Titel:
Einstweiliger Rechtsschutz, Anscheinsbeweis, Zulassung zum Eignungsverfahren im Masterstudium, KI-Einsatz beim Verfassen des vorzulegenden Essays
Normenketten:
VwGO § 123
VwGO § 108
BayHIG Art. 90 Abs. 1 S. 2
Anlage 2 FPSO
ImmatS. § 6 Abs. 6
Schlagworte:
Einstweiliger Rechtsschutz, Anscheinsbeweis, Zulassung zum Eignungsverfahren im Masterstudium, KI-Einsatz beim Verfassen des vorzulegenden Essays
Fundstelle:
BeckRS 2024, 11848
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Zulassung zum Masterstudiengang „Management and Technology“ an der Technischen Universität M. (im Folgenden: ...) nach den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen des Sommersemesters 2024.
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Am … November 2023 bewarb sich der Antragsteller zum Sommersemester 2024 für oben benannten Studiengang und legte hierfür insbesondere auch das erforderliche Essay zu dem vorgegeben Thema „AI based systems as a solution to more sustainable energy supply“ vor.
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Mit Bescheid vom .... Januar 2024 lehnte der Antragsgegner den Antragsteller ab, weil die Qualifikationsvoraussetzungen nicht ausreichend gewesen seien. Der Antragsteller wies mit Schreiben vom .... Januar 2024 die ... darauf hin, dass dies aus seiner Sicht nicht zutreffe. Mit Bescheid vom … Januar 2024 wurde der Antragsteller unter Bezugnahme auf § 6 Abs. 6 ImmatS wegen Täuschung vom laufenden Bewerbungsverfahren ausgeschlossen.
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Am … Januar 2024 lässt der Antragsteller gegen beide Bescheide Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben (... und ...). Mit Schriftsatz vom … Februar 2024, bei Gericht eingegangen am .... März 2024, beantragt der Antragsteller,
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im Wege der einstweiligen Anordnung den Antragsgegner zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig zum Studium „Management and Technology“ (Master of Science) im Sommersemester 2024, Einstiegssemester 1, zuzulassen.
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Zur Begründung lässt der Antragsteller zunächst vortragen, er erfülle die erforderlichen Qualifikationen und habe entsprechende Nachweise vorgelegt, um im Zulassungsverfahren auf eine ausreichende Punktzahl zu kommen. Er habe nicht versucht, den Vorgang durch Täuschung zu beeinflussen. Vielmehr habe der Antragsgegner nach einem neuen Grund für den Ausschluss gesucht und den Täuschungsvorwurf weder im Bescheid noch bei Antragsabweisung begründet.
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Der Antragsgegner beantragt,
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Zur Begründung wird geltend gemacht, aus der noch ausstehenden Stellungnahme der Kommission würde sich der Grund für die Beurteilung als Täuschung ergeben.
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Mit Schriftsatz vom … März 2024 wird die Stellungnahme von Prof. .... vom … März 2024 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, bei Überprüfung des Essays sei festgestellt worden, dass der Antragsteller versucht habe mittels Verwendung unerlaubter Hilfsmittel in Form des KI-Einsatzes zu täuschen. Der „Anfangsverdacht“ aufgrund des Ergebnisses eines KI-Detektor-Programms, wonach 71% des Textes mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit von künstlicher Intelligenz verfasst worden seien, habe sich nach eingehender Prüfung durch Prof. ... und Dr. .... bestätigt.
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Mit Schriftsatz vom … März 2024 trägt der Bevollmächtigte des Antragstellers vor, es komme auf eine Täuschung gar nicht an, da der rechtswidrige Ablehnungsbescheid aufgrund fehlender Qualifikation vom .... Januar 2024 nicht aufgehoben sei. Der Antragsteller weist in einer persönlichen Stellungnahme darauf hin, dass eine menschliche Überprüfung offenbar erst nach gerichtlicher Aufforderung erfolgt sei. Die Verlässlichkeit der Erkennungssoftware sei zweifelhaft, auch weil eine eigene Überprüfung des Essays durch den Antragsteller nach Aufkommen des Täuschungsvorwurfs mittels einer anderen Software keinen Verdacht ergeben habe. Anders als im Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 28. November 2023 (M 3 E 23.4371) würden vorliegend menschliche Fehler als Indiz für die Verwendung von KI angeführt. Dass manche Passagen logisch und inhaltsreich verfasst seien, andere jedoch sprachliche Makel aufwiesen, sei ein völlig normales Ergebnis, da der Text ohne externe Hilfe verfasst sei. Vergleiche zu bisher verfassten Texten des Antragstellers würden nicht gezogen. Inkonsistenzen bei der Verwendung von Akronymen seien bereits in seiner Bachelorarbeit kritisiert worden.
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Mit Schriftsatz vom … März 2024 trägt der Antragsgegner vor, das Essay entspreche nicht den Regeln guter wissenschaftlicher Praxis. Die Anzeige eines Täuschungsverdachts durch die Software stelle lediglich ein Indiz dar. Prof. .... und Herr Dr. ... seien erfahren in der Beurteilung von Essays in Hinblick auf einen Täuschungsversuch. Dieser könne durch den Beweis des ersten Anscheins bewiesen werden. Die beiden Beurteilenden hätten Auffälligkeiten feststellen können, die aufgrund ihrer Erfahrung darauf schließen lassen, dass die Leistung nicht selbstständig erbracht worden sei. Die Atypik (richtigerweise gemeint wohl Typik) werde dadurch begründet, dass sich verschiedene Passagen markant voneinander unterscheiden würden, wobei auffällig sei, dass die von KI erstellten Passagen sich untereinander ähneln würden und ebenso die als nicht von KI erstellten Passagen Ähnlichkeiten zueinander aufwiesen. Für die Anwendung des Anscheinsbeweises könne man sich maßgeblich auf die Erfahrung der Kommissionsmitglieder und die breite Vergleichsmasse stützen.
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Mit Schreiben vom .... April 2024 führt Prof. .... auf gerichtliche Aufforderung in Hinblick auf den Vergleich des Essays zu denen der Mitbewerber aus, dass nicht markierte Textstellen ein Niveau erreichten, das anderen Essays durchaus im Durchschnitt entspreche. Die Arbeit des Antragstellers weise deutliche Ähnlichkeiten mit Essays auf, die in der Vergangenheit als mittels KI-Unterstützung erstellt identifiziert worden seien. Aus der Prüfererfahrung bestehe ein Zusammenhang zwischen guter Struktur, Prägnanz und Sprache sowie dem dadurch vermittelten Inhalt. Eine menschliche Überprüfung finde bei jedem Essay statt. Lediglich die begründete Stellungnahme sei erst nach gerichtlicher Anforderung verfasst worden, was der hohen Bewerberzahl geschuldet sei. An der ... obliege ein Urteil über den Einsatz eines KI-Sprachmodells keiner Software. Ein menschlicher Formfehler solle nicht für sich genommen als Indiz für die Verwendung von KI dienen. Entscheidend sei der Gesamtzusammenhang und insbesondere der Vergleich von fehlerfreien und fehlerbehafteten Textstellen. Vorliegend werde ausdrücklich von selbst verfassten Textpassagen ausgegangen, etwa in Hinblick auf die genannten Beispiele.
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Mit Schreiben vom .... und .... April 2024 teilt der Antragsgegner mit, dass keine gesonderte Eigenständigkeitserklärung nach Nr. 2.3.6 der Anlage 2 zur FPSO abgegeben werden musste. Jeder Bewerber habe vielmehr seit 24. Februar 2023 mittels einer anzuklickenden „Checkbox“ Folgendes zu versichern: „Sofern ich mich um einen Studienplatz mit Eignungsfeststellung bewerbe, versichere ich, dass ich die schriftliche Begründung zur Wahl des Studiengangs (Motivationsschreiben) selbstständig und ohne Hilfe anderer Personen oder nicht kenntlich gemachter Hilfsmittel (z.B. KI-Tools wie ChatGPT) angefertigt habe. Entsprechendes gilt für das Essay, […] sofern [es] im Rahmen des Verfahrens gefordert [ist].“. Ohne diese Versicherung sei eine Absendung nicht möglich.
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Mit persönlicher Stellungnahme zum Schriftsatz vom … April 2024 führt der Antragsteller aus, die Software erkenne Fehler und berücksichtige diese in ihrer Bewertung als nicht mittels KI generierte Passage. Wenn jedoch eine nicht markierte Textstelle Fehler aufweise und eine markierte Textstelle keinen Fehler aufweise, sei dies kein Indiz für verschiedene Autoren. Der menschliche Prüfer schließe aus diesem Vergleich, dass die fehlerfreien Passagen mit Hilfsmitteln erstellt worden seien. Das gute Englischniveau resultiere aus einem 3-jährigen Bachelorstudium in vollständig englischer Sprache in den … und in … Die Abschlussnote weise den Antragsteller als unter den 0,91% der besten Absolventen seines Jahrgangs aus; beim GMAT habe er sich unter den besten 1% befunden. Auch im sogenannten „Analytik Writing Assessment“ des GMAT habe er die höchstmögliche Punktzahl erzielt, was erwarten lasse, dass große Teile des Essays strukturiert und fehlerfrei seien. Zwar obliege laut der ... ein Urteil über den KI-Einsatz nicht der Software, sondern dem Menschen – was weiterhin nicht von der ... bewiesen sei –, jedoch stütze sich die gesamte Beweisführung auf angebliche Unterschiede zwischen markierten und nicht markierten Passagen. Eine menschliche Prüfung müsse auch ohne Markierungen auskommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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1. Der zulässige Antrag bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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Der Antrag ist statthaft. Insbesondere ist vorliegend die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom … Januar 2024 nicht hinreichend rechtschutzintensiv (vgl. § 123 Abs. 5 VwGO). Denn die aufschiebende Wirkung würde sich lediglich auf den Ausschluss vom Bewerbungsverfahren beziehen; Ziel des Antragstellers ist jedoch darüber hinaus der vorläufige Zugang zum begehrten Masterstudium.
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Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Eine einstweilige Anordnung ergeht, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, d.h. des in der Hauptsache verfolgten materiellen Anspruchs, sowie eines Anordnungsgrundes, d.h. der Dringlichkeit der einstweiligen Anordnung, glaubhaft (§ 123 Abs. 3 VwGO i. V. m. § 920 Abs. 2 ZPO) gemacht wurde.
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Nimmt die begehrte einstweilige Anordnung die Entscheidung in der Hauptsache sachlich und zeitlich vorweg, ist dem Antrag nur dann stattzugeben, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafür spricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 9/12 – juris Rn. 22).
22
Nach diesen Maßgaben bleibt der Antrag ohne Erfolg, weil der Antragsteller einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat. Er hat voraussichtlich keinen Anspruch auf Zugang zum gewünschten Masterstudiengang.
23
Nach Art. 90 Abs. 1 Satz 2 des Bayerischen Hochschulinnovationsgesetzes (BayHIG) vom 5. August 2022 (GVBl. S. 414, BayRS 2210-1-3-WK), zuletzt geändert durch Gesetz vom 24. Juli 2023 (GVBl. S. 455), können die Hochschulen für den Zugang zu einem Masterstudiengang neben den allgemeinen Qualifikationsvoraussetzungen des Art. 90 Abs. 1 Satz 1 BayHIG durch Satzung weitere Zugangsvoraussetzungen festlegen, insbesondere den Nachweis einer studiengangspezifischen Eignung. Sie dürfen im Rahmen von Eignungsverfahren Qualifikationsnachweise fordern, soweit diese sicherstellen, dass die Bewerber den Anforderungen des von der Hochschule konzipierten Studiengangs gerecht werden und die hinreichende Aussicht besteht, dass sie das Studium im Hinblick auf diese Anforderungen erfolgreich abschließen können. Allerdings dürfen die Hochschulen den Zugang durch Eignungsanforderungen nicht uneingeschränkt begrenzen und etwa trotz vorhandener Ausbildungskapazitäten ein „Wunschkandidatenprofil“ festlegen. Die Qualifikationsanforderungen, die die Hochschulen insoweit aufstellen dürfen, hängen vielmehr von den speziellen fachlichen Anforderungen des jeweiligen Masterstudiengangs ab (BayVGH, B.v. 4.6.2020 – 7 CE 20.460 – BeckRS 2020, 14715 Rn. 21; B.v. 5.11.2021 – 7 CE 21.2344 – juris Rn. 12 m.w.N.). Dabei müssen die Hochschulen sowohl die verfahrensrechtlichen Vorgaben der Eignungsfeststellung als auch die inhaltlichen Kriterien, die für die Eignungsfeststellung maßgeblich sein sollen, sowie deren jeweilige Gewichtung hinreichend klar festlegen (BayVGH, B.v. 5.11.2021 – 7 CE 21.2344 – juris Rn. 12 m.w.N. auf die stRspr.).
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Die Qualifikation für den Masterstudiengang „Management and Technology“ wird nach § 36 der Fachprüfungs- und Studienordnung für den Masterstudiengang Management and Technology an der Technischen Universität M. vom 27. April 2022 in der Fassung der Änderungssatzung vom 30. März 2023 (im Folgenden: FPSO) nachgewiesen durch einen an einer in- oder ausländischen Hochschule erworbenen mindestens sechssemestrigen qualifizierten Bachelorabschluss oder einen mindestens gleichwertigen Abschluss in den Studiengängen Technologie- und Managementorientierte Betriebswirtschaftslehre, Betriebswirtschaftslehre, Volkswirtschaftslehre oder vergleichbaren Studiengängen (§ 36 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 3 FPSO), adäquate Kenntnisse der englischen Sprache (§ 36 Abs. 1 Nr. 2 FPSO) und das Bestehen des Eignungsverfahrens (§ 36 Abs. 1 Nr. 4 FPSO i.V.m. Anlage 2 zur FPSO).
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Nach Nr. 4.1 Satz 1 der Anlage 2 zur FPSO setzt die Durchführung des Eignungsverfahrens voraus, dass die in Nr. 2.2 der Anlage 2 zur FPSO genannten Unterlagen form- und fristgerecht, unter Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis sowie vollständig vorliegen. Nach Nr. 2.2 der Anlage 2 zur FPSO sind Anträge auf Durchführung des Eignungsverfahrens nach § 6 der Immatrikulationssatzung (ImmatS) vom 6. Februar 2023 zusammen mit den dort genannten Unterlagen sowie die in Nr. 2.3 der Anlage 2 zur FPSO und in § 36 Abs. 1 Nr. 2 FPSO (Nachweis adäquater Kenntnisse der englischen Sprache) genannten Unterlagen für das Sommersemester bis zum 30. November zu stellen. Nach Nr. 2.3.5 der Anlage 2 zur FPSO ist dem Antrag ein in englischer Sprache abgefasstes Essay von mindestens 1.500 und maximal 2.000 Wörtern beizufügen; es können ein oder mehrere Themen zur Wahl gestellt werden, welche den Bewerbern für das Sommersemester bis 1. November bekannt zu geben sind. Weiter ist eine Versicherung beizufügen, dass das Essay selbständig und ohne fremde Hilfe und unter Einhaltung der Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und für den Umgang mit wissenschaftlichen Fehlverhalten an der Technischen Universität M. angefertigt wurde und die aus fremden Quellen übernommenen Gedanken als solche gekennzeichnet sind (Nr. 2.3.6 der Anlage 2 zur FPSO). Zur Feststellung, ob die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis eingehalten wurden, wird das Essay mit einer speziellen Plagiatssoftware überprüft (Nr. 4.1 Satz 2 der Anlage 2 zur FPSO). Bei Erfüllen der Voraussetzungen nach Nr. 4.1 der Anlage 2 zur FPSO wird der Bewerber im Eignungsverfahren geprüft, andernfalls ergeht ein Ablehnungsbescheid (Nr. 4.2 Satz 1, 2 der Anlage 2 zur FPSO). Kommt die Auswahlkommission zu dem Ergebnis, dass die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis erheblich verletzt wurden, wird der Bewerber durch Ablehnungsbescheid vom laufenden Bewerbungsverfahren ausgeschlossen (Nr. 4.2 Satz 3, 4 der Anlage 2 zur FPSO). Nr. 2.1 der Anlage 2 zur FPSO legt nunmehr fest, dass insbesondere § 6 ImmatS auf das Verfahren zur Feststellung der Eignung Anwendung findet.
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Bewerber, die in der ersten Stufe der Durchführung des Eignungsverfahrens aufgrund von fachlicher Qualifikation, Abschlussnote und GMAT-Score (und damit inhaltliche Bewertung des Essays) mindestens 51 Punkte erreicht haben, erhalten eine Bestätigung über das bestandene Eignungsverfahren (Nr. 5.1.3 der Anlage 2 zur FPSO). Bei Bewerbern, die weniger als 51 Punkte, jedoch mindestens 45 Punkte erreicht haben, wird als zweite Stufe das Essay evaluiert (Nr. 5.2.1 i.V.m. 5.1.4 der Anlage 2 zur FPSO).
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a) Es begegnet voraussichtlich keinen rechtlichen Bedenken, dass für alle Bewerber die Zulassung zum Eignungsverfahren davon abhängig gemacht wird, dass das Essay als eine der in Nr. 2.2 der Anlage 2 zur FPSO genannten Unterlagen unter Einhaltung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis vorliegt, also unabhängig davon, ob eine inhaltliche Bewertung auf der zweiten Stufe aufgrund der erzielten Punktzahl in der ersten Stufe noch erforderlich wird.
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Es obliegt der Hochschule gemäß Art. 90 Abs. 1 Satz 2 BayHIG das Qualifikationsprofil eines Masterstudiengangs anhand der speziellen fachlichen Anforderungen des jeweiligen Masterstudiengangs zu definieren (vgl. zur Vorgängervorschrift in Art. 43 Abs. 5 BayHSchG: Leiher in v.Coelln/Lindner, Hochschulrecht Bayern, Stand 1.8.2022, Art. 43 BayHSchG Rn. 19). Vor dem Hintergrund, dass der Studiengang Mangement and Technology mit einer Masterarbeit abschließt und zusätzlich nach Anlage 1 Nr. II. zur FPSO in erheblichem Umfang wissenschaftliche Ausarbeitungen als Prüfungsform vorgesehen sind, begegnet es in Hinblick auf die wissenschaftlichen Anforderungen des Masterstudiums keinen rechtlichen Bedenken, dass der Zugang zum Studium für alle Bewerber – unabhängig davon, ob es zur zweiten Stufe der Durchführung des Eignungsverfahrens und zur inhaltlichen Evaluierung des Essays kommt – davon abhängig gemacht wird, dass das abgefasste Essay die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis einhält. Das von den Bewerbern Geforderte ist mit dem Verweis auf die „Regeln guter wissenschaftlicher Praxis“ auch hinreichend klar bezeichnet. Die Gültigkeit allgemein anerkannter Grundsätze wissenschaftlicher Mindeststandards ist unbestritten und die im Einzelnen hieraus abzuleitenden Gebote werden seit langem durch annähernd alle Einrichtungen wissenschaftlicher Selbstverwaltung in Richtlinien oder Empfehlungen konkretisiert und ausgeformt (VGH BW, B.v. 14.9.2011 – 9 S 2667/10 – juris Rn. 31). Die ... hatte hierzu am 15. Juli 2015 „Richtlinien zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und für den Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten an der Technischen Universität M.“ erlassen, auf die noch Nr. 2.3.6 der Anlage 2 zur FPSO verweist. Diese sind mit Wirkung zum 1. Dezember 2021 durch dieser inhaltlich im Wesentlichen entsprechenden „Satzung der Technischen Universität M. zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und für den Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten (...-SGwP)“ ersetzt worden. Von einer fehlenden Erkennbarkeit der Handlungspflichten kann jedenfalls im Kernbereich und hinsichtlich der hier in Rede stehenden Vorwürfe nicht die Rede sein. Angesichts der eminenten Bedeutung von Grundsätzen wissenschaftlicher Mindeststandards ist die Beachtung der daraus sich ergebenden Pflichten den Bewerbern auch bei Berücksichtigung der beschränkten Bearbeitungszeit für das Essay zumutbar, zumal für das Essay ohnehin nur ein Ausschnitt der dort genannten wissenschaftlichen Pflichten von Bedeutung sein dürfte.
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b) Die Voraussetzungen für einen Ausschluss vom laufenden Bewerbungsverfahren nach Nr. 4.2 Satz 3 der Anlage 2 zur FPSO sind voraussichtlich gegeben; eine erhebliche Verletzung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis liegt voraussichtlich vor.
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aa) Der Einwand des Antragstellers, der Bescheid vom … Januar 2024 sei bereits aufgrund des zuvor ergangenen und somit diesem entgegenstehenden Bescheid vom .... Januar 2024 rechtswidrig, ist in der vorliegenden Verpflichtungssituation unerheblich. Maßgeblich ist allein, ob der Antragsteller einen Zulassungsanspruch hat. Der Antrag nach § 123 VwGO kann nur dann Erfolg haben, wenn der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen kann. Über diesen hat das Gericht ohne Rücksicht auf Mängel des Verwaltungsverfahrens zu entscheiden (BayVGH, B.v. 4.6.2020 – 7 CE 20.406 – BeckRS 2020, 14715 Rn. 31). Gegen beide Bescheide wurde wirksam Anfechtungsklage erhoben, sodass eine etwaige Bestandkraft von vornherein ausscheidet. Im Verfahren nach § 123 VwGO kommt es auch nicht darauf an, ob die Annahme des Antragstellers, dass mit dem Übergang in die Prüfung der ersten Stufe des Eignungsverfahrens aufgrund der Ablehnung wegen unzureichender Qualifikation mit Bescheid vom .... Januar 2024 eine verbindliche Aussage über das Vorliegen der Voraussetzung der Nr. 4.1 der Anlage 2 zur FPSO verbunden ist, zutrifft oder, wie vom Antragsgegner vorgetragen, der Bescheid vom .... Januar 2024 durch den Bescheid vom … Januar 2024 aufgehoben worden ist.
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bb) Die Beweislast für eine erhebliche Regelverletzung liegt bei der ... als für das Eignungsverfahren zuständigen Behörde. Der Nachweis sowohl der objektiven als auch der subjektiven Voraussetzungen einer Täuschungshandlung ist über die Regeln des Anscheinsbeweises möglich (OVG NW, B.v. 16.2.2021 – 6 B 1868/20 – juris Rn. 8); dies lässt sich auf die hier maßgebliche Frage einer erheblichen Pflichtverletzung übertragen. Für die Anwendung des Beweises des ersten Anscheins müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Zum einen muss die nachzuweisende Tatsache auf einen typischen Sachverhalt gestützt werden können, der aufgrund allgemeinen Erfahrungswissens zu dem Schluss berechtigt, dass die Tatsache vorliegt. Zum anderen dürfen keine tatsächlichen Umstände gegeben sein, die ein atypisches Geschehen im Einzelfall ernsthaft möglich erscheinen lassen (BVerwG, B.v. 23.1.2018 – 6 B 67/17 – juris Rn. 6 m.w.N.; vgl. auch Rixen in Sodan/Ziekow, 5. Aufl. 2018, § 108 VwGO Rn. 158 ff.). Hierzu genügt nicht schon der Hinweis auf einen möglichen anderen typischen Geschehensablauf. Vielmehr muss der Prüfungsteilnehmer auch dartun, dass dieser andere Geschehensablauf ernsthaft in Betracht kommt (BayVGH, B.v. 9.10.2013 – 7 ZB 13.1402 – juris Rn. 10; OVG NW, B.v. 11.10.2011 – 14 A 2726/09 – juris Rn. 5; vgl. insgesamt: VG München, B. v. 28.11.2023 – M 3 E 23.4371 – juris Rn. 33).
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Die hier vom Antragsgegner nachzuweisende Regelverletzung besteht darin, das eingereichte Essay entgegen der vom Antragsteller abgegebenen Erklärung in der „Checkbox“, wonach keine unerlaubten Hilfsmittel wie KI-Tools verwendet worden seien, erstellt zu haben, sondern eine komplett eigenständige Leistung nur vorgespiegelt wurde, während tatsächlich unerlaubte Hilfe bei der Erstellung des Essays in Anspruch genommen wurde. Aus dem Gebot der höchstpersönlich zu erbringenden Leistung und dem Zweck einer solchen Arbeit, die wahren Leistungen und Fähigkeiten zu ermitteln, folgt, dass vorgetäuschte oder sonst erschlichene Leistungen nicht dazu beitragen können, die erfolgreiche Zulassung zum begehrten Studiengang zu rechtfertigen (vgl. Jeremias in Fischer/Jeremias/Dieterich, Prüfungsrecht, 8. Auf. 2022 Rn. 228). Auf die Frage, ob und inwieweit von Nr. 4.2 Satz 3 der Anlage 2 zur FPSO auch fahrlässig begangene erhebliche Pflichtverletzungen gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis umfasst sind, kommt es nicht an, weil vorliegend eine fahrlässige Regelverletzung vor allem angesichts der expliziten Bestätigung des Verzichts auf die Verwendung von KI-Tools bei der Erstellung nicht denkbar ist. Die Einreichung eines (teilweise) mit Hilfe eines KI-Tools erstellten Essays verstößt auch gegen die Regeln guter wissenschaftlicher Praxis.
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(1) Vorliegend lässt der Umstand, dass sich einzelne Passagen des Essays hinsichtlich (fremd-)sprachlichem Niveau, Prägnanz, Inhaltsdichte und Struktur signifikant voneinander unterscheiden und gerade in den vom Detektionsprogramm markierten Passagen Merkmale enthalten sind, die für mittels künstliche Intelligenz erstellte Texte typisch sind, nach allgemeinem Erfahrungswissen darauf schließen, dass das Essay mit unerlaubter Hilfe erstellt wurde.
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Der Antragsgegner stützt die Annahme eines erheblichen Regelverstoßes auf die Beurteilung des Essays durch Prof. .... und Dr. .... und behandelt das Prüfungsergebnis der Überprüfungssoftware mit einem KI-Index von 71%, d.h. 71% des gesamten Essays als wahrscheinlich KI generiert, lediglich als Indiz, das zur Überprüfung durch Prof. ... und Dr. .... Anlass gegeben hat. Sofern Prof. ... auf Seite 1 der Stellungnahme vom … März 2024 die Funktionsweise der Software erläutert, weist er ausdrücklich darauf hin, dass eine vollkommene Verlässlichkeit der Software nicht gegeben sei und er daher eine von der Software unabhängige eigene Prüfung des Essays zusammen mit Dr. .... durchgeführt habe. Dass eine menschliche Prüfung durchgeführt wurde, zeigt auch die Aussage von Prof. .... in der Stellungnahme vom … April 2024, wonach bei einem Index unter 30% im Regelfall die Kommission nicht genügend Anhaltspunkte für einen KI-Einsatz finde. Dieses Vorgehen einer menschlichen Prüfung wird in jedem Fall auch im Hinblick auf Art. 22 DSGVO angezeigt sein (vgl. EuGH, U.v. 7.3.2024 – C-740/22 – BeckRS 2023, 764809).
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Der Antragsteller weist zwar zutreffend darauf hin, dass sich die Konstellation von der Entscheidung der Kammer vom 28. November 2023 (M 3 E 23.4371) unterscheidet, was auch die Auswahlkommission bei ihrer Beurteilung des Essays nicht verkennt. Vorliegend ergeben sich die Auffälligkeiten nicht aus einem Vergleich zu vorherigen Arbeiten des Bewerbers, sondern aus einem Vergleich der jeweiligen Textpassagen untereinander und der sich dabei ergebenden wesentlichen Unterschiede sowohl in struktureller als auch inhaltlicher und sprachlicher Art. Der Antragsgegner geht gerade nicht davon aus, dass der gesamte Text vollständig mittels KI erstellt wurde, sondern stellt dies bei mehreren Passagen fest.
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Dass bei der Überprüfung des Essays die ... aus Sicht des Antragstellers andere Kriterien für den Nachweis eines KI-Tool-Einsatzes als im Verfahren M 3 E 23.4371 herangezogen habe, mag möglicherweise zumindest teilweise zutreffen. Dies hat aber entgegen der Auffassung des Antragstellers gerade nicht zur Folge, dass mit vermeintlich „neuen“ bzw. anderen Kriterien kein Nachweis über die unzulässige Hilfsmittelverwendung zu führen ist. Eine vermeintliche Täuschungssituation entspricht dabei allenfalls zufällig einer anderen und muss auch nicht zwangsläufig alle bei einer bestimmten Täuschung denkbaren typischen Auffälligkeiten aufweisen. Der Umstand, dass in der damaligen Begründung der Kammer ein Aspekt nicht herangezogen wurde, bedeutet im Umkehrschluss nicht die generelle Unzulässigkeit oder Unbeachtlichkeit dieses Kriteriums zum Nachweis einer Täuschungshandlung in einem anderen Kontext. Unabhängig davon bleiben nach Ansicht der Kammer auch hinsichtlich des vorliegenden Essays die Auffälligkeiten hinsichtlich des Englischniveaus, der sprachlichen Prägnanz sowie Aufbau- und Strukturfragen, die die Auswahlkommission herausgearbeitet hat, die zentralen Kriterien.
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Nach der Stellungnahme von Prof. .... vom … März 2024 fällt bei dem vom Antragsteller eingereichten Essay besonders auf, dass markierte Passagen keine sprachlichen Fehler oder ungeschliffene Formulierungen aufweisen, wohingegen an anderen Stellen Wortwiederholungen, Singular-Plural-Fehler, Fehler in der Groß- und Kleinschreibung sowie eher im Deutschen übliche Formulierungen, die entsprechend ins Englische übersetzt worden sind und welche diesen Teil „holprig“ wirken lassen, enthalten sind. Weitere Indizien für einen zumindest in Teilen mittels KI erstellten Text ergeben sich daraus, dass nur die von der KI-Erkennungssoftware markierten Texte einen logischen Aufbau, eine hohe Inhaltsdichte und ein gutes (fremd) sprachliches Niveau aufweisen, wohingegen die Einleitung nicht alle Aspekte des Hauptteils nennt, Fallbeispiele nur für einen Teil der Punkte benannt worden sind und das Fehlen eines solchen Fallbeispiels nicht erläutert worden ist. Letzteres ist nach der Stellungnahme von Prof. .... für einen zum Teil mittels KI erstellten Text typisch.
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Dies lässt den Schluss zu, dass der Antragsteller bei der Strukturierung der Arbeit ein KI-Modell eingesetzt hat, das bereits fünf der insgesamt sechs vom Antragsteller behandelten Themenaspekte in der Einleitung aufgeführt hat. Der sechste Aspekt, der in der Einleitung nicht aufgeführt ist, weist – im Gegensatz zu den anderen fünf Themenaspekten – eine andere, weniger schlüssige textliche Struktur auf. Auffällig ist auch, dass gerade die Textpassagen, in denen der Antragsteller Fallbeispiele aufgeführt hat, gegenüber anderen Passagen gerade dort auffällige Inkonsistenzen und nicht „KI typische“ Merkmale aufweisen, wo Beispiele, die erst im Jahr 2023 in Quellen beschrieben worden sind, benannt werden. Dies lässt sich nach den nachvollziehbaren Darlegungen von Prof. .... damit erklären, dass zum Zeitpunkt der Erstellung des Essays KI-Programme Quellen bis etwa September 2021 berücksichtigen konnten. Umgekehrt weist gerade die Passage, in der ein Fallbeispiel, das in einer Quelle aus dem Jahr 2019 genannt worden ist – und damit bereits dem „Wissensstand“ von KI-Programmen im Zeitpunkt der Erstellung des Essays entsprach – wieder eine „KItypische“ Struktur auf.
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Zu den sprachlichen Auffälligkeiten weist Prof. .... in seiner Stellungnahme vom .... April 2024 darauf hin, dass gerade nicht markierte Textstellen ein Englischniveau aufwiesen, das mit anderen Essays vergleichbar sei. Gerade in diesen Passagen fänden sich die Formulierungen und Auffälligkeiten, die charakteristisch für menschliche Texte seien und die auch anderen Bewerberinnen und Bewerbern unterliefen. Dies sind insbesondere Inkonsistenzen, verschachtelte Sätze und Abschweifungen. Die markierten Passagen würden sich im Gegensatz dazu gerade im Vergleich zu anderen Bewerbern durch eine hohe inhaltliche Konsistenz und Dichte abheben.
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Die markierten Passagen enthalten gerade typische Stärken von KI-Schreibprogrammen (vgl. insoweit auch Seite 2 der Stellungnahme von Prof. .... vom … März 2024). Charakteristisch für mittels KI erzeugte Texte ist danach eine logische Abfolge von Sätzen, die klar erkennbar aufeinander aufbauen. Ebenso kennzeichnend ist eine hohe Inhaltsdichte, d.h. die Vermittlung wesentlicher Inhalte in nur wenigen Sätzen und Wörtern. Ferner zeichneten sich Programme durch eine klare Textstrukturierung und inhaltliche wie strukturelle Konsistenz aus.
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Hinsichtlich der sprachlichen Fehler, die sich lediglich in nicht markierten Passagen finden, wird auf Seite 2 der Stellungnahme von Prof. .... vom … März 2024 verwiesen. Exemplarisch sei hier auf die unübliche Formulierung „so that“ („sodass“) hingewiesen sowie auf die Schreibweise „united Kingdom“ statt richtigerweise „United Kingdom“. Ähnliche Flüchtigkeitsfehler eines deutschen Muttersprachlers konnte auch das Gericht in den markierten Teilen gerade nicht feststellen.
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Weiter auffällig ist, dass Abkürzungen für „künstliche Intelligenz“ und „Internationale Energieagentur“ mehrmals erneut ausgeschrieben und dann wieder abgekürzt werden, was darauf hindeutet, dass die Passagen aus mehreren Abfragen stammen. Auch hinsichtlich der Gliederung fällt auf, dass in der Einleitung nicht sämtliche Aspekte benannt werden und ein Fehlen von Beispielen nicht erläutert wurde, obwohl zu jedem Aspekt in der Einleitung eine konkrete Illustration angekündigt wurde.
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Dem Vergleich der Prüfer lagen die Arbeiten anderer Bewerber der laufenden Bewerbungsrunde und darüber hinaus die allgemeinen Erfahrungen der Prüfer zu den Fähigkeiten von Bachelorabsolventen bei der Abfassung von Texten zugrunde. Angesichts dieses breiten Vergleichsspektrums lassen sich die Auffälligkeiten nicht allein mit der üblichen Bandbreite der gezeigten Leistungen der Bewerber und einer in diesem Rahmen am oberen Rand liegenden Leistung des Antragstellers erklären.
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Die Mitglieder der Auswahlkommission sind als Wissenschaftler erfahren mit dem Lesen und Verfassen wissenschaftlicher Texte und damit auch vertraut mit den Schwierigkeiten der prägnanten Formulierung komplexer Sachverhalte. Ihrer Beobachtung, dass das Essay gerade in den markierten Passagen ein außergewöhnliches Maß an Inhaltsdichte aufweise, kommt daher großes Gewicht zu. Der Lehrstuhl von Prof. ...., der aktuell das Zulassungsverfahren betreut, hat nach eigenen Angaben seit Frühjahr/Sommer 2022 rund 1850 Essays beurteilt. Dabei hätten sich Einreichungen, die durch eine hohe Inhaltsdichte, eine klare Struktur und perfektes Englisch auffielen, seit der Einführung von ChatGPT gehäuft. Seit der Nutzung der Erkennungssoftware zum Bewerbungsstart des Wintersemesters 2023/24 wiesen mit steigender Tendenz durchschnittlich 10-15% einen KI-Index größer 30% auf. Dieser Wert habe sich in nahezu allen Fällen bei der Prüfung durch die Auswahlkommission als wahrscheinlich korrekt erwiesen. Bei Werten darunter liefere eine fachliche Prüfung durch einen Menschen in der Regel keine ausreichende Wahrscheinlichkeit, um den Bewerber aufgrund unzulässiger KI-Nutzung abzulehnen.
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Diese Zahlen über die ausgewerteten Essays belegen nach Überzeugung der Kammer, dass sich den Mitgliedern der Auswahlkommission nicht nur bei den wenigen dem erkennenden Gericht bislang bekannten Fällen die Frage nach einem KI-Einsatz gestellt hat, sondern bereits in ungefähr 150-180 weiteren Fällen. Auch wenn es sich somit noch nicht um ein jahrelanges Täuschungsvorgehen von Bewerbern handelt, so können die Mitglieder der Auswahlkommission nach Auffassung der Kammer bereits jetzt auf eine breite Basis von vergleichbaren Verdachtsfällen und Erfahrungswerten zurückgreifen. Prof. .... und Dr. .... sind als Prüfer erfahren in der Bewertung studentischer Arbeiten verschiedener Form und konnten zudem vergleichend die Essays weiterer Bewerber heranziehen. Darüber hinaus sind sie nicht nur vertraut mit einer Vielzahl von gerade durch Bachelorabsolventen verfassten Texten, sondern aufgrund ihrer Tätigkeit als Prüfer gerade auch dazu berufen, diese nach Struktur, Inhalt und Form zu analysieren und zu bewerten. Vor diesem Hintergrund verfügen sie über hinreichende Sachkunde, Auffälligkeiten festzustellen, die sich nicht allein durch unterschiedliches Leistungsvermögen von Bachelorabsolventen erklären lassen (VG München, B.v. 28.1.2023 – M 3 E 23.4371 – juris Rn. 41).
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Daher kommt der Aussage von Prof. .... besonderes Gewicht zu, wonach gerade im Vergleich zu anderen in der Vergangenheit als unter Zuhilfenahme von KI beurteilten Essays die Arbeit des Antragstellers deutliche Ähnlichkeiten aufweist. Gerade diese Erfahrung befähigt die Auswahlkommission nach Auffassung der Kammer auch, entscheidende Unterschiede zwischen einer sehr guten studentischen Leistung und einer KI charakteristischen „Leistung“ festzustellen.
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Soweit der Antragsteller vorträgt, die eigene Überprüfung seines Essays während des Gerichtsverfahrens durch eine andere Software habe keine Auffälligkeit ergeben, stellt dies die Annahme eines KI-Einsatzes nicht infrage. Wie bereits dargestellt beruht die Beurteilung ausschließlich auf der menschlichen Überprüfung und nicht dem Urteil der von der ... eingesetzten Software. Sofern es um die Nichterwähnung eines Beispiels entgegen der Ankündigung in der Einleitung geht, führt dies gerade nicht zur Annahme, dass überhaupt kein KI-Einsatz vorliegt. Vielmehr führt der Antragsgegner diesbezüglich nachvollziehbar aus, dass eine Inkonsistenz vorliege, was für einen teilweisen KI-Einsatz spreche. Dass der Antragsteller inhaltlich mit der Beurteilung hinsichtlich des Fehlens eines Beispiels nicht einverstanden ist, wäre eine Frage bei der erst auf Stufe 2 durchzuführenden inhaltlichen Bewertung des Essays.
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(2) Es sind keine tatsächlichen Umstände ersichtlich, die ein atypisches Geschehen im Einzelfall ernsthaft möglich erscheinen lassen. Weder aus dem Vortrag des Antragstellers noch sonst sind Gründe dafür ersichtlich, die die dargelegten Auffälligkeiten in anderer Weise erklären würden.
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Soweit der Antragsteller sein hohes Fremdsprachenniveau mit einem 3-jährigen Bachelorstudium in vollständig englischer Sprache im Ausland begründet und darauf hinweist, mit der Abschlussnote zu den 0,91% besten Absolventen seines Jahrgangs zu gehören sind diese vom Antragsteller angeführten überdurchschnittlichen Englischkenntnisse gerade nicht geeignet, auf die vom Antragsgegner aufgezeigten Auffälligkeiten so nachvollziehbar einzugehen, dass damit ein atypisches Geschehen im Einzelfall möglich erscheint. Nach den Stellungnahmen von Prof. ... besteht die Auffälligkeit im gegenständlichen Essay gerade nicht darin, dass es durchgehend strukturiert und sprachlich fehlerfrei erstellt worden ist. Vielmehr fällt das Essay gerade dadurch auf, dass sich die einzelnen Passagen in ihrer sprachlichen Qualität signifikant unterscheiden (vgl. Stellungnahme Prof. .... vom .... April 2024). Die vom Antragsteller angeführten sprachlichen Qualifikationen können aber gerade diese Diskrepanz nicht erklären und so den Anscheinsbeweis nicht erschüttern. Sprachliche Fehler, unübliche Formulierungen oder wenig prägnanter Satzbau sind lediglich in den nicht markierten Passagen enthalten. Hierfür stellen die vom Antragsteller dargelegten Sprachkenntnisse keine schlüssige und nachvollziehbare Begründung dar. Vielmehr wäre stattdessen eine im gesamten Essay enthaltene sprachliche Kohärenz naheliegend, nicht aber ein signifikanter qualitativer Unterschied zwischen einzelnen Passagen.
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Auch eine nachvollziehbare Erklärung für den Niveauunterschied hat der Antragsteller nicht vorgetragen, insbesondere hat er auch nicht versucht darzulegen, dass sich solche Mängel auch in markierten Passagen finden. Der pauschale Hinweis, er habe den Text alleine und ohne fremde Hilfe verfasst, genügt dazu nicht. Dies ist zwar eine mögliche Erklärung für Fehler als solche, nicht jedoch für die auffällige Häufung gerade in einzelnen Passagen.
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Der Antragsteller hat sich auch nicht mit dem Vorbringen des Antragsgegners zur divergierenden Inhaltsdichte zwischen markierten und nicht markierten Passagen auseinandergesetzt und so keinen anderen denkbaren Geschehensablauf aufgezeigt.
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Das Vorbringen hinsichtlich der Verwendung und Schreibweise von Akronymen vermag ebenso keinen atypischen Geschehensablauf zu begründen. Der Antragsteller hat lediglich auf ein einzelnes Beispiel in seiner wohl deutlich umfangreicheren Bachelorarbeit verwiesen, während sich im vorliegenden 6-seitigen Essay ein voneinander abweichendes und uneinheitliches Vorgehen diesbezüglich in nahezu jedem Abschnitt findet. Auch dem insoweit antragsgegnerseits vorgebrachten Argument, dies könne auf mehrmaligen, abschnittsbezogenen KI-Einsatz durch mehrere Abfragen hinweisen, ist der Antragssteller nicht schlüssig entgegengetreten.
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Auch zur besonders gewichtigen Auffälligkeit, dass sich die Mängel vorwiegend in Abschnitten über die Darstellung von Beispiele jüngeren Datums befinden, die den damaligen KI-Tools noch unbekannt waren, hat der Antragsteller keine Erklärung vorgebracht, die einen anderen Geschehensablauf ernsthaft nahelege würde.
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Des Weiteren hat der Antragsteller lediglich behauptet, nicht über ein KI-Tool zu verfügen. Er hat jedoch keine Unterlagen vorlegt, die etwa durch verschiedene Dateiversionen den Entstehungsfortschritt des Essays dokumentieren oder die eigenständige Recherche- und Quellenarbeit darlegen würden.
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Nach den Regeln des Anscheinsbeweises ist daher voraussichtlich davon auszugehen, dass das eingereichte Essay entgegen der vom Antragsteller in der Checkbox abgegebenen Erklärung in Teilen nicht selbst erstellt wurde.
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Die Frage, in welchem konkreten Ausmaß der Antragsteller den durch künstliche Intelligenz erstellten Text noch selbst verfasst hat, kann vorliegend offen bleiben. Denn die Frage der Abgrenzung von wissenschaftlicher Nachlässigkeit gegenüber einem Täuschungsversuch stellt sich nicht, wenn unerlaubte Hilfsmittel bei der Erstellung des Textes herangezogen werden. Selbst wenn der Antragsteller einzelne Passagen insbesondere hinsichtlich der Beispiele selbst verfasst hat, würde dies nichts daran ändern, dass die von ihm gezeigte Leistung sich grundlegend von der Leistung eines Bewerbers unterscheidet, der entsprechend Nr. 2.3.5 der Anlage 2 zur FPSO selbständig ein Essay allein mit Hilfe von Literatur und ohne KI-Hilfsmittel verfasst hat. Die Zuhilfenahme künstlicher Intelligenz bei der Erstellung von Texten ähnelt der Erstellung einer Prüfungsarbeit durch eine dritte Person oder der Einreichung einer durch einen anderen Prüfling zu einem früheren Prüfungstermin bereits erstellten Arbeit unter Paraphrasierung des Inhalts.
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cc) Eine erhebliche Verletzung der Regeln guter wissenschaftlicher Praxis, die nach Nr. 4.1 Satz 2 der Anlage 2 zur FPSO den Ausschluss vom laufenden Bewerbungsverfahren zur Folge hat, liegt damit voraussichtlich vor. Ein Anspruch auf Zulassung zum Eignungsverfahren besteht somit voraussichtlich nicht.
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2. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. 1.5, 18.1 des Streitwertkatalogs.