Inhalt

VGH München, Beschluss v. 26.04.2024 – 10 CS 24.59
Titel:

Gefahr der Beschädigung bzw. Zerstörung einer Gemeindeverbindungsstraße begründet sicherheitsrechtliche Anordnung

Normenketten:
LStVG Art. 7 Abs. 2 Nr. 3
VwGO § 146 Abs. 4 S. 3
Leitsätze:
1. Ein 7,00 Meter langer, 1,00 Meter tiefer und zwischen 1,00 und 1,60 Meter breiter Graben, der auch den Unterbau der Straße freigelegt und auch die Statik der Straße bereits beeinträchtigt hat, stellt eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung iSv Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG dar, wenn eine weitere Unterspülung der Straße und letztlich deren Totalversagen droht. (Rn. 5 – 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der bloße Verweis auf ein vor dem VG anhängig gemachtes Beweissicherungsverfahren reicht für die nach § 146 Abs. 4 S. 3 VwGO erforderliche Darlegung von Mängeln der Entscheidung des Gerichts nicht aus. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
sicherheitsrechtliche Anordnung, Verpflichtung zur Verfüllung eines Grabens, Gefahr der Beschädigung bzw. Zerstörung einer Gemeindeverbindungsstraße, Darlegungsanforderungen im Beschwerdeverfahren, Gemeindeverbindungsstraße, Darlegungsanforderungen, Beschwerdeverfahren, Gefahrbegriff
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 19.12.2023 – RO 4 S 23.1691
Fundstelle:
BeckRS 2024, 12140

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragstellerin.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt.

Gründe

1
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung ihrer Anfechtungsklage gegen den sicherheitsrechtlichen Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. August 2023 anzuordnen bzw. wiederherzustellen, weiter. Mit diesem Bescheid wurde sie unter Androhung von Zwangsmitteln zur Verfüllung eines von ihr unmittelbar neben einer Gemeindeverbindungsstraße ausgehobenen Grabens verpflichtet.
2
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die von der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen nicht die Abänderung des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts.
3
§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO verlangt, dass die Beschwerdebegründung die Gründe, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, darlegen und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen muss. Der Beschwerdeführer muss innerhalb der Monatsfrist konkret begründen, warum die Entscheidung des Verwaltungsgerichts änderungsbedürftig bzw. unrichtig sein soll. Das Darlegungsgebot soll zu einer sorgfältigen Prüfung vor Einlegung des Rechtsmittels anhalten und dem Oberverwaltungsgericht eine Überprüfung des erstinstanzlichen Beschlusses ermöglichen. Der Beschwerdeführer muss darlegen, welche tragenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts er in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht für falsch oder unvollständig hält; er hat substantiiert auszuführen, weshalb die Überlegungen des Verwaltungsgerichts falsch sind, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben und was richtigerweise zu gelten hat. Er muss das Entscheidungsergebnis, die entscheidungstragenden Rechtssätze oder die für die Entscheidung erheblichen Tatsachenfeststellungen mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellen (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 19.5.2023 – 10 CS 23.783 – juris Rn. 2; B.v. 1.6.2022 – 10 CE 21.2270 – juris Rn. 3).
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Gemessen daran rechtfertigt das Beschwerdevorbringen keine Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
5
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, der Bescheid der Antragsgegnerin werde sich im Hauptsacheverfahren voraussichtlich als rechtmäßig erweisen. Es bestehe eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG. Die Antragstellerin habe einen rund 7,00 Meter langen, 1,00 Meter tiefen und zwischen 1,00 und 1,60 Meter breiten Graben entlang der Gemeindeverbindungsstraße, die auch der Erschließung zweier anderer Wohngrundstücke diene, ausgehoben. Durch den Graben sei der Unterbau der Straße freigelegt; Unterbau und die Statik der Straße seien bereits beeinträchtigt. Es drohe eine weitere Unterspülung der Straße und letztlich deren Totalversagen. Für die Behauptung der Antragstellerin, die Straße, insbesondere die Stützmauer sei nicht fachgerecht errichtet worden, gebe es keinen Anhaltspunkt. Insofern stütze sich das Gericht im Eilverfahren auf die Angaben des Planungsbüros und des bauausführenden Unternehmens. Gleiches gelte für die Behauptung der Antragstellerin, ihr Grundstück werde seit der Straßensanierung durch ablaufendes Niederschlagswasser regelmäßig vernässt oder gar überflutet. Solche Vernässungen seien weder bei noch nach den Straßenbauarbeiten beobachtet worden und von der Antragstellerin auch nicht glaubhaft gemacht worden. Lediglich in dem Graben selbst seien bei Regenfällen Wasseransammlungen beobachtet worden, was jedoch typisch für solche Gräben sei. Es bestehe damit die konkrete Gefahr des Einbrechens der derzeit für den öffentlichen Verkehr gesperrten Straße. Die Ermessensausübung und Störerauswahl der Antragsgegnerin seien nicht zu beanstanden. Auch sei die Maßnahme verhältnismäßig, insbesondere müsse keine umfangreiche Abwägung mit den Rechten und Interessen der Antragstellerin vorgenommen werden, da diese eine nach §§ 229, 230 Abs. 1, 859 Abs. 3 BGB unzulässige Selbsthilfe vorgenommen habe.
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Die Antragstellerin wendet hiergegen – im Wesentlichen unter Wiederholung und Variation ihres erstinstanzlichen Vorbringens – lediglich ein, das Verwaltungsgericht habe sich nur auf die Aussagen des Planers und des ausführenden Unternehmens gestützt, die möglicherweise aufgrund einer nicht fachgerechten Planung und Ausführung der Arbeiten an der Gemeindeverbindungsstraße selbst für die Situation verantwortlich seien. Tatsächlich sei es seit der Sanierung der Straße und der damit verbundenen Errichtung einer Stützmauer immer wieder zu Überschwemmungen des Grundstücks gekommen. Darauf sei die Antragsgegnerin mehrfach hingewiesen worden, habe aber keine Abhilfe geschaffen. Der Aushub des Grabens sei eine erste Notmaßnahme gewesen, um weitere Überschwemmungen zu verhindern. Ein Schaden an der Straße sei nicht eingetreten oder wäre jedenfalls Folge einer nicht fachgerechten Errichtung der Straße.
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Damit wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Insoweit verweist der Senat auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Vorliegen einer Gefahr, zur Störerauswahl und zur Verhältnismäßigkeit der Maßnahme und macht sich diese zu eigen (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
8
Das Beschwerdevorbringen erschöpft sich insoweit – wie bereits das Vorbringen vor dem Verwaltungsgericht – in nicht glaubhaft gemachten Behauptungen der Antragstellerin zu vermeintlichen Mängeln bei der Herstellung der Gemeindeverbindungsstraße und daraus resultierenden Vernässungen oder gar Überschwemmungen ihres Grundstücks.
9
Die Antragstellerin führt nicht nachvollziehbar aus, welche Mängel das Straßenbauwerk aufweisen soll, was umso nötiger gewesen wäre, als die Antragsgegnerin gestützt auf die Angaben des Planers substantiiert und auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts schlüssig vorgetragen hat, dass ein Abfließen von Niederschlagswasser auf das Grundstück der Antragstellerin sowohl aufgrund der Straßenneigung als auch aufgrund der in der Straßenmitte verlaufenden Entwässungsrinne ausgeschlossen sei. Auch hat die Antragstellerin keinerlei tatsächlichen Anhaltspunkte für die von ihr behaupteten Beeinträchtigungen ihres Grundstücks vorgetragen oder gar glaubhaft gemacht. Es fehlt nach wie vor bereits an konkreten Angaben zu Art, Umfang und Zeitpunkt der Beeinträchtigungen. Insbesondere bei den behaupteten „Überflutungen“ von bis zu 50 cm Höhe wäre jedoch zu erwarten gewesen, dass wenigstens einzelne Lichtbildaufnahmen gefertigt und dem Gericht vorgelegt werden. Der bloße Verweis auf ein vor dem Verwaltungsgericht anhängig gemachtes Beweissicherungsverfahren reicht für die nach § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung von Mängeln der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht aus. Es ist – zumal im Beschwerdeverfahren – nicht Aufgabe des Gerichts, sich mögliche Gründe für eine Abänderung des Verwaltungsgerichts selbst herauszusuchen.
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Unabhängig davon tritt die Antragstellerin der Annahme des Verwaltungsgerichts, bei dem nicht fachgerechten Aushub des Grabens handele es sich um eine nach §§ 229, 230 Abs. 1, 859 Abs. 3 BGB unzulässige Selbsthilfe, nicht entgegen. Selbst wenn also gewisse Beeinträchtigungen des Grundstücks der Antragstellerin unterstellt würden, wäre sie nach Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht berechtigt gewesen, den Graben in dieser Form und ohne Absprache mit der Antragsgegnerin auszuheben und dadurch die erhebliche Beschädigung oder gar Zerstörung einer Gemeindeverbindungsstraße mit Erschließungsfunktion als öffentliche Einrichtung in Kauf zu nehmen.
11
Zu den Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur (unterbliebenen) Anhörung vor Bescheidserlass, zur formellen Rechtmäßigkeit der Sofortvollzugsanordnung, zur grundsätzlichen Anwendbarkeit von Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 LStVG sowie zur Zwangsmittelandrohung enthält das Beschwerdevorbringen keine Ausführungen.
12
Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO auch eine über die bloße Prognose der Erfolgsaussichten in der Hauptsache hinausgehende, ergänzende Folgenabwägung vorgenommen (S. 17 des BA) und dabei zu Recht auf den Schutz der herausragenden Schutzgüter von Leben und Gesundheit abgestellt, die bei einem Abrutschen der Straße gefährdet wären. Auch hierzu verhält sich die Beschwerde nicht.
13
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
14
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
15
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).