Titel:
Kein Anspruch auf Ausstellung eines (vorläufigen) Personalausweises bei ungeklärter Identität
Normenketten:
PAuswG § 9 Abs. 1 S. 1, Abs. 4
PassG § 6 Abs. 3 S. 1
Leitsätze:
1. Fehlt es an den erforderlichen Nachweisen zur Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit und sind diese auch infolge sämtlicher durchgeführter erkennungsdienstlicher Maßnahmen (einschließlich DNA-Abgleich) und weiteren polizeilichen Ermittlungen nicht zweifelsfrei festgestellt, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Personalausweises nicht erfüllt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Personalausweis kann auch aus Gründen der Menschenwürde nicht ausgestellt werden, solange die Identität der Person nicht geklärt ist. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kein Anspruch auf Ausstellung eines Ausweispapiers, Fehlender Identitätsnachweis, PAuswVwV, PassVwV, automatischer Abgleich, Mitwirkung, DNA-Abgleich, erkennungsdienstliche Maßnahmen, Identitätsfeststellung, Nachweispflicht, Staatsangehörigkeit
Fundstellen:
StAZ 2025, 118
BeckRS 2024, 12785
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Ausstellung eines (vorläufigen) Personalausweises.
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Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragte mit Schreiben vom 11. Oktober 2021 bei der Beklagten – Kreisverwaltungsreferat (KVR) –, der Klägerin ein vorläufiges Ausweispapier zu erteilen. Sie habe sich seit ca. 2018 selbst bereits mehrfach an das KVR gewandt mit der Bitte, ihr ein Ausweispapier auszustellen. Im Auftrag des KVR habe die Polizei die Identität klären sollen. Die Klägerin habe daraufhin das Polizeipräsidium München, Kriminalkommissariat 14 – Vermisstenstelle (Herr H.) aufgesucht. Dieser habe unter dem Az.: BY 8614-002626-20/1 versucht, die Identität der Klägerin zu klären. Dies sei bislang nicht gelungen. Die Klägerin lebe ohne jegliche finanzielle Unterstützung vom Sammeln von Flaschen. Sie sei nicht krankenversichert, verfüge über keine Geburtsurkunde, kein Ausweispapier und habe nach eigenen Angaben in ihrem bisherigen Leben über keinen festen Wohnsitz verfügt. Es seien Leistungen nach dem SGB II beantragt worden. Das Jobcenter München verlange die Vorlage eines vorläufigen Ausweispapiers. Zur Identität der Klägerin werde angegeben, dass ihr Großvater (mütterlicherseits) … bzw. … … am 27. September 1923 in Berlin geboren sei. Ihre Großmutter (mütterlicherseits) … … (Geburtsname unbekannt) sei am 13. Dezember 1932 geboren (Ort unbekannt) und in München/Schwabing aufgewachsen. Nach Ende des 2. Weltkriegs hätten sich beide kennengelernt. Die Ereignisse des 2. Weltkriegs hätten beide traumatisiert und veranlasst, ein Leben auf der Wanderschaft zu führen, da sie staatlichen Organisationen misstraut hätten. Am 26. Oktober 1970 sei ihre Mutter, … … … … beim …see bei … geboren worden. Ermittlungen beim Einwohnermeldeamt in … seien insoweit ergebnislos gewesen. Kenntnis von ihrem Vater habe sie nicht. Die Klägerin sei am … … 1997 im Olympiapark in München geboren worden. Ihre Mutter sei drei Tage später am … … 1997 in der Nähe des Olympiasees im Olympiapark verstorben. Ermittlungen beim Einwohnermeldeamt in München seien insoweit ergebnislos gewesen. Die Klägerin sei von ihren Großeltern aufgezogen worden und mit ihnen umhergezogen, ohne jemals einen festen Wohnsitz über einen längeren Zeitraum gehabt zu haben. Ihr Großvater sei am 26. September 2013 auf einem Segelschiff, auf dem sie gearbeitet hätten, gestorben und sei auf See bestattet worden. Das Segelschiff habe sich auf dem Weg von Dänemark nach England befunden. Die Großmutter sei 2016 in der Nähe des Starnberger Sees verstorben und der Leichnam sei am 5. März 2016 in Unterfranken „auf einem Hügel zwischen zwei Bäumen“ begraben worden. Sollten diese Angaben korrekt sein, dann würde es sich bei der Klägerin vermutlich um eine Überlebende des Holocaust in zweiter Generation handeln, deren Leben durch die Entwurzelung der Großeltern in bislang unvorstellbarer Weise beeinflusst worden sei. Unabhängig vom Wahrheitsgehalt der Angaben und der Klärung der Identität der Klägerin stünden ihr zur Sicherung des Existenzminimums Leistungen nach dem SGB II zu. Das benötigte vorläufige Ausweispapier werde beantragt.
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Das KVR (KVR-II/211) der Beklagten teilte mit Schreiben vom 5. November 2021 mit, dass ein deutsches Ausweisdokument nur ausgestellt werden dürfe, wenn die Personalien, die Identität und die Staatsangehörigkeit der antragstellenden Person zweifelsfrei feststünden (§ 9 Abs. 3 PAuswG, § 6 Abs. 2 PassG i.V.m. Nrn. 4.1.1.1, 6.3.1.1, 6.3.1.2 und 6.3.1.7 PassVwV, analog anzuwenden auf das Personalausweisrecht). Die Klägerin erfülle keine dieser Voraussetzungen. Die angegebenen Personalien beruhten lediglich auf den Angaben der Klägerin und seien nicht durch amtliche Dokumente nachgewiesen. Die Klägerin besitze keine Ausweisdokumente, Unterlagen mit Personendaten o.ä., die ihre Identität bewiesen. Zeugen zur Identitätsfeststellung könnten ebenfalls nicht benannt werden. Der Versuch einer Personenfeststellung bzw. Identitätsklärung durch das Polizeipräsidium München – K 14 – sei ergebnislos geblieben. In der Folge sei die Identität der Klägerin nach wie vor ungeklärt. Die beantragte Ausstellung eines deutschen Ausweisdokuments sei folglich nicht möglich. Von Seiten der Standesamtsaufsicht sei bereits mitgeteilt worden, dass eine letzte Option zur Klärung der Identität der Klägerin eine Prüfung der daktyloskopischen Spuren (Fingerabdrücke) und der DNA durch das Bundeskriminalamt sei. Dies erfordere die Mitwirkung der Klägerin auf freiwilliger Basis für die Erhebung ihrer Fingerabdrücke und DNA beim Polizeipräsidium München, die aktuell unterbleibe.
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Der Bevollmächtigte der Klägerin teilte mit Schreiben vom 15. November 2021 mit, er habe ausdrücklich (nur) die Ausstellung eines vorläufigen Ausweisdokuments beantragt und sei davon ausgegangen, dass ein solches für Personen ungeklärter Identität ausgestellt werden könne. Er teile die Meinung, dass die Identität der Klägerin derzeit nicht geklärt sei. Es seien bereits durch die Polizei Lichtbilder erstellt und ein AFIS-Schnellabgleich (automatisiertes Fingerabdruckidentifizierungssystem) ohne Treffer durchgeführt worden. Für eine nochmalige Erhebung der Fingerabdrücke stehe die Klägerin zur Verfügung. Lediglich hinsichtlich der Abgabe einer DNS-Probe bestünden bei der Klägerin Bedenken. Sie wolle nicht wie eine Kriminelle behandelt werden und sie fühle sich durch die Abgabe der DNS-Probe in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt. Es wäre insoweit hilfreich zu wissen, welche Arten von DNS-Datenbanken existierten, mit welchen Datenbanken die Probe abgeglichen werden solle und was mit der erfassten Probe und den Daten nach dem Abgleich passiere. Die Klägerin wolle auf keinen Fall, dass ihre Daten für eine unbestimmte Dauer gespeichert würden. Es werde höchst vorsorglich auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2020 – 1 C 36.19 – (mit Ausführungen im Rahmen eines Verfahrens zur Einbürgerung und objektiver Beweisnot) hingewiesen. Im Hinblick auf die bereits erfolgten Maßnahmen werde zeitnah um Mitteilung gebeten, welche erkennungsdienstlichen Maßnahmen die Beklagte im Rahmen des § 6 Abs. 3 PassG für erforderlich halte.
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Die Beklagte führte nach weiterem Schriftwechsel abschließend mit Schreiben vom 10. Mai 2022 aus, dass nach Informationen des Polizeipräsidiums München – K 14 – vom 3. Mai 2022 nach Einwilligung der Klägerin und freiwilliger Entnahme von Körperzellen das analysierte DNA-Identifizierungsmuster mit allen gespeicherten Mustern von bekannten und verurteilten Straftätern sowie den Spuren von unbekannten Straftätern innerhalb Deutschlands in der DNA-Analyse-Datei abgeglichen würden. Zugleich sei ein automatischer Abgleich mit aktuell 23 europäischen Staaten über den automatisierten DNA-Datenaustausch möglich. Weitere relevante Staaten wie die Schweiz und Dänemark seien zusätzlich über Interpol abklärbar. Mit Einverständnis der Klägerin könne ergänzend ein Abgleich mit der Datenbank für „Vermisstensachen und Unbekannte Tote“ vorgenommen werden. Nachdem im Jahr 2020 ein AFIS-Schnellabgleich und eine Gesichtserkennungsrecherche bereits negativ verlaufen seien, habe die Identitätsklärung auf diesem Wege nicht erfolgen können. Es bestehe noch die Möglichkeit einer „freiwilligen ED-Behandlung“, um die Fingerabdrücke für einen Abgleich bis auf Widerruf oder für einen gewissen Zeitraum speichern zu können. Bisher sei das Polizeipräsidium München in Amtshilfe für das Kreisverwaltungsreferat tätig geworden. Für die genannten weiteren Maßnahmen zur Identifizierung der Klägerin sei eine Kostenübernahmezusicherung erforderlich. Über die entsprechenden finanziellen Mittel verfüge das Kreisverwaltungsreferat, Bürgerbüro, nicht. Auch ein vorläufiger Personalausweis dürfe nur ausgestellt werden, wenn die Personalien, die Staatsangehörigkeit und die Identität der antragstellenden Person zweifelsfrei feststünden. Bisher seien schlüssige und glaubhafte Aussagen, wie die Klägerin seit 1997 ihr bisheriges Leben ohne jegliche Ausweisdokumente (Identitätsnachweise, Urkunden) habe gestalten können, nicht vorhanden. Ihre Einlassungen und Angaben zu ihrem Lebenslauf und ihrer Abstammung seien unspezifisch, wenig glaubhaft und nicht nachvollziehbar bzw. nachprüfbar. Auf Beweismittel und/oder (Erkennungs-)Zeugen könne angeblich ebenfalls nicht zurückgegriffen werden. Eine Mitwirkung der Klägerin zu ihrer Identitätsklärung im eigenen Interesse beizutragen, sei aus Sicht der Beklagten nicht erkennbar. Aus den aktuellen Gesamtumständen ergebe sich daher, dass die Identität und Staatsangehörigkeit der Klägerin weiterhin ungeklärt sei, sodass die Ausstellung eines (deutschen) Ausweisdokuments abzulehnen sei (analog Nr. 6.3.1.7 PassVwV). Sollte die Klägerin zur detaillierten Zusammenarbeit, Auskunftserteilung und Mitwirkung zur Klärung ihrer Identität, Staatsangehörigkeit und Abstammung bereit sein bzw. entsprechende Nachweise hierzu beibringen, stehe man jederzeit gerne zur Verfügung.
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Am 16. Mai 2022 erhob der Bevollmächtigte der Klägerin Klage und stellte einen Prozesskostenhilfeantrag. Die Klägerin versuche bereits schon seit vier Jahren, einen Personalausweis zu erhalten. Sie sei dringend auf einen Personalausweis angewiesen. Ohne Ausweis finde sie keine Wohnung und könne kein eigenes Konto eröffnen. Leistungen des Jobcenters München erhalte sie zwischenzeitlich, nachdem der Bevollmächtigte tätig geworden sei. Über den Antrag sei nicht innerhalb angemessener Frist gemäß § 75 VwGO entschieden worden. Klageerhebung sei daher geboten. Im Folgenden wurde weiter vorgetragen, die Klägerin sei einverstanden mit der erkennungsdienstlichen Behandlung sowie der nochmaligen Erhebung der Fingerabdrücke. Lediglich hinsichtlich der Abgabe einer DNS-Probe bestünden bei der Klägerin (die bereits geäußerten) Bedenken. Die Klägerin sei bereit, bei sämtlichen Maßnahmen mitzuwirken, die für den Nachweis ihrer Identitätsfeststellung erforderlich seien, soweit es eine gesetzliche Grundlage dafür gebe. Die Behörde sei gebeten worden mitzuteilen, welche Maßnahmen ihrerseits noch erforderlich seien, soweit sie von der Rechtsgrundlage des § 6 Abs. 3 PassG gedeckt seien. Das von der Beklagten beauftragte Kommissariat habe sich schlicht nicht mehr bei der Klägerin gemeldet. Die Untätigkeitsklage sei zwingend, da nur so erreicht werden könne, dass die Beklagte ihren gesetzlichen Aufgaben nachkomme. Die Klägerin könne nicht darauf verwiesen werden, ein Leben ohne Personaldokumente zu führen. Sie habe einen Anspruch gegen die Beklagte auf Ausstellung eines Ausweispapiers, wenn die Beklagte keine weiteren Ermittlungen anstelle. Seit der ersten polizeilichen Ermittlung sei von der Beklagten nichts weiter veranlasst worden. Der Vortrag, die Klägerin wirke bei ihrer Identitätsfeststellung nicht mit, sei falsch. So sei z.B. auch die Abnahme der Fingerabdrücke bereits erfolgt. Das Klagevorbringen wurde zuletzt dahingehend ergänzt, dass die Klägerin zum DNA/DNS-Abgleich weitergehende Fragen gehabt habe, die bislang unbeantwortet geblieben seien. Es werde klargestellt, dass die Klägerin selbstverständlich bereit sei, an ihrer Identitätsaufklärung mitzuwirken, auch wenn insoweit keine Rechtsgrundlage existiere. Es werde auf das Schreiben des Bevollmächtigten vom 15. November 2021 hingewiesen. Entgegen den Ausführungen der Beklagten lehne die Klägerin keineswegs einen DNA/DNS-Abgleich grundsätzlich ab. Sie wolle lediglich informiert werden, mit welchen Datenbanken der Abgleich erfolgen solle und für welche Dauer ihre Daten gespeichert würden. Diese Auskunft habe die Beklagte seit November 2021 nicht erteilen können.
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Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt zuletzt,
die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag auf Erteilung eines Personaldokuments unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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Mit Schriftsatz vom 14. Juni 2022 wurde hierzu vorgetragen, dass am 20. Dezember 2021 das Polizeipräsidium München – K 14 – über den aktuellen Sachstand informiert und um Rückmeldung zum weiteren Vorgehen gebeten worden sei. Mit Telefax vom selben Tag sei der Bevollmächtigte der Klägerin in Kenntnis gesetzt worden, dass das Polizeipräsidium München – K 14 – um Auskunft über die für eine Identitätsklärung mit DNA-Abgleich zur Verfügung stehenden Datenbanken gebeten worden sei. Die Ausführungen des Kommissariats 14 vom 3. Mai 2022 seien ihm mit Telefax vom 10. Mai 2022 übermittelt worden. Trotz vielfältiger Bemühungen verschiedener Behörden stünden nach wie vor sowohl die Identität als auch die Staatsangehörigkeit der Klägerin (angeblich „… … … …, geboren am … … 1997 in München“) nicht fest. In der Folge könne kein deutsches Ausweisdokument (auch vorläufiger Personalausweis) ausgestellt werden. Die Voraussetzungen für eine Untätigkeitsklage (Verpflichtungsklage) lägen nicht vor, da vom Bürgerbüro München eine sachliche Entscheidung über den Antrag auf Ausstellung eines Ausweisdokuments getroffen sei. Substantiierte, schlüssige und nachprüfbare Angaben, wie die Klägerin seit ihrer Geburt im Jahr 1997 in München ihr bisheriges Leben ohne jegliche Ausweisdokumente (Identitätsnachweise, Urkunden) habe gestalten können, seien bisher nicht vorhanden und/oder offengelegt. Ihre Einlassungen und Aussagen zu ihrem Lebenslauf und ihrer Abstammung seien unspezifisch, wenig glaubhaft und nicht nachvollziehbar. Auf Beweismittel und/oder (Erkennungs-)Zeugen könne angeblich ebenfalls nicht zurückgegriffen werden. Eine Mitwirkung der Klägerin bei der Identitäts- und Staatsangehörigkeitsklärung sei aus Sicht des Bürgerbüros München nicht erkennbar. Der Klägerin komme aber eine Mitwirkungsobliegenheit zu, günstige oder ungünstige Tatsachen, die sich sonst nicht oder nur unter unverhältnismäßigen Schwierigkeiten aufklären ließen, zu ermitteln. Sobald die Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit nachweislich abschließend erfolgt sei und die Person eindeutig als deutsche Staatsangehörige mit den behaupteten Personalien identifiziert sei, stünden der Ausstellung eines deutschen Ausweisdokuments keine Hinderungsgründe mehr entgegen. Im Folgenden wurde weiter ausgeführt, verschiedene Dienststellen des Kreisverwaltungsreferats und auch des Polizeipräsidiums München seien über mehrere Jahre hinweg in die Versuche zur Identitätsklärung der Klägerin involviert gewesen. Diese seien bisher ohne Erfolg geblieben, da wichtige Maßnahmen (DNA-Abgleich), die eine positive Personenfeststellung ermöglichen könnten, mit der Begründung der Verletzung von Persönlichkeitsrechten verweigert worden seien und (weiter) verweigert würden. Im Umkehrschluss sei daher zu vermuten, dass nur in die Maßnahmen eingewilligt werde (z.B. Fingerabdruckabgleich), von denen bereits im Vorfeld bekannt sei, dass keine Identifizierung erfolgen werde. Ein Interesse an einer abschließenden Identitätsklärung bzw. Offenlegung ihrer tatsächlichen Identität scheine daher aus bisher unbekannten Gründen und Motiven bei der Klägerin nicht vorzuliegen. Die Beibehaltung der bisherigen Verschleierungstaktik und Legende trage nicht zur Problemlösung bei. Die Pass- und Personalausweisbehörde sei keine Ermittlungsbehörde, sondern sie prüfe nur die Angaben und erbrachten notwendigen Nachweise des Antragstellenden im Rahmen der Verpflichtung zur zuverlässigen Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit. Weitere Maßnahmen und Ermittlungsansätze, die zur Klärung der Identität und Staatsangehörigkeit der Klägerin – ohne deren Kooperation – führen könnten – seien dem KVR nicht bekannt und könnten folglich nicht veranlasst werden. Ob und ggf. welche weiteren Maßnahmen und Ermittlungen durch das Polizeipräsidium München (K 14 – Vermisste, K 93 – Erkennungsdienst – DNA-Kommission) – ggf. in Zusammenarbeit mit anderen (internationalen) Sicherheitsbehörden – möglich und aufgrund der derzeitigen Sachlage zielführend seien, sei ebenfalls nicht bekannt. Ein nationaler Fingerabdruckabgleich sei im Jahr 2020 bereits vorgenommen worden und negativ verlaufen. Eine Wiederholung des Procedere werde zu keinem anderen Ergebnis führen. Internationale Datenbankabgleiche mit Fingerabdrücken und DNA seien nicht möglich, da keine Straftat und somit keine entsprechende Rechtsgrundlage hierfür vorliege. Auch ein Kostenträger für möglicherweise kostenintensive Recherchen und (europäische und weltweite) Datenbankabgleiche sei nicht vorhanden. Weiterhin wurde zu den von Klägerseite thematisierten Fragen zur (polizeilichen) Datenverarbeitung ein Schreiben des Polizeipräsidiums München – Präsidialbüro – PB 2 – vom 17. August 2022 vorgelegt. Dort wird ausgeführt, dass es zwei Methoden der Identifikation gebe, den sog. Direktabgleich sowie den Abgleich mit einer Datenbank. Mangels Vergleichsprobe komme hier nur die zweite Möglichkeit in Betracht. Hierzu bedürfe es zunächst der Abnahme von DNA (sog. Ausgangsprobe) und deren anschließender Sequenzierung. Daran anschließend bedürfe es weiterhin des Abgleichs mit einer Datenbank. Ein „Treffer“ sei dabei nur möglich, wenn das DNA-Sequenzierungsmuster der Ausgangsprobe bereits in der Datenbank vorhanden sei. Jede Maßnahme bedürfe dabei einer gesonderten Rechtsgrundlage. Bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen könne die Polizei auf verschiedene Datenbanken mittels Datenabgleich zugreifen. Beim BKA werde die DNA-Analysedatei (DAD) auf Grundlage von Art. 13 BKAG geführt. Die Sequenzierungsmuster würden dabei entweder einer Person oder einer Spur zugeordnet. Eingang in die Datenbank fänden insbesondere Vergleichsproben, deren Erhebung auf § 81g StPO beruhe. Die DAD diene nur der Vorsorge der künftigen strafrechtlichen Verfolgung. Auf Grundlage des Prümer-Vertrags werde unter den Mitgliedstaaten des Vertrags der Zugriff auf die jeweiligen Datenbanken der Mitgliedstaaten gewährt. Soweit ein „Treffer“ in einer Datenbank eines Mitgliedstaats erfolge, so seien die jeweiligen Mitgliedstaaten um weitergehende Informationen im Wege der internationalen Rechtshilfe zu ersuchen. Auch die internationalen Datenbanken dienten nur der Vorsorge der künftigen strafrechtlichen Verfolgung. Soweit der Klägerin eine Ausgangsprobe entnommen werden würde, so wäre diese zu sequenzieren und anschließend mit den Datenbanken abzugleichen. Eine dauerhafte Speicherung der Ausgangsprobe in den vorgenannten Datenbanken erfolge nicht. Eine dauerhafte Speicherung erfolge nur bei Vergleichsproben. Zuvor müsste die Ausgangsprobe bei Vorliegen der Voraussetzungen umgewidmet werden. Die Ausgangsprobe würde nur gespeichert, solange sie für den Datenabgleich erforderlich sei.
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Mit Beschluss vom 8. Februar 2023 wurde der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Die hiergegen erhobene Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. Mai 2023 (5 C 23.531) zurück.
11
Mit Schreiben des Gerichts vom 14. August 2023 wurden die Beteiligten zu einer Übertragung des Rechtsstreits auf den Einzelrichter angehört, mit weiterem Schreiben vom 21. August 2023 zum Erlass eines Gerichtsbescheids.
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Der Bevollmächtigte der Klägerin teilte mit Schriftsatz vom 14. August 2023 mit, dass gebeten werde, die Angelegenheit aktuell nicht zu entscheiden. Die Klägerin habe zwischenzeitlich eine DNA-Probe abgegeben. Das Ergebnis solle abgewartet werden. Im Folgenden wurde mitgeteilt, dass ausweislich der beigefügten Unterlagen am 7. September 2022 eine erkennungsdienstliche Behandlung samt DNA durchgeführt worden sei. Weitere Erkenntnisse für die Identitätsfeststellung seien daraus nicht gezogen worden. Die Klägerin habe demnach an allen notwendigen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung mitgewirkt. Ihr sei somit ein Personaldokument auszustellen. Einer Übertragung der Angelegenheit auf den Einzelrichter werde widersprochen. Es treffe nicht zu, dass es sich um eine Sache handele, die keine besondere Schwierigkeit tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen solle.
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Die Beklagte erwiderte mit Schreiben vom 25. September 2023, die Identität und Staatsangehörigkeit der angeblichen Person „… … …“ seien weiterhin nicht nachgewiesen. Erst wenn die Klärung von Identität und Staatsangehörigkeit nachweislich abschließend erfolgt sei und die Person eindeutig als deutsche Staatsangehörige mit den behaupteten Personalien „… … … …, geboren am … … 1997 in München“ identifiziert worden sei, könnten – bei Nichtvorliegen von Passversagungsgründen – deutsche Ausweisdokumente ausgestellt werden. Diese Voraussetzungen lägen aktuell weiterhin nicht vor.
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Der Bevollmächtigte der Klägerin nahm hierzu mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2023 Stellung. Die Ausführungen zeigten, dass selbst nach Entnahme der DNA-Probe keine neuen Erkenntnisse über die Person … … … vorlägen. Erneut stellte sich für den Unterzeichner die Frage, welche weiteren Maßnahmen die Beklagte vornehmen möchte, um sämtliche vermeintliche Zweifel über die Identität der Klägerin auszuräumen. Die Beklagte stelle überzogene Anforderungen an die Klärung der Identität der Klägerin. Diese habe einen Anspruch darauf, ein Personaldokument ausgestellt zu bekommen. Der Unterzeichner habe die Klägerin dazu bewegen können, umfassend bei der Klärung ihrer Identität mitzuwirken. Eine entsprechende Erklärung habe sie heute persönlich in Anwesenheit des Unterzeichners unterschrieben. Die Beklagte werde hiermit aufgefordert, konkret zu bezeichnen, welche Mitwirkungshandlung sie für notwendig erachte, um aus ihrer Sicht sämtliche Zweifel an der Identität der Klägerin auszuräumen. Die Klägerin werde dem nachkommen. Die Beklagte äußerte sich hierzu nicht weiter.
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Gegen den im Folgenden ergangenen Gerichtsbescheid vom 13. November 2023 beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin am 15. Dezember 2023 Terminierung zur mündlichen Verhandlung, hilfsweise die Zulassung der Berufung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Da die Klägerin nach Ergehen des Gerichtsbescheids fristgerecht mündliche Verhandlung beantragt hat, war trotz des zugleich gestellten (Hilfs-)Antrags auf Zulassung der Berufung die mündliche Verhandlung durchzuführen. Der Gerichtsbescheid gilt als nicht ergangen (vgl. § 84 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 3 VwGO).
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Die zulässige Klage bleibt ohne Erfolg.
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Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin in der mündlichen Verhandlung den Klageantrag auf die Ausstellung eines Personaldokuments (anstatt ursprünglich eines Personalausweises) bezogen hat, hat er hierzu auf Nachfrage klargestellt, dass es sich dabei letztlich um ein Ausweispapier bzw. um den Personalausweis handle. Ein Antrag auf Ausstellung eines sonstigen Personaldokuments (evtl. auf ausländerrechtlicher oder staatangehörigkeitsrechtlicher Basis) wäre auch bei der Beklagten (noch) nicht gestellt worden, sodass für eine diesbezügliche Klage auch kein Rechtsschutzbedürfnis gegeben und eine solche daher unzulässig wäre.
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Auch nach aktueller Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2024 besteht kein Anspruch der Klägerin gegenüber der Beklagten auf Ausstellung eines (vorläufigen) Personalausweises (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO) sowie auch kein Anspruch auf erneute Verbescheidung ihres Antrags (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Weiterhin hat die Klägerin auch keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte weitere Maßnahmen im Rahmen der Sachaufklärung anordnet oder ergreift.
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Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Personalausweisgesetz – PAuswG – werden Personalausweise und vorläufige Personalausweise (vgl. § 3 Abs. 1 PAuswG) auf Antrag für Deutsche im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG ausgestellt. In dem Antrag sind alle Tatsachen anzugeben, die zur Feststellung der Person des Antragstellers und seiner Eigenschaft als Deutscher notwendig sind (vgl. § 9 Abs. 3 Satz 1 PAuswG). Die antragstellende Person hat die erforderlichen Nachweise zu erbringen (vgl. § 9 Abs. 4 Satz 3 PAuswG). Bestehen Zweifel über die Person des Antragstellers, sind die zur Feststellung seiner Identität erforderlichen Maßnahmen zu treffen. Die Personalausweisbehörde kann die Durchführung erkennungsdienstlicher Maßnahmen veranlassen, wenn die Identität der antragstellenden Person auf andere Weise nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten festgestellt werden kann (vgl. § 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 PAuswG). Insoweit enthält auch das Passgesetz – PassG – im Wesentlichen gleichlautende Regelungen in Bezug auf die Ausstellung von Pässen (vgl. § 1 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 PassG, § 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 2, Abs. 3 Satz 1 und 2 PassG).
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Nach den allgemeinen Hinweisen in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Personalausweisgesetzes und der Personalausweisverordnung – Personalausweisverwaltungsvorschrift – PAuswVwV – vom 16. Dezember 2019 (GMBl. 2020 Nr. 2/3, S. 60) ist, soweit diese Verwaltungsvorschrift keine Regelung enthält, die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Durchführung des Passgesetzes – Passverwaltungsvorschrift – PassVwV – vom 16. Dezember 2019 (GMBl. 2020 Nr. 2/3, S. 24) entsprechend anzuwenden, wenn deren Zweck auf das Ausweiswesen gleichermaßen zutrifft. Dies gilt danach insbesondere auch für die Antragstellung und für die Abfrage zur Staatsangehörigkeit sowie für die Identitätsfeststellung. Nach Nr. 4.1.1.1 Satz 1 PassVwV sind der Familienname und ggf. der Geburtsname grundsätzlich vollständig und ungekürzt einzutragen. Das Bestehen der deutschen Staatsangehörigkeit ist von der antragstellenden Person nachzuweisen. Es wird in der Regel durch einen gültigen Pass oder Personalausweis der Bundesrepublik Deutschland glaubhaft gemacht (vgl. Nr. 6.2.4.1 Satz 1 PassVwV). Ein Pass oder Passersatz kann nur ausgestellt werden, wenn die Identität der antragstellenden Person zweifelsfrei festgestellt ist. Bestehen Zweifel über die Person des Antragstellers, hat die Passbehörde geeignete Nachweise zu fordern. In Betracht kommen insbesondere mitgeführte Identitätsdokumente, amtliche Lichtbildausweise (z.B. Dienstausweis), frühere Pass- oder Personalausweisanträge. Neben der Vorlage eines Identitätsdokumentes (z.B. Pass, Personalausweis) kann ein weiterer Nachweis (z.B. Führerschein, Truppenausweis etc.) verlangt werden. Erkennungszeugen allein sind im Inland zur Identitätsfeststellung nicht zugelassen. Gleiches gilt für notarielle „Versicherungen an Eides Statt“, die Angaben zur Person und Abstammung enthalten (vgl. Nr. 6.3.1.1 PassVwV). Die Identitätsprüfung umfasst bei Zweifeln über die Person des Antragstellers auch die Prüfung des Bestehens der deutschen Staatsangehörigkeit (siehe Nr. 6.2.4 PassVwV). Allein die Vorlage einer Einbürgerungsurkunde macht eine Identitätsprüfung nicht entbehrlich. Gegebenenfalls ist Rücksprache bei der zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörde zu nehmen (vgl. Nr. 6.3.1.2 PassVwV). Kann die Identität der antragstellenden Person auch nach Durchführung der Maßnahmen nach Nr. 6.3.1.1 nicht zweifelsfrei festgestellt werden, sind erkennungsdienstliche Maßnahmen zu veranlassen. Als erkennungsdienstliche Maßnahmen kommen insbesondere die Abnahme von Finger- und Handflächenabdrücken, die Aufnahme von Lichtbildern, die Feststellung äußerlicher körperlicher Merkmale sowie Messungen und ähnliche Maßnahmen in Betracht. Erkennungsdienstliche Maßnahmen führen in der Regel die örtlichen Polizeidienststellen in Amtshilfe durch. Nach deren Durchführung werden die dabei gewonnenen erkennungsdienstlichen Unterlagen auf dem Dienstweg oder über das zuständige Landeskriminalamt dem Bundeskriminalamt übersandt. Dieses wertet die erkennungsdienstlichen Unterlagen aus und sendet sie auf dem Dienstweg oder über das zuständige Landeskriminalamt der örtlichen Polizeidienststelle zurück. Erkennungsdienstliche Unterlagen, die im Zusammenhang mit der Passausstellung anfallen, dürfen nicht in bereits vorhandene Unterlagen beim Bundeskriminalamt übernommen werden (vgl. Nr. 6.3.1.4 PassVwV). Sofern auch die erkennungsdienstlichen Maßnahmen nicht zur Feststellung der Identität der antragstellenden Person ausreichen oder in Einzelfällen ausscheiden, da sie nicht möglich sind, ist mit Einwilligung der beteiligten Personen die Erstellung eines Abstammungsgutachtens unter Beachtung der rechtlichen Vorschriften (z.B. § 17 des Gendiagnostikgesetzes) zulässig. Die Kosten für dieses Gutachten sind von der antragstellenden Person zu tragen (vgl. Nr. 6.3.1.5 PassVwV). Kann die Identität der antragstellenden Person auch nach Durchführung der vorgenannten Maßnahmen nicht zweifelsfrei festgestellt werden, ist die Ausstellung eines Passes abzulehnen (vgl. Nr. 6.3.1.7 Satz 1 PassVwV).
23
Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Personalausweises, da sie die gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 und 3 PAuswG erforderlichen Nachweise zur Feststellung ihrer Identität und Staatsangehörigkeit nicht erbracht hat und diese auch infolge der sämtlichen durchgeführten erkennungsdienstlichen Maßnahmen (einschließlich des nunmehr vorgetragenen DNA-Abgleichs) und weiteren polizeilichen Ermittlungen nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnte. Dies gilt auch hinsichtlich einer vorläufigen Ausstellung eines Personalausweises, da die Erteilungsvoraussetzungen insofern nicht abweichen (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 PAuswG). Ein entsprechender Anspruch der Klägerin besteht daher nicht.
24
Gemäß § 9 Abs. 3 PAuswG trägt die antragstellende Person die Darlegungslast zu ihrer Person und ihrer Staatsangehörigkeit. Zweifel über die Identität lassen sich durch die Behörde im Rahmen von § 9 Abs. 4 PAuswG ausräumen. Ansonsten hat die antragstellende Person alle erforderlichen Nachweise zu erbringen und Dokumente vorzulegen (vgl. Beimowski/Gawron, PassG – PAuswG, 1. Aufl. 2018, § 6 PassG Rn. 19, § 9 PAuswG Rn. 5; vgl. auch Hornung in Hornung/Möller, PassG – PAuswG, 1. Aufl. 2011, § 6 PassG Rn. 17, § 9 PAuswG Rn. 12).
25
Dabei ist (auch) vom Gericht nur zu prüfen, ob die Klägerin die für die Feststellung der Identität und Staatsangehörigkeit notwendigen Nachweise erbracht hat oder diese auf andere Weise zweifelsfrei ermittelt werden konnten, nicht hingegen, ob die von der Klägerin getätigten Angaben zu ihren Personalien zutreffend sind und sie die deutsche Staatangehörigkeit besitzt (vgl. HessVGH, B.v. 27.7.2007 – 7 ZU 1218/07 – juris Rn. 8 m.w.N. in Bezug auf die Feststellung der Deutscheneigenschaft; Hornung in Hornung/Möller, PassG – PAuswG, 1. Aufl. 2011, § 6 PassG Rn. 19 f., wonach diese Grundsätze in Bezug auf die Feststellung der Deutscheneigenschaft auch für andere Nachweise entsprechend gelten; vgl. auch Beimowski/Gawron, PassG – PAuswG, 1. Aufl. 2018, § 6 PassG Rn. 23, wonach die Passbehörden und Verwaltungsgerichte nur die ordnungsgemäße Nachweisführung und nicht selbständig in Zweifel stehende Voraussetzungen zur Passerteilung prüfen).
26
Der wichtigste Nachweis betrifft die Feststellung der Person des Passbewerbers (vgl. Hornung in Hornung/Möller, PassG – PAuswG, 1. Aufl. 2011, § 6 PassG Rn. 18). Bleiben die möglichen Maßnahmen zur Feststellung der Identität nach § 9 Abs. 4 PAuswG – wie hier – erfolglos, gehen die verbleibenden Zweifel nach der gesetzlichen Wertung des § 9 Abs. 3 Satz 3 PAuswG, wonach der antragstellenden Person die Nachweiserbringung zur Feststellung ihrer Identität obliegt, zu Lasten der antragstellenden Person (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 31.3.2015 – OVG 5 N 9.12 – juris Rn. 7 zu den vergleichbaren Regelungen in § 6 Abs. 3 und Abs. 2 Satz 2 PassG). Wenn der Passbewerber die erforderlichen Nachweise nicht erbringen kann, muss die Passbehörde die Ausstellung eines Passes ablehnen (vgl. Beimowski/Gawron, PassG – PAuswG, 1. Aufl. 2018, § 6 PassG Rn. 24).
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Die Klägerin hat ihre Identität und deutsche Staatsangehörigkeit bislang lediglich behauptet. Nachweise hierfür hat sie nicht vorgelegt. Die Identität der Klägerin ist auch nicht anderweitig geklärt. Dieser Auffassung war im Übrigen auch der Bevollmächtigte der Klägerin, als er ausführte, er teile die Meinung der Beklagten, dass die Identität der Klägerin derzeit nicht geklärt sei.
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„Identität“ im Sinne des Passgesetzes und des Personalausweisgesetzes bedeutet die Zuordnung bestimmter Attribute wie Name, Vorname, Geburtsdatum und Geburtsort zu einer natürlichen Person (sog. „behördliche Identität“, vgl. Hornung in Hornung/Möller, PassG – PAuswG, 1. Aufl. 2011, Einführung Rn. 2 m.w.N.; VG Berlin, U.v. 8.2.2012 – 23 K 109.11 – juris Rn. 26). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestehen begründete Zweifel an der Identität einer Person, wenn – wie hier – geeignete Dokumente zum Nachweis der Identität fehlen oder wenn gefälschte Urkunden vorgelegt werden (vgl. BVerwG, U.v. 1.9.2011 – 5 C 27/10 – juris Rn. 22 m.w.N.; VG Berlin, U.v. 8.2.2012 – 23 K 109.11 – juris Rn. 26).
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Weitere behördliche erfolgversprechende Möglichkeiten zur Aufklärung der Identität der Klägerin durch die Beklagte sind nicht ersichtlich. Die vorhandenen Möglichkeiten wurden – auch unter Berücksichtigung der nunmehr erklärten umfassenden Mitwirkungsbereitschaft der Klägerin – bereits ausgeschöpft.
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Die ordnungsgemäße Identifizierung des Passbewerbers ist unter Sicherheitsaspekten von großer Bedeutung. Dementsprechend schreibt § 6 Abs. 3 Satz 1 PassG (vgl. bezüglich des Personalausweises § 9 Abs. 4 Satz 1 PAuswG) der Passbehörde verbindlich vor, in Zweifelsfällen die (d.h. alle) erforderlichen Maßnahmen zur Feststellung der Identität zu treffen. Zweifelsfälle können insbesondere vorliegen, wenn zu erbringende Nachweise (Ausweispapiere, Personenstands- oder Staatsangehörigkeitsurkunden, etc.) nicht vorgelegt werden (vgl. Hornung in Hornung/Möller, PassG – PAuswG, 1. Aufl. 2011, § 6 PassG Rn. 27, § 9 PAuswG Rn. 16; vgl. auch Beimowski/Gawron, PassG – PAuswG, 1. Aufl. 2018, § 6 PassG Rn. 28). Die möglichen erkennungsdienstlichen Maßnahmen und der DNA-Abgleich wurden jedoch bereits ergebnislos durchgeführt. Zwar besteht die grundsätzliche Möglichkeit eines DNA-Abstammungsgutachtens. So enthält § 17 Abs. 8 Gendiagnostikgesetz – GenDG – eine ausdrückliche Regelung über „genetische Untersuchungen an einem Mundschleimhautabstrich, die zum Nachweis eines Verwandtschaftsverhältnisses im Verfahren nach dem Pass- oder Personalausweisgesetz und im Verfahren der Auslandsvertretungen und der Ausländerbehörden zum Familiennachzug nach dem AufenthG beigebracht werden“. Aber auch solches kann zwangsläufig nur dann erfolgversprechend sei, wenn eine konkrete Bezugsperson, von der die konkrete Identität mittels Abstammungs- bzw. Verwandtschaftsverhältnisses abgeleitet werden könnte, vorhanden wäre, mit deren DNA ein Abgleich vorgenommen werden könnte, um dann ein solches Verhältnis mit dieser Person nachzuweisen zu können. Solches ist hier jedoch nicht ersichtlich. Auch wäre dies Aufgabe der nachweispflichtigen Klägerin und nicht der Beklagten. Die Beklagte hat von ihrer Seite aus sämtliche auf der Grundlage von § 9 Abs. 4 Satz 1 und 2 PAuswG zulässige Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft.
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Wie sich aus dem polizeilichen Bericht des K 14 vom 8. April 2021 nach Abschluss der Nachforschungen zu den von der Klägerin angegebenen Personalien im Rahmen der Amtshilfe ergibt, konnten die Behauptungen der Klägerin, die genannten Echtpersonalien zu haben, durch nichts belegt werden. Dabei wurden umfangreiche Befragungen sowohl der Klägerin als auch von Personen durchgeführt, mit denen sie in Kontakt stand oder evtl. noch steht. Die Aussagen der Klägerin wurden als vollkommen unglaubwürdig und zeitlich wie sachlich zu weiten Teilen als unlogisch eingestuft. Die Existenz einer Person mit dem von der Klägerin angegebenen Namen sei nirgends nachweisbar und sie gelte als „unbekannte Person“. Im Rahmen der Amtshilfe könne noch nicht einmal durch die Polizei mehr zur tatsächlichen Identität ausgemittelt werden. Die Klägerin wiederhole immer dieselben „hanebüchenen“ Geschichten und trete fordernd auf. Sie selbst unternehme keine ernsthaften Anstrengungen, an Informationen zu ihrer Herkunft zu kommen. Der Klägerin sei angeboten worden, die DNA und Fingerabdrücke sichern zu lassen. Nachdem insgesamt drei nahe Verwandte verstorben sein sollen, könne es theoretisch zu drei Auffindungen kommen. Sowohl bei „unbekannten Toten“, wie auch „Vermissungen“ werde die DNA gesichert und in eine Datenbank eingestellt. Auch könnten noch einmal die kompletten daktyloskopischen Spuren (Fingerabdrücke) überprüft werden, da es in der Vergangenheit doch einmal zu einer Kontrolle etc. hätte gekommen sein können. Solle die Klägerin zur Überzeugung kommen, dass sie diese Chance auf freiwilliger Basis wahrnehmen wolle, dann könne sie sich beim K 14 melden.
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Nach letzter Einschätzung gemäß Schreiben des K 14 vom 3. Mai 2022 wird (vom angefragten Bayerischen Landeskriminalamt) keine Möglichkeit gesehen, die Identität mittels Daktyloskopie festzustellen, nachdem im Januar 2020 ein AFIS-Schnellabgleich (Automatisiertes Fingerabdrucksystem) und eine Gesichtserkennungsrecherche bereits negativ verlaufen seien. Ein Personenfeststellungsverfahren im Ausland wäre nur möglich, wenn eine Person strafrechtlich in Erscheinung treten sollte und erkennungsdienstlich behandelt werden würde. Es bestehe insoweit noch im Einzelfall die Möglichkeit einer „Freiwilligen ED-Behandlung“, um alle Fingerabdrücke einer Person bis auf Widerruf oder für einen gewissen Zeitraum speichern zu können. Hier würden dann die Fingerabdrücke komplett gesichert werden. Weiterhin könne nach Einwilligung der Klägerin und der freiwilligen Entnahme von Körperzellen das analysierte DNA-Identifizierungsmuster mit allen gespeicherten Mustern von bekannten und verurteilten Straftätern sowie den Spuren von unbekannten Straftätern innerhalb Deutschlands in der DNA-Analyse-Datei (DAD) abgeglichen werden. Zugleich sei ein automatischer Abgleich mit aktuell 23 europäischen Staaten möglich und weitere relevante Staaten wie die Schweiz und Dänemark seien zusätzlich über Interpol abklärbar. Ergänzend könne mit Einverständnis der Klägerin ein Abgleich mit der Datenbank für „Vermisstensachen und Unbekannte Tote“ abgeklärt werden. Die Beklagte hat die Klägerin über diese verbleibenden Möglichkeiten mit Schreiben vom 10. Mai 2022 informiert und gleichzeitig auf die Erforderlichkeit einer Kostenübernahmezusicherung hingewiesen.
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Die nach Angabe des Klägerbevollmächtigten zwischenzeitlich erfolgte DNA-Analyse mit Datenabgleich hat jedoch ebenfalls keine Ergebnisse erbracht, sodass auch nach Ausschöpfung dieser verbleibenden (polizei-)behördlichen Möglichkeit die Identität der Klägerin weiterhin nicht geklärt ist.
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Auch ein nochmaliges Fingerabdruckverfahren würde voraussichtlich nicht zu einer absehbaren und zweifelsfreien Feststellung der Identität der Klägerin führen. Eine solche Maßnahme wäre daher schon nicht als geeignet und erforderlich anzusehen.
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Da die Identität und Staatsangehörigkeit der Klägerin somit auch nach erfolgter Durchführung aller erkennungsdienstlicher Maßnahmen und der weiteren polizeilichen Ermittlungsmaßnahmen nicht zweifelsfrei festgestellt werden konnten, ist die Ablehnung der Ausstellung eines (auch vorläufigen) Personalausweises durch die Beklagte nicht zu beanstanden (vgl. auch Nr. 6.3.1.7 Satz 1 PassVwV). Auch aus Gründen der Menschenwürde kann ein Personalausweis nicht ausgestellt werden, solange die Identität der Person nicht geklärt ist (vgl. BayVGH, B.v. 2.5.2023 – 5 C 23.531).
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Angesichts der dargestellten Rechtslage kommt es daher auch nicht entscheidungserheblich darauf an, dass die Klägerin nunmehr an allen notwendigen Maßnahmen zur Identitätsfeststellung mitgewirkt hat und zur Mitwirkung an weiteren Maßnahmen bereit ist. Die Klägerin hat damit vielmehr (nur) eine verbleibende Möglichkeit der Identitätsklärung im eigenen Interesse ausgeschöpft, jedoch ohne Erfolg.
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Nichts anderes folgt aus dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. September 2020 – 1 C 36/19 – zur gestuften Prüfung zur Klärung der Identität eines Einbürgerungsbewerbers. Können verbleibende Zweifel an der Richtigkeit der angegebenen Personalien nicht ausgeräumt werden, so trägt (auch) der Einbürgerungsbewerber die diesbezügliche Feststellungslast (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2020 – 1 C 36/19 – juris Rn. 21). Die Identität des Einbürgerungsbewerbers kann auch nur dann ausnahmsweise (in letzter Stufe) allein auf der Grundlage seines Vorbringens als nachgewiesen anzusehen sein, sofern die Angaben zur Person auf der Grundlage einer umfassenden Würdigung der Umstände des Einzelfalls und des gesamten Vorbringens des Einbürgerungsbewerbers zur Überzeugung der Einbürgerungsbehörde feststehen (vgl. BVerwG, U.v. 23.9.2020 – 1 C 36/19 – juris Rn. 19). Dies ist bei der Klägerin jedoch gerade nicht der Fall, da ihr Sachvortrag nicht als glaubhaft einzustufen ist. Ein schlüssiges, in sich stimmiges Vorbringen ist nicht erkennbar.
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Mangels Entscheidungserheblichkeit war somit auch der Frage nicht weiterzugehen, ob oder wie die Klägerin zwischenzeitlich unter anderen Personalien in Erscheinung getreten ist, wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 28. November 2022 mitgeteilt hatte. Wie ausgeführt, ist es (auch) nicht Aufgabe des Gerichts, die Identität und Staatsangehörigkeit der Klägerin weiter aufzuklären. Die Beiziehung weiterer Akten oder sonstige Ermittlungen waren daher nicht veranlasst.
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Es obliegt folglich weiterhin der Klägerin, die zur Erfüllung der Voraussetzungen für die Ausstellung eines Personalausweises gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 und 3 PAuswG erforderlichen Darlegungen und Nachweise zur Feststellung ihrer Identität und Staatsangehörigkeit zu erbringen.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.