht mehr arbeitsunfähig geschrieben sind, konnten Sie wieder mit dem Training beginnen und sollten auch wieder regulär an Auswärtsspielen teilnehmen. Unsere Leistungen erbringen wir daher bis zum 31.03.2020. Über diesen Zeitpunkt hinaus liegt keine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit mehr vor.“
13
§ 17 Abs. 6 SBU regelt unter „Bonusrente“ Folgendes:
Bonusrente
Bei Eintritt des Leistungsfalls erhöht sich die versicherte Rente dauerhaft um eine Bonusrente. Die Bonusrente wird in Prozent der versicherten Rente bemessen. Die Bonusrente wird außerhalb der Berufsunfähigkeit jährlich neu festgelegt. Bonusrenten im Leistungsbezug sind von einer Änderung des Überschussanteilsatzes nicht betroffen. Nach dem Ende der Beitragszahlungsdauer verwenden wir die Zinsüberschüsse jedes Versicherungsjahr als Einmalbeitrag zur Erhöhung der versicherten Rente (…).
14
Der Kläger ist der Auffassung, die in den drei Schreiben vom 25.03.2023 enthaltenden Leistungseinstellungen zum 31.03.2020 seien unwirksam. Bei diesen Schreiben handle es sich um unzulässige Anerkenntnisse, da ein rückwirkend befristetes Anerkenntnis unzulässig sei. Unabhängig vom Zeitpunkt des Zugangs dieser Schreiben würden diese Anerkenntnisse auch einen in der Vergangenheit liegenden Leistungszeitraum umfassen, da der nach § 1 Abs. 1 SBU zu bestimmende letztmalige Leistungszeitpunkt (nach Anerkenntnis) zum 01.03.2020 gewesen sei, mithin vor Erstellung des Leistungsanerkenntnisses vom 25.03.2020 läge. Überdies seien die Anerkenntnisse mangels des nach § 9 Abs. 1 SBU erforderlichen sachlichen Grundes und entsprechender Begründung unwirksam. Soweit die Beklagte den Fortfall der Berufsunfähigkeit durch eine Wiederaufnahme der Tätigkeit begründe, stelle dies keinen zulässigen Grund dar, da der Fortfall der Berufsunfähigkeit eine dem Nachprüfungsverfahren vorbehaltene Leistungseinstellung darstelle. Eine Umgehung dieses Grundsatzes durch Abgabe eines befristeten Anerkenntnisses sei unzulässig. Die Unwirksamkeit der Befristung führe zu einem unbefristeten Leistungsanerkenntnis.
15
Überdies meint der Kläger, die Schreiben vom 25.03.2020 würden auch keine wirksame Änderungsmitteilung im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens darstellen. Die Schreiben seien insofern bereits in formaler Hinsicht unwirksam, da sie das in § 10 SBU enthaltene Begründungserfordernis nicht erfüllen würden. Soweit die Beklagte insofern eine Wiederaufnahme der Tätigkeit anführe, sei schon unklar in welchem Umfang die Tätigkeit wieder aufgenommen werden sollte. Überdies würden Ausführungen zum Grad der wiederaufgenommenen Tätigkeit, eine Darstellung der Tätigkeit an zuletzt in gesunden Tagen ausgeübtem Umfang und nach behaupteter Wiederaufnahme sowie einer Darlegung des Gesundheitszustandes bei Eintritt und nach (behaupteten) Ende der Berufsunfähigkeit fehlen. Ihm, dem Kläger, als Versicherungsnehmer werde insofern nicht deutlich, ob und in welchem Umfang die Leistungseinstellung überhaupt berechtigt sein könnte. Ferner läge auch in materieller Hinsicht keine wirksame Änderungsmitteilung vor, da die Umstände der Leistungseinstellung bei Abgabe der Änderungsmitteilung vorliegen müssten. Soweit die Beklagte in den Schreiben auf eine ab dem 01.04.2020 wieder mögliche und erfolgende Wiederaufnahme der Tätigkeit abstelle, wäre dies erst nach Abgabe der Änderungsmitteilung.
16
Der Kläger beantragte zunächst mit seiner der Beklagten am 16.06.2022 zugestellten Klage in Ziffer 3 der Klageanträge die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Mit Schriftsatz vom 01.08.2022 (Bl. 34 d. A.) erweiterte der Kläger die Klage und beantragt hilfsweise, für den Fall der Unzulässigkeit des Freistellungsantrags, die Zahlung von weiteren 1.085,92 €.
17
Der Kläger beantragt zuletzt,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 61.828,14 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils monatlich 2.688,18 €, jeweils ab dem Monatsersten für den Zeitraum vom 01.04.2020 bis zum 31.01.2022 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die sich aus der Überschussbeteiligung ergebende Zusatzrente für die Versicherungen mit den Versicherungsscheinnummern ..., ... und ..., die im Zeitraum vom 01.04.2020 bis zum 31.01.2022 fällig geworden ist, abzurechnen und an den Kläger auszuzahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von der Gebührenforderung der Prozessbevollmächtigten aufgrund der vorgerichtlichen Geltendmachung seiner Ansprüche aus den Berufsunfähigkeitsversicherungen mit den Versicherungsscheinnummern ..., ... und ... mit der Kostennote v. 28.04.2022 iHv. 1.085,92 EUR freizustellen.
4. Die Beklagte wird hilfsweise verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag iHv. 1.085,92 EUR zu bezahlen.
18
Die Beklagte beantragt
Klageabweisung.
19
Die Beklagte behauptet, die Schreiben vom 25.03.2020 seien noch am 25.03.2020 versendet worden und dem Kläger vor Ablauf des 31.03.2020 zugegangen. Für den Zeitraum lägen auch keine Störungsmeldungen oder Berichte über Unregelmäßigkeiten in der Zustellung vor, so dass unter Beachtung der regelmäßigen Postlaufzeiten von allenfalls zwei Tagen mit einem Zugang der Erklärung unter dem 27.03.2022 zu rechnen sei.
20
Die Beklagte ist der Auffassung, dem Kläger stünden die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nicht zu, da ein befristetes Anerkenntnis den Versicherer über den zugesagten Zeitraum hinaus nicht binde. Der Beklagten sei die Abgabe eines befristeten Anerkenntnisses sowohl nach den Regelungen des VVG, als auch nach den mit dem Kläger vereinbarten Versicherungsbedingungen gestattet gewesen. Insoweit sei der in den Bedingungen geforderte sachliche Grund (Wiedererlangung der Leistungsfähigkeit) vom Kläger selbst mitgeteilt worden, so dass auch ein Versicherungsnehmer ohne Spezialkenntnisse erkennen habe können, dass der Wegfall der Leistungsunfähigkeit, der sachliche Grund für die Befristung gewesen sei. Die Angabe eines sachlichen Grundes sei nur dafür erforderlich, damit der Versicherungsnehmer sein Prozessrisiko abschätzen könne. Es handle sich vorliegend auch nicht um ein unzulässiges rückwirkend befristetes Anerkenntnis, da die Beklagte, wie bei einem echten befristeten Anerkenntnis, vor Abschluss der Erstprüfung und bei unklarer Lage, ob eine bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit gegeben sei, eine bindende Erklärung abgegeben habe. Die Rechtsfolge einer unwirksamen Befristung trete lediglich in den Fällen ein, in denen der Versicherer aufgrund der Sach- und Rechtslage ein unbefristetes Anerkenntnis hätte aussprechen müssen. Die Beklagte habe zum Zeitpunkt der Aussprache des befristeten Anerkenntnisses aufgrund der Sachlage kein unbefristetes Anerkenntnis geschuldet. Sollte kein wirksames befristetes Anerkenntnis vorliegen, wären die Schreiben vom 25.03.2020 jeweils in eine Änderungsmitteilung umzudeuten. Der Wille der Beklagten, Leistungen zeitnah einzustellen, sei in den Schreiben klar erkennbar. Die Anforderungen an die Begründung dürften nicht überspannt und keine sinnentleerte formale Stolperfalle für den Versicherer werden, sofern dem Versicherungsnehmer die Gründe hinreichend bekannt seien.
21
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst den mit ihnen vorgelegten Anlagen sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung am 10.01.2023 (Bl. 47 ff. d. A.) verwiesen.
22
Das Gericht hat keinen Beweis erhoben.

Entscheidungsgründe

23
Die zulässige Klage ist überwiegend begründet, da der Kläger gegen die Beklagte einen Zahlungsanspruch in Höhe von 57.380,71 € nebst Zinsen im tenoriertem Umfang sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.085,92 € hat und der Feststellungsanspruch begründet ist.
I.
24
Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch in Höhe von 57.380,71 € nebst Zinsen hieraus in tenoriertem Umfang.
25
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch in Höhe von 57.380,71 €, da es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 25.03.2020 um ein unzulässiges rückwirkendes Anerkenntnis handelt und eine Umdeutung in eine zulässige Änderungsmitteilung nicht möglich ist.
26
a) Das Schreiben vom 25.03.2020 ist als unbefristetes Anerkenntnis zu werten, weil es sich um ein unzulässiges rückwirkendes Anerkenntnis handelt.
27
aa) Grundsätzlich ist ein befristetes Anerkenntnis, wie in den vorliegenden Bedingungen unter § 9 (1) der allgemeinen Versicherungsbedingungen der Tarifgruppe SBU 09 vorgesehen, möglich, allerdings ist hierzu einerseits ein Sachgrund erforderlich und andererseits seine derartige Befristung nicht rückwirkend möglich, da diese eine gemäß § 150 VVG unzulässige Abweichung von § 173 Abs. 2 S. 1 VVG zulasten des Versicherungsnehmers darstellen würde. (BGH 23.02.2022 – IV ZR 101/20, Rn 14ff.).
28
§ 173 Abs. 2 Satz ein VVG enthält eine Ausnahme von der in § 173 I VVG grundsätzlich vorgesehenen Erklärung des Versicherers über seine unbefristete Leistungspflicht. Der Versicherungsnehmer hat bei Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen Anspruch auf ein Anerkenntnis (BGH 09.10.2019 – IV ZR 235/18, Rn14 mwN).
29
Die Möglichkeit zur Befristung des Anerkenntnisses nach § 173 II VVG rechtfertigt sich nach dem Willen des Gesetzgebers nur daraus, dass aus der Sicht beider Vertragsparteien ein Bedürfnis besteht, in zweifelhaften Fällen bis zu einer abschließenden Klärung zunächst eine vorläufige Entscheidung zu ermöglichen (vgl. BT-Drs. 16/3945, 106). Die § 173 II 1 VVG zugrunde liegende Situation der Unsicherheit, die eine vorläufige Regelung erforderlich macht, liegt aber nur für einen in die Zukunft reichenden Anerkenntniszeitraum vor. Dieser Zweck einer vorläufigen Regelung in einer Situation der Unsicherheit erlaubt daher nur eine (auch) in die Zukunft gerichtete Befristung. (BGH 23.02.2022 – IV ZR 101/20, Rn 16, Hervorhebungen durch das Gericht).
30
Auch der Zusammenhang mit § 173 II 2 VVG zeigt, dass das befristete Anerkenntnis in die Zukunft gerichtet ist und keine bereits zurückliegenden, abgeschlossenen Zeiten der Berufsunfähigkeit erfasst. Nach § 173 II 2 VVG ist das Anerkenntnis bis zum Ablauf der Frist bindend. Dies ist das vom Gesetzgeber vorgesehene Regulativ, das eine Regelung der Laufzeit der zeitlich beschränkten Zusage überflüssig machen soll, da so auch der Versicherer ein Interesse daran hat, die Gültigkeit der Zusage nicht unangemessen lange auszudehnen (vgl. BT-Drs. 16/3945, 106). Auch hier geht das Gesetz von einem in die Zukunft gerichteten Anerkenntnis aus, das dem Versicherungsnehmer für diesen Zeitraum eine gesicherte Rechtsposition verschaffen soll. Der Versicherer kann sich nicht vorzeitig von seiner Zusage lösen, auch wenn sich später der fehlende Nachweis eines Versicherungsfalls herausstellen oder die zunächst gegebenen Voraussetzungen der Berufsunfähigkeit wegfallen sollten. Diese Bindung schließt es aus, den Anspruch des Versicherungsnehmers auf Abgabe des gebotenen Anerkenntnisses rückwirkend auf den tatsächlichen Zeitraum der inzwischen beendeten Berufsunfähigkeit zu beschränken (BGH 23.02.2022 – IV ZR 101/20, Rn 17).
31
bb) Unter dieser Maßgabe, handelt es sich bei dem Schreiben vom 25.03.2020 um ein unzulässiges rückwirkendes Anerkenntnis. Das dieses einer Situation der Unsicherheit, die eine vorläufige Regelung erforderlich machen würde, geschuldet sei, ist der Formulierung gerade nicht zu entnehmen. Vielmehr ist das Schreiben vom objektiven Empfängerhorizont derart zu verstehen, die Beklagte davon ausging, dass die Leistungsvoraussetzungen für den anerkannten Zeitraum bestünden und nunmehr nach telefonischer Mitteilung des Klägers ab März 2020 keine bedingungsmäßige Berufsunfähigkeit mehr vorliege. Damit sollte gerade nicht eine vorläufige Regelung für einen zweifelhaften Fall bis zu einer abschließenden Klärung geschaffen werden (s.o.), sondern der Versicherungsfall abschließend geregelt werden. Die Tatsache, das bereits von einer beendeten Berufsunfähigkeit ausgegangen wird, stellt nach den obigen Ausführungen keinen „sachlichen Grund“ dar. Letztlich spricht auch die spätere orthopädische Begutachtung des Klägers nicht dafür, dass die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 25.03.2020 einer „Unsicherheit“ begegnen wollte. Die medizinische Begutachtung wurde erst nach Einreichung weitere medizinische Unterlagen seitens des Klägervertreters im Dezember 2020, am 16. 2. 2021 durch die Beklagte beauftragt und stand damit erkennbar nicht im Zusammenhang mit dem am 25.03.2020 erklärten Anerkenntnis.
32
Unabhängig von der Frage des Zugangszeitpunkts des Schreibens vom 25.03.2020, für den die Beklagte darlegungs -und beweisbelastet ist, auf den es aber streitentscheidend nicht ankommt, legte die Beklagte ihrer Entscheidung über das Anerkenntnis damit die Annahme zugrunde, dass die Berufsunfähigkeit jedenfalls bereits beendet sei. Daran vermag auch die zeitliche Datierung des Schreibens (25. 3. 2020), welche chronologisch 6 Tage vor dem Ende des anerkannten Zeitraums (31. 3. 2020) liegt, nichts zu ändern. Es handelt sich erkennbar nicht um ein, in die Zukunft gerichtetes, zur Überbrückung einer Situation der Unsicherheit erklärtes Anerkenntnis, sondern diente dem Zweck einen bereits zurückliegenden, abgeschlossenen Zeitraum der Berufsunfähigkeit einzugrenzen. Überdies würde auch die reine Betrachtung des Datums einer Erklärung über ein befristetes Anerkenntnis für die Beurteilung der Frage, ob es sich um ein rückwirkendes Anerkenntnis handelt, zu kurz greifen. Der Versicherer hätte es damit nämlich in der Hand, mit der Erklärung kurz vor Ablauf des von ihm anerkannten Zeitraums eine sonst unzulässige Befristung zu erreichen. Dies wird dem oben dargelegten Ausnahmecharakter des befristeten Anerkenntnisses nicht gerecht.
33
cc) Rechtsfolge der unzulässigen Rückwirkung der Befristung des Anerkenntnisses ist, dass sich die Beklagte nicht auf die Befristung berufen kann (BGH 23.02.2022 – IV ZR 101/20, Rn 20 m.w.N.). Das Anerkenntnis der Beklagten vom 25.03.2020 daher als unbefristet abgegeben. Die Beendigung der Leistungspflicht richtet sich damit nach den Regeln des Nachprüfungsverfahrens.
34
b) Das Schreiben der Beklagten vom 25.03.2020 kann zwar grundsätzlich in eine Änderungsmitteilung umgedeutet werden, jedoch erfüllt es nicht die formalen Voraussetzungen, welche an eine Änderungsmitteilung im Nachprüfungsverfahren gestellt werden.
35
aa) Eine Umdeutung des Schreibens vom 25.03.2020 in eine Änderungsmitteilung ist gemäß § 140 BGB grundsätzlich möglich, der Versicherer kann das Anerkenntnis gleichzeitig mit einer Änderungsmitteilung erklären (BGH 19.11.1997 – IV ZR 6/97, Rn. 18).
36
bb) Das Schreiben erfüllt jedoch nicht die formalen Voraussetzungen an eine Änderungsmitteilung. Insbesondere fehlt es an der zu fordernden nachvollziehbaren Vergleichsbetrachtung. Nach § 10 Abs. 3 SBU hat der Versicherer dem Versicherungsnehmer eine Mitteilung darüber zu machen, dass die bereits anerkannte Leistungspflicht wieder enden soll. Voraussetzung der Wirksamkeit einer solchen Mitteilung ist deren Nachvollziehbarkeit, also grundsätzlich eine Begründung, aus der für den Versicherten nachvollziehbar wird, warum nach Auffassung seines Vertragspartners die anerkannte Leistungspflicht enden soll (BGH 3.11.1999 – IV ZR 155/98, Rn. 27). Geht es um eine Gesundheitsbesserung, so ist im Nachprüfungsverfahren maßgebend der Vergleich desjenigen Gesundheitszustands, den der Versicherer seinem Anerkenntnis zugrunde gelegt hat, mit dem Gesundheitszustand zu einem späteren Zeitpunkt. Nachvollziehbarkeit der Entscheidung des Versicherers setzt daher in der Regel voraus, dass mit ihr diese Vergleichsbetrachtung vorgenommen wird und die aus ihr abgeleiteten Folgerungen aufgezeigt werden (BGH 23.02.2022 – IV ZR 101/20, Rn 21 mwN). Dies gilt auch bei einer Verknüpfung von Anerkenntnis und Änderungsmitteilung (Lücke in Prölss/Martin, § 174 VVG, Rn 24)
37
cc) Das Schreiben vom 25.03.2020 genügt diesen inhaltlichen Anforderungen nicht. Es fehlt an einer nachvollziehbaren Vergleichsbetrachtung. Insbesondere fehlen jegliche Erwägungen dazu, auf welchen gesundheitlichen Zustand die Beklagte für die Entscheidung über das Anerkenntnis ihrer Leistungspflicht abstellt. Die Anforderungen an die Nachvollziehbarkeit sind deshalb nicht erfüllt.
38
Das Gericht verkennt dabei nicht, dass die Mitteilung der Beklagten auf der telefonischen Mitteilung des Klägers beruhte, dass er aus medizinischer Sicht wieder regulär in die Saison starten könne. Die Beklagte führt insoweit zum veränderten Gesundheitszustand aus, dass der Kläger seiner Tätigkeit als Berufssportler aus gesundheitlichen Gründen wieder nachgehen könne. Er sei seit Anfang März nicht mehr arbeitsunfähig geschrieben, habe wieder mit dem Training beginnen können und sollte auch wieder regulär an Auswärtsspielen teilnehmen. Damit war für den Kläger nachvollziehbar, dass die Beklagte ihre Leistungseinstellung auf seine eigene Mitteilung stützte und davon ausging, dass nunmehr keine Berufsunfähigkeit vorliege. Eine Prüfung, von welchem Leistungsgrad im Sinne der Bedingungen die Beklagte ausging, war ihm hingegen nicht möglich.
39
Die Tatsache, dass der Kläger selbst mitteilte, wieder regulär in die Saison starten zu können, entbindet die Beklagte jedoch nicht von einer Vergleichsbetrachtung. Für eine Nachvollziehbarkeit wäre nämlich zu fordern, dass die Beklagte darlegt, von welchem Gesundheitszustand des Klägers (Diagnosen, Symptome, Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit etc.) sie für die Entscheidung über das Anerkenntnis ausgeht. Dieser Gesundheitszustand, wäre mit dem Gesundheitszustand zu vergleichen, von dem die Beklagte nunmehr ausgeht, und für welchen sie den Wegfall bedingungsmäßiger Berufsunfähigkeit annimmt. Insoweit ist es unerheblich, ob die der Änderungsmitteilung zugrunde liegenden Tatsachen auf ärztlichen Attesten (über eine etwaige Genesung), medizinischen Gutachten, oder wie vorliegend einer eigenen Mitteilung des Klägers als Versicherungsnehmer beruhen. Die Mitteilung der Beklagten vom 25.03.2020 enthält jedoch keinerlei Ausführungen dazu, von welchem gesundheitlichen Zustand des Klägers (Verletzungen und ihre Folgen etc.) und der daraus folgenden Auswirkungen auf die berufliche Tätigkeit die Beklagte ausging, mithin, wodurch sie die bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit des Klägers und ihr Anerkenntnis begründet sieht. Diese Angabe wäre jedoch aus Sicht des Klägers erforderlich gewesen, um zu prüfen, ob die Entscheidung aus seiner Sicht zutreffend ist. Es handelt sich mithin auch nicht um eine bloße Förmelei, weil dem Kläger aufgrund der erhaltenen Mitteilung gerade nicht möglich war, zu prüfen, von welchem körperlichen Zustand die Beklagte für ihr Anerkenntnis ausging, ob diese Einschätzung zutreffend sei und ob dieser körperliche Zustand tatsächlich wieder aufgehoben, (teil-)reduziert oder noch fortbestehend sei.
40
Mangels wirksamer Änderungsmitteilung bestand die Leistungspflicht der Beklagten aufgrund des unbefristeteten Anerkenntnisses fort.
41
c) Auf die Wirksamkeit der Änderungsmitteilung vom 28.10.2021 kommt es streitentscheidend nicht an, da der Kläger im vorliegenden Verfahren lediglich Leistungsansprüche bis einschließlich 31.01.2022 geltend macht.
42
2. Der Kläger hat daher Anspruch auf Zahlung von 57.380,71 €.
43
Für 22 Monate (01.04. 020-31.01.2022) errechnen sich für die Verträge ..., ... und ... Rentenzahlungen von (500 + 784,70 + 1.191,40 = 2.476,10 € je Monat) 54.474,20 €. Hinzu kommen unstreitig geleistete Beitragszahlungen in Höhe von 2.906,51 €. Es errechnet sich die Gesamtsumme von 57.380,71 €.
44
3. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288 Abs. 1, S.1, 2, 286 Abs. 2 Nr.1, analog § 187 Abs. 1 BGB und errechnet sich unter Zugrundelegung der monatlichen Gesamt-Renten von 2.476,10 € zuzüglich der geleisteten Beitragszahlung für den jeweiligen Monat (vgl. Bl. 64f. d. A.).
II.
45
Der Kläger hat zudem gemäß § 17 Abs. 6 SBU Anspruch auf Zahlung einer Bonusrente (Überschussbeteiligung), sodass er auch insoweit Anspruch auf Feststellung hat.
III.
46
Der Kläger hat zudem Anspruch auf Freistellung hinsichtlich vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr zuzüglich Auslagenpauschale und Mehrwertsteuer, mithin in beantragter Höhe von 1.085,82 € aus §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 249 BGB. Ein Gebührensprung findet angesichts eines berechtigten Gegenstandswerts von 57.380,71 € nicht statt. Auf den Hilfsantrag kommt es vorliegend nicht an. Der Kläger behauptet auch nicht, die Gebührennote vom 12.05.2022 (Anlage K8) bereits bezahlt zu haben.
IV.
47
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr.1 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers war mit 9% relativ geringfügig und hat mangels Gebührensprung keine höheren Kosten verursacht. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1,2 ZPO.