Inhalt

VGH München, Beschluss v. 27.05.2024 – 6 ZB 24.565
Titel:

Straßenausbaubeiträge - Unvollständig vorgelegter Einkommenssteuerbescheid verstößt gegen die Mitwirkungspflicht im Härteausgleichverfahren

Normenketten:
KAG BY Art. 19a Abs. 6 S. 3, Abs. 7 S. 4 Nr. 3
BayHärteV § 3
VwGO § 86 Abs. 1
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Einreichung auch der Seite 2 eines Einkommenssteuerbescheids, auf der vor allem das zu versteuernde Einkommen ausgewiesen ist, ist zwingende Voraussetzung, wenn die Härtefallkommission einen Antrag auf Härteausgleich nach Art. 19a KAG BY prüft und  es dabei für die Bewilligung gem. Art. 19a Abs. 7 S. 4 Nr. 3 KAG auf die Höhe des im Jahr der Festsetzung der Belastung zu versteuerndes Einkommen ankommt. (Rn. 9 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Härtefallkommission ist nicht verpflichtet, die von einem Antragsteller fristgerecht eingereichten Unterlagen auf Vollständigkeit zu prüfen und erneut Gelegenheit zu geben, etwaige Mängel zu beheben, da die ordnungsgemäße Mitwirkung bei der Antragstellung eine wesentliche Obliegenheit der Antragsteller ist. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Aufklärungsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
4. Gerichte brauchen sich nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Straßenausbaubeitrag, Härteausgleich, Mitwirkungspflicht, Einkommensteuerbescheid (unvollständig vorgelegt), Einkommensteuerbescheid, Einkommenshöhe, Aufklärungsrüge, rechtliche Gehör
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Urteil vom 29.02.2024 – B 4 K 22.436
Fundstelle:
BeckRS 2024, 13862

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 29. Februar 2024 – B 4 K 22.436 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.393,62 € festgesetzt.

Gründe

1
Der Antrag der Klägerin, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 29. Februar 2024 zuzulassen, bleibt ohne Erfolg.
2
Die innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO geltend gemachten Zulassungsgründe der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und eines Verfahrensmangels (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) wurden nicht hinreichend dargelegt oder liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
3
1. Die Klägerin begehrt nach Maßgabe des Art. 19a KAG Leistungen aus dem Härtefallfonds zum Ausgleich besonderer Härten durch Straßenausbaubeiträge, die nach dem Kommunalabgabengesetz für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 erhoben worden waren (sog. Härteausgleich). Sie hatte am 5. August 2019 für drei Straßenausbaubeitragsbescheide der Stadt E. vom 22. November 2016 Härteausgleich beantragt. Mit Schreiben vom 4. November 2020 forderte die Geschäftsstelle der Härtefallkommission von der Klägerin unter anderem folgende Unterlage nach: „geeignete Unterlagen zum Nachweis über das zu versteuernde Einkommen für das Jahr 2016, z.B. Kopie des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2016, hieraus muss der Steuerschuldner, der Veranlagungszeitraum und das zu versteuernde Einkommen erkennbar sein …“. Sie setzte eine Frist bis zum 9. Dezember 2020 und wies darauf hin, dass der Antrag gemäß Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG ohne weitere Prüfung abgelehnt werde, wenn mit Ablauf der Frist kein vollständiger Antrag mit allen angeforderten Nachweisen vorliege. Dies gelte nicht, wenn der Termin unverschuldet versäumt werde und dies unverzüglich glaubhaft gemacht werde. Die Klägerin übersandte daraufhin am 30. November 2020 per E-Mail unter anderem eine Kopie ihres Einkommensteuerbescheids für 2016, die allerdings nur die Seiten 1, 3 und 4, nicht aber die Seite 2 mit der Angabe des zu versteuernden Einkommens umfasste. Mit Bescheid vom 21. März 2022 lehnt die Härtefallkommission die Gewährung eines Härteausgleichs mit der Begründung ab, die Klägerin habe keine Nachweise vorgelegt, aus denen das zu versteuernde Einkommen im Jahr des Bescheiderlasses eindeutig hervorgehe. Sie sei der Mitwirkungsaufforderung trotz Fristsetzung und Belehrung über die Folgen einer unentschuldigten Fristversäumung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachgekommen.
4
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Verpflichtung zur Zahlung eines Härteausgleichs in Höhe von 5.393,62 € für unbegründet erachtet und mit dem angegriffenen Urteil abgewiesen.
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2. Die gegen das erstinstanzliche Urteil fristgerecht vorgebrachten Einwände führen nicht zur Zulassung der Berufung.
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a) Aus den im Zulassungsantrag dargelegten Gründen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würden (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 m.w.N.). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 15.2.2018 – 6 ZB 17.2521 – juris Rn. 4). Das ist nicht der Fall.
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Der Zulassungsantrag hält den entscheidungstragenden Erwägungen im erstinstanzlichen Urteil nichts Stichhaltiges entgegen, das Zweifel an seiner Richtigkeit begründet und weiterer Prüfung in einem Berufungsverfahren bedarf. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin wegen Verstoßes gegen ihre Mitwirkungspflicht gemäß Art. 19a Abs. 6 KAG keinen Anspruch auf Gewährung eines Härteausgleichs hat.
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Antragsbefugt für den Härteausgleich ist unter anderem nach Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 3 KAG nur, wer im Jahr der Festsetzung der Belastung über ein zu versteuerndes Einkommen von nicht mehr als 100.000 € verfügt. Dementsprechend durfte die Härtefallkommission, wie das Verwaltungsgericht im Einzelnen zutreffend ausgeführt hat, auf der Grundlage von Art. 19a Abs. 6 KAG die Klägerin unter Fristsetzung zur Vorlage einer Kopie des Einkommensteuerbescheids für 2016 auffordern (woraus insbesondere „das zu versteuernde Einkommen erkennbar sein“ muss) und darauf hinweisen, dass der Antrag ohne weitere Prüfung abgelehnt wird, wenn die Klägerin ihrer Mitwirkungspflicht nicht fristgerecht nachkommt (vgl. Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG). Dieser Mitwirkungspflicht ist die Klägerin innerhalb der gesetzten Frist nicht ausreichend nachgekommen. Sie hat zwar innerhalb der gesetzten Frist eine Kopie des angeforderten Einkommensteuerbescheids vorgelegt. Diese war jedoch unvollständig. Es fehlte die Seite 2, auf der das zu versteuernde Einkommen ausgewiesen ist.
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Der Senat teilt die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die fristgerechte Vorlage gerade dieser Seite für die Prüfung des Antrags zwingend erforderlich war. Denn mit Blick auf die übrigen Seiten oder die sonstigen Antragsunterlagen, insbesondere die Seiten 1 und 2 des Einkommensteuerbescheids für 2018, mag mehr oder weniger stark vermutet werden, die 1925 geborene Klägerin habe auch im Jahr 2016 die Einkommensschwelle weit unterschritten. Mit der notwendigen Überzeugungsgewissheit lässt sich dieser Schluss allerdings aus dem unvollständig vorgelegten Einkommensteuerbescheid 2016 nicht ziehen. Deshalb hatte die Geschäftsstelle der Härtefallkommission im Aufforderungsschreiben vom 4. November 2020 auch ausdrücklich hervorgehoben, dass aus der vorzulegenden Bescheidkopie nicht nur der Steuerschuldner und das Veranlagungsjahr, sondern auch „das zu versteuernde Einkommen erkennbar sein“ muss. Das war aber nicht der Fall.
11
Der Senat teilt weiter die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die Härtefallkommission nicht verpflichtet war, die von der Klägerin fristgerecht eingereichten Unterlagen auf Vollständigkeit zu prüfen und erneut Gelegenheit zu geben, etwaige Mängel zu beheben. Das ergibt sich aus den speziellen Verfahrensregelungen des Art. 19a Abs. 6 und Abs. 11 KAG i.V. mit § 3 BayHärteV und aus den Besonderheiten des Härteausgleichs, der als freiwillige staatliche Leistung an einen bestimmten Kreis von Adressaten bestandskräftiger gemeindlicher Straßenausbaubeitragsbescheide für den Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 gewährt wird (vgl. Art. 19a Abs. 8 Satz 1 KAG). Um nach Ablauf des gesetzlich vorgegebenen Antragszeitraum (1.7.-31.12.2019, vgl. Art. 19a Abs. 5 Satz 1 KAG) eine möglichst zeitnahe Verteilung der einmalig zur Verfügung gestellten 50 Mio. € (Art.19a Abs. 1 Satz 2 KAG) sicherzustellen, war es zwingend erforderlich, möglichst bald Klarheit über die Anzahl der zulässigen und begründeten Anträge zu gewinnen. Deshalb sieht das Gesetz in Art. 19a Abs. 6 KAG spezielle Mitwirkungspflichten vor und gibt der Kommission die Möglichkeit, bei Nichterfüllung der Pflichten einen Ausgleich zu versagen (vgl. LTDrs. 18/18552 S. 4). Die ordnungsgemäße Mitwirkung bei der Antragstellung ist eine wesentliche Obliegenheit der Antragsteller.
12
Aus den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften der Art. 24 Abs. 1, 2 und Art. 25 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG oder dem allgemeinen Rechtsinstitut von Treu und Glauben folgt entgegen der Sichtweise der Klägerin für das besonders ausgestaltete Verfahren des Härteausgleichs auch in der konkreten Fallkonstellation nichts Anderes. Das hat das Verwaltungsgericht mit überzeugenden Gründen und unter Berücksichtigung der geltend gemachten Umstände, wie der telefonische Nachfrage durch ihren Sohn, des Alters der Klägerin und der im Übrigen vorgelegten Unterlagen, ausgeführt. Die Klägerin kann nicht die in ihrer Risikosphäre liegende Verletzung von Mitwirkungsobliegenheiten als Verfahrensfehler auf die Härtefallkommission abwälzen.
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b) Die Berufung gegen Urteil, das im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung ergangenen ist (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist auch nicht wegen der geltend gemachten Verfahrensmängel nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zuzulassen.
14
aa) Ohne Erfolg bleibt die Rüge, das Verwaltungsgericht habe den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, weil es zu dem mit Schriftsatz vom 16. September 2023 unter Beweisangebot vorgetragenen Tatsache, dass sich der der Sohn der Klägerin im Telefonat mit der Geschäftsstelle am 2. Dezember 2020 nach dem Eingang und der Vollständigkeit aller Unterlagen erkundigt hätte, keine Beweise erhoben habe.
15
Grundsätzlich muss allerdings auch im schriftlichen Verfahren über Beweisanträge vorab und so rechtzeitig entschieden werden, dass die Beteiligten sich im Fall einer Ablehnung auf die neue Verfahrenslage einstellen und gegebenenfalls neue Beweisanträge stellen können. Diese auf dem Rechtsgedanken des § 86 Abs. 2 VwGO sowie auf dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs beruhende Obliegenheit betrifft jedoch nur den Fall, dass bereits vor der Stellung eines Beweisantrags auf mündliche Verhandlung verzichtet wurde. Anders verhält es sich, wenn der Beweisantrag bereits vor dem Verzicht auf mündliche Verhandlung gestellt war oder gleichzeitig mit diesem gestellt wird. In diesem Fall begibt sich der Beweisantragsteller der Möglichkeit zur Geltendmachung des Anspruchs auf Vorabentscheidung, sodass es dann eines gesonderten (ablehnenden) Beschlusses über einen Beweisantrag vor der Sachentscheidung mithin nicht bedarf (zum Ganzen: BVerwG, B.v. 29.3.1979 – 7 B 27.78 – juris Rn. 11; U.v. 30.5.1989 – 1 C 57.87 – juris Rn. 12; B.v. 6.9.2011 – 9 B 48.11 u.a. – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 4.11.2005 – 7 ZB 05.1999 – juris Rn. 10 f.; B.v. 19.8.2022 – 15 ZB 22.1400 – juris Rn. 25).
16
Hier liegt schon kein Beweisantrag vor. Der Beweisantrag ist durch seinen Rechtscharakter als ein strengförmliches Verlangen gekennzeichnet. Dadurch unterscheidet er sich von der unverbindlich gemeinten Beweisanregung, mit der nicht eine Beweiserhebung verlangt, sondern nur auf die Möglichkeit zu Ermittlungshandlungen hingewiesen wird (Dawin/Panzer in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, VwGO, § 86 Rn. 90). Der Beweisantrag muss substantiiert sein. Dies ist Voraussetzung dafür, dass es sich überhaupt um einen – durch besonderen Beschluss abzulehnenden – Beweisantrag i.S.d. § 86 Abs. 2 VwGO handelt (Dawin/Panzer in Schoch/Schneider, a.a.O. § 86 Rn. 89).
17
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin geht selbst nicht von einem Beweisantrag aus, sondern von einem Beweisangebot. Im Übrigen hat er mit Schriftsatz vom 10. Dezember 2023, also nach dem schriftsätzlichen Beweisangebot, auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
18
bb) Auch eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht aus § 86 Abs. 1 VwGO ist nicht hinreichend geltend gemacht.
19
Die Klägerin rügt eine fehlende Aufklärung des Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht (§ 86 Abs. 1 VwGO) und trägt vor, das Verwaltungsgericht habe es unterlassen aufzuklären, ob die Unvollständigkeit des Einkommensteuerbescheids den Meta-Daten entsprechend am 30. November 2020 bereits erkannt worden sei und ein Hinweis bis zum 9. Dezember 2020 dennoch unterblieben sei.
20
Mit dieser Rüge vermag die Klägerin nicht durchzudringen. Ihr Vortrag genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 124a VwGO. Eine Aufklärungsrüge setzt regelmäßig die Darlegung voraus, welche Tatsachen auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Auffassung des Verwaltungsgerichts ermittlungsbedürftig gewesen wären, welche Beweismittel zur Verfügung gestanden hätten, weshalb sich die unterbliebene Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen oder womit insbesondere in der mündlichen Verhandlung auf die Aufklärungsmaßnahme hingewirkt worden ist. Überdies ist zu berücksichtigen, dass die Aufklärungsrüge kein Mittel darstellt, um Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten in der Tatsacheninstanz, vor allem das Unterlassen der Stellung von Beweisanträgen, zu kompensieren (BayVGH, B.v. 21.1.2019 – 21 ZB 16.552 – juris Rn. 37). Die Zulassungsbegründung muss entweder darlegen, dass im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, hingewiesen worden ist oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (BayVGH, B.v. 9.4.2019 – 6 ZB 18.2402 – juris Rn. 12 m.w.N.). Dem wird der Zulassungsantrag nicht gerecht. Er behauptet lediglich, das Verwaltungsgericht wäre zu der Aufklärung der von ihm aufgeworfenen Frage verpflichtet gewesen, indem er eine bestimmte Rechtsfolge aus dem von ihm erwarteten Ergebnis dieser Aufklärung ableitet. Das Verwaltungsgericht geht im Hinblick auf die Regelung des Art. 19a Abs. 6 Satz 3 KAG, auf die die Klägerin hingewiesen worden war, davon aus, dass kein Anlass für die Härtefallkommission bestanden habe, sich nochmals an die Klägerin zu wenden und nach dem zu versteuernden Einkommen der Klägerin zu forschen. Entgegen der Ansicht der Klägerin habe weder ein Anruf noch ein anderer Hinweis von Seiten des Beklagten erfolgen müssen, um es ihr zu ermöglichen, die geforderten Unterlagen nachzureichen (UA S. 15). Für das Verwaltungsgericht kam es ersichtlich nicht darauf an, wann genau innerhalb der Behörde die Unvollständigkeit des Einkommensteuerbescheids erkannt worden war.
21
Die anwaltlich vertretene Klägerin hatte auf mündliche Verhandlung verzichtet und schriftsätzlich keine förmlichen Beweisanträge gestellt (s.o.). Die Rüge eines Verfahrensmangels ist kein Mittel, Versäumnisse eines Verfahrensbeteiligten im vorangegangenen Instanzenzug zu kompensieren (BVerwG, B.v. 20.12.2012 – 4 B 20.12 – juris Rn. 6). Der Zulassungsantrag enthält keine Ausführungen dazu, warum keine diesbezüglichen Beweisanträge gestellt wurden. Aus der Sicht des Verwaltungsgerichts bestand kein Grund für eine weitere Aufklärung des Sachverhalts. Die Pflicht der Tatsachengerichte zur Aufklärung des Sachverhalts findet ihre Grenze dort, wo das Klagevorbringen keinen tatsächlichen Anlass zu weiterer Sachverhaltsaufklärung bietet.
22
cc) Schließlich zeigt auch die Rüge, das Verwaltungsgericht habe den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 27. Dezember 2023 weder im Tatbestand wiedergegeben noch in den Entscheidungsgründen verarbeitet, keinen Verstoß gegen den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs auf.
23
Das rechtliche Gehör als prozessuales Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG) sichert den Parteien ein Recht auf Information, Äußerung und Berücksichtigung mit der Folge, dass sie ihr Verhalten eigenbestimmt und situationsspezifisch gestalten können, insbesondere, dass sie mit ihren Ausführungen und Anträgen gehört werden (BVerfG, B.v. 30.4.2003 – 1 PBvU 1/02 – BVerfGE 107, 395/409). Es gewährleistet im Sinn der Wahrung eines verfassungsrechtlich gebotenen Mindestmaßes, dass ein Kläger die Möglichkeit haben muss, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten (BVerfG, B.v. 21.4.1982 – 2 BvR 810/81 – BVerfGE 60, 305). Die Gerichte brauchen sich jedoch nicht mit jedem Vorbringen der Beteiligten in den Gründen der Entscheidung ausdrücklich auseinanderzusetzen. Denn es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Gericht das von ihm entgegengenommene Beteiligtenvorbringen auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat. Etwas Anderes gilt, wenn im Einzelfall besondere Umstände deutlich machen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist (vgl. BVerwG, B.v. 2.5.2017 – 5 B 75.15 D – juris Rn. 11 m.w.N.). Gemessen daran hat der Zulassungsantrag auch insoweit eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht substantiiert aufgezeigt.
24
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.
25
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).