Titel:
Erfolgreiche Verpflichtungsklage gegen Nichtbestehen des praktischen Teils der Jägerprüfung
Normenketten:
BayJG Art. 28 Abs. 1
JFPO § 14, § 15 S. 1
BayVwVfG Art. 21 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Trotz der Möglichkeit, die Jägerprüfung an sich beliebig oft zu wiederholen, besteht für eine Verpflichtungsklage das für die Zulässigkeit des Antrags auf Gestattung der Wiederholung der praktischen Jägerprüfung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Aus § 15 S. 1 JFPO ergibt sich, dass der Prüfling zulässigerweise begehren darf, auch lediglich den praktischen Prüfungsabschnitt unter Aufrechterhaltung der übrigen bereits bestandenen Abschnitte zu wiederholen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird ein ordnungsgemäßer Prüfungsablauf durch die Prüfer nicht gewährleistet und kann das Prüfungsergebnis dadurch letztlich auch beeinflusst worden sein, liegt ein formeller Verfahrensfehler vor. Es obliegt dem betroffenen Prüfling, einen solchen rechtserheblichen Verfahrensfehler im Widerspruchs- oder im Klageverfahren rechtzeitig zu rügen. Anderenfalls kann sich der Prüfling mangels Rüge nicht auf diesen Verfahrensfehler berufen. (Rn. 27) (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei der Jägerprüfung handelt es sich nicht um eine berufsbezogene bzw. -eröffnende Prüfung, mit der Folge, dass die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 12 Abs. 1 GG entwickelten strengen Maßstäbe gerichtlicher Kontrolldichte keine Anwendung finden. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung einer Prüfungsentscheidung darf deshalb in den prüfungsspezifischen Bezugs- und Vergleichsrahmen nicht eingreifen. Im Bereich prüfungsspezifischer Wertungen sind die Verwaltungsgerichte in ihrer Überprüfungskompetenz daher darauf beschränkt, zu kontrollieren, ob die Grenzen des dem Prüfer zugewiesenen Bewertungsspielraums verletzt sind, ob also eine offensichtliche Fehleinschätzung vorliegt. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
praktischer Teil der Jägerprüfung, gerichtliche Überprüfungskompetenz von Prüfungsentscheidungen, kein ordnungsgemäßer Verfahrensablauf als formeller Fehler, fehlende rechtzeitige Rüge, Bewertungsfehler der Prüfer als materiell-rechtlicher Fehler
Fundstelle:
BeckRS 2023, 9252
Tenor
I. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
II. Der Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom ... 2022 (Az. 22/1-583-7931.2 pT) und der Widerspruchsbescheid vom ... 2022 (Az. 22/01-583-7931.2 W) werden aufgehoben.
Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine erneute Wiederholung der praktischen Prüfung ohne Anrechnung auf die ihm offenstehenden Wiederholungsmöglichkeiten zu gestatten.
III. Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte.
IV. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen das Nichtbestehen des praktischen Teils seiner Jägerprüfung.
2
1. Mit Bescheid vom 23. März 2022, dem Kläger laut Postzustellungsurkunde am 24. März 2022 zugegangen, teilte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) A.-L. – Zentrale Jäger- und Falknerprüfungsbehörde – dem Kläger mit, dass er den praktischen Teil der Jägerprüfung 01/22 nicht bestanden habe (Ziffer 1 des Bescheids). Kosten würden nicht erhoben (Ziffer 2).
3
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Kläger nicht die erforderlichen Kenntnisse bei der Handhabung der Jagdwaffe nach § 14 Abs. 2 JFPO habe nachweisen können, weshalb er nach § 14 Abs. 6 JFPO den praktischen Teil der Prüfung nicht bestanden habe.
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Mit Schreiben vom 28. März 2022, eingegangen beim AELF A.-L. am 30. März 2022, ließ der Kläger Widerspruch gegen diesen Bescheid erheben. Auf die Widerspruchsbegründung vom 30. März 2022 wird Bezug genommen.
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Auf die im Widerspruchsverfahren eingeholten Stellungnahmen des Prüfungsausschussvorsitzenden ... vom 11. April 2022 sowie der Prüfer ... vom 19. April 2022 und ... vom 20. April 2022 wird Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 5. Mai 2022 an das AELF A.-L., auf welches ebenfalls Bezug genommen wird, ging der Kläger auf die ihm vorgelegten Stellungnahmen ein. Mit Schreiben vom 24. Mai 2022 gab das AELF A.-L. dem Kläger bis zum 17. Juni 2020 Gelegenheit zur Äußerung, ob er den Widerspruch aufrechterhalten wolle. Auf die Stellungnahme des Klägers vom 8. Juni 2022 wird Bezug genommen.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2022 wies das AELF A.-L. den Widerspruch vom 28. März 2022 gegen den Bescheid vom 23. März 2022, Az. 22/01-583-7931.2 pT, zurück (Ziffer 1 des Bescheids). Dem Kläger wurden die Kosten des Verfahrens auferlegt und eine Gebühr in Höhe von 420.00 € erhoben (Ziffern 2 und 3).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Widerspruch sei zwar zulässig aber unbegründet. Der angefochtene Verwaltungsakt sei in der Sache selbst rechtmäßig und verletze den Kläger aus diesem Grunde nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog. Rechtsgrundlage für die Bewertung des praktischen Teils der Jägerprüfung mit „nicht bestanden“ sei § 14 Abs. 6 i.V.m. Abs. 2 der Verordnung über die Jäger- und Falknerprüfung (im Folgenden: JFPO). Nach Einholung der Stellungnahmen bei den an der Prüfung am 14. März 2022 am Prüfungsstandort … beteiligten Personen bestünden keine Zweifel, dass die Prüfung korrekt durchgeführt worden sei und die Bewertung der Prüfungsleistung ordnungsgemäß erfolgt sei. Der Kläger habe zwei entscheidende Handhabungsfehler während der Sicherungskontrolle begangen. Unstreitig sei, dass sich die vorgelegte Waffe in einem sicheren Zustand befunden habe. Entscheidend sei aber, dass der Kläger hätte mitteilen müssen, in welchem Sicherungszustand sich die Waffe befunden habe (gesichert oder ungesichert; richtig: entsichert). Die Sicherung sei vom Kläger nicht kontrolliert worden oder die Waffe den Prüfern als entsichert benannt worden. Auch ein manuelles Sichern der Waffe hätte problemlos durchgeführt werden können, um die Waffe den Prüfern dann als gesichert melden zu können. Weiter sei zum Abschluss der Handhabung am Repetierer (Ablegen der Waffe) der Verschluss vom Kläger nach vorne geschoben worden, ohne den Verschluss zu verriegeln und die Waffe als gesichert bezeichnet worden. Der Zustand der Waffe sei in diesem Moment jedoch nicht gesichert gewesen. Für ein Bestehen der Waffenhandhabung hätte der Kläger ausreichende Leistungen in der Handhabung der Waffen belegen müssen (§ 14 Abs. 2 JFPO). Die Leistung in der Waffenhandhabung sei von den beiden Prüfern zu prüfen und zu bewerten gewesen, vgl. § 14 Abs. 2 Satz 2 JFPO. Da der Kläger sicherheitsrelevante Fehler begangen hätte, habe die Prüfung mit „nicht bestanden“ bewertet werden müssen. Diese Entscheidung sei von der Beurteilungsermächtigung der Prüfer abgedeckt gewesen. Die Prüfungsdurchführung und die Leistungsbewertung seien schlüssig und widersprächen nicht den Erfordernissen rationaler Abwägung.
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Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 18. Juni 2022 zugestellt.
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2. Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 13. Juli 2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, ließ der Kläger Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg erheben und schriftsätzlich zuletzt beantragen,
1. Der Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 23.03.2022 (Az. 22/1-583-7931.2 pT) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.06.2022 (Az. 22/01-583-7931.2 W) wird aufgehoben.
2. Der Beklagte wird verpflichtet, den praktischen Teil der Jägerprüfung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bewerten.
Hilfsweise: Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine erneute Wiederholung der praktischen Prüfung im Fachgebiet Handhabung der Jagdwaffen ohne Anrechnung auf die ihm offenstehenden Wiederholungsmöglichkeiten zu gestatten.
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Weiter Hilfsweise: Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine erneute Wiederholung der praktischen Prüfung ohne Anrechnung auf die ihm offenstehenden Wiederholungsmöglichkeiten zu gestatten.
12
Zur Begründung wurde in sachlicher Hinsicht im Wesentlichen vorgetragen, der Kläger habe am 8. Februar 2022 erfolgreich den schriftlichen Teil der Jägerprüfung und am 22. Februar 2022 erfolgreich den mündlichen Teil der Jägerprüfung absolviert. Am 14. März 2022 habe der Kläger am praktischen Teil der Jägerprüfung in ... teilgenommen. Als Prüfer seien anwesend gewesen Herr ... sowie Herr ... Die Prüfungsaufsicht habe Herr ... gehabt. Prüfungsausschussvorsitzender sei Herr ... gewesen. Während der Prüfung seien auch Frau …, die Ausbilderin des Klägers, sowie Frau ... anwesend gewesen. Bei beiden handele es sich auch um Prüferinnen. Auf dem Weg zur Prüfung sei der Kläger von Herrn … gefragt worden, ob der Kläger aus … komme und mit Herrn ... vom Geflügelhof aus … verwandt sei. Der Kläger habe dies bejaht. Zum Prüfungsbeginn sei dem Kläger mit den Worten „Hier ist eine Waffe“ das Repetiergewehr Modell Mauser 98 vorgelegt worden. Der Verschluss der Waffe sei vollständig geöffnet gewesen. Der Kläger habe die Waffe zur Durchführung der Sicherheitskontrolle in diesem Zustand aufgenommen und mit den erforderlichen Durchführungsschritten, die er jeweils laut angesagt habe, begonnen. Der Kläger habe die Waffe als Repetierer Modell 98 bezeichnet und festgestellt, dass die Waffe geöffnet sei, da der Sicherungsflügel nach links gezeigt habe. Ferner habe er festgestellt, dass die Waffe geöffnet und damit in einem sicheren – da nicht-schussfähigen – Zustand gewesen sei. Danach habe der Kläger den Stecher überprüft. Dieser sei eingestochen gewesen und sei mittels Zitterspielergriffs entstochen worden. Anschließend habe der Kläger festgestellt, dass die Waffe nicht geladen und der Lauf frei sowie unbeschädigt gewesen sei. Danach habe der Kläger nach dem Kaliber geschaut und festgestellt, dass es sich um das Kaliber 7 x 57 handele. Anschließend habe er gesagt, dass die Sicherheitsprüfung abgeschlossen sei und habe die Waffe daraufhin in geöffnetem Zustand (schießstandgerecht) abgelegt. Daraufhin hätten sich Herr … und Herr … darauf verständigt, die Prüfung zu unterbrechen, um sich unter Ausschluss des Klägers sowie der Zuhörerinnen zu beraten. Herr … habe dem Kläger anschließend mitgeteilt, dass er während der Sicherheitskontrolle den Sicherungszustand der Waffe falsch bestimmt habe. Begründet worden sei dies damit, dass der Kläger nach Aufnahme der geöffneten Waffe mitgeteilt haben soll, dass die Waffe gesichert sei, obwohl der Sicherungsflügel nach links gezeigt habe und die Waffe damit entsichert gewesen sei. Nachdem der Kläger eingewandt habe, er habe lediglich festgestellt, dass die Waffe in geöffnetem Zustand nicht gesichert werden könne, sich aber in einem sicheren Zustand befände, hätten sich die Prüfer erneut beraten. Dem Kläger sei nunmehr mitgeteilt worden, dass er die Waffe während der Sicherheitsprüfung einmal in ungesichertem Zustand geschlossen und angesagt hätte, dass diese gesichert sei, obwohl die Sicherung nach links gezeigt habe. Danach habe er sie wieder geöffnet und in diesem Zustand ungesichert abgelegt. Richtig sei jedoch, dass die Waffe sowohl nach der ersten als auch nach der zweiten Unterbrechung nach wie vor noch geöffnet auf dem Tisch gelegen habe, mithin in dem Zustand, wie sie durch den Kläger dort abgelegt worden sei. Der Kläger habe die Sicherheitsprüfung an der Prüfungswaffe damit korrekt und ohne Fehler durchgeführt. Er habe den Verschluss des Repetierers zu keinem Zeitpunkt geschlossen; ferner habe er den Sicherungszustand der Waffe zu keinem Zeitpunkt als gesichert beschrieben.
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In rechtlicher Hinsicht trug der Klägerbevollmächtigte im Wesentlichen vor, dass die Klage zulässig und begründet sei. Die Prüfungsentscheidung leide bereits an einem formellen (Verfahrens)-Fehler. Der Prüfer, Herr …, sei mit der Familie des Klägers bekannt und es sei zwischen den Familien in der Vergangenheit teils zu Disputen gekommen. Insoweit dränge sich der Verdacht auf, dass auf Grund der privaten Frage über die Familienherkunft des Klägers unmittelbar vor Beginn der Prüfung eine gewisse Voreingenommenheit des Prüfers vorliegen würde. Unabhängig hiervon erweise sich die Prüfungsentscheidung auch in der Sache selbst als rechtswidrig: Entgegen der Auffassung des Beklagten habe der Kläger die Sicherungskontrolle vollständig und in korrekter Weise vorgenommen. Insbesondere sei die Prüfungswaffe nicht, wie von Herrn … dargelegt, als gesichert bezeichnet worden. Auch könne nicht nachvollzogen werden, dass das Nichtbestehen der Prüfung dem Kläger gegenüber am Prüfungstag zweimal mit je unterschiedlicher Begründung bekanntgegeben worden sei. In der Widerspruchsentscheidung werde die Ablehnung indes darauf gestützt, dass klägerseits überhaupt keine Sicherungskontrolle erfolgt sei. Hierzu werde angemerkt, dass auch aus dem Prüfungsleitfaden nicht folge, dass i.R.d. Sicherheitskontrolle die Waffe als gesichert bzw. entsichert bezeichnet werden müsse. Vielmehr sei der Kläger – auch vor dem Aspekt der Vorschriften über Sicherheit und Gesundheitsschutz (VSG) – seinen Anforderungen nachgekommen, indem er den Zustand der Waffe beschrieben (Sicherungsflügel nach links zeigend benannt) und die Waffe, da geöffnet, als sicher befunden habe. Sofern moniert worden sei, dass die geöffnete Waffe verriegelt hätte werden müssen, um sie dann wieder zu öffnen, sei anzumerken, dass der Kläger dadurch eine sichere, da geöffnete, Waffe in einen unsicheren Zustand hätte bringen müssen, um sie dann mittels Flügelsicherung sichern zu können und danach wieder öffnen zu können.
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Weiter wurde ergänzend vorgetragen, die Familie des Klägers – ebenfalls Jäger – sei zusammen mit Herrn … im selben Kreisverband. Ein weiterer Teil der Familie sei sehr aktiv im Bereich Jagdhundezucht. Es sei nicht nur in diesem Zusammenhang zu Auseinandersetzungen zwischen den Mitgliedern der klägerischen Familie und der des Herrn … gekommen. Daher könne nicht nachvollzogen werden, inwieweit die Nachfrage sowie die Bestätigung des Klägers, dass er zum Familienverbund der Familie … gehöre, eine Befangenheit hätte ausschließen können. Vielmehr sei dadurch gerade bekräftigt worden, dass der Kläger zu der Herrn … bekannten Familie gehöre. Nicht die Tatsache, dass der Kläger nach seiner Herkunft gefragt worden sei, sei bedenklich, sondern die Tatsache, dass der Prüfer die konkrete Frage gestellt habe, offenbar eine Verbindung habe herstellen können und dennoch keine entsprechende Reaktion gefolgt sei, etwa die Besorgnis der Befangenheit anzusprechen oder zumindest die Tatsache offen zu legen, dass er in dem gleichen Kreisverband aktiv sei und den anderen Mitprüfern die Entscheidung über seine etwaige Befangenheit zu überlassen. Fraglich sei weiter, welcher Beweiswert etwaigen telefonischen Nachfragen bzw. Bestätigungen der Prüfer beizumessen sei. Die Begründung für den Abbruch der Prüfung sei bereits am Prüfungstag inkonsequent gewesen und sei durch die Prüfer abgeändert worden, als der Kläger der ersten Begründung entgegengetreten sei. Auch könne die Aussage von Herrn …, „Der gesamte Ablauf der Prüfung wurde noch mal mit dem PAV, Herrn …, besprochen und festgestellt, dass der Zustand der Sicherung falsch angesprochen wurde.“, nicht zutreffend sein. Denn wie der Aussage von Herrn … zu entnehmen sei, habe sich dieser vielmehr dafür ausgesprochen, die Prüfung an dieser Stelle nicht zu beenden. Die fachliche Bewertung der Sachlage in der von der Beklagtenseite vorgelegten Stellungnahme des Herrn … müsse ebenfalls angezweifelt werden. Dort heiße es, der Kläger hätte die Waffe schlicht sichern können. Dies sei allerdings nicht möglich. Die Prüfungswaffe könne in geöffnetem Zustand nicht gesichert werden.
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3. Die Regierung von Unterfranken in Prozessvertretung für das AELF L. beantragte für den Beklagten,
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Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf die Begründung im Widerspruchsbescheid im Wesentlichen vorgetragen, dass die Prüfung in formeller Hinsicht ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Der Befangenheitsvorwurf sei unbegründet, es fehle am Vorliegen eines Befangenheitsgrundes. Allgemein betrachtet sei es nichts Ungewöhnliches, wenn ein Prüfer beim Prüfungsbewerber etwa zum Familienverbund nachfrage, um eine etwaige Befangenheit gerade ausschließen zu können. Laut Auskunft von Herrn … der Prüfungsbehörde gegenüber sei ihm der Betrieb … namentlich bekannt. Beziehungen privater oder geschäftlicher Art zur Unternehmung oder den dahinterstehenden Personen gebe es nicht, somit auch nicht die behaupteten Dispute. Nach dem Bewertungsschema für den praktischen Teil der Jägerprüfung stelle eine nicht durchgeführte oder eine unvollständig durchgeführte Sicherheitsüberprüfung einen allgemeingültigen Fehler des Typs 1 dar, der das Nichtbestehen der Prüfung zur Folge habe. Beide Prüfer (Herren … und Herr …*) hätten nach Aussage der Prüfungsbehörde voneinander unabhängig aber übereinstimmend, zuletzt am 22. Juli 2022 anlässlich einer erneuten diesbezüglichen Nachfrage der Prüfungsbehörde, erklärt, dass der Kläger entgegen seiner Darstellung den Sicherungsflügel und dessen Position bei seiner Ansage nicht erwähnt habe. Weiterhin sei vom Kläger, die fehlende Möglichkeit des Sicherns der Waffe nicht angesprochen worden. Der Bewerber habe den Ausgangszustand (= nicht gesichert) nicht in der gebotenen Form thematisiert – wohl in der irrigen Annahme, dass bei einer Waffe im sicheren Zustand (aufgrund des geöffneten Verschlusses) die Sicherung bzw. der gegebene Sicherungszustand (Sicherungseinrichtung) nicht weiter beachtlich sei. Nachdem der Kläger in der Folge an der Waffe weitere Handhabungsschritte durchgeführt habe, hätten die Prüfer die Aussage des Klägers, dass die Waffe gesichert sei, obwohl sie ungesichert gewesen sei, als entscheidend falsche Darstellung der Ist-Situation bewertet.
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4. In der mündlichen Verhandlung am 2. März 2023 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Durch Beschluss vom 2. März 2022 wurde über den Ablauf der praktischen Jägerprüfung des Klägers am 14. März 2022 (Prüfungsort ...) Beweis erhoben durch Einvernahme der Zeugen ..., ..., ... und ... …
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Der Kläger ließ beantragen,
den Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 23. März 2022 (Az. 22/1-583-7931.2 pT) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 2022 (Az. 22/01-583-7931.2 W) aufzuheben und den Beklagte zu verpflichten, dem Kläger eine erneute Wiederholung der praktischen Prüfung ohne Anrechnung auf die ihm offenstehenden Wiederholungsmöglichkeiten zu gestatten, und ließ die Klage im Übrigen zurückzunehmen.
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Im Übrigen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
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5. Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Beteiligten, sowie der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte und die vorliegende Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Soweit in der mündlichen Verhandlung die Klage in Bezug auf eine Verpflichtung zur Neubewertung des praktischen Teils der Jägerprüfung sowie hilfsweise zur Gestattung einer Wiederholung der praktischen Prüfung im Fachgebiet Handhabung der Jagdwaffen ohne Anrechnung auf die ihm offenstehenden Wiederholungsmöglichkeiten zurückgenommen wurde, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO).
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2. Soweit über die Klage zu entscheiden war, ist sie zulässig und begründet.
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2.1 Hinsichtlich der statthaften Verpflichtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, besteht trotz der Möglichkeit, die Jägerprüfung an sich beliebig oft zu wiederholen, insbesondere das für die Zulässigkeit des Antrags auf Gestattung der Wiederholung der praktischen Jägerprüfung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Aus § 15 Satz 1 JFPO ergibt sich, dass der Kläger zulässigerweise begehren darf, auch lediglich den praktischen Prüfungsabschnitt unter Aufrechterhaltung der übrigen bereits bestandenen Abschnitte zu wiederholen (vgl. VG Würzburg, U.v.19.2.2021 – W 9 K 20.921 – juris Rn. 56).
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2.2 Der Kläger hat einen Anspruch auf Gestattung einer (erneuten) Wiederholung der praktischen Jägerprüfung ohne Anrechnung auf die ihm offenstehenden Wiederholungsmöglichkeiten. Der Bescheid des AELF A.-L. vom 23. März 2022 und der Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2022 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung leidet der praktische Prüfungsabschnitt unter gravierenden Mängeln, die der gerichtlichen Kontrollkompetenz zugänglich und zumindest auf materiell-rechtlicher Ebene auch beachtlich sind.
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Grundlage der praktischen Jägerprüfung stellt Art. 28 Abs. 1 BayJG i.V.m. § 14 JFPO dar. Nach § 11 Abs. 1 JFPO besteht die Jägerprüfung aus dem schriftlichen Teil, dem mündlichen Teil und dem praktischen Teil. Der praktische Teil der Prüfung ist in § 14 JFPO geregelt, wonach dieser aus den Disziplinen Handhabung der Waffen und Büchsenschießen besteht (§ 14 Abs. 1 JFPO). Bewerber, die unter anderem ausreichende Leistungen in der Handhabung von Waffen gemäß Abs. 1 nicht nachgewiesen haben, haben den praktischen Teil der Prüfung nicht bestanden, § 14 Abs. 6 JFPO.
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2.2.1 Im Rahmen der Prüfung auf formelle Fehler konnte das Gericht zwar nicht feststellen, dass hinsichtlich des Prüfers … die vom Kläger gerügte Befangenheit vorliegt. Jedoch kann ein formeller Mangel dahingehend angenommen werden, dass ein ordnungsgemäßer Prüfungsablauf durch die Prüfer nicht gewährleistet wurde. Auf diesen Verfahrensfehler kann sich der Kläger aber wiederum mangels Rüge nicht berufen.
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Hinsichtlich der Geltendmachung eines Verfahrensfehlers ist anzumerken, dass es Obliegenheit des betroffenen Prüflings ist, einen rechtserheblichen Verfahrensfehler rechtzeitig zu rügen, und dass ihm die materielle Beweislast für das tatsächliche Vorliegen des Fehlers zu kommt (vgl. VG Würzburg, U.v. 16.6.1999 – W 6 K 99.19 – juris Rn. 20). Weiter führt das Vorliegen eines formellen Fehlers nur zur Aufhebung einer Prüfungsentscheidung, wenn der Mangel wesentlich ist und sein Einfluss auf das Prüfungsergebnis nicht ausgeschlossen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 9.12.1992 – 6 C 3.92 – juris). Bei der Überprüfung des Vorliegens von Verfahrensmängeln steht dem Gericht eine uneingeschränkte Kontrollbefugnis zu (vgl. Tausch in Schuck, BJagdG, 3. Auflage 2019, § 15 Rn. 52).
29
Das Gericht konnte keine Befangenheit des Prüfers … feststellen. Befangenheit i. S. v. Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG im Fall einer zu bewertenden Prüfungsleistung kann erst dann angenommen werden, wenn der Prüfer – ohne Rücksicht auf individuelle Befindlichkeiten des Prüflings – diesem gegenüber eine aus objektiven Anhaltspunkten ableitbare Voreingenommenheit zeigt, wenn also die notwendige persönliche Distanz zum Prüfling und die fachliche Neutralität im Prüfungsverfahren nicht mehr gewährleistet erscheint (BayVGH, B.v. 17.11.2014 – 22 ZB 14.1633 – juris Rn. 18). Beiläufige oder vereinzelte Ausrutscher und Entgleisungen eines Prüfers, die nicht für die ganze Prüfung kennzeichnend sind und die nicht eine generell ablehnende Haltung gegenüber dem Prüfungsteilnehmer offenbaren, lassen für sich allein ebenso wie harte, aber berechtigte Kritik nicht notwendig auf eine Befangenheit des Prüfers schließen (BVerwG, U. v. 20.9.1984 – 6 C 35/92 – juris; BayVGH, B. v. 14.12.2010 – 7 ZB 10.2108 – juris Rn. 9). Die Frage nach der Familienzugehörigkeit des Klägers erklärte der Zeuge … in der mündlichen Verhandlung glaubhaft mit der Bekanntheit des Nachnamens des Klägers in dem Wohnort, aus dem der Zeuge stammt, da die Familie des Klägers dort regelmäßig Eier verkauft. Diese Frage allein im Vorfeld der praktischen Jägerprüfung war somit nicht ausreichend, die notwendige persönliche Distanz zum Prüfling oder die fachliche Neutralität im Prüfungsverfahren als nicht mehr gewährleistet anzusehen.
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Jedoch kann ein formeller Fehler dahingehend angenommen werden, dass ein ordnungsgemäßer Prüfungsablauf durch die Prüfer nicht gewährleistet werden konnte und das Prüfungsergebnis dadurch letztlich auch beeinflusst worden sein kann. Gem. Ziffer II.3.2 des Prüfungsleitfadens für den praktischen Teil der Jägerprüfung (Stand September 2012), welcher in entsprechender Fassung auch vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seinem Beschluss vom 21. Juni 2017 (Az.: 19 ZB 16/2254 – juris Rn. 9 ff.) als Maßstab herangezogen wurde, sind bei der Handhabungsprüfung Ausbilder als Zuhörer nur zugelassen, soweit dadurch der Prüfungsablauf nicht gestört wird. Der Zeuge … sowie die Zeugin … bestätigen, dass Ausbilder insbesondere bei der Verkündung des Ergebnisses, ob die Prüfung bestanden ist oder nicht, nicht anwesend sein dürfen, sondern nur der Prüfling selbst. Dennoch ist nach den Aussagen der Zeugen … und … die Zeugin und Ausbilderin des Klägers, Frau …, bei der Verkündung des Prüfungsergebnisses des Klägers im Prüfungssaal anwesend gewesen. Als dem Kläger von den Prüfern … und … das Ergebnis samt Begründung mitgeteilt wurde, schritt die Zeugin … nach eigenen Aussagen und der Aussage des Zeugen … mittels Zwischenrufen ein und widersprach dem Ergebnis. Dies führte zum einen dazu, dass sich die Prüfer … und … erneut zur Beratung zurückzogen, um den Einwand der Zeugin … zu diskutieren, sowie dazu, dass der Prüfungsausschussvorsitzende das Ergebnis der Prüfer nachträglich in Frage stellte (vgl. E-Mail vom 11.4.2022). Eine Beeinflussung des Prüfungsergebnisses durch die Aussagen der Ausbilderin … und somit das Vorliegen eines nicht ordnungsgemäßen Verfahrensablaufs kann somit letztlich nicht ausgeschlossen werden. Jedoch ist es die Obliegenheit des betroffenen Prüflings, einen solchen rechtserheblichen Verfahrensfehler rechtzeitig zu rügen. Ein solches Geltendmachen dieses Verfahrensfehlers klägerseits lag jedoch weder im Widerspruchs- noch im Klageverfahren vor. Ob und inwieweit der nicht gerügte Verfahrensfehler das Prüfungsergebnis negativ beeinflusst hat, kann somit offen bleiben.
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2.2.2 In jedem Fall ist jedoch das Vorliegen eines materiell-rechtlichen Mangels zu bejahen, welcher letztlich zur Rechtswidrigkeit der Bescheide führt. Der auf dem Laufzettel, welcher als Protokoll der Prüfung fungierte, vermerkte Fehler, der zum Nichtbestehen des Klägers geführt haben soll, konnte sich in der mündlichen Verhandlung nicht bestätigen. Der Bescheid vom 23. März 2022 sowie der Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 2022 stützt somit auf einer Tatsachengrundlage, von deren Vorliegen das Gericht sich in der mündlichen Verhandlung nicht überzeugen konnte.
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Zunächst ist dabei festzuhalten, dass die Entscheidung über das Prüfungsergebnis nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung wegen des den Prüfern eingeräumten höchstpersönlichen Beurteilungs- und Bewertungsspielraums gerichtlich nur in engen Grenzen inhaltlich überprüft werden darf. Bei der Jägerprüfung handelt es sich nach einhelliger Auffassung nicht um eine berufsbezogene bzw. -eröffnende Prüfung, mit der Folge, dass die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus Art. 12 Abs. 1 GG entwickelten strengen Maßstäbe gerichtlicher Kontrolldichte keine Anwendung finden (vgl. BVerwG B.v. 83.1998 – 6 B 13/99 – juris Rn. 5f.; BayVGH, B.v. 2.8.1999 – 19 ZB 99.1080 – juris Rn. 4; OVG NRW, B.v. 21.11.2011 – 14 A 1899/10 – juris. Rn. 10; VG Würzburg, U.v. 19.2.2021 – W 9 K 20.921 – juris Rn. 40, U.v. 16.6.1999 – W 6 K 99.19 – juris Rn. 24; VG Saarland, U.v. 19.1.2011 – 5 K 1527/09 – juris Rn. 24-28; VG Hamburg, U.v. 19.7.2001 – 14 VG 5199/99 – juris Rn. 19, das i.E. aber dennoch den Prüfungsmaßstab einer berufsgeprägten Prüfung anwenden will), weshalb die fachliche Beurteilung der Leistung durch den dazu berufenen Prüfer erfolgt und nicht durch ein Gericht aufgrund eigener Sachkunde oder mithilfe eines Sachverständigengutachtens ersetzt werden kann (vgl. VGH BW, B.v. 2.10 1998 – 5 S 1830/87 – juris Rn. 7; VG Magdeburg, U.v. 19.9.2013 – 3 A 107/13 – juris Rn. 17; VG Augsburg, U.v. 27.1.2004 – Au 9 K 03.198 – juris Rn. 21, 28). Die gerichtliche Kontrolle des Bewertungsvorgangs ist wegen des Grundsatzes der Chancengleichheit hinsichtlich prüfungsspezifischer Wertungen eingeschränkt, da seitens des Prüfers ein Bewertungsspielraum besteht, der erst überschritten ist, wenn den Prüfungsbehörden Verfahrensfehler unterlaufen, sie anzuwendendes Recht verkennen, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgehen, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzen, sich von sachfremden Erwägungen leiten lassen oder sonst willkürlich gehandelt wurde (vgl. BVerwG, B.v. 28.6.2018 – 2 B 57.17 – juris Rn. 7 mwN; VG Würzburg, U.v. 16.6.1999 – W 6 K 99.19 – juris Rn. 24). Gegenstände des prüfungsspezifischen Beurteilungsspielraums sind etwa bei Stellung verschiedener Aufgaben deren Gewichtung untereinander, die Würdigung der Qualität der Darstellung, die Gewichtung der Stärken und Schwächen in der Bearbeitung sowie die Gewichtung der Bedeutung eines Mangels (BVerwG, B.v. 28.6.2018 – 2 B 57.17 – juris Rn. 8). Die Einmaligkeit der Prüfungssituation und der Grundsatz der Chancengleichheit verbieten es, dass sich ein Prüfling durch Anstrengung eines verwaltungsgerichtlichen Prozesses eine vergleichsrahmenunabhängige Bewertung erschließt, weshalb die verwaltungsgerichtliche Überprüfung einer Prüfungsentscheidung in den prüfungsspezifischen Bezugs- und Vergleichsrahmen nicht eingreifen darf (vgl. VG Würzburg, U.v. 16.6.1999 – W 6 K 99.19 – juris Rn. 24; VG Augsburg, U.v. 27.1.2004 – Au 9 K 03.198 – juris Rn. 21). Im Bereich prüfungsspezifischer Wertungen fungieren die Verwaltungsgerichte daher nicht als „Superprüfungsinstanz“ (vgl. VG Würzburg, U.v. 16.6.1999 – W 6 K 99.19 – juris Rn. 24), sondern sind in ihrer Überprüfungskompetenz daher darauf beschränkt, zu kontrollieren, ob die Grenzen des dem Prüfer zugewiesenen Bewertungsspielraums verletzt sind, ob also eine offensichtliche Fehleinschätzung vorliegt (VG Augsburg, U.v. 27.1.2004 – Au 9 K 03.198 – juris Rn. 28).
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Der Laufzettel beschreibt den Fehler, welcher zum Nichtbestehen der Prüfung geführt hat, darin, dass der Kläger den Repetierer als gesichert angesprochen habe, obwohl dieser entsichert gewesen sei, was einen Fehler des Typs 1 darstelle. Das Vorliegen eines Fehlers des Fehlertyps 1 hat direkt das Nichtbestehen der Prüfung zur Folge (Anlage 1 des Prüfungsleitfadens für den praktischen Teil der Jägerprüfung [Stand 2012] sowie Ziffer IV.1b) des Prüfungsleitfadens für den praktischen Teil der Bayerischen Jägerprüfung [Stand 29.3.2022]). Das Begehen dieses Fehlers durch den Kläger konnte sich in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht bestätigen. Das Gericht konnte sich aufgrund der Feststellungen in der mündlichen Verhandlung durch die Zeugenaussagen nicht davon überzeugen, dass der Kläger diese Aussage tatsächlich getroffen hat. Zwar gab der Zeuge … an, der Kläger habe die Waffe als gesichert angesprochen, obwohl sie entsichert gewesen sei. Dennoch ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass der Kläger tatsächlich diese Aussage getroffen hat. Dies resultiert zum einen daher, dass der Zeuge … sich bereits während der Prüfung dahingehend getäuscht hatte, ob der Kläger die Waffe vor dem Ablegen geschlossen hatte oder nicht. Erst nach dem Hinweis des Klägers bzw. der Zeugin … in der praktischen Prüfung, dass ein solches Schließen der Waffe vom Kläger nicht durchgeführt worden sei, korrigierte der Zeuge … seine zunächst fehlerhaft getroffene Aussage und stellte in der Prüfung fest, dass der Kläger seine Waffe nicht ganz geschlossen hat, sondern nur zu ¾. Somit liegt auch eine weitere Verwechslung nahe, hier also in Form des falschen Verstehens des Sicherungszustands. Zum anderen fand die Prüfung zu Corona-Zeiten statt und die Teilnehmer trugen nach nicht bestrittener Aussage des Klägers eine Maske. Das Tragen einer Maske erschwert zudem oftmals das Verstehen eines genauen Terminus, gerade wenn dieser sehr ähnlich zu anderen Begriffen ist, wie im vorliegenden Fall bei der Beschreibung des Sicherungszustands als „gesichert“, „sicher“, „nicht gesichert“ oder „entsichert“. Die Bewertung des Gerichts wird insbesondere auch dadurch bestätigt, dass der Prüfer … entgegen seiner zunächst schriftlich getätigten Stellungnahme vom 20. April 2022, der Kläger habe den Zustand als „entladen, entstochen und gesichert“ beschrieben, was die Aussage des Zeugen … zunächst stützte, in der mündlichen Verhandlung von seiner damaligen Aussage abrückte und nunmehr angab, der Kläger habe entweder am Ende der Prüfung gesagt, die Waffe sei gesichert oder sicher. An den genauen Wortlaut konnte sich der Zeuge … somit in der mündlichen Verhandlung nun gerade nicht mehr erinnern. Auch der Zeuge …, der angab, die Prüfung zwar nicht visuell, aber akustisch habe wahrnehmen zu können, gab an, sich nicht erinnern zu können, ob der Kläger die Waffe als sicher oder gesichert angesprochen habe. Dies führte er auch bereits in seiner schriftlichen Stellungnahme zum Prüfungsablauf vom 11. April 2022 aus, wo er ebenfalls mitteilte, er hätte die Entscheidung des Durchfallens so nicht getroffen. Die Zeugin …, die als Zuschauerin während der Prüfung anwesend gewesen ist, trug vor, dass der Kläger zweimal zu Beginn der Sicherungsprüfung als auch beim Ablegen der Waffe den Sicherungszustand als „nicht gesichert“ angesprochen habe. Die Glaubwürdigkeit der Zeugin … ist nach Auffassung des Gerichts nicht bereits deswegen in Frage zu stellen, weil es sich bei ihr um die Ausbilderin des Klägers handelt. Sie hat in ihrer Aussage in der mündlichen Verhandlung offen Fehler in ihrer bisherigen Ausbildung ihrer Prüflinge zugegeben und Erinnerungslücken eingeräumt, sodass das Gericht keinen Anlass sieht, die Aussage der Zeugin von vornherein in Frage zu stellen. Die Zeugin brachte authentisch ihr Erstaunen über das Ergebnis der Prüfung zum Ausdruck. Ihre Aussage, dass ihr während der Prüfung keine Fehler aufgefallen sind, wirkte auf das Gericht glaubwürdig. Dabei verkennt das Gericht auch nicht, dass der Zeugin bei der Wahrnehmung des Prüfungsablaufs wohl Bewertungsfehler unterlaufen sind. Diese stellen jedoch nach Auffassung des Gerichts ihre Darstellung der tatsächlichen Geschehensabläufe nicht in Frage.
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Das Gericht konnte nach alledem nicht die Überzeugungsgewissheit finden, dass der Kläger in der praktischen Jägerprüfung den Zustand der vorgelegten Waffe fälschlicherweise als „gesichert“ bezeichnet hat. Die hierauf fußende Bewertung der Prüfung aufgrund des Vorliegens eines Fehlers des Typ 1 im Sinne des Prüfungsleitfadens für den praktischen Teil der Jägerprüfung (Stand 2012 bzw. Stand 29.3.2022) als nicht bestanden, kann also keinen Bestand haben.
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Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass im Rahmen der Widerspruchsprüfung von der Prüfungsbehörde zusätzlich ein anderer Grund für das Nichtbestehen des Klägers herangezogen wurde. Es kann dahinstehen, ob der von der Prüfungsbehörde zusätzlich benannte Fehler vorgelegen hat. Jeder nachträglich ermittelte Fehler seitens der Prüfungsbehörde, welcher jedoch nicht von den Prüfern in der Prüfung als solcher erkannt und angesprochen wurde, kann später nicht mehr zum Durchfallen des Klägers führen bzw. zur Bestätigung des Ergebnisses herangezogen werden. Dies ergibt sich aus dem höchstpersönlichen Beurteilungs- und Bewertungsspielraum der Prüfer während der Prüfung. Die fachliche Beurteilung der Prüfung erfolgt allein durch die dazu berufenen Prüfer in der Prüfungssituation (s.o.).
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Aufgrund des aufgezeigten Bewertungsfehlers sind die Bescheide vom 23. März 2022 und 13. Juni 2022 rechtswidrig und dem Kläger steht ein Anspruch auf Gestattung einer (erneuten) Wiederholungsmöglichkeit zu. Dies entspricht im Übrigen auch der ersten Einschätzung des Prüfungsausschussvorsitzenden … in seiner E-Mail vom 17. Mai 2022, in der dieser empfahl, den Kläger die Prüfung 22/2 kostenfrei wiederholen zu lassen aufgrund der widersprüchlichen Angaben aller Beteiligten.
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3. Die Kostenentscheidung folgt zum einen aus §§ 155 Abs. 2 VwGO, da der Kläger zwei seiner Anträge in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat, und zum anderen aus § 154 Abs. 1 VwGO, nachdem die Beklagtenseite im Übrigen unterlegen ist. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.