Titel:
Widerruf Waffenbesitzkarten, Eigen- bzw. Fremdgefährlichkeit, Ankündigung von Straftaten, Fachpsychologisches Gutachten, Waffenrechtliche Eignung
Normenketten:
WaffG § 45 Abs. 2
WaffG § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 3
Schlagworte:
Widerruf Waffenbesitzkarten, Eigen- bzw. Fremdgefährlichkeit, Ankündigung von Straftaten, Fachpsychologisches Gutachten, Waffenrechtliche Eignung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 9438
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Bescheides, in dem mehrere Waffenbesitzkarten sowie die sprengstoffrechtliche Erlaubnis widerrufen wurden.
2
Der Kläger, geb. am …, wohnhaft …, …, war Inhaber von zwei gelben Waffenbesitzkarten für Sportschützen mit den Nummern … und … sowie drei grünen Waffenbesitzkarten mit den Nummern …, … und … Außerdem hatte er eine Erlaubnis nach § 27 Sprengstoffgesetz (SprengG) mit der Nummer … Der Kläger war ca. 10 Jahre als Berufsschullehrer an der beruflichen Fachschule in … tätig.
3
Vom 18. Februar 2020 bis 31. März 2020 befand sich der Kläger zur stationären Behandlung in der … Klinik …, einer Fachklinik für Psychosomatik, Psychotherapeutische Medizin und Naturheilverfahren.
4
Mit Fax vom 29. Juni 2021 wurde dem Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) durch die Polizeiwache … mitgeteilt, dass der Kläger am selben Tag durch die Polizei in der Bezirksklinik … untergebracht worden sei (…). Der Unterbringung des Klägers sei eine Mitteilung eines Arbeitskollegen, ebenfalls Lehrer an der Berufsschule … …, an den Schulleiter, Herrn Dr. N., am 28. Juni 2021 vorausgegangen, wonach der Kläger sich diesem gegenüber wie folgt geäußert habe: „solange ich rumtobe, ists nicht gefährlich; wenn ich dann ruhig werde, dann könnts den Bestatter holen.. dann gibt’s einen Massenmord, des sag ich dir aber!“. Auch gegenüber anderen Kollegen habe der Kläger einen „Massenmord“ angekündigt.
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Der Kollege, Herr B., Fachbereichsleiter, gab bei seiner Befragung am 6. September 2021 bei der Polizeiwache in … an, dass diese Äußerung öfters gefallen sei, erstmalig erinnerlich am 25. Mai 2021 in den Räumlichkeiten der Berufsschule. Der Kläger habe sich am 29. Juni 2021 aus einem nichtigen Grund echauffiert und sei dabei immer lauter und ausfälliger geworden. Dabei sei diese Aussage gefallen. Er habe Kollegen mit „Drecksarschlöchern, denen haben sie wohl ins Hirn geschissen“ beleidigt. Im späteren Verlauf des Tages sei der Kläger gefasst, ruhig und abgeklärt gewesen. Nochmals auf das Thema angesprochen, habe der Kläger die Äußerung wiederholt. Dies habe ihm Angst bereitet.
6
Gegenüber der Kollegin, Frau Z., habe der Kläger auf den Vorhalt seiner negativen Arbeitseinstellung („wenn die noch etwas blöd kommen, dann mache ich krank“), geäußert, dass dies immerhin noch besser wäre, als in der Schule einen Massenmord zu begehen.
7
Aus dem Aktenvermerk der Polizei …, angefertigt vom PK E. am 18. August 2021, ergibt sich, dass die Aussage im Zusammenhang mit einem für den 2. Juli 2021 anberaumten Mitarbeitergespräch gefallen sei, in welchem die Schulleitung dem Kläger disziplinarrechtliche Konsequenzen habe erläutern wollen. Die Schulleitung habe die Äußerungen des Klägers sehr ernstgenommen. Der Kläger sei am 29. Juni 2021 um 18 Uhr im Bereich seines Wohnanwesens aufgegriffen worden. Auf Befragen habe der Kläger angegeben, unter Burnout zu leiden und mit Depressionen zu kämpfen. Er könne nicht mit Emotionen umgehen und brauche ein Ventil, um Aggressionen auszuleben. Gegenüber der Polizei habe der Kläger Suizidgedanken geäußert. Ferner neige er zur Fremdgefährdung. Laut eigener Aussage wolle er jedoch beides aktuell nicht vollenden. Nach Würdigung der Gesamtumstände durch die Polizei habe man den Kläger aufgrund dieser psychischen Ausnahmesituation als akut eigen- und fremdgefährlich eingestuft.
8
Aus einem Sachbericht der Polizeiinspektion … folgt, dass aufgrund der erhöhten Gefahrenlage zur Verhinderung der Zugriffsmöglichkeit durch den Kläger sämtliche Waffen sowie Munition durch richterliche Anordnung vom 30. Juni 2021 sichergestellt worden seien. Der Kläger sei des Straftatbestandes des Störens öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten dringend tatverdächtig.
9
Am 7. Juli 2021 erklärte sich der Kläger freiwillig bereit, sich auf einer offenen Station der Bezirksklinik … behandeln zu lassen.
10
Mit Schreiben des Landratsamts vom 29. Juli 2021 wurde der Kläger zur Beibringung eines amts- oder fachärztlichen Gutachtens bis spätestens 17. September 2021 aufgefordert. Aufgrund der Unterbringung im Bezirkskrankenhaus wegen akuter Eigen- bzw. Fremdgefährdung sei davon auszugehen, dass der Kläger an einer psychischen Erkrankung leide und für sich und andere gefährlich sei, weshalb nach derzeitiger Einschätzung die persönliche Eignung nach § 6 WaffG nicht vorliege.
11
Der Kläger erklärte sich per E-Mail vom 18. August 2021 mit einer Begutachtung durch den TÜV Service-Center … einverstanden.
12
Am 6. November 2021 wurde das gegen den Kläger wegen Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten geführte Ermittlungsverfahren gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.
13
Am 23. November 2021 legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers dem Landratsamt das psychologische Gutachten der TÜV … vom 23. November 2021 vor. Der begutachtende Psychologe kommt darin zu dem Ergebnis, dass der Kläger aufgrund der Befundlage „persönlich derzeit nicht geeignet (ist), mit Waffen oder Munition umzugehen“.
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Weiterhin wird gutachterlich Folgendes festgehalten:
„die unzureichenden Möglichkeiten beim Umgang mit Konflikten (‚In-sich-reinfressen‘) wurden inzwischen als ein wesentlicher Faktor erkannt, werden allerdings noch nicht als behobenes Problem erkennbar. Hinweise auf Auslöser für verringerte Belastbarkeit außerhalb des beruflichen Feldes sind gegeben, Herr M. beschränkt sich allerdings bei der Ursachensuche auf das Berufsumfeld und nicht auf mögliche persönliche problematische Äußerungen. Es ist auch im Zusammenhang mit dem aktenkundigen Untersuchungsanlass von Problemverdrängung auszugehen, die einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit gegebenen Problemen im Wege stehen; Herr M. zeigt sich im Gespräch bemüht, den Anlass für entstandene Bedenken zu negieren; es habe nie entsprechende Äußerungen von ihm gegeben, eine missverständliche Interpretation sei auf Kollegen zurückzuführen. Diese Darstellung kann aufgrund des Akteninhalts einschließlich der Äußerungen im Beisein der Polizei nicht als ausreichend realitätsnah gesehen werden und ist als Hinweis auf erhebliche Widerstände bei der nötigen Einsichtsbildung zu sehen, die wesentlich für die Entwicklung besserer Selbststeuerung wäre. Entsprechend muss davon ausgegangen werden, dass Herr M. derzeit noch keinen Entwicklungsstand erreicht hat, der eine hinreichend zuverlässige Affektsteuerung und damit die nötige stabile Verantwortungsfähigkeit beim Umgang mit Waffen absichern würde.“
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Im Rahmen der psychofunktionalen Leistungsdiagnostik, die anhand eines computergesteuerten Testgeräts nach dem Wiener Testsystem mit programmierter Instruktions- und Testvorgabe am Bildschirm erfolgt und hinsichtlich der Durchführungsbedingungen standardisiert vorgenommen wird, erreichte der Kläger bei der Messung der Belastbarkeit und des Reaktionsvermögens einen durchschnittlichen Prozentrang. Auch die Persönlichkeitsdiagnostik erfolgte anhand eines standardisierten Fragebogenverfahrens. Hierbei ergaben sich folgende Prozentränge: Offenheit der Selbstbeschreibung: 33, Expressivität – Selbstsicherheit: 24, Soziale Anpassung: 99, Emotionale Ansprechbarkeit: 31, Selbstkontrolle: 77, Selbstreflexion: 56, wobei eine Überschreitung eines Prozentrangwertes von 75 dafürspricht, dass das Merkmal besonders ausgeprägt ist, während eine Unterschreitung des Wertes von 25 eine geringe Ausprägung eines Merkmals bedeutet.
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Zudem wurde dem Landratsamt eine Stellungnahme des den Kläger behandelnden Diplom Psychologen vom 9. Dezember 2021 vorgelegt, worin dieser ausführt, die Einschätzungen des fachpsychologischen Gutachtens des TÜV … nicht zu teilen. Ihm gegenüber habe der Kläger glaubhaft geschildert, dass er nicht mit Tätlichkeiten gedroht habe.
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Der Kläger wurde mit Schreiben des Landratsamts vom 14. Januar 2022 zum beabsichtigten Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse angehört. Auf Grundlage des Gutachtens werde es als sinnvoll erachtet, wenn der Kläger auf seine waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse verzichten würde. Nach Rücksprache mit dem TÜV … sei eine erneute Begutachtung erst ein Jahr nach Entlassung aus dem Bezirkskrankenhaus sinnvoll. Da dem Landratsamt kein Ermessen bei dem Widerruf der Erlaubnisse zustehe, könne nicht weiter zugewartet werden, bis die persönliche Eignung des Klägers bescheinigt werde.
18
Mit Bescheid vom 1. März 2022, zugestellt am 12. März 2022, widerrief das Landratsamt die gelben Waffenbesitzkarten für Sportschützen Nr. … und Nr. … und die grünen Waffenbesitzkarten Nr. …, Nr. … und Nr. … (Ziffer 1). Die Erlaubnis nach § 27 Sprengstoffgesetz Nr. … werde widerrufen (Ziffer 2). Der Kläger habe die Kosten des Verfahrens zu tragen. Für die Ziffer 1 werde eine Gebühr in Höhe von 200,00 EUR festgesetzt (Ziffer 3a), für die Ziffer 2 eine Gebühr in Höhe von 150,00 EUR (Ziffer 3b) und als Auslagen würden 4,11 EUR erhoben (Ziffer 3c).
19
Der Widerruf stütze sich auf § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG, da nachträglich Tatsachen eingetreten seien, die zur Versagung der waffenrechtlichen Erlaubnisse hätte führen müssen. Der Kläger erfülle nicht die Voraussetzungen der persönlichen Eignung, da bei ihm Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass die konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung bestehe. In diesen Fällen habe die Behörde dem Betroffenen die Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die geistige oder körperliche Eignung aufzugeben (§ 6 Abs. 2 WaffG). Nach dem vorgelegten Gutachten sei der Kläger derzeit persönlich nicht geeignet, mit Waffen umzugehen. Die Erlaubnis sei deshalb zwingend zu widerrufen.
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Der Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis stütze sich auf § 34 Abs. 2 Satz 1 SprengG. Auch die sprengstoffrechtliche Erlaubnis setze nach § 8b SprengG die persönliche Eignung voraus, die dem Kläger fehle.
21
Die Kostenentscheidung beruhe auf § 50 Abs. 1 WaffG, § 47b SprengG und Art. 1, 2 und 3 KostG. Die Gebühr für den waffenrechtlichen Widerruf folge aus Tarif-Nr. 2.II.7/39 des Kostenverzeichnisses, die für den Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis aus Tarif-Nr. 7.I.3/1.18.
22
Mit am 11. April 2022 beim Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangenen Schriftsatz ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage erheben mit dem Antrag,
den Bescheid des Landratsamts …, Geschäftszeichen … vom 01.03.2022, dem Kläger zugestellt am 12.03.2022, mit dem dem Kläger seine gelben Waffenbesitzkarten für Sportschützen Nr. Nr. …, Nr. …, die grünen Waffenbesitzkarten Nr. …, … und … sowie seine Erlaubnis nach § 27 SprengG … widerrufen worden sind und mit dem Kläger die Verfahrenskosten auferlegt worden sind, aufzuheben.
23
Tatsächlich lägen keinerlei Tatsachen und Erkenntnisse vor, aus denen sich ergebe, dass der Kläger persönlich nicht geeignet sei, mit Waffen und Munition umzugehen. Der Beklagte übernehme subjektive Sachverhaltsdarstellungen der Polizei sowie schriftliche Zeugenaussagen, ohne dies in irgendeiner Weise zu objektivieren. Die Neigung des Klägers zur Fremdgefährdung sei eine rein subjektive Einschätzung des Polizeibeamten. Die Aussage des Klägers stelle keine konkrete Bedrohung oder Fremdgefährdung dar. Das Ermittlungsverfahren wegen Störung des öffentlichen Friedens unter Androhung von Straftaten sei eingestellt worden. Der den Kläger seit 2017 behandelnde Psychologe habe mit dem Kläger den Polizeieinsatz im Juli 2021 mehrfach reflektiert. Diesem gegenüber habe der Kläger glaubhaft geschildert, nicht mit Tätlichkeiten gedroht zu haben. Deshalb könne die Aussage des begutachtenden Psychologen, die Darstellungen des Klägers seien nicht realitätsnah und seien als Hinweise auf erhebliche Widerstände bei der Einsichtsbildung zu deuten, nicht nachvollzogen werden. Auch dabei handele es sich um eine rein subjektive Einschätzung eines Sachverständigen. Nach Auskunft des TÜV … sei eine erneute Begutachtung erst nach einem Jahr nach Entlassung aus dem Bezirkskrankenhaus sinnvoll. Der Entlassungsbrief datiere auf den 4. August 2021. Ein neuerliches Gutachten werde ergeben, dass seitens des Klägers keine Fremd- bzw. Eigengefährlichkeit bestehe und er geeignet sei, mit Waffen umzugehen. Der Kläger sei zwischenzeitlich in den Ruhestand versetzt worden.
24
Mit Schriftsatz vom 29. Juli 2022 beantragt der Beklagte,
25
Der Kläger sei im waffen- und sprengstoffrechtlichen Sinne ungeeignet. Dies werde durch das Gutachten der TÜV … vom 23. November 2022 bescheinigt. Das Landratsamt habe nicht ungeprüft und unreflektiert die Darstellungen der Polizeikräfte übernommen. Vielmehr sei der Kläger unter Würdigung der Gesamtumstände aufgefordert worden, seine persönliche Eignung überprüfen zu lassen. Im Rahmen der Begutachtung seien neben verschiedenen Testverfahren ein psychologisches Untersuchungsgespräch durchgeführt worden. Aus einer Gesamtschau habe sich das gutachterliche Ergebnis ergeben. Die Objektivität der Einschätzung des Sachverständigen werde dadurch sichergestellt, dass der Gutachter nicht in einem Behandlungsverhältnis zum Kläger stehe.
26
Unter dem 31. August 2022 führte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus, dass zunächst ein weiteres Sachverständigengutachten zur Frage der Fremd- oder Selbstgefährdung sowie zum Beweis dafür, dass der Kläger persönlich geeignet sei, mit Waffen umzugehen, einzuholen sei.
27
Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).
Entscheidungsgründe
28
Die zulässige Klage ist unbegründet.
29
1. Der Bescheid der Beklagten vom 1. März 2022 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
30
a. Der Widerruf der Waffenbesitzkarten des Klägers in Ziff. 1 des Bescheids begegnet keinen Rechtmäßigkeitsbedenken.
31
aa. Rechtsgrundlage für den unter Ziff. 1 des Bescheids vom 1. März 2022 ausgesprochenen Widerruf der dem Kläger erteilten Waffenbesitzkarten ist § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 und § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Waffengesetz (WaffG). Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Einen solchen Versagungsgrund normiert § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG, wonach die Erlaubnis unter anderem voraussetzt, dass derjenige, der eine waffenrechtliche Erlaubnis beantragt, die hinreichende persönliche Eignung im Sinn von § 6 WaffG besitzt.
32
bb. Der Kläger ist waffenrechtlich nicht geeignet. Die fehlende Eignung gründet sich auf § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG.
33
Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG besitzen Personen die erforderliche persönliche Eignung nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie auf Grund in der Person liegender Umstände mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren können oder dass die konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung besteht. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG knüpft als maßgeblicher Versagungsgrund für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis nicht an die körperliche oder geistige, sondern einheitlich an „die erforderliche persönliche Eignung“ an. Hierunter werden alle diejenigen Fälle zusammengefasst, bei denen eine unverschuldete Unfähigkeit zum sorgfältigen Umgang mit Waffen oder Munition vorliegt, ohne dass es darauf ankäme, ob diese Unfähigkeit körperlich oder geistig bedingt ist (vgl. VG München, B.v. 18.2.2022 – M 7 S 22.211 – juris Rn. 26; BayVGH, B.v. 5.1.2018 – 21 CS 17.1521 – juris Rn. 11). Somit werden von der Vorschrift auch sonstige Gesundheitsstörungen wie etwa psychische Defekte erfasst, soweit sie eine Selbstgefährdung oder aber die Gefährdung Dritter befürchten lassen. Auch sonstige charakterlichen Merkmale kommen in Betracht (Gade, Waffengesetz, 3. Aufl. 2022, § 6 Rn. 8a).
34
1) Zunächst ist festzuhalten, dass Mängel im psychischen Bereich eine fehlende persönliche Eignung im waffenrechtlichen Sinne begründen, wie etwa Jähzorn, Wutausbrüche und Unbeherrschtheit bzw. ein unkontrolliertes Verhalten in Konfliktsituationen (BayVGH, B.v. 8.6.2022 – 24 CS 22.837 – juris Rn. 12; OVG BB, B.v. 18.12.2012 – OVG 11 S 58.12 – juris Rn. 19). So hat der Kläger durch unbeherrschtes Auftreten und infolge seiner Äußerungen Zweifel an seiner waffenrechtlichen Eignung begründet. Der Kollege des Klägers, Herr. B., gab bei seiner Befragung bei der Polizeiwache in … an, dass der Kläger ihm gegenüber Folgendes geäußert habe: „solange ich rumtobe, ists nicht gefährlich; wenn ich dann ruhig werde, dann könnts den Bestatter holen.. dann gibt’s einen Massenmord, des sag ich dir aber!“. Diese Aussage habe der Kläger erstmals am 25. Mai 2021 in den Räumlichkeiten der Berufsschule getätigt. Am 29. Juni 2021, als er sich aus einem nichtigen Grund echauffiert habe und bei immer lauter und ausfälliger geworden sei, sei die Aussage wiederholt worden. Dabei habe der Kläger auch seine Kollegen beleidigt.
35
In diesem Verhalten kommt eine starke, über das gewöhnliche und erträgliche Maß hinausgehende Emotionalität zum Ausdruck, die auf einen unbeherrschten Umgang des Klägers mit alltäglichen Situationen in seinem Lehreralltag schließen lässt. Auch liegt in dem klägerischen Verhalten eine überbordende Reaktion auf Kritik. Gegenüber einer weiteren Kollegin, Frau Z., habe der Kläger auf Vorhalt seiner negativen Arbeitseinstellung geäußert, dass ein Krankmachen immer noch besser wäre, als in der Schule einen Massenmord zu begehen. Der Kläger hat somit in mehreren alltäglichen Situationen ein hohes Maß an Unbeherrschtheit zum Ausdruck gebracht und sich als durch alltägliche Situationen leicht provozierbar gezeigt.
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Hinzu tritt, dass der Kläger die Äußerungen nicht nur im Zustand emotionaler Erregung, sondern auch in Ruhe im Rahmen eines Vieraugengesprächs wiederholt hat. Es lässt sich der Aussage des Kollegen, Herrn B., entnehmen, dass erst dieser Umstand zu einer Mitteilung an die Schulleitung geführt habe, da ihm dieses konkrete Verhalten Angst bereitet habe.
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Zudem hat der Kläger gegenüber der Polizei selbst eingeräumt, an psychischen Problemen zu leiden. So gab der Kläger auf Befragen an, unter Burnout zu leiden und mit Depressionen zu kämpfen. Er könne nicht mit Emotionen umgehen und brauche ein Ventil, um Aggressionen auszuleben. In den Wachräumen hat der Kläger außerdem Suizidgedanken geäußert. Zudem wurde seitens der Polizei aufgrund der psychischen Ausnahmesituation eine Neigung zur Fremdgefährdung festgestellt. Deshalb wurde der Kläger am 29. Juni 2021 im Bezirksklinikum … untergebracht.
38
Festzuhalten ist in diesem Zusammenhang, dass dahinstehen kann, ob und inwieweit die Aufforderung der Waffenbehörde zur Vorlage eines amts- oder fachärztlichen oder fachpsychologischen Zeugnisses über die persönliche Eignung des Klägers (vgl. § 6 Abs. 2 WaffG) rechtmäßig war. Deshalb kommt es auch nicht streitentscheidend darauf an, ob durch das Verhalten des Klägers im Vorfeld der Begutachtung hinreichende Zweifel an der waffenrechtlichen Eignung begründet wurden, die die Behörde zur Forderung einer fachpsychologischen Begutachtung veranlassen durften. Denn die Verwertbarkeit eines der Waffenbehörde tatsächlich bekannt gewordenen negativen Eignungsgutachtens hängt nicht von der Rechtmäßigkeit der Aufforderung (Anordnung) zur Gutachtensvorlage ab (vgl. VG München, U.v. 7.2.2018 – M 7 K 17.113 – unter Bezugnahme u.a. auf die für den Bereich des Fahrerlaubnisrechts st. Rspr. BayVGH, z.B. B.v. 28.10.2013 – 11 CS 13.1746 – juris Rn. 8). Das Gutachten mit der negativen Eignungsbewertung bildet im Rahmen des waffenrechtlichen Widerrufsverfahren eine neue, verwertbare Tatsache. Deshalb bleibt auch der klägerische Einwand unbeachtlich, der Beklagte habe allein subjektive Sachverhaltsdarstellungen der Polizei sowie schriftliche Zeugenaussagen unrechtmäßig als Veranlassung herangezogen, um eine fachpsychologische Begutachtung des Klägers zu rechtfertigen.
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2) Letztlich wurde der Widerruf der Waffenbesitzkarten zu Recht auf das vorgelegte fachpsychologische Gutachten der TÜV … vom 23. November 2021 gestützt, sodass es auf das im Vorfeld des Gutachtens Zweifel an der Waffeneignung erweckende Verhalten des Klägers nicht mehr entscheidungserheblich ankommt. Das Gutachten hält als Ergebnis fest, dass der Kläger aufgrund der Befundlage persönlich derzeit nicht geeignet ist, mit Waffen oder Munition umzugehen.
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(a) Das Gutachten erfüllt insbesondere die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Allgemeine Waffengesetz-Verordnung (AWaffV). Danach hat sich der Gutachter über den Betroffenen einen persönlichen Eindruck zu verschaffen und das Gutachten muss Auskunft darüber geben, ob der Betroffene persönlich ungeeignet ist, mit Waffen oder Munition umzugehen; die bei der Erstellung des Gutachtens angewandte Methode muss hierbei angegeben werden. Entsprechend dieser Grundsätze hält das Gutachten als Ergebnis der Begutachtung fest, dass der Kläger derzeit nicht geeignet ist, mit Waffen oder Munition umzugehen. Zu diesem Ergebnis gelangte der Gutachter anhand der fachpsychologischen Untersuchung, die in die psychofunktionale Leistungsdiagnostik, die Persönlichkeitsdiagnostik und das psychologische Untersuchungsgespräch gegliedert ist. Die Ergebnisse der Prüfungsverfahren (Test zur Messung der Belastbarkeit und des Reaktionsvermögens, Fragebogenverfahren, Verhaltensbezogener Persönlichkeitstest) wurden im Gutachten festgehalten. Die Ergebnisse wurden laut Gutachten mit dem Kläger im Rahmen des sich anschließenden psychologischen Untersuchungsgesprächs erörtert. Das Gutachten ist insbesondere nachvollziehbar und nachprüfbar. Einwände hiergegen wurden weder vorgetragen, noch sind diese ersichtlich. Vielmehr gibt das Gutachten detailliert den Untersuchungsprozess wieder und erläutert das Ergebnis der Untersuchung. So wurde im Rahmen der fachpsychologischen Stellungnahme am Ende des Gutachtens im Wesentlichen festgehalten, dass sich bei den durchgeführten Testverfahren keine auffälligen Werte gezeigt hätten, die für sich genommen der waffenrechtlichen Eignung entgegenstehen würden. Der Gutachter konstatierte jedoch, dass davon auszugehen sei, dass der Kläger derzeit noch keinen Entwicklungsstand erreicht habe, der eine hinreichend zuverlässige Affektsteuerung und damit nötige stabile Verantwortungsfähigkeit beim Umgang mit Waffen absichern würde, da das grundsätzliche Problem gestauter Affekte noch einer therapeutischen Aufarbeitung bedürfe. Dieses Ergebnis wird nachvollziehbar auf die Erkenntnis gestützt, dass beim Kläger unzureichende Möglichkeiten beim Umgang mit Konflikten erkennbar seien und von einer Problemverdrängung auszugehen sei, die einer tiefergehenden Auseinandersetzung mit seinen Problemen im Wege stehe.
41
(b) Der klägerische Einwand, es müsse angesichts des zeitlichen Abstandes seit der Entlassung aus dem Bezirkskrankenhaus eine erneute Begutachtung erfolgen, verfängt nicht. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer waffenrechtlichen Widerrufsentscheidung durch das Gericht ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung (vgl. BayVGH, B.v. 5.1.2018 – 21 CS 17.1521 – juris, Rn. 13 m.w.N.). Im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses am 1. März 2022 durfte der Beklagte auf Grundlage des fachpsychologischen Gutachtens der TÜV … vom 23. November 2021 davon ausgehen, dass der Kläger derzeit keine waffenrechtliche Eignung aufweist. Eine mögliche Verbesserung des psychischen Zustandes bedingt durch die zwischenzeitliche Versetzung des Klägers in den Ruhestand mit Urkunde vom 11. April 2022 ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufsbescheides unbeachtlich, kann aber im Rahmen eines Wiedererteilungsverfahrens Berücksichtigung finden.
42
(c) Als unbeachtlich wird auch der Vortrag des Klägers eingestuft, er habe nie mit Tätlichkeiten gedroht; dies werde in der Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen Gefährdung des öffentlichen Friedens durch Ankündigung von Straftaten ersichtlich. Der Kläger verkennt hier die unterschiedlichen Zielrichtungen einerseits eines Straf- oder Bußgeldverfahrens und andererseits des gefahrenabwehrrechtlich mit Blick auf die Zukunft intendierten waffenrechtlichen Verwaltungsverfahrens, in dem es nicht um die nachträgliche Sanktionierung und Feststellung der persönlichen Schuld vor dem Hintergrund einer insoweit geltenden Unschuldsvermutung geht. Maßgeblich ist die Abwehr aktueller und künftiger Gefahren im Interesse der Allgemeinheit, die eine „Ungefährlichkeitsvermutung“ oder „im Zweifel“ einen Verzicht auf eine Gefahrenabwehr vor dem Hintergrund der staatlichen Schutzpflichten gegenüber der Bevölkerung für die Rechtsgüter Leben und Gesundheit nicht zulässt (SächsOVG, B.v. 28.4.2022 – 6 B 72/22 – juris Rn. 13; OVG Saarl., B.v. 9.12.2016 – 2 A 85/16 – juris Rn. 12 m.w.N.). Es ist unerheblich, ob das Verhalten des Antragstellers zu strafrechtlichen Verurteilungen geführt hat. Die Waffenbehörde hat eine eigenständige Bewertung vorzunehmen, die sich insbesondere an präventiven Gesichtspunkten orientiert (BayVGH, B.v. 8.6.2022 – 24 CS 22.837 – juris Rn. 19). Auf der Grundlage des festgestellten Sachverhalts ist eine Prognose zu erstellen und der allgemeine Zweck des Gesetzes zu berücksichtigen, beim Umgang mit Waffen und Munition die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung zu wahren (§ 1 Abs. 1 WaffG). Die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, sind nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. In Anbetracht der in Rede stehenden Schutzgüter und dem strikt präventiven Charakter der gesetzlichen Regelung ist keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für ein Fehlverhalten erforderlich. Vielmehr reicht eine auf Lebenserfahrung gestützte Einschätzung der Behörde aus, soweit diese auf tatsächlichen Anknüpfungspunkten basiert. Ein Restrisiko muss nicht hingenommen werden (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 21 ZB 14.1512 – juris Rn. 12; B.v. 4.12.2013 – 21 CS 13.1969 – juris Rn. 14 mit Hinweis auf st.Rspr. des BVerwG z.B. B.v. 31.1.2008 – 6 B 4/08 – juris, sowie B.v. 2.11.1994 – 1 B 215/93 – juris; Gade, WaffG, 2. Aufl. 2018, § 5 Rn. 20). Das fachpsychologische Gutachten der TÜV … vom 23. November 2021 bildet für diese Prognose eine hinreichend sichere Basis.
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(d) Nicht zuletzt deshalb geht auch der klägerische Einwand fehl, der ihn behandelnde Diplom-Psychologe komme in seinem Bericht vom 9. Dezember 2021 zu einem anderen Ergebnis als das fachpsychologische Gutachten der TÜV … vom 23. November 2021, da der Kläger diesem gegenüber glaubhaft geschildert habe, nicht mit Tätlichkeiten gedroht zu haben. Denn ob der Kläger die tatsächliche Intention hatte, Tätlichkeiten durchzuführen, ist für das Waffenrecht und für die Frage, ob etwaige waffenrechtliche Erlaubnisse wegen fehlender Eignung widerrufen werden können, nicht ausschlaggebend. Hierbei handelt es sich um präventives Gefahrenabwehrrecht, bei dem selbst ein nur geringfügiges Restrisiko, der Betroffene könne doch die Schwelle zur Tätlichkeit überschreiten, nicht hingenommen werden muss. Auch im Übrigen vermag der Bericht vom 9. Dezember 2021 nicht zu einer anderen Einschätzung hinsichtlich der fehlenden waffenrechtlichen Eignung des Klägers verhelfen. Der Bericht stellt lediglich pauschal fest, dass der Kläger ihm gegenüber glaubhaft geschildert habe, dass er nicht mit Tätlichkeiten gedroht habe und dass die entsprechende Passage des TÜV-Gutachtens, der Kläger habe seine Äußerungen nicht hinreichend realitätsnah eingeschätzt, nicht geteilt werde. Näher erläutert wird diese Einschätzung nicht. Dementsprechend konnte das Attest hinsichtlich der waffenrechtlichen Eignungsfrage kein anderes Ergebnis begründen, zumal der Begutachter nach § 4 Abs. 4 Satz 1 AWaffV auch nicht der behandelnde Arzt sein darf.
44
b. Auch die Ziff. 2 des Bescheides erweist sich als rechtmäßig. Gemäß § 34 Abs. 2 Gesetz über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz – SprengG) ist die sprengstoffrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Voraussetzung für die Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Erlaubnis ist nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 SprengG i.V. m. § 8 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 lit. b SprengG die erforderliche Eignung nach § 8b SprengG. Nach § 8b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SprengG besitzen Personen die erforderliche persönliche Eignung nicht, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie auf Grund in der Person liegender Umstände mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren können oder dass die konkrete Gefahr einer Fremd- oder Selbstgefährdung besteht. Diesbezüglich wird vollumfänglich auf die Ausführungen unter 1. a. bb. verwiesen.
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c. Die Kostenentscheidung in Ziff. 3 des Bescheides hält ebenfalls einer Rechtmäßigkeitskontrolle stand. Die Kostenentscheidung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 1, 2 und 3 Kostengesetz (KG). Die Höhe der Gebühr für den Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis bemisst sich nach Art. 1 Abs. 1 KG i.V. m. 5 KG und Tarif-Nr. 2.II.7/39 i.V.m. Tarif-Nr. 2.II.7/7 des Kostenverzeichnisses. Die Höhe der Gebühr für den Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis folgt aus Tarif-Nr. 7.I.3/1.18 i.V.m. Tarif-Nr. 7.I.3/1.12.1 des Kostenverzeichnisses. Die festgesetzten Gebühren halten sich in dem vorgesehenen Rahmen. Die Auslagenforderung in Höhe von 4,11 EUR basiert auf Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG.
46
2. Die gerichtliche Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
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3. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V. m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung (ZPO).